Die Vorgeschichte des Canossagangs von Heinrich IV. Soll man die Legende vergessen?


Travail de Recherche, 2012

15 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vorboten einer Konfrontation – die Jahre 1073 – 1075

3. Die Monate vor Canossa – Zwei Interpretationen

4. Wahrheit oder Legende – ein Fazit

5. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Jahr 2012 beinhaltete mehrere Jubiläen für die Stadt Speyer, welche unter dem Begriff des „Salierjahres“ zusammengefasst wurden. Darunter waren der 950. Jahrestag der Weihe des Domes zu Speyer, sowie der 900. Jahrestag der Kaiserkrönung Heinrichs V., des letzten Kaisers der Herrscherdynastie der Salier. Nicht zuletzt durch die in diesem Zuge abgehaltene Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz von April bis Oktober, ist dieses Geschlecht jedoch im Geschichtsbewusstsein der Deutschen bis ins 21. Jahrhunderts so stark verankert wie eh und je. Schon im Jahr 2006, wurde nämlich ein Jahrestag begangen, der im direkten Zusammenhang mit den bereits genannten stand und einen Reigen an neuer Forschungsliteratur zur Folge hatte: der 900. Todestag des so bekannten wie viel diskutierten Salier-Kaisers Heinrich IV. Dieser hatte sich mit der Kirche im Allgemeinen und mit dem Reformpapst Gregor VII. im Speziellen angelegt und hat im Grunde hauptsächlich durch seinen Canossagang, bei dem er sich nach beschwerlicher Reise über den Mont Cenis – wie der Chronist Lampert von Hersfeld anschaulich beschreibt - drei Tage im Büßerhemd und barfüßig dem Papst unterworfen habe, Berühmtheit erlangt. Viele Monographien und Aufsätze zeichnen dieses Ereignis nach und kommentieren es, wahlweise als Machtbeweis der Kirche gegenüber dem König oder als cleveren Akt des Saliers. Weniger bekannt ist meist allerdings der Weg wie es zu dieser Konfrontation zwischen der weltlichen und geistlichen Macht im 11. Jahrhundert kam.

Das Hauptaugenmerk dieser Arbeit soll nun hierauf eingehen und im ersten Teil ganz allgemein auf der Frage liegen durch welche einschneidenden Ereignisse beziehungsweise Taten der beiden Parteien es eigentlich zum Konflikt Heinrichs IV. mit dem Papst kam, der zunächst im berühmten Gang nach Canossa zu Beginn des Jahres 1077 seinen Höhepunkt erreichte. Hierzu wird der bereits gesicherte und aktuell weitläufig anerkannte Forschungsstand in Auszügen aufgezeigt, wobei der Schwerpunkt auf dem Zeitraum zwischen dem Jahr 1073 und dem Beginn des Jahres 1076 liegen soll. Um eine breite Basis an Forschungsliteratur abzudecken, werden - zusätzlich zu der älteren Arbeit von Harald Zimmermann und der neueren von Stefan Weinfurter - auch stichprobenartig aktuellere Werke von Gerd Althoff, Uta-Renate Blumenthal und Rudolf Schieffer, sowie bezüglich des Konfliktverhaltens, von Monika Suchan und wiederum Althoff, mit einbezogen.

Des Weiteren soll im zweiten Teil der Arbeit auf die durch Johannes Fried 2008 vorgelegte Neuinterpretation der Vorkommnisse in den letzten Monaten vor Canossa und dem Treffen dort an sich eingegangen werden. Zum Schluss soll letztendlich die laut gewordene Kritik bezüglich Frieds Arbeit durch Gerd Althoff mit in eine abschließende Bewertung der Frage einfließen, ob die bisherigen Erkenntnisse nun überdacht werden, und damit die „Legende vergessen“[1] werden sollte, oder nicht.

2. Vorboten einer Konfrontation – die Jahre 1073 – 1075

Für die Ausführungen zur Genese der Auseinandersetzungen zwischen dem weltlichen und dem geistlichen Herrscher in diesem Teil der Arbeit, empfiehlt es sich in chronologischer Art und Weise vorzugehen. An geeigneten Stellen wird jedoch der Bezug zu früheren Geschehnissen hergestellt, welche für das Verständnis nicht unwichtig sind.

Wie Gerd Althoff in seiner Monographie zu Heinrich IV. meint, ist es wohl hilfreich zur Einstimmung in die Problematik des Konflikts zwischen Papst und König daran zu erinnern, dass schon „in den ersten Jahren der selbstständigen Regierung Heinrichs vieles“, in den Beziehungen „zum Papsttum und den in Rom tonangebenden Reformkreisen“ genau so wie auch allgemein in der Konfliktführung des Saliers, „falsch gemacht worden“[2] sei. Hierzu zählt zusätzlich zum Verhalten gegenüber den Kräften jenseits der Alpen sicherlich auch die Beziehung des jungen Königs zu den Fürsten innerhalb Deutschlands. Denn schon früh verhielt sich Heinrich IV. hier anders als es zu erwarten gewesen wäre, wenn man sich die etablierten und akzeptierten Wege beziehungsweise Regeln der Konfliktaustragung und -beilegung im 11. Jahrhundert vor Augen führt. Althoff merkt diesbezüglich an, dass sich der König ausschließlich dem Einfluss des Erzbischofs Adalbert von Hamburg-Bremen anvertraut und die anderen Fürsten gänzlich ausgeschlossen habe. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass wohl ein grundlegendes Misstrauen der Fürsten gegenüber dem König vorherrschte und umgekehrt. Für unsere Thematik von größerer Bedeutung ist zweifelsohne die Tatsache, dass es in der Beziehung zu Rom auch schon früh zu Problemen kam, wie beispielsweise dem Verhalten der Berater Heinrichs im sogenannten Cadalus-Schisma zu ersehen. Des Weiteren war wohl die Option einer bestimmten Anzahl an geplanten Zügen des Königs über die Alpen nicht wahrgenommen worden. Zu guter Letzt hatte es auch zwei Warnungen Roms an Heinrich gegeben, bevor Gregor VII. überhaupt zum Papst gewählt worden war. Einerseits wird von Althoff auf das Mitwirken des Petrus Damiani an der gescheiterten Ehescheidung Heinrichs im Jahr 1069, und andererseits - und damit sind wir im Jahr 1073 angekommen - auf die Bannung von fünf Ratgebern des Königs auf der römischen Fastensynode im genannten Jahr noch durch Papst Alexander II., verwiesen. In diesem Zusammenhang empfiehlt es sich darauf hinzuweisen, dass die Bannung „angeblich auf eine Intervention der Kaiser Agnes hin“ geschehen sein könnte und man daraus dann erkennen könne, „wie genau man in Rom über die Verhältnisse am Hof Heinrichs IV. informiert wurde und wie gezielt man mit dieser Maßnahme die Amtsführung Heinrichs IV. im Visier hatte.“[3] Die Konsequenz hieraus für den Salier, um nicht auch durch die Kirche gebannt zu werden, war natürlich die Pflicht, den weiteren Kontakt mit diesen Ratgebern zu unterlassen. Kurz nach der besagten Fastensynode, am 21. April 1073, starb dann Alexander II. und der Mann, mit dem sich der König bis ins Jahr 1085 ununterbrochen sollte beschäftigen müssen, Hildebrand, schickte sich an, als Papst Gregor VII. in die Geschichtsbücher einzugehen.

Noch während den Feierlichkeiten bei denen Alexander II. zu Grabe getragen wurde hat man - wohl unter der Regie des Kardinals Hugo Candidus – Hildebrand in turbulenter Weise zum Papst ausgerufen. Diese Erhebung des neuen Papstes bedeutete allerdings „einen glatten Verstoß“[4] gegen das sogenannte Papstwahldekret aus dem Jahre 1059, welches Gregor VII. selbst noch mitgetragen hatte. Dieser war sich dessen natürlich bewusst und hat deshalb auch versucht klarzumachen, dass er selbst von dieser Wahl überrascht worden sei. Mit dem Auftreten Gregors als dem neuen Stellvertreter Petri auf Erden sollte sich nun die Kraftprobe der beiden Herrscher anlassen. Zunächst war jedoch von einem Konflikt - auf beiden Seiten - nichts zu spüren. Wenige Monate nach der Wahl des Papstes, schrieb Heinrich IV. einen Brief an den Papst, der Aufsehen erregte und gerade deshalb „als Schlüsselzeuge für die taktischen Manöver, zu denen dieser König in Notlagen fähig war, Verwendung finden könnte.“[5] Es lässt sich nach Althoff nicht klar zeigen in welchem Kontext der Brief entstand und ob Heinrich wirklich die von ihm darin beschriebene Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Papst ernst meinte. Nicht nur von königlicher Seite, sondern auch von Seiten Gregors VII. wurde, zum Beispiel in einem Brief an den Schwager Heinrichs, Herzog Rudolf von Schwaben vom 1. September 1073, die Hoffnung auf gemeinsames, abgesprochenes Vorgehen als wünschenswert erachtet. In diesem Brief, in dem Gregor darauf hinweist, dass er als Legat noch Kaiser Heinrich III. kennengelernt habe, führt er nach Uta-Renate Blumenthal aus, dass er aus verschiedenen Gründen guten Willens gegenüber Heinrich IV. sei: Und zwar zum einen weil er durch seine Wahl Heinrichs zum König ein Schuldner von ihm sei (der Zeitpunkt dieser Wahl ist nach Blumenthal nicht zu entscheiden, T.S.), zum anderen auch weil Heinrich III. „durch Papst Viktor seinen Sohn der römischen Kirche anvertraut“[6] habe. Gregor VII. wünsche sich außerdem, wie Weinfurter anfügt, dass „die geistliche Gewalt und die höchste Herrschaft in einträchtiger Einheit verbunden seien“.[7] Der Papst machte allerdings die Meidung der gebannten Ratgeber, die ja sein Vorgänger wie oben erwähnt aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatte, zur entscheidenden Bedingung für eine künftige, gute Beziehung einschließlich der Kaiserkrönung. Diesbezüglich reisten Legaten Gregors VII. zusammen mit Kaiserin Agnes im Frühjahr 1074 zum Osterhoftag nach Nürnberg. In seinen Ausführungen hierzu schreibt Rudolf Schieffer, dass dort das „Problem der gebannten Räte schon bei den ersten Vorverhandlungen mit Heinrich“ behoben werden und der König „nach erfolgter Bußleistung wieder voll in die kirchliche Gemeinschaft“[8] aufgenommen werden konnte. Außerdem seien Bedingungen für eine gemeinsame Leitung der Kirche durch Papst und König geplant worden. Auch noch gegen Ende des Jahres, im Dezember 1074, versicherte Gregor VII. über den noch ungelösten Mailänder Streitfall der später zu Problemen führen sollte hinwegsehend seine Wertschätzung gegenüber dem deutschen König und stellte ihm in Aussicht, „ihn für die Zeit seiner geplanten Orientfahrt mit der sorge für die römische Kirche zu betrauen.“[9] Mit zusätzlicher Erwähnung der positiven Einschätzungen die er von der Kaiserin Agnes, der Markgräfin Beatrix von Tuszien und ihrer Tochter Mathilde über den König erhalten habe, zeigt sich zu diesem Zeitpunkt schon wer die „Ansprechpartnerinnen des Papstes“[10] bezüglich Heinrich gewesen zu sein scheinen. Dieser Punkt wird im zweiten Teil dieser Arbeit noch einmal in den Fokus rücken. Zur selben Zeit, als Gregor noch Einvernehmen mit dem Salier bekundete, hatte sich jedoch „die latente Reserve, die ein Großteil des Reichsepiskopats gegenüber Gregor empfand, zu offenem Protest gesteigert“[11], wobei es den Bischöfen auf dem Straßburger Weihnachtshoftag gelang den König auf ihre Seite zu bringen.

Bis zum Beginn des Jahres 1075 gab es also keinerlei, beziehungsweise nur geringste Hinweise auf die Konfrontation die noch Folgen sollte. Der Papst hatte bis dahin versucht mit dem jungen König zusammenzuarbeiten und auch Heinrich IV. schien Gregor wohlgesonnen. Obwohl auf der Fastensynode von 1075 abermals wohl dieselben königlichen Räte mit dem Bann bedroht wurden die schon 1073 gebannt worden waren, lobte der Pontifex den König wegen seinem Einsatz „gegen die Simonie.“[12] Allerdings hatte der Papst kurz zuvor – nämlich im März - ein Schriftstück in sein Register aufnehmen lassen, welches 27 Leitsätze enthält und die päpstliche Politik wohl nicht nur in der Theorie bestimmt hat: der sogenannte Dictatus Papae. Dieses Dokument sollte man daher auch, wie Gerd Althoff meint, zumindest erwähnen wenn man über die Genese des Konfliktes spricht, obwohl es offenbar nie veröffentlicht wurde. Diesbezüglich soll an dieser Stelle eine kleine Auswahl dieser päpstlichen Vorrechte und Ansprüche angeführt werden, welche direkt den Wortlaut aufgreifen und seine Bedeutung für das weitere Verhalten Gregors VII. aufzeigen. Der Papst meint,„(12) dass es ihm erlaubt ist, Kaiser abzusetzen; […] (18) dass sein Urteilsspruch von niemandem widerrufen werden darf und er selbst als einziger die Urteile aller widerrufen kann; (19) dass er von niemandem gerichtet werden darf; […] (25) dass er ohne Synode Bischöfe absetzen und wieder einsetzen kann; […] (27) dass er Untergebene von dem Treueid gegenüber Sünden lösen kann.“[13]

In der zweiten Hälfte desselben Jahres – Heinrich IV. hatte gerade die aufständischen Sachsen besiegt – glaubte dieser seinen Rücken frei zu haben um sich nun mit dem Papsttum auseinander zu setzen und eine Konfrontation eingehen zu können, die er bis zu diesem Zeitpunkt vermieden hatte. Im Speziellen handelt es sich hier in erster Linie um den schon erwähnten Mailänder Streitfall. Heinrich beauftragte ausgerechnet einen seiner exkommunizierten Ratgeber damit, Verhandlungen in der Frage der Neubesetzung des Mailänder Erzstuhles zu führen – den Grafen Eberhard. Schlussendlich investierte der König den Kleriker Tedald, was ganz und gar nicht mit den Vorstellungen des Papstes im Einklang stand. Um noch mehr Streitpotential heraufzubeschwören, erhob Heinrich IV. kurze Zeit später auch noch Gregor VII. ganz unbekannte Bischöfe in den mittelalterlichen Bistümern von Fermo und Spoleto, welche beide in Roms Nähe, und damit im Machtbereich des Papstes lagen. Wie Rudolf Schieffer schreibt, lag der Beginn des großen Streits zusätzlich zu den für den Papst unbefriedigenden Investituren in den genannten italienischen Bistümern in Reichweite Roms, sondern auch an der Enttäuschung Gregors „darüber, dass sich Heinrich IV. einer Unterstützung seiner [...]

[...]


[1] Fried, Johannes: „Mythos Canossa – Wir sollten die Legende vergessen“, unter: http://www.faz.net

[2] Althoff, Gerd: Heinrich IV., S. 116.

[3] Althoff, Heinrich IV., S. 117.

[4] Weinfurter, Stefan: Canossa. Die Entzauberung der Welt, S. 105-106.

[5] Althoff, Heinrich IV., S. 120.

[6] Blumenthal, Uta-Renate: Gregor VII. Papst zwischen Canossa und Kirchenreform, S. 80-81.

[7] Weinfurter, Canossa, S. 114, zitiert nach Register I, 19, S. 31f.

[8] Schieffer, Rudolf: Die Entstehung des päpstlichen Investiturverbots für den deutschen König, S. 112.

[9] Schieffer, Entstehung, S. 113, zitiert nach Greg. VII Reg. II 30. 31 vom 7. 12. 1074 (MGH Epp. sel. S. 163 ff.).

[10] Althoff, Heinrich IV., S. 123, nach Gregorii VII Registrum, lib. 2, Nr. 30, S. 163ff.

[11] Schieffer, Entstehung, S. 122.

[12] Suchan, Monika: Königsherrschaft im Streit. Konfliktaustragung in der Regierungszeit Heinrichs IV. zwischen Gewalt, Gespräch und Schriftlichkeit, S. 99.

[13] Althoff, Heinrich IV., S. 119, zitiert nach Gregorii VII Registrum, lib. 2, Nr. 55a, S. 203-208.

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Die Vorgeschichte des Canossagangs von Heinrich IV. Soll man die Legende vergessen?
Auteur
Année
2012
Pages
15
N° de catalogue
V211241
ISBN (ebook)
9783668087774
ISBN (Livre)
9783668087781
Taille d'un fichier
409 KB
Langue
allemand
Mots clés
canossa, Heinrich IV, Salier, Reformpapst, Gregor VII
Citation du texte
Tobias Schneider (Auteur), 2012, Die Vorgeschichte des Canossagangs von Heinrich IV. Soll man die Legende vergessen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211241

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