besonderer sozialer Schwierigkeiten“ nach § 72 BSHG in Kraft. Im Vergleich zum alten Verordnungstext wurden Begriffe wie z. B. Nichtsesshafte, Landfahrer oder verhaltensgestörte junge Menschen, entfernt. Des Weiteren wurde der Terminus des „ Hilfeberechtigten Personenkreises“ zugunsten des Begriffes „Persönliche Voraussetzungen“ erneuert. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass eine spezifische Abgrenzung von betroffenen Personenkreisen und deren „ besondere Lebensverhältnisse“ nicht mehr zeitgemäß ist und stigmatisierende Folgen haben kann. Zudem wird mit dieser Gesetzgebung bzw. der Novellierung der Durchführungsverordnung auf eine sich im Wandel befindliche Gesellschaftsstruktur und eine damit einhergehende sich vergrößernde Armut reagiert. Somit ermöglicht der § 72 BSHG für eine Vielzahl von Menschen den Zugang einer gesetzlich verankerten sozialen Hilfeleistung. Bei der Gegenüberstellung der Verordnungstexte ist allerdings auch ersichtlich, dass die Entstigmatisierung auf Kosten einer Diffusität und unklaren praktischen Orientierung ging.
Die persönliche Vorrausetzung zur Erlangung einer Hilfeleistung gemäß § 72 BSHG setzt „besondere Lebensverhältnisse“ voraus, woraus sich soziale Schwierigkeiten entwickeln. Allerdings können sich aus sozialen Schwierigkeiten auch besondere Lebensverhältnisse bilden. Es besteht also ein reziprokes Verhältnis der Voraussetzungen, wobei eine Kausalität allerdings nicht maßgeblich für eine Hilfeleistung ist. Dies spiegelt sich denn auch im Verordnungstext wider, worin ausgesagt wird: „ besondere Lebensverhältnisse können ihre Ursache in äußeren Umständen oder in der Person des Hilfesuchenden haben“.
(§ 1 Abs.2 S.2 VO). Gemeint ist hiermit, dass die besonderen Lebenslagen nicht nur von der Person, sondern auch durch die Gesellschaft hervorgerufen werden kann. Dies beinhaltet in der Hilfepraxis allerdings das Problem, dass die Institutionen nicht nur genau differenzieren müssen, ob die Hilfe nun bei der einzelnen Person, oder in der Gesellschaft anzusetzen hat. Ist das Letztere der Fall, dürfte eine pädagogische Gesellschaftsintervention problematische werden. Die Folgen sind, dass wieder beim Hilfesuchenden angesetzt und u. U. seine Individualität begrenzt wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Grundlagen des § 72 BSHG
- Modernisierung des § 72 BSHG
- Anspruchsgrundlagen des § 72 BSHG
- Persönliche Voraussetzungen
- Gewaltgeprägte Lebensumstände
- Definition
- Ursache von Gewaltgeprägten Lebensumständen
- Hilfeinhalte gemäß §§ 2 ff. VO des § 72 BSHG
- Erstellung eines persönlichen Gesamtplanes
- Notwendige Kompetenzen des Sozialarbeiters
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Bedeutung von „Gewaltgeprägten Lebensumständen“ als besondere Lebensverhältnisse im Sinne des § 72 BSHG. Der Fokus liegt auf der Hilfestellung und der Definition dieser Lebensumstände, wobei die Relevanz im Kontext der aktuellen Gesetzgebung und den sich wandelnden gesellschaftlichen Strukturen hervorgehoben wird.
- Analyse der Modernisierung des § 72 BSHG und dessen Bedeutung für die Hilfestellung in Gewaltgeprägten Lebensumständen
- Definition und Abgrenzung von „Gewaltgeprägten Lebensumständen“ als besondere Lebensverhältnisse im Sinne des § 72 BSHG
- Analyse der Anspruchsgrundlagen des § 72 BSHG im Hinblick auf „Gewaltgeprägte Lebensumstände“
- Untersuchung der Hilfeinhalte gemäß §§ 2 ff. VO des § 72 BSHG im Kontext von „Gewaltgeprägten Lebensumständen“
- Bewertung der Anforderungen an Sozialarbeiter im Umgang mit „Gewaltgeprägten Lebensumständen“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Aktualität und Relevanz des § 72 BSHG im Kontext von „Gewaltgeprägten Lebensumständen“ sowie die Bedeutung der Gesetzesnovelle für die Hilfestellung. Im ersten Kapitel werden die Grundlagen des § 72 BSHG beleuchtet, wobei die Modernisierung des Gesetzes, die Anspruchsgrundlagen und die persönlichen Voraussetzungen im Fokus stehen. Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit der Definition und den Ursachen von „Gewaltgeprägten Lebensumständen“. Im dritten Kapitel werden die Hilfeinhalte gemäß §§ 2 ff. VO des § 72 BSHG, insbesondere die Erstellung eines persönlichen Gesamtplanes und die notwendigen Kompetenzen des Sozialarbeiters, im Zusammenhang mit „Gewaltgeprägten Lebensumständen“ untersucht.
Schlüsselwörter
§ 72 BSHG, besondere Lebensverhältnisse, Gewaltgeprägte Lebensumstände, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, Sozialhilfe, Prävention, Integration, Hilfeleistung, Sozialarbeit, Hilfebedarf, Persönliche Voraussetzungen.
- Citar trabajo
- Werner Schmidtke (Autor), 2003, Gewaltgeprägte Lebensumstände als neues besonderes Lebensverhältnis im Sinne des § 72 BSHG: Hilfevoraussetzung und Hilfeinhalt, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21274