Georg Büchner: Danton’s Tod „Die Urteile der Zeitgenossen“


Dossier / Travail de Séminaire, 2013

17 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Hintergrund und die Entstehung Danton’s Tod

3. Die Urteile der Zeitgenossen

4. Fazit

5. Bibliographische Angaben

„Der dramatische Dichter ist in meine Augen nichts, als ein Geschichtsschreiber, steht aber über Letzterem dadurch, daß er uns die Geschichte zum zweiten Mal erschafft und uns gleich unmittelbar, statt eine trockene Erzählung zu geben, in das Leben einer Zeit hinein versetzt, uns statt Charakteristiken Charaktere, und statt Beschreibungen Gestalten gibt. Seine höchste Aufgabe ist, der Geschichte, wie sie sich wirklich begeben, so nahe als möglich zu kommen. Sein Buch darf weder sittlicher noch unsittlicher sein, als die Geschichte selbst.“

– Georg Büchner; Brief an die Familie 1835

1. Einleitung

175 Jahre nach dem Tod Georg Büchners sind seine Werke heutzutage nicht mehr aus dem gängigen Kanon der deutschen Literatur wegzudenken. Obgleich nur eine geringe Anzahl an Schriften von ihm erhalten ist, beschäftigen sich viele literaturwissenschaftliche Werke mit seinem Leben und Schaffen; gilt er doch als einer der bedeutendsten Autoren des 19. Jahrhunderts[1]. Auch diese Hausarbeit soll sich mit einem Drama Georg Büchners auseinandersetzen. Dabei werden am Beispiel des Dramas Danton’s Tod die Urteile der Zeitgenossen Büchners genauer untersucht, um so die vorherrschende Ablehnung des Werkes zur damaligen Zeit zu klären[2]. Zuvor muss jedoch der historische Hintergrund, der maßgeblich zur Entstehung des Dramas beitrug, untersucht werden, um so die damaligen politischen Verhältnisse, die bei der Ablehnung des Werkes eine wichtige Rolle spielten, verstehen zu können. Folgende These soll dabei als Leitfaden für die Arbeit gelten:

Die allgemeine Ablehnung des Dramas Danton’s Tod von Georg Büchner erfolgte im 19. Jahrhundert nicht nur wegen der physischen Gestaltung des Menschen und der Ablehnung vorherrschender Gestaltungsformen des Dramas und seiner Helden, sondern vor allem wegen der Thematik der Französischen Revolution, mit der Büchner die prinzipielle Frage nach der Möglichkeit des Eingreifen des Einzelnen in den geschichtlichen Prozess stellt.

2. Historischer Hintergrund und die Entstehung Danton’s Tod

Georg Büchner wurde an einem Tag geboren, der laut Wilhelm Schulz mit „der Tag, an dem die Freiheit geschlachtet wurde“[3] umschrieben werden konnte. Es handelte sich dabei um den 17. Oktober 1813, den zweiten Tag der Völkerschlacht bei Leipzig. Die Schlacht, bei der der europäische Souverän über Bonaparte gesiegt hatte, und Folgen wie z. B. die Heilige Allianz, die Karlsbader Beschlüsse, Zensur und Polizeidespotismus sowie die Adelsherrschaft, und die Demagogenverfolgung mit sich zog. Somit wuchs Büchner in einer Zeit auf, die durch permanente Revolutionen geformt wurde: Die Restaurationszeit.

Zeitlich begrenzt durch den Wiener Kongress (1814/15) und die März-Revolution (1848/49), ist sie vor allem durch den Sturz und die Verbannung Napoleons I. geprägt.[4] Die europäischen Großmächte, darunter England, Russland, Österreich und Preußen, sowie die durch Napoleon vertriebenen Fürstenhäuser stellten sich nun gemeinsam gegen das revolutionäre Frankreich mit der Aufgabe, eine Neuordnung in Europa durchzuführen, um so die alten, monarchischen Herrschaftsverhältnisse wieder herzustellen. Das dabei entstandene restaurative System konnte selbst der hauptverantwortliche Sachverwalter, Staatskanzler Fürst von Metternich, nur mühsam im Deutschen Bund aufrechterhalten, da der revolutionäre Druck Frankreichs immer stärker wurde. Allein durch die Verabschiedung repressiver Gesetze und die Schaffung staatlicher Kontrollinstanzen konnte jener eingedämmt werden. Gleichzeitig startete Metternich den Versuch den aufkommenden Liberalismus, d. h., die politische, soziale und moralische Lösung des Individuums von den autoritären Strukturen, vollständig auszurotten. Zur Gewährleistung seines Vorhabens stellte er vor allem die Universitäten, die als „Diskussionsforum fortschrittlicher liberaler Ideen“[5] galten, unter Staatsaufsicht, während oppositionelle Professoren sofort ihren Ämtern enthoben wurden. Ein weiterer Schritt zur Eindämmung des Liberalismus war 1819 die Einrichtung der präventiven Zensur für Zeitschriften, Zeitungen und allen Druckerzeugnissen unter 320 Seiten[6], während umfangreichere Werke nach Veröffentlichung sogar ganz verboten werden konnten. Da nun sämtliche Erzeugnisse nur mit Erlaubnis oder mit gestrichenen Passagen veröffentlicht werden durften, wurde den Autoren die Möglichkeit genommen, auf aktuelle Ereignisse zu reagieren.

Die zweite Phase des 19. Jahrhunderts wurde stark durch die repressive Politik geprägt. Ausgelöst durch die Juli-Revolution von 1830, bei der das restaurative Regime Karl X. durch das Bürgertum in Frankreich gestürzt und durch den liberalen „Bürgerkönig“ Louis Philippe I. ersetzt wurde, kam es auch in Deutschland zur Vertreibung der Herrscher in Braunschweig, Hessen und Darmstadt.[7] Um dagegen vorzugehen, verschärfte das restaurative System in den Karlsbader Beschlüssen die festgelegten Repressalien und versucht darüber hinaus eine Rückbindung an die christlichen Wertevorstellungen zu erreichen. Doch die Juli-Revolution belebte auch die liberale Bewegung der oppositionellen Literatur, die gemeinsam das restaurative System ablehnte und dafür kämpfte, „freiheitliche Vorstellungen zu artikulieren und in der politischen Realität durchzusetzen“[8]. „Büchner charakterisierte diese Gruppe treffend als eine Vereinigung von Intellektuellen, die, da sie die sozialen Bedingungen einer Veränderung nicht mitreflektierten, nur die Symptome reformierten, ohne die materiellen Ursachen zu treffen“[9]. Er selbst zählte sich jedoch nicht zu der genannte Gruppe, da „nur ein völliges Mißkennen unserer gesellschaftlichen Verhältnisse konnte die Leute glauben machen, daß durch die Tagesliteratur eine völlige Umgestaltung unserer religiösen und gesellschaftlichen Ideen möglich sei“[10]. Stattdessen glaubte Büchner an die Veränderung der sozialen Verhältnisse durch den Zusammenschluss des Volkes und der damit verbundenen Macht der Masse, die somit nur gemeinsam revolutionäre Veränderungen durchsetzen könne. Ein Konzept, welches 1830 bei der Juli-Revolution in Frankreich, als sich die Pariser Handwerker, Arbeiter und Studenten zusammenschlossen und so den König zur Abdankung und zur Flucht nach England zwangen, angewandt wurde und Büchner über einen langen Zeitraum beschäftigte.

Büchner selbst ging 1831 nach Frankreich, um dort sein Studium in Straßburg aufzunehmen. Er erlebte dort ein politisches Klima, welches aufgrund der genannten Juli-Revolution viel offener als das in seiner Heimatstad Darmstadt war. Studenten diskutierten in Cafés und in Denker-Clubs, während in Deutschland die Teilstaaten immer noch zersplittert und die politischen Strukturen erstarrt waren. Die deutschen Bürger besaßen somit kaum die Möglichkeiten, politisch mitzuwirken.

Doch nicht nur die Politik beeinflusste die literarischen Verhältnisse. Auch die voranschreitende Entwicklung im Druckverfahren und die damit begründete Ausbreitung des Massenpublikums sowie die veränderte soziale Stellung der Schriftsteller und der Ausbau eines überregionalen Marktes trugen dazu bei. Vor allem die jungdeutschen Schriftsteller nutzen die neuen Möglichkeiten, um dem bürgerlichen Publikum mit Tageszeitungen und Wochenzeitschriften einen Zugang zur Literatur zu ermöglichen. Auch wenn die Gemeinsamkeit von Schriftsteller und Verleger oft nur in der liberalen Gesinnung lag, schlossen sie sich im gemeinsamen Kampf gegen die Zensur und des Bücherverbots zusammen.

Auch Büchner musste sich bei seiner Rückkehr nach Deutschland 1883 mit dem Anblick „der Armut der Bauern in Nordhessen, den Stumpfsinn der Bevölkerung und die Überwachung der Studenten durch die Polizisten“[11] abfinden. Angeregt durch das französische Vorbild einer Gesellschaft der Menschen- und Bürgerrechte suchte Büchner daraufhin in der Französischen Revolution nach einem Modell, dass eine Lösung für diese Situation bereithielt. In einem Brief an Wilhelmine Jaeglé von 1834 schrieb er:

Ich studiere die Geschichte der Revolution. Ich fühle mich wie zernichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. Ich finde in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den menschlichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, allen nud keinem verliehen. Der einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe bloß Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen unmöglich[12].

Büchner resignierte, kam doch zu dem Schluss, dass jegliche revolutionäre Anstrengung von vornherein zum Scheitern verurteilt sei, da der Lauf der Geschichte nicht von den Menschen beeinflusst werden könne. Diese innere Resignation steht dennoch mit der darauffolgenden Zeit der politischen Aktivitäten im Widerspruch. Vor allem die Politik im Großfürstentum Hessen-Darmstadt bot Anlass dazu. Dort gab es zwar seit 1820 eine Verfassung, aber jene war so gefasst, dass die Bürger praktisch keine politischen Rechte besaßen. So verfasste Büchner 1834 den Hessischen Landboten, in dem er die sozialen Missstände, die feudalen Mächte sowie das begüterte Bürgertum anprangerte und dadurch versuchte, die Bauern aufklären. Desweiteren folgte nach französischem Vorbild die Gründung „Gesellschaft der Menschenrechte“ in Gießen und später in Darmstadt. Jene politischen Aktivitäten forderten jedoch ihren Tribut in der Verfolgung des revolutionären Büchners, der 1834 wegen Hochverrats gesucht wurde. So geschah es, dass der 21jährige Büchner sein erstes Drama Danton’s Tod, die Thematik der Französischen Revolution stetig im Kopf und den Versuch, seinen Standort in der politischen Opposition des Vormärzes zu bestimmen in nur fünf Wochen im Januar/Februar 1835[13] schrieb, bevor er im selben Jahr nach Straßburg floh. Sein Manuskript schickte er zuvor noch an den Literaturkritiker Karl Gutzkow, der für den liberalen Verleger Johann David Sauerländer arbeitete. Gutzkow, selbst einer der Stimmführer der jungdeutschen Bewegung, fällte ein positives Urteil über das Werk und empfahl es dem Verleger. In einem raschen Briefwechsel einigten sich Büchner und Gutzkow schließlich über die Höhe des Honorars, einen auszugsweisen Vorabdruck im Literaturblatt „Phönix“ und die Eliminierung unpassender Textstellen. Insgesamt wurden über 100 Änderungen an dem Drama, vor allem wegen den Problembereichen: Sexualität, Religiosität und Sittlichkeit durchgeführt.

[...]


[1] Sanna, Simonetta: Die andere Revolution. Danton’s Tod. München 2010, S. 9

[2] Hausschild, Jan-Christoph: Georg Büchner Biografie. Stuttgart, Weimar 1993, S.462 ff.

[3] Hausschild, Jan-Christoph: Georg Büchner. Hamburg 2004, S. 7

[4] Jansen, Josef: Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848). Opladen 1982, S. 11

[5] Jansen, Josef: Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848). Opladen 1982, S. 13

[6] Jansen, Josef: Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848). Opladen 1982, S. 21

[7] Jansen, Josef: Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848). Opladen: 1982, S. 13

[8] Jansen, Josef: Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848). Opladen: 1982, S. 25

[9] Jansen, Josef: Einführung in die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts, Bd. 1: Restaurationszeit (1815-1848). Opladen 1982, S. 25

[10] Brief an die Familie, 1. Januar 1836

[11] Hausschild, Jan-Christoph: Georg Büchner. Hamburg 2004, S. 46

[12] Hausschild, Jan-Christoph: Georg Büchner. Hamburg 2004, S. 51

[13] Fischer-Lichte, Erika: Geschichte des Dramas, Bd. 2: Von der Romantik bis zur Gegenwart. Tübingen 1990, S. 72

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Georg Büchner: Danton’s Tod „Die Urteile der Zeitgenossen“
Université
University of Potsdam
Cours
Einführung in die Literaturgeschichte - Geschichte des Dramas des 19. Jahrhundert
Note
1,3
Auteur
Année
2013
Pages
17
N° de catalogue
V211677
ISBN (ebook)
9783656397908
ISBN (Livre)
9783656398110
Taille d'un fichier
528 KB
Langue
allemand
Mots clés
Georg Büchner;, Danton's Tod, Zeitgenossen, Historischer Hintergrund, Entstehungsgeschichte
Citation du texte
Anika Kiehlmann (Auteur), 2013, Georg Büchner: Danton’s Tod „Die Urteile der Zeitgenossen“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/211677

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