Man kann ohne große Probleme die Reformation als eine der wichtigsten Entwicklungen des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit betrachten. Die Veränderungen die sie hervorrief dürften keinen Bereich im spirituellen und weltlichen Leben des christlichen Europas ausgelassen haben. Die historizistische Fachliteratur scheint auf den ersten Blick einig zu sein, was die Bewertung der Reformation in den verschiedenen Aspekten des historischen Geschehens angeht. Bei genauerem Hinsehen allerdings offenbaren sich Fragen, die es im Detail zu klären gilt.
Wenn Barbara Happe schreibt
"Die Reformatoren brachen mit dem Dogma von einer wirksamen Handlung für den Tten und so mit jeglicher Form der Fürbitte. Nach protestantischem Verständnis endet mit der Stunde des Todes jeder seelsorgerische Dienst am Nächsten. Hierdurch verliert der wichtigste theologische Grund für den Zusammenhang von Kirche und Begräbnisplatz seine Gültigkeit, und es entstehen die Vorraussetzungen für eine Neubestimmung des Begräbnisortes.
Die bibliographische Nachsuche ergab, daß dem Einfluß der Reformation auf die Entwicklung der Friedhöfe in der Forschung bisher nicht genügend Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde."1
so scheint sie ein Problem zu benennen, das von der bisherigen Auffassung von den Auswirkungen der Reformation ausgehend garnicht existieren dürfte. Allerdings wird bei genauerer Recherche klar, dass über die Auswirkungen der Reformation gerade im christlichen Begräbniswesen kein Konsens herrscht. Die größte Veränderung wird dem 18. Jahrhundert und der Aufklärung zugeschrieben, über die Rolle der Reformation herrscht große Uneinigkeit: von den einen als Wegbereiter betrachtet, wird sie von anderen als Randerscheinung oder simpler Steigbügelhalter für die Veränderungen der folgenden Zeit betrachtet, und wiederum andere sehen die Reformation als klare Konsequenz einer veränderten Verhältnis zu den Toten.
Diese Arbeit wird sich zuerst mit der Geschichte des europäischen Begräbniswesens bis zur Reformation beschäftigen. Danach werde ich die Ansichten der Reformatoren erläutern, mit Berücksichtigung nicht-theologischer Tendenzen zu der Zeit, die zu einer veränderten Wahrnehmung des Begräbniswesens geführt haben. Abschließend werde ich die verschiedenen Standpunkte in der Fachliteratur darlegen und mit Referenz zu ausgewählten Kirchenordnungen als Quellen der betreffenden Zeit bewerten.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Die Geschichte des christlichen Begräbniswesens in Europa
- Die vorchristliche Zeit
- Die christliche Zeit bis in das Spätmittelalter
- Die Zeit der Reformation
- Neue alte Grundlagen
- Der hygienische Aspekt
- Ohne Fegefeuer, mit sanitären und ästhetischen Bedenken
- Tatsächliche Auswirkungen
- Standpunkte in der Fachliteratur
- Die Kirchenordnungen
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Reformation auf die Beerdigungspraxis im christlichen Europa des 16. Jahrhunderts. Sie analysiert die Veränderungen, die die Reformation im Bereich des Begräbniswesens hervorgerufen hat, und untersucht, ob und wie die Reformation die Entwicklung des christlichen Begräbniswesens geprägt hat.
- Die Geschichte des christlichen Begräbniswesens vor der Reformation
- Die Ansichten der Reformatoren zum Begräbniswesen
- Die Rolle von hygienischen und ästhetischen Aspekten
- Die Auswirkungen der Reformation auf die Kirchenordnungen
- Die Debatte in der Fachliteratur über die Bedeutung der Reformation für das Begräbniswesen
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einführung: Diese Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und skizziert die zentrale Forschungsfrage. Sie beleuchtet die Bedeutung der Reformation als eine der wichtigsten Entwicklungen des ausgehenden Mittelalters und der frühen Neuzeit und stellt die historische Debatte über ihre Auswirkungen auf das christliche Begräbniswesen dar.
- Kapitel 2: Die Geschichte des christlichen Begräbniswesens in Europa: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über die Entwicklung des Begräbniswesens in Europa von der vorchristlichen Zeit bis zum Beginn der Reformation. Es befasst sich mit der Bestattungspraxis in der römisch-hellenischen Antike, dem Einfluss des Christentums auf das Begräbniswesen im Mittelalter sowie den Veränderungen, die im Spätmittelalter stattfanden.
- Kapitel 2.3: Die Zeit der Reformation: Dieses Kapitel widmet sich den Veränderungen im Begräbniswesen, die durch die Reformation ausgelöst wurden. Es beleuchtet die neuen Grundlagen, die die Reformatoren einführten, sowie die Rolle von hygienischen und ästhetischen Aspekten im Kontext der Reformationszeit.
- Kapitel 3: Tatsächliche Auswirkungen: Dieses Kapitel analysiert die tatsächlichen Auswirkungen der Reformation auf die Beerdigungspraxis. Es betrachtet verschiedene Standpunkte in der Fachliteratur sowie die Relevanz von Kirchenordnungen als Quellen für die Bewertung der Veränderungen.
Schlüsselwörter
Reformation, Begräbniswesen, Beerdigungspraxis, Kirchenordnungen, hygienische Aspekte, ästhetische Aspekte, Fachliteratur, Geschichte, Entwicklung, Europa, 16. Jahrhundert, christliches Begräbniswesen
- Citation du texte
- Michael Kulüke (Auteur), 2010, Auswirkungen der Reformation auf die Beerdigungspraxis im christlichen Europa des 16. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211317