Lithium-Förderung in Bolivien vor dem Hintergrund der Eigenschaften natürlicher Ressourcen


Mémoire (de fin d'études), 2012

82 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die These vom Fluch der natürlichen Ressourcen

3. Direkter marktbasierter Wirkungskanal
3.1. Dutch-disease
3.2. Die Prebisch-Singer-Hypothese und volatile Preise

4. Indirekter institutioneller Wirkungskanal
4.1. Verfügungsrechte, Wachstum und natürliche Ressourcen
4.2. Qualität der Institutionen
4.3. Verzerrungen auf der politischen Ebene

5. Zusammenfassung und Ausblick

6. Bolivien
6.1. Anzeichen des direkten Wirkungskanals
6.2. Anzeichen des indirekten Wirkungskanals
6.3. Fazit

Appendix A

Appendix B

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Struktur der Erklärungsansätze

Abbildung 2: Wechselkurserhöhung durch vermehrten Rohstoffexport

Abbildung 3: Endogenitätsdebatte

Abbildung 4: Qualitätskonzepte in Mehlum et al. (2006b)

Abbildung 5: Allokation der Unternehmer in Produktions- oder rent-seeking Gruppe

Abbildung 6: Wachstumshemmende Qualität der Institutionen

Abbildung 7: Neues Endgleichgewicht durch verbesserte Qualität der Institutionen

Abbildung 8: Wirkung eines Ressourcenbooms bei guter Qualität der Institutionen

Abbildung 9: Wirkung des Ressourcenbooms bei einer schlechten Qualität von Institutionen

Abbildung 10: Entwicklung der Wachstumsraten des bolivianischenBIPs

Abbildung 11: Negativer Zusammenhang zwischen BIP und Exportanteil von Rohstoffen am BIP

Abbildung 12: Anteile der Sektoren am BIP

Abbildung 13: Wachstumsraten der pointed-resources in den Jahren 2000 bis 2011

Abbildung 14: Entwicklung des realen Wechselkurses zum Basisjahr 1990 bis 2009

Abbildung 15: Pro Kopf Einkommen im Zeitverlauf

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Risikoindizes

Tabelle 2: Die Worldwide-Governance-Indicators für Norwegen, Chile, Nigeria und Bolivien

Tabelle 3: Leichtigkeit der Geschäftstätigkeit

Tabelle 4: Human Development Index von Norwegen, Chile, Bolivien und Nigeria

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

In Bolivien steht die Stadt Potosí sinnbildlich für eine verpasste nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung durch Ressourcen. Um das Jahr 1545 übernahmen die spanischen Eroberer in der 4000 Meter hoch gelegenen Andenstadt den einst höchst lukrativen Silberabbau. Zwischen dem 16. und 17. Jahrhundert finanzierte die Spanische Krone mit jenem Silber große Teile ihrer Staatsausgaben. Die Stadt prosperierte innerhalb von 30 Jahren zu einer der reichsten und größten Städte der gesamten damaligen Welt (Good 2006, S. 18). Heute dagegen zählt Potosí zu den ärmsten Regionen Boliviens (Feil et al. 2011). In naher Zukunft allerdings könnte dort wieder ein international sehr begehrter Rohstoff abgebaut werden: Lithium.

In der internationalen Presse wird deshalb gemutmaßt, dass Bolivien[1] wieder eine Chance auf Wohlstand durch einen seiner Bodenschätze in Aussicht hat, ja sogar das Saudi-Arabien Südamerikas werden könnte (Power 2010). Durch seine natürlichen Reserven an Lithium könnte Bolivien eine international wachsende Nachfrage nach dem Rohstoff lukrativ für sich nutzen.[2] Die dortigen geschätzten Volumina von Lithium liegen laut einer Studie des Umweltbundesamts (2011, S. 11) zwischen 5.500.000 t und 9.000.000 t. Diesen Angaben zufolge ist Bolivien im weltweiten Vergleich damit im Besitz der größten Reserven an Lithium[3]. Das Leichtmetall ist derzeit noch für die Produktion von Akkus, beispielsweise in Handys, Computern und elektrisch angetriebenen Fahrzeugen nötig. Sollte es also in der Autoindustrie tatsächlich zu einem Systemwechsel vom Verbrennungsmotor zum elektrischen Antrieb kommen, so ist ceteris paribus ein wachsender Bedarf von Lithium sehr wahrscheinlich. Auf den ersten Blick könnte sich der Lithiumexport also als eine neue Wohlstandsquelle für die Bolivianer herausstellen. Es widerspricht zwar den allgemeinen Vermutungen, dass eine besondere Anfangsausstattung zu Wohlstand führt (Deacon und Mueller 2006, S. 23), doch sind Rohstoffexporte mit besonderen facettenreichen ökonomischen, sozialen wie politischen Problemen verbunden. In den Wirtschaftswissenschaften ist dieses Phänomen als natural-resource-curse bekannt und die Multinationale Republik Bolivien stellt ein sehr interessantes Beispiel dafür dar, weil dessen Ökonomie seit je her stark vom Ressourcenexport geprägt ist und einige Forscher darin auch den Grund für die bis heute andauernde Armut im Land sehen (Auty und Evia 2001).

Der „resource-curse“ - auch bekannt als das „paradox-of-plenty“ - bezeichnet das noch ungeklärte Phänomen einer relativ zum weltweiten Durchschnitt langsamer wachsenden Volkswirtschaft, die ein großes Kapital an wertvollen natürlichen Ressourcen[4] besitzt. Grundsätzlich wird beim Thema resource-curse zu Konzepten geforscht, die ökonomische Entwicklungsdivergenzen erklären, beteiligte sowie relevante Einflussfaktoren entschlüsseln und deren Wirkungszusammenhänge offenzulegen versuchen. Hierbei ist die Neue Institutionen Ökonomie, die sich mit der Wirkung von Regelrahmen auf das ökonomische wie politische Handeln befasst zur theoretischen Basis der resource-curse Forschung geworden. Die aktuellere Literatur befasst sich daher überwiegend mit den verschiedenen Institutionen in den Ökonomien als Erklärungsursache für die divergenten ökonomischen Entwicklungen (Kaufmann et al. 2003, S. 339).

Weltweit ist zu beobachten, dass gerade Rohstoffexport abhängige Länder auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene oft kein stabiles und hohes Wohlstandsniveau erzielt haben. Vielmehr sind Korruption, Machtmissbrauch, gewaltsame Konflikte und instabile politische Situationen mit diesen Ländern (z.B. Bolivien) verknüpft. Einige Nationen konnten jedoch ihre wertvollen Ressourcen zum Wohlstand und langfristigen Wachstum nutzen (Lederman et al. 2008, S. 2). Botswanas Diamantenreichtum beispielsweise ist für dessen Bevölkerung erwiesenermaßen zu einem wirtschaftlichen Segen geworden. Im Durchschnitt wuchs die dortige Wirtschaft seit 1960 um 7% jährlich (Fosu 2011a) und nach Acemoglu et al. (2003) ist Botswana sogar seit 35 Jahren das Land mit dem höchsten BIP-Wachstum pro Kopf weltweit. Wohingegen Nigeria zum Lehrstück des Fluchs von Ressourcenreichtum wurde. Dort stagniert das BIP pro Kopf auf dem Niveau von 1965, obwohl sich bis zum Jahr 2000 die Einnahmen pro Kopf aus dem Ölhandel verzehnfacht haben (Sala-i-Martin und Subramanian 2003).

Neben dem BIP-Wachstum pro Kopf wird auch die meist ineffiziente Allokation durch den Staat in der resource-curse Literatur behandelt. So fällt auf, dass 40 Länder weltweit mindestens 30% ihres Staatsbudgets mit Öleinnahmen finanzieren. Die Mehrheit hat einen beträchtlich niedrigeren Human-Development-Index (HDI) Rang als BIP Rang (2006b, S. 1118). Dies impliziert geringere Entwicklungsraten der Länder in Bezug auf Gesundheitsversorgung, Bildungschancen und folglich auch auf das langfristige wirtschaftliche Wachstum. Auch Bolivien, mit seinem niedrigen HDI Rang von 108[5], reit sich in dieses Muster ein, trotz relativ großen BIP Wachstumsraten in den letzten 12 Jahren. Besonders, für die ressourcenreichen Entwicklungsländer ist daher die wirtschaftswissenschaftliche Antwort auf die ökonomische Logik hinter der resource-curse These von zentraler Bedeutung. Schließlich benötigen sie alsbald eine erfolgreiche ökonomische Entwicklungsstrategie, um einen höheren Lebensstandard für ihre Bevölkerung zu erreichen.

Ziel dieser Arbeit ist die systematische Darlegung und Erörterung der Erkenntnisse der resource-curse Forschung, über die ökonomischen wie politischen Wirkungskanäle eines Ressourcenbooms. Dabei wird besonders auf die Bedeutung der Qualität von formelle Institutionen[6] auf politischer und ökonomischer Ebene eingegangen. Der spezielle Fokus liegt dabei auf der Wachstumsbedeutung der Verfügungsrechte, als eine der zentralen Institutionen im Falle eines Ressourcenbooms. Als Klärungsmethode der Forschungsfrage wurde in dieser Arbeit die verbal analytische Methode gewählt. Das Erklärungsmodell von Mehlum et al. (2006b) dient für die Einschätzung der Folgen eines Lithiumbooms in Bolivien dabei als Grundlage. Die Qualität der Institutionen, welche bereits vor einem Ressourcenboom besteht wird als Prämisse für das langfristige Ergebnis darin erörtert.

Des Weiteren werden in der vorliegenden Arbeit empirische Publikationen zur Untermauerung der theoretischen Argumentation verwendet.

Darauf aufbauen ist der wissenschaftliche Beitrag dieser Arbeit die Anwendung der dargelegten Theorien, am Fallbeispiel Boliviens. Die potentielle Wirkung eines Lithiumbooms auf das langfristige Wachstum der bolivianischen Wirtschaft wird dazu erörtert. Hierzu werden Hinweise auf den resource-curse in der jüngeren Geschichte Boliviens untersucht.

Kapitel 2 bietet zunächst eine kurze Diskussion zum gewählten normativen Ziel des Wirtschaftswachstums. Anschließend befasst sich die vorliegende Arbeit mit der Darstellung der Forschungsansätze zur These und ihrem wissenschaftsgeschichtlichen Verlauf. In Kapitel 3 und 4 werden die Forschungsansätze zur Wirkung eines Ressourcenbooms auf das langfristige ökonomische Wachstum, in den direkten und indirekten Wirkungskanal gegliedert und näher erläutert. Der indirekte Wirkungskanal der Institutionen nimmt dabei in Kapitel 4 den Kern dieser Arbeit ein. Dies äußert sich entsprechend durch die spezielle Erörterung des Modells von Mehlum et al. (2006b) zur Rolle der Qualität von Institutionen. Kapitel 5 fasst die Theorie und Forschungsaussicht zusammen. Mit Kapitel 6 endet die vorliegende Arbeit durch die Anwendung der dargelegten Theorien am Fallbeispiel der Multinationalen Republik Boliviens und der Beantwortung der Forschungsfrage.

2. Die These vom Fluch der natürlichen Ressourcen

Zunächst ist es sinnvoll, den vielfach gebrauchten Begriff des Wachstums kurz näher zu betrachten und zu begründen, um eine präzise Definition des Analyseobjekts (Wirkungszusammenhang von Ressourcen und Wachstum), seiner Merkmale und seiner Wirkungsweisen zu ermöglichen. Anschließend wird die These vom Fluch der natürlichen Ressourcen vorgestellt.

Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs Wirtschaftswachstum gibt es nicht (Woll et al. 2008). Darunter wird in der Volkswirtschaftslehre allerdings meist die Zunahme der Leistungsfähigkeit der gesamten Ökonomie verstanden (Gabler 2010). Was diese Leistungsfähigkeit ausmacht und wie diese gemessen wird, ist allerdings noch in der fachlichen Diskussion. Bisher wird aber üblicher Weise unter wirtschaftlicher Entwicklung die Ausweitung der Produktionsmöglichkeitskurve (Transformationskurve) verstanden (Behrman und Srinivasan 1995, S. 2111). Dieses impliziert zunehmende Produktion bzw. Einkommen, welche bisher wiederum als Indikatoren für Wirtschaftswachstum gelten.

Für den weiteren Verlauf dieses Textes wird „Wachstum“ als die Änderungsrate der inländischen Produktion bzw. des realen Einkommens pro Kopf innerhalb einer bestimmten Periode definiert. Die Verwendung erfolgt aus praktischen Bearbeitungsgründen, da die Mehrzahl der zitierten Forschungsarbeiten diese oder sehr ähnliche Annahmen verwenden. Diesen Definitionen liegt ein normativer Zusammenhang zwischen Lebensqualität und dem zur Verfügung stehenden Einkommen zugrunde. Allerdings, auch wenn ökonomisches Wachstum unerwünschte negative Externalitäten aufweist (z.B. Umweltverschmutzungen), ist tendenziell davon auszugehen, dass ökonomisch geringer entwickelte Länder einen ebenso geringeren Lebensstandard vorweisen. So ist meistens die Versorgung mit sauberen Trinkwasser schlechter oder die Qualität der medizinischen Versorgung der gesamten Bevölkerung geringer (Acemoglu 2009, S. 7). Insofern erscheint diese Argumentation der Verknüpfung von Wachstum, dem Einkommen pro Kopf und den wünschenswerten Lebensumständen von Menschen legitim. Weiter dienen auch in dieser Arbeit, Indexe wie der Human-Development-Index zur differenzierteren Betrachtung der Lebensumstände, wie in einigen der Publikationen[7] die präsentiert werden. Auf eine detaillierte Diskussion über diese Indexe und deren Aussagekraft wird, aufgrund ihrer allgemeinen Verwendung in der Literatur, verzichtet.

Im folgenden Abschnitt wird die resource-curse These vorgestellt. In der Fachliteratur wird damit eine langfristige negative Auswirkung der Förderung erschöpfbarer wertvoller Ressourcen auf die Entwicklung einer Volkswirtschaft bezeichnet. Mit der markanten Formulierung vom „Fluch der natürlichen Ressourcen“ prägte Richard M. Auty (1993) die wirtschaftswissenschaftliche Literatur über langfristige Wachstumsstrategien, in Bezug auf Rohstoffe, wohl am stärksten (Frankel 2010). Obwohl er sich dabei auf vorherige Bezeichnungen und Forschungsergebnisse bezog. Schon Gelb (1988) bringt mit seinem Titel „Oil windfalls: blessing or curse?“ Ressourcen mit einem Fluch in Verbindung. Daher ist der Begriff „resource curse“ nicht einem partikularen Autor zuzuscchreiben.

Autys Auffassung nach, stelle der Reichtum und der Exporthandel von natürlichen Ressourcen eine bedeutende entwicklungspolitische Herausforderung dar und führe nicht automatisch zu langfristigen Wohlstand einer Nation. Als Beispiel weist er auf die Entwicklung von Korea und Taiwan hin, die sich erfolgreicher industrialisiert hätten als ressourcenreiche Länder, wie Mexiko und Brasilien. Aus seiner Forschung zieht er vier Schlussfolgerungen (Auty 1994). Je reicher ein Land an wertvollen Ressourcen ist: 1. desto länger kann eine nachlässige makroökonomische Strategie politisch durchgesetzt werden; 2. desto weniger Druck besteht eine international konkurrenzfähige Industrie zu entwickeln; 3. desto länger werden rent-seeking[8] Aktivitäten toleriert und können sich systematisch etablieren; 4. desto größer wird die Wahrscheinlichkeit von immer langsamerem und ungleichmäßigerem Wachstum.

Diese vier Risiken sind laut Auty mit der Wachstumsstrategie des Exports natürlicher Ressourcen verbunden. Allerdings weist er auch auf andere signifikante Wachstumsfaktoren wie etwa Bildung hin. Diese konnte später durch eine empirische Überprüfung von Sala-i-Martin, Doppelhofer und Miller (2004) bestätigt werden.[9] Damit hob Auty hervor, dass Ressourcen nicht per se über das Wohl einer Ökonomie entscheiden und negative Auswirkungen keine feststehenden Gesetze, sondern eher eine starke Tendenz sind. Wohlüberlegte wirtschaftspolitische Maßnahmen können diese jedoch überwinden (Auty 1994, S. 24) sowie eine Pareto Verbesserung für die gesamte Wirtschaft möglich machen (Edwards und van Wijnbergen 1989, S. 1485)[10]. Seine ersten drei Schlussfolgerungen betreffen die wirtschaftspolitische Ebene eines Staates, auf welche in Kapitel 4 näher eingegangen wird.

Vor allem seine vierte Hypothese des langsameren Wachstums, wurde zur grundlegenden Annahme in darauf folgenden richtungsweisenden empirischen Publikationen von Jeffrey D. Sachs und Andrew M. Warner (1995). Sie versuchten mit Hilfe, einer in den 1990er Jahren modernen statistischen Methode (Lederman et al. 2008, S. 2) für die Wirtschaftswissenschaften, mehr Licht ins Dunkel über die Wachstumswirkung von Ressourcen zu bringen. Mit ihrer cross-country Vergleichsstudie (basierend auf Daten von 1970-1989) überprüften und verifizierten sie erstmalig die 4. Hypothese von Auty, über den inversen Zusammenhang. Damit erhielt die resource-curse These einen enormen Schub in der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung.[11] Es folgten etliche weitere unabhängige cross-country Studien, die die Ergebnisse von Sachs und Warner untermauerten. Des Weiteren wurden auch noch andere negative Zusammenhänge empirisch entdeckt. So scheinen Ressourcen ebenfalls mit Wachstumsfaktoren wie Investitionen, Bildungsniveau und dem Export anderer Industriegüter invers korreliert zu sein (Gylfason 1999, S. 14, Gelb 1988, Sachs und Warner 1995, Alexeev und Conrad 2011).

Allerdings ist bis zur Erstellung dieser Arbeit aus theoretischer und empirischer Forschung nicht umfassend und eindeutig geklärt, ob diese gemessene negative Korrelation den endgültigen Rückschluss erlaubt, dass „Ressourcenreichtum“ ursächlich in Verbindung steht mit einem langsameren Wachstum der Ökonomie.[12] Für die vorliegende Arbeit ist jedoch eher relevant, dass durch den fehlenden empirischen Nachweis des negativen Zusammenhangs, die Vernachlässigung der starken Indizien die bisher erbracht wurden nicht legitimiert wird.[13] Vielmehr kann aufgrund der zahllosen Forschungsergebnisse davon ausgegangen werden, dass Ressourcen eine negative langfristige Wachstumswirkung anhaften kann, dies aber kein unabwendbares Schicksal ist (Sinnott et al. 2010). Die dahinter liegenden Mechanismen, die sich in den Ergebnissen der positivistischen Forschung wiederspiegeln gilt es durch weitere theoretische Forschungen offen zu legen.

Das Ressourcen per se, also lediglich ihr Besitz Wachstums hinderlich ist, kann jedoch bezweifelt werden.[14] Dazu gibt es zu viele historische Beispiele von wirtschaftlich erfolgreichen Nationen (trotz oder wegen ihrer Ressourcen), wie beispielsweise Norwegen, Chile, Malaysia oder Indonesien.[15] Die Existenz solcher „Gewinner“ deutet darauf hin, dass bestimmte Mechanismen am Werk sind, die zum Misserfolg einer Ökonomie führen und nicht die Anfangsausstattung an natürlichen Ressourcen an sich. Daher sind einige Forscher der Ansicht das Phänomen sollte umbenannt werden, um keine missverständlichen Implikationen zu suggerieren. Zumal dem Begriff „Fluch“ etwas Vorherbestimmtes und Unveränderliches anhaftete, doch geringes Wachstum und Konflikte eben nicht durch die reine Existenz von Ressourcen determiniert würden, sondern menschliches Handeln dahinter stehe. Daher empfiehlt Stevens (2003, S. 9) vom resource-impact zu sprechen, um diese Veränderbarkeit zu unterstreichen, denn anscheinend ließen sich einige Forscher alleine durch die Bezeichnung irritieren (Kropf 2010). Allerdings wird dies im weiteren Verlauf der Arbeit als unnötig betrachtet. Denn selbst, wenn Ressourcen geringes Wachstum determinieren würden, müsste eine Verhaltenswissenschaft wie die Ökonomie erklären können, wie dies geschieht.

Seit Autys kontrovers diskutierter Bezeichnung des Phänomens, gab es daher nicht nur auf der empirischen sondern auch auf der theoretischen Forschungsebene Neuorientierungen in den Erklärungsansätzen. Die ökonomische Wirkung von Ressourcen wird zunehmend als eine indirekte gesehen, die durch Modelle aus der Neuen Institutionenökonomie (NIÖ) analysiert wird. Hierdurch werden die makroökonomischen Erklärungsmodelle[16] zunehmend in der aktuelleren Literatur verdrängt als Analyseinstrumente der ursächlichen Zusammenhänge. In Abbildung 1 werden die beiden grundlegenden theoretischen Erklärungsansätze in Bezug auf die Zusammenhängen zwischen einem Ressourcenboom und der langfristigen Leistungsentwicklung einer Ökonomie schematisch dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Struktur der Erklärungsansätze

Quelle: Eigene Darstellung

3. Direkter marktbasierter Wirkungskanal

Die folgenden Kapitel dienen zur vollständigen Darlegung der Erklärungsansätze des Fluchs natürlicher Ressourcen sowie zum erleichterten Verständnis der Entwicklungen in der Forschung dieses Themas. Zu Beginn werden die Theorien der sogenannte dutch-disease und des crowding-out Effekts (Verdrängungseffekt) einführend behandelt, die zu den ersten Erklärungskonzepten des resource-curse gehören. Anschließend die Prebisch-Singer Hypothese und das Problem der volatilen Rohstoffpreise.

3.1. Dutch-disease

Diese Theorie beschreibt eine folgenreiche Reallokation zwischen dem aufstrebendem Ressourcensektor und den übrigen bereits etablierten Export orientierten Wirtschaftssektoren eines Landes. Im Falle einer zu starken Konzentration bzw. Abhängigkeit der Ökonomie von Ressourcenexporten, kann sich das Ausmaß der Reallokation (der Arbeitskräfte, Investitionen usw.), laut der Theorie langfristig negativ auswirken auf das Wachstum.

Die Bezeichnung bezieht sich auf die Niederlande, wo sich in den 1960er Jahren nach der Entdeckung eines Erdgasvorkommens ein negativer makroökonomischer Prozess sich in Gang setzte, der die gesamte niederländische Wirtschaftsleistung senkte (Cordon und Neary 1982, sowie Corden 1984). Allerdings schreibt Gylfason (2011, S. 15) dazu, dass sich die niederländische Wirtschaft schnell wieder erholte. Es sich folglich um ein kurzfristiges Ereignis handeln kann.

Der negative Wachstumseffekt resultiert aus dem starken Anstieg des realen Wechselkurses, welches den Absatz von anderen Exportgütern hemmt, da diese für die ausländische Nachfrage nun teurer geworden sind. In Abbildung 2 ist der Mechanismus illustriert dargestellt, wobei P den realen Wechselkurs bzw. die Kaufkraft der heimischen Währung darstellt. Diese steigt von p1 auf p2, aufgrund der gewachsenen Rohstoffexporte und spült Devisen (dᵣ) in die Ökonomie, mit denen ein größeres Importvolumen finanziert werden kann. Die Deviseneinnahmen aus dem Nicht-Ressourcen Sektor sinken (von d auch dᵍ).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Wechselkurserhöhung durch vermehrten Rohstoffexport

Quelle: In Anlehnung an Darstellung aus Gylfason (2011)

Schlussendlich kann es zum crowding-out Effekt kommen. Dieser bezeichnet die langfristige Verdrängung des Verarbeitenden Gewerbes aufgrund fehlender Konkurrenzfähigkeit durch zunehmenden realen Wechselkurs. Daraufhin vollzieht sich eine Reallokation von Kapital, Arbeit und Land weg von der Handelsgüterproduktion, hin zum Ressourcensektor (Frankel 2011, S. 171). Die Produktion in Nicht-Ressourcensektoren sinkt, weil diese Exportgüter des Landes nun zu teuer für die ausländische Nachfrageseite werden. Wird dieser Rückgang der internationalen Nachfrage dann nicht durch eine gestiegene Inlandsnachfrage kompensiert, können die Einbußen in den betroffenen Sektoren insgesamt die Gewinne aus den Rohstoffexporten übersteigen. Dies stellt einen allgemeinen Rückgang der Wirtschaftskraft dar.

Zusätzlich, wird die Konkurrenz für inländisch produzierte Güter größer, aufgrund günstigerer Importwaren. Dies führte zur Befürchtung einer sogenannten De-Industrialisierung (Corden und Neary 1982), also der Angst vor einem Niedergang der heimischen Produktion, dem Verlust an Arbeitsplätzen und der Abhängigkeit vom Ausland. Grundsätzlich ist es zwar richtig, dass eine überwertete Währung für den heimischen Exporthandel problematisch ist, weil sie den Wettbewerb im Inland verstärkt, dass dies jedoch langfristig schlecht für die gesamte inländische Wirtschaft sein muss wird stark bezweifelt (2011, S. 15). So fanden zum Beispiel Sachs und Warner (1995) in einer cross-country Panel Studie eine positive Korrelation zwischen dem Grad der wirtschaftlichen Offenheit und Wachstum. Vor allem aber erfolgreiche Ökonomien und Gesellschaften, wie die Niederlande und Norwegen sind als Gegenargument zur Angst vor einer De-Industrialisierung und internationalem Wettbewerb zu nennen.

Allerdings können sich Reallokationen, wie die der dutch-disease langfristig negativ aufs Wachstum auswirken, nach Auffassung von Gylfason et al. (1999) sowie Sachs und Warner (2001). Sie sehen eine Gefahr in der Reallokation des Kapitals, der Investitionen und der Arbeitnehmer aus dem High-Tech und High-Skill-Sektoren (Service und Manufaktur) hin zum Low-Tech und Low-Skill-Sektor des Ressourcenabbaus.[17] Hierbei nehmen die Befürworter dieser Theorie allerdings an, dass Manufaktur durch spillover Effekte (wie Forschung & Entwicklung effizientere Produktionstechnologien) oder externe Effekte (z.B. learning-by-doing Krugman 1987) stimulierender auf das Wachstum wirkt, als die industrielle Förderung von Bodenschätzen (Matsuyama 1992, Auty 1998, S. 6). Was jedoch bislang noch nicht als wissenschaftlich gesichert gilt (Deacon und Mueller 2006). In Hinblick auf dieses Argument weist Larsen (2006, S. 621–624) darauf hin, dass sich die offshore Ölförderung zu einem High-Tech und High-Skill-Sektor in Norwegen etabliert hat. Laut Larsen, kam es nicht zu einem spillover-loss an Entwicklungsimpulsen (Produktivitätssteigerungen oder neuen Produktideen). Somit, durchaus Wachstumsimpulse durch technischen Fortschritt von diesem Wirtschaftssektor des Landes ausgehen.

Außerdem wird die dutch-disease mit einem Ausgabeneffekt verbunden (Larsen 2006, S. 608). Dies bedeutet, dass der Staat oder Produzenten mehr importieren aufgrund der gestiegenen inländischen Kaufkraft. Die heimische Produktion sinkt dadurch weiter und es werden noch mehr Güter importiert. Aufgrund der gestiegenen Kaufkraft sowie des Werts der Währung als Sicherheit für Kredite, ist es für die Regierung nun verlockend das Kreditvolumen zu vergrößern.

3.2. Die Prebisch-Singer-Hypothese und volatile Preise

Singer und Prebisch entwickelten 1950 eine Strategie der Import Substitution Industry (ISI) die vor allem in Lateinamerika wirtschaftspolitische Konsequenzen nach sich zog (Auty 1990, S. 9). Ihre Theorie basierte auf historischen Beobachtungen der Preisentwicklung. Sie waren der Auffassung, dass die Nachfrage nach Rohstoffen das Erscheinen von prosperierenden Regionen wie den USA, Kanada und Australien auslöste. Deren Wirtschaftswachstum basierte zuerst auf dem Export von Rohstoffen. Im späten 19 Jahrhundert dagegen, war der Export von Rohstoffen assoziiert mit Regionen, die weit entfernt waren von einer florierenden und diversifizierten Wirtschaft. Sie waren durch schlechtere Relativpreise eher in einer Abhängigkeitssituation gegenüber Industrie und Service orientierten Wirtschaften geraten. Daraufhin schlugen Prebisch und Singer eine Wachstumsstrategie vor, die sogenannte Import Substitution Industry. Die heimischen Märkte und Industrien sollten durch Zölle geschützt werden, damit sie sich entwickeln könnten. Die Idee war es z.B. eigene Autos herzustellen und so Wissen und spill-over Effekte (learning-by-doing, Innovationsideen usw.) für andere heimische Industrien zu generieren. Ihrer Theorie nach gibt es eine Asymmetrie in der Preisentwicklung von Rohstoffen und Industriegütern. Bei Ersteren würde es zu einem Preisverfall und damit zu sinkenden terms-of-trades im Zeitverlauf kommen. Durch die stärkere Konkurrenz würde jeglicher Effizienzgewinn in der Produktion, zu einer Preissenkung führen statt die Gewinnspanne zu erhöhen. Dadurch würden die Wachstumspfade der verschiedenen Ökonomien von einander divergieren.

Vor allem in Südamerika war das wirtschaftspolitische Experiment der ISI politisch populär (Lederman et al. 2008). Was allerdings in einer ineffizienten Produktion endete, die dem internationalen Wettbewerbsdruck nicht standhielt sobald die Märkte geöffnet wurden (Gylfason 1999, S. 20). Durch die fehlende Konkurrenz der Importe hatten die Unternehmen keinen Anreiz ihre Produkte zu optimieren.

Laut Radetzki (2011, S. 46) resultiert der Rückgang der Rolle des Ressourcensektors aus dem natürlichen Prozess des Wirtschaftswachstums. Effizienteren Produktionstechniken, die weniger Rohstoffinput benötigen lassen die aggregierte Wirtschaft schneller, als den Ressourcensektor wachsen. Daher würde die Rohstoffproduktion kein langfristiges Wachstum für eine Ökonomie sichern.

Bis heute gibt es zur Prebisch-Singer-Hypothese noch keine eindeutigen empirischen Ergebnisse (Radetzki 2011, S. 46). Allerdings weist vieles darauf hin, dass die Spezialisierung auf den Rohstoffexport langfristig ein geringeres Wachstum erbringt, als eine differenziertere Aufstellung der Wirtschaft (Murshed und Serino 2011). Dies würde auch die Ergebnisse von Sachs und Warner (1995) in Hinblick auf die resource-curse These erklären. Nur dass es nicht um den Ressourcenreichtum geht, sondern um die Ressourcenabhängigkeit, die der Spezialisierung auf Rohstoffexporte entspricht, wie schon Brunnschweiler und Bulte (2008) anmerken. Collier und Goderis (2012) untersuchen in einer empirischen Langzeitstudie den Zusammenhang zwischen Rohstoffpreisentwicklungen[18] und Wachstum. Sie kommen zum Ergebnis, dass Ressourcenbooms einen kurzzeitigen direkten Einkommensgewinn bedeuten, der allerdings langfristig dominiert wird von negativen Folgen durch schlechte politische Koordination mit Allokationsfehlern als Konsequenz. Daher seien nicht die Rohstoffpreisentwicklungen nicht direkt verantwortlich für geringeres Wachstum.

Eine weitere wirtschaftliche Komplikation stellen die hoch volatilen internationalen Ressourcenpreise da. Zum Beispiel werden enorme Unsicherheiten generiert über den Verlauf des realen Wechselkurses, wodurch in Folge Investitionen gemindert werden aufgrund Planungsunsicherheit auf unternehmerischer und staatlicher Ebene (Stevens 2003, S. 12).

Cavalcanti, Mohaddes und Raissi (2012) sehen deshalb sogar in den volatilen Preisen die Ursache für den Ressourcenfluch. Diese These unterstützen Leong und Mohaddes (2011) die in einer empirischen Studie 112 Länderdaten -auch Bolivien- im Zeitraum von 1970 bis 2005 untersuchten. Die unsicheren Rohstoffpreise reduzieren ihrer Forschung nach, die Akkumulation von physischem und Humankapital. Welche, wie oben erläutert nach geltender Wachstumstheorie und empirischen Studien unabdingliche Faktoren für eine gute ökonomische Entwicklung sind. Michaels (2010) untersuchte die Langzeitwirkung einer Spezialisierung auf den Ölexport, der starken Preisschwankungen unterliegt und sieht die Ursache für fehlgeschlagenes Wachstum eher in einer schwachen Wirtschaftsordnung des jeweiligen Landes. Was auch oben genannte Ergebnisse von Cavalcanti et al. (2012) und Leong und Mohaddes (2011) sind. Letztere sehen kurzfristige wirtschaftspolitische Handlungsmöglichkeiten in dem Glätten der Einkommen durch einen Stabilisierungsfond.[19] Dieser spart in Hochpreisphasen einen Teil der Einnahmen, um diese in Tiefpreisphasen wieder zu investieren, was das intertemporale Optimierungsproblem lösen soll. Allerdings sei die Verbesserung der Finanzmärkte ein entscheidender Schritt, damit Haushalte und Unternehmen die Unsicherheiten durch volatile Wechselkurse mindern können. So könnten Investitionsanreize geschaffen werden, die unabhängig von den Rohstoffpreisentwicklungen sind.

4. Indirekter institutioneller Wirkungskanal

Die nachfolgenden Kapitel sollen einen Einblick in den political-economy Bereich der resource-curse Forschung ermöglichen. Der Analyseansatz dieser Publikationen liegt auf der Qualität von Institutionen als Erklärungskonzept sowie ihrer Verschlechterung durch einen Ressourcenboom meist via rent-seeking, Korruption, Fraktionierung[20] und Schwächung der Verfügungsrechte.

In Kapitel 4.1. wird zunächst kurz die Neue Institutionenökonomik zu den in Kapitel 3 skizzierten marktbasierten Ansätzen abgegrenzt sowie der vermutete Zusammenhang zwischen Institutionen und Wachstum erläutert. Anschließend wird in Kapitel 4.2 auf die Qualität von Institutionen eingegangen. Eine theoretische Erklärung zur Rolle dieser Qualität liefert das Modell von Mehlum et al. (2006b), welches im zweiten Teil dieses Unterkapitels vorgestellt wird. Darauf folgt in Kapitel 4.3. eine Auswahl von aktuell diskutierten Einflussfaktoren und Theorien eines political-resource-curse. Der Fokus liegt dabei auf jenen Erklärungen, die in der Literatur am häufigsten genannt werden und im direkten Zusammenhang mit der Klärung der Forschungsfrage stehen.[21]

4.1. Verfügungsrechte, Wachstum und natürliche Ressourcen

Zum erleichterten Verständnis der grundlegenden Unterschiede zwischen den zwei Erklärungsansätzen (direkter und indirekter Mechanismus), folgt eine kurze Darstellung der Annahmen aus der Neuen Institutionenökonomik (NIÖ). Da die institutionellen Differenzen zu einem der primären und vielversprechendsten Erklärungsansätze geworden sind in der Forschung über ökonomische Entwicklungen (Alonso 2011, S. 938) und Institutionen im Zentrum der NIÖ stehen.

Bei der NIÖ wird die ökonomische Handlungslogik[22] nicht mehr auf die Analyse der Interaktionen von Subjekten auf Märkten begrenzt eingesetzt, sondern ausgeweitet auf andere gesellschaftliche und politische Ebenen. Dies resultiert aus dem Bedarf kollektives Handeln erklären zu können, wo marktbasierte Modelle an ihre Grenzen gestoßen sind. So ist es z.B. intuitiv verständlich, dass ein Ressourcenboom in einem Staat wie Deutschland andere ökonomische und gesellschaftliche Konsequenzen hätte, als in einem Ordnungsrahmen wie beispielsweise Nord-Korea. Doch warum? Die marktbasierten Erklärungen (wie z.B. die dutch-disease) gehen nicht auf strukturelle Unterschiede im Aufbau des Staates oder der Gesetzgebungen ein und können daher auch keine zufriedenstellende Antwort auf diese Frage liefern. Die NIÖ tritt in diese Forschungslücke.

Die formellen institutionellen Differenzen – die vom Menschen gemachten Spielregeln nach North (1990, S. 3) – haben eine Anreizwirkung auf individuelles ökonomisches Handeln. Dies wird als indirekter Wirkungskanal bezeichnet und steht im Zusammenhang mit der langfristigen aggregierten Wirtschaftsleistung einer Gesellschaft (Acemoglu et al. 2005). Dabei geht es um die Frage, welche Bedeutung Regelungen menschlicher Interaktion für die ökonomische Entwicklung eines Landes zukommt (Arrow 2006, S. 976). Es wird vermutet, dass jene Ökonomie ein höheres aggregiertes wirtschaftliches Leistungsniveau erreicht, welche es schafft die konkurrierenden Einzelinteressen von Individuen oder Gruppen in allgemeine wachstumsfördernde Bahnen zu lenken. Dies folgt der Auffassung von North und Thomas (1973), dass effiziente Regeln, Verzerrungen von relevanten Investitionen in wachstumsfördernde Faktoren verhindern (beispielsweise in Humankapital). Zudem sind Institutionen nötig für Kooperationsvorteile bzw. effizientere Verhandlungslösungen, die ökonomisches Wachstum erst ermöglichen (North 1992).[23] Ihrer Auffassung nach sind die von den neoklassischen und endogenen Wachstumsmodellen verwendeten Platzhalter (Y, N, A) nicht passend für die Erforschung der fundamentalen Prozesse, die Wachstum induzieren. Vielmehr seien solche Variablen wie die Kapitalakkumulation „not causes of growth; they are growth“ (North und Thomas 1973, S. 2). Die Regeln des Spiels bzw. die herrschenden Ordnungsrahmen sind demnach für die ökonomische Entwicklung einer Ökonomie (Rodrik et al. 2004) und deren Umgang mit Wachstumschancen mittels Ressourcenexporten entscheidend.

Kritiker sehen jedoch ein Endogenitätsproblem wie beispielsweise die Mechanismen zur Einkommensverteilung oder Sicherungsnetze im staatlichen Sozialwesen. Diese seien doch vielmehr das Ergebnis von Wachstum, da deren Ausgestaltung und Existenz vom herrschenden Einkommensniveau abhängig sei (Frankel 2010, S. 15). Auf der anderen Seite wird argumentiert, dass Individuen erst Anreiz haben in ihr Humankapital und in physisches Kapitel zu investieren und dadurch Wachstum generieren, wenn die Verfügungsrechte gesichert sind. Falls dann ein exogener Schock wie ein Ressourcenboom geschieht, hängt die Entwicklung der Institutionen und die ökonomische Performance nicht mehr vom Einkommensniveau ab (Mehlum et al. 2006b). Es herrscht somit noch keine Klarheit über den Kausalitätszusammenhang von Institutionen und ökonomischer Entwicklung. Jedoch taucht eine vermutete grundlegende Institution vermehrt in der Literatur auf: Verfügungsrecht.

Die fundamentale Bedeutung von gesicherten Verfügungsrechten für das langfristige Wachstum wird von theoretischer Seite (Besley und Ghatak 2010, Demsetz 2009) sowie durch eine wachsende Anzahl von empirischen Hinweisen gestützt (Knack und Keefer 1995, Acemoglu 2001, Acemoglu et al. 2006, Rodrik et al. 2004, Besley und Ghatak 2010).[24] Auch wenn die empirische Seite[25] durch fehlende Einigkeit kein Licht in den Kausalitätszusammenhang von Institutionen und langfristigen ökonomischen Entwicklung bringt – wodurch zumindest eine Verifizierung der Theorie erreicht worden wäre – deutet eine wachsende Zahl an Hinweisen auf einen vielversprechenden Erklärungsgehalt hin (Sinnott et al. 2010, S. 25). Als intuitiv verständliche Beispiele für diese Annahme nennen Acemoglu, Johnson und Robinson (2001, S. 1369) die unterschiedlichen Entwicklungen von Ost- und Westdeutschland sowie Nord- und Südkorea. Die ökonomische Idee dahinter ist, dass Verfügungsrechte als Anreiz für Innovationen[26] und Investitionen dienen, in dem sie Unsicherheiten über Enteignungen der Ressourcen bzw. Ertragsverluste mindern (2005, S. 500).

4.2. Qualität der Institutionen

In Hinblick auf die resource-curse These wird die Qualität von Institutionen für die Richtung und Geschwindigkeit der volkswirtschaftlichen Leistungsentwicklung in Folge eines Ressourcenbooms als maßgeblich angesehen (Frankel 2010). Allerdings existiert noch keine klare Definition zum Konzept der Institutionen. Auch fehlt nach wissenschaftlichem Anspruch ein allgemein gültiger, universeller und bekannter optimaler Ordnungsrahmen für ein derartiges komplexes kollektives System wie eine Volkswirtschaft (Alonso 2011, S. 93, Brunnschweiler und Bulte 2008, S. 249).[27]

Acemoglu et al. (2005) definieren Institutionen als „gut“, wenn sie konsequent die Rechtsstaatlichkeit[28] durchsetzen, die Verfügungsrechte klar definiert sind und der Staat durch Gewaltenteilung gegenseitige Kontrolle umsetzt. Daraus folgt die idealtypische Modellannahme dass sich „gute“ Institutionen durch eine effiziente Allokation der knappen Ressourcen auszeichnen und auf diese Art langfristiges Wachstum erreichen und Verzerrungen durch die drei genannten Ordnungskomponenten verhindert werden. Dagegen stellt eine ineffiziente Verteilung der Ressourcen den Fall von qualitativ „ungenügenden“ Institutionen dar die kein nachhaltiges Wachstum fördern und Bedingungen zulassen, die der ökonomischen Entwicklung entgegen stehen. Ausgehend von einer idealen Allokation wird deshalb im weiteren Verlauf erörtert werden, weshalb Abweichungen bei einem Ressourcenboom zu Stande kommen. Das diese auftreten steht außer Frage, doch die Auffassung über die Ursachen wird wie bereits erwähnt stark diskutiert.

Die allgemeine Hypothese in Bezug auf Ressourcen und Wachstum lautet: Wer „gute“ Institutionen hat, ist ökonomisch erfolgreicher. Im Umkehrschluss bedeutet dies, wer ökonomisch nicht erfolgreich ist, dem mangelt es an „guten“ Institutionen. Um über diese beinahe tautologische Aussage hinaus Erkenntnisse zu gewinnen, kann die Erforschung der Rohstoff exportierenden Länder wertvolle Hinweise geben. Deren Erfahrungen sind die Ergebnisse (vielleicht daraufhin im Zeitverlauf auch Ursache) von guten bzw. ungenügenden Ordnungsrahmen in Bezug auf Wachstum und gesellschaftlichen Wohlstand. Da die Allokation der Investitionen in technologischen Fortschritt, physisches sowie Humankapital, durch die ökonomischen sowie politischen Institutionen laut der NIÖ determiniert wird.[29]

Da das Endogenitätsproblem (d.h. Kausalitätszusammenhänge zwischen zwei Variablen nicht eindeutig) in der Institutionenökonomik noch ungelöst ist findet sich diese Debatte auch in der Forschung des Ressourcenfluchs wieder. Daher ergeben sich zwei Richtungen innerhalb der resource-curse Literatur die in Abbildung 3 dargestellt sind:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Endogenitätsdebatte

Quelle: Eigene Darstellung

Die Befürworter der Theorie einer exogenen Verzerrungsursache gehen davon aus, dass das Niveau an Institutionen entscheidend ist, welches vor einem Ressourcenboom Status quo war (ex ante Qualität). Ist dieses ausreichend, wird die Güte der herrschenden Regeln nicht beeinflusst. Die Qualität der Institutionen wäre somit unabhängig vom Ereignis eines Ressourcenbooms. Falls es zu einer qualitativen Verschlechterung kommen sollte, wäre dies als Anzeichen von ex ante unzureichenden Institutionen zu werten (Wright und Czelusta 2004, Mehlum et al. 2006b, Arezki und Brückner 2011).

Mit der endogenen Verzerrung ist ein systematischer Zusammenhang zwischen der Qualität des herrschenden Ordnungsrahmens und dessen Konzeptionierung durch Rohstoffbooms gemeint. Das heißt zum Beispiel, dass mit höherem Einkommensniveau erst eine bessere Gestaltung von Institutionen durch die relevanten Akteure stattfindet (Acemoglu et al. 2001, S. 1369) bzw. die Entstehung von Eigentum erst dessen Regelung nötig macht. Folglich sind qualitative Unterschiede der Institutionen als Ergebnis zu betrachten von endogenen Anpassungsprozessen bei einem Ressourcenboom. Somit wäre die Qualität der Regelungen nicht unabhängig von der konjunkturellen Lage in der sich eine auf Rohstoffe spezialisierte Wirtschaft befindet.

Allerdings ist diese Argumentation angesichts der resource-curse betroffenen Ökonomien in Frage zu stellen. Schließlich hat ihr Reichtum sie nicht zu einer Entstehung und Verbesserung der ausgestalteten Regeln geführt. Andererseits führten wertvolle Rohstoffe auch nicht deterministisch in geringeres Wachstum und politisches Chaos. Es gibt genügend Beispiele, wo Industrialisierung und eine Aufwertung zu ökonomisch effizienteren Institutionen parallel verliefen: USA Anfang des 20 Jahrhunderts, Australien seit den 1960er, Norwegen seit der Entdeckung der Ölquellen 1969 sowie Brasilien seit 1995 durch leichteren Zugang für ausländische Investoren im Bergbau (Frankel 2010, S. 13). Auch die Geschwindigkeit, mit der sich institutionelle Rahmenbedingungen ändern, steht noch zur Diskussion (Alexeev und Conrad 2011).

[...]


[1] Eine Landkartenansicht ist im Appendix B.

[2] Beispielsweise wird in einem Bericht der Boston Consulting Group (Pieper und Rubel 2011) wird über die international wachsende Nachfrage nach Energiespeicherungsmedien berichtet.

[3] Für die Fragestellung ist die tatsächlich vorhandene Menge und Qualität an Lithium in Bolivien irrelevant.

[4] Im weiteren Verlauf der Arbeit sind mit „Ressourcen“ immer natürliche und erschöpfbare Rohstoffe wie Öl gemeint, außer es wird auf anderes explizit hingewiesen.

[5] Siehe Appendix A Tabelle 4, wo ein Vergleich mit Norwegen, Chile und Nigeria angeboten ist.

[6] Institutionen werden im weiteren Verlauf als staatlich festgelegte und durchgesetzte (formelle) Regelungen verstanden (Richter und Furubotn 2010, S. 7).

[7] Vgl. z.B. Mehlum et al. (2006b) oder Baggio und Papyrakis (2010).

[8] Volkswirtschaftlich ineffiziente Aktivitäten, um an staatlich geschützter Monopolstellungen und Renten zu gelangen vgl. z.B. Krueger (1974) oder Woll et al. (2008).

[9] Allerdings weisen Sala-i-Martin et al. (2004) darin nicht den negativen Zusammenhang von Ressourcenreichtum und langfristigen Wachstum nach. Was jedoch an der Definition von Ressourcenreichtum und den verschiedenen empirischen Methoden liegen mag.

[10] Edwards und van Wijnbergen (1989) weisen darauf hin, dass finanzielle Entwicklungshilfe aus makroökonomischer Sicht gleiche Eigenschaften aufweist, wie ein plötzlicher Anstieg des Einkommens aufgrund eines Ressourcen Booms. Das Phänomen des resource-curse scheint daher auch für Fragen der Entwicklungshilfe interessant. Auch weil viele Entwicklungsländern mehr als ein Drittel ihrer Devisengewinne aus Ressourcen Export oder Finanzhilfen generieren (Collier und Venables 2011, S. 202).

[11] Die negative Korrelation von BIP und Anteil an Rohstoffexporten am BIP ist dargestellt in der Abbildung 11 im Appendix A.

[12] Das Ressourcen Wachstumsfördernd wirken, meint unter anderem die „Big Push“ Theorie; vgl. Murphy et.al (1989) m.w.N. die jedoch viele Kritiker fand.

[13] Kritik wird vor allem an der Charakterisierung der empirischen Variable „Ressourcenreichtum“ in den cross-country Studien geäußert (Brunnschweiler und Bulte 2008). Darüber hinaus noch an der korrekten Interpretation der gemessenen Korrelation und ob diese überhaupt Aussagekraft besitzt Boyce und Herbert Emery (2011). Einführende Übersichten zur empirischen Debatte befinden sich bei Busse (2011), Ledermann et. al (2008) und Cavalcanti et. al (2011).

[14] Ferner wird wohl kein Ökonom die Auffassung vertreten, wie in einer Kolumne (Kenny 2010) treffend formuliert, dass der Schatz verantwortlich ist für die Existenz von Piraten.

[15] Vgl. Stevens (2003, S. 4) m.w.N.

[16] Die neoklassischen und endogenen Wachstumsmodelle nehmen eine optimale Verwendung von natürlichen Ressourcen an, was sich allerdings empirisch als nicht haltbar heraus ausstellte. Neue theoretische Ansatzpunkte wurden entwickelt, mit einem neuen grundlegenden Handlungsmodell um die These des Fluchs zu erklären (Acemoglu 2009). Die neoklassischen Wachstumstheorien können aber als Analyserahmen genutzt werden, um auf die allokativen sektoralen Konsequenzen von unerwarteten Exportgewinnen hinzuweisen (Gelb 1988, S. 136). Interessant ist auch die Arbeit von Aguiar und Amador (2011) in der sie institutionelle Erklärungen in ein neoklassisches Wachstumsmodell einsetzen, um divergente Entwicklungen zu erklären.

[17] In der Literatur auch als factor- oder resource-movement bezeichnet.

[18] Gaitan und Roe (2012) vertreten die marktbasierte Auffassung: je kleiner die Nachfrageelastizität des Rohstoffs ist, desto negativer sei die Wachstumswirkung des Rohstoffs.

[19] Für die lange Frist scheint die regierungsunabhängige Staatsfondlösung erfolgreich. Norwegen und Chile sind Beispiele für einen solchen staatlichen Ressourcenfond. Fosu und Gyapong (2011, S. 269) weisen aber darauf hin, dass Nigerias Fall zeige, dass eine Fondlösung einen akkuraten Rechts- und politischen Rahmen benötigt um Wirkung zu haben. Vgl. Torvik (2011, S. 246–254) zur Fondlösung.

[20] Damit ist die Aufspaltung in mehr als zwei Gruppen gemeint. Schlagwörter in der Literatur sind fractionalization und polarization.

[21] Eine Darstellung aller Theorien zu allen formellen oder informellen Institutionen, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Übersichtsartikel m.w.N. sind z.B. van der Ploeg (2011), Deacon( 2010) und Frankel (2010).

[22] Die NIÖ gebraucht die Analysemethode des methodologischen Individualismus (Schumpeter 1908, S. 95). Das zugrundeliegende Verhaltensmodell orientiert sich zwar weiterhin an Knappheit und Anreizen, doch wird es durch Konzepte wie das der Transaktionskosten und der Annahme der Unsicherheitsminimierung vervollständigt. Denn in einer Welt vollständiger Information bedarf es keinen Institutionen (North1992, S. 69).

[23] Informelle Institutionen moderieren nur anfangs die drei Wachstumsfaktoren: technischen Fortschritt, Arbeit sowie Kapital und bestimmen ihre Effizienz (Temple und Johnson 1998). Wenn die Entwicklung aber fortschreitet, verlieren informelle Institutionen an Einfluss auf nationaler Ebene und werden durch formelle Institutionen ersetzt (1998, S. 4).

[24] Vgl. Haggard und Tiede Haggard und Tiede (2011) zur Diskussion der empirischen Forschung zu Verfügungsrechten. Weitere untersuchte Institutionen in Bezug auf Wachstum sind beispielsweise die Rechtsrahmen (La Porta et al. 1998) oder die Verfassung (Persson Persson und Tabellini 2003, Anderson und Aslaksen 2008).

[25] In der Empirie wird die Frage nach der Definition der korrekten Instrumentenvariable stark debattiert, um das Endogenitätsproblem in den Messungen zu lösen.

[26] Vgl. zur Wachstumsrolle von Innovationen zum Beispiel das Lehrbuch von Jones (2002).

[27] Besley und Kudamatsu (2008) untersuchen unter welchen Umständen Autokratien ökonomisch bessere Ergebnisse erzielen. Vgl. außerdem z.B. Charron und Lapuente (2010).

[28] Grundlagenliteratur darüber z.B. bei Hayek (1971) und Hayek (1980).

[29] Wirkung von Ressourcen auf das Humankapital z.B. bei Bravo-Ortega (2007), Cabrales und Hauk (2011), Stijns (2006) sowie Dias et. al (2012). Lagerlöf und Tangerås (2008) definieren die Qualität von Institutionen anhand der Rendite von Humankapital. Bulte und Damania (2008) zeigen anhand eines lobby-games warum der Bildungssektor in ressourcenreichen Ländern unterfinanziert ist.

Fin de l'extrait de 82 pages

Résumé des informations

Titre
Lithium-Förderung in Bolivien vor dem Hintergrund der Eigenschaften natürlicher Ressourcen
Université
University of Freiburg  (Wirtschaftspolitik & Ordnungstheorie)
Note
2,0
Auteur
Année
2012
Pages
82
N° de catalogue
V210897
ISBN (ebook)
9783656390886
ISBN (Livre)
9783656414773
Taille d'un fichier
1157 KB
Langue
allemand
Mots clés
resource-curse, Lithium, dutch-desease, Bolivien, Institutionen, Institutionenökonomie, Acemoglu
Citation du texte
Patricia Kracht (Auteur), 2012, Lithium-Förderung in Bolivien vor dem Hintergrund der Eigenschaften natürlicher Ressourcen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/210897

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