Einleitung
E.T.A Hoffmann gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Romantik und ist heute aus dem Literaturkanon nicht mehr wegzudenken. Kein Autor wurde seiner Zeit aber auch so verkannt wie er. Gerade als Kinderbuchautor konnte sich Hoffmann keinen Namen machen und rief 1816 mit der Veröffentlichung des Märchens „Nussknacker und Mäusekönig“ einen Skandal hervor. Man sollte sein Werk allerdings immer im zeitgeschichtlichen Kontext sehen, um Kritikgründe benennen zu können. Die Zeit der Romantik und der ihr vorausgegangenen Epoche der Aufklärung war ein Zeitalter der Revolution, der Neuerung der Gesellschaft. Es herrschte Krieg und Familien wurden auseinander gebrochen, das Geld war knapp, so dass sich die Einstellungen, Normen und Werte der Menschen änderten. Aus diesem Grund änderte sich auch die Sichtweise auf das Kind und die Kindheit allgemein. Daraus resultierte eine hohe, bisher nicht dagewesene Nachfrage an Kinderliteratur. Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit dem Kindheitsideal des 18. Jahrhunderts und arbeitet die Einflüsse heraus, durch welche sich die Stellung des Kindes in der Gesellschaft verändert hat. Dies soll im Hinblick auf die daraus resultierende Kinder- und Jugendliteratur geschehen.
Außerdem soll auf die damalige Rezension des „Nussknacker und Mäusekönig“ eingegangen und dargestellt werden, welche Besonderheiten das Märchen aufweist.
Des weiteren soll geklärt werden, ob das Märchen vom „Nussknacker und Mäusekönig“ ein Märchen ist, das am besten von Kindern gelesen oder gehört werden soll oder es an eine wesentlich ältere Altersgruppe adressiert ist.
Die Forschungsliteratur hat dem Sujet des „Nussknacker und Mäusekönig“ erst Mitte des 20. Jahrhunderts Beachtung geschenkt. Seine anderen Schriften, Erzählungen und Erwachsenenmärchen wurden bereits um einiges vorher bearbeitet und interpretiert.
Inhaltsverzeichnis
EinleitungS
1. Kinder in der RomantikS
1.1. Kindheitsauffassung nach Jean-Jacques RousseauS
1.2. Das Kindheitsbild in der RomantikS
2. Kinderliteratur in der Romantik
3. Nussknacker und Mäusekönig
3.1. „Die Serapionsbrüder“
3.2 Das Kindheitsbild in „Nussknacker und Mäusekönig“S
3.3. Ein Märchen für Kinder oder Erwachsene?S
4. Zusammenfassung
5. Literatur- und QuellenverzeichnisS
Einleitung
E.T.A Hoffmann gilt als einer der bedeutendsten Schriftsteller der Romantik und ist heute aus dem Literaturkanon nicht mehr wegzudenken. Kein Autor wurde seiner Zeit aber auch so verkannt wie er. Gerade als Kinderbuchautor konnte sich Hoffmann keinen Namen machen und rief 1816 mit der Veröffentlichung des Märchens „Nussknacker und Mäusekönig“ einen Skandal hervor. Man sollte sein Werk allerdings immer im zeitgeschichtlichen Kontext sehen, um Kritikgründe benennen zu können. Die Zeit der Romantik und der ihr vorausgegangenen Epoche der Aufklärung war ein Zeitalter der Revolution, der Neuerung der Gesellschaft. Es herrschte Krieg und Familien wurden auseinander gebrochen, das Geld war knapp, so dass sich die Einstellungen, Normen und Werte der Menschen änderten. Aus diesem Grund änderte sich auch die Sichtweise auf das Kind und die Kindheit allgemein. Daraus resultierte eine hohe, bisher nicht dagewesene Nachfrage an Kinderliteratur. Diese Seminararbeit beschäftigt sich mit dem Kindheitsideal des 18. Jahrhunderts und arbeitet die Einflüsse heraus, durch welche sich die Stellung des Kindes in der Gesellschaft verändert hat. Dies soll im Hinblick auf die daraus resultierende Kinder- und Jugendliteratur geschehen.
Außerdem soll auf die damalige Rezension des „Nussknacker und Mäusekönig“ eingegangen und dargestellt werden, welche Besonderheiten das Märchen aufweist.
Des weiteren soll geklärt werden, ob das Märchen vom „Nussknacker und Mäusekönig“ ein Märchen ist, das am besten von Kindern gelesen oder gehört werden soll oder es an eine wesentlich ältere Altersgruppe adressiert ist.
Die Forschungsliteratur hat dem Sujet des „Nussknacker und Mäusekönig“ erst Mitte des 20. Jahrhunderts Beachtung geschenkt. Seine anderen Schriften, Erzählungen und Erwachsenenmärchen wurden bereits um einiges vorher bearbeitet und interpretiert.
1. Kinder in der Romantik
Kinder haben in der heutigen Zeit einen großen Stellenwert in der Gesellschaft, zählen als vollwertiges Mitglied der Familie und werden von ihren Eltern zu einem erwachsenen Menschen erzogen. Dieses Bild musste im Laufe der Zeit einige Entwicklungen überstehen. Dazu beigetragen haben neben einigen geschichtlichen und gesellschaftlichen Umbrüchen auch diverse Persönlichkeiten, wie Jean-Jacques Rousseau, die bereits vor der Romantik zur Genese des romantischen Kindheitsideals beigetragen haben und dessen Wirkung noch bis in die heutige Zeit hineinreicht.
1.1. Kindheitsauffassung nach Jean-Jacques Rousseau
Jean-Jacques Rousseau war Schriftsteller und Philosoph, der für eine individuelle Freiheit und gegen den Absolutismus von Kirche und Staat eintrat. Durch sein Verständnis des individuellen Rechts gilt er als Wegbereiter der Französischen Revolution.
Sein pädagogisches Hauptwerk „Emilie und über die Erziehung“ erschien im Jahre 1762 und hatte großen Einfluss auf die folgenden Jahrhunderte. In seiner Schrift beschäftigt er sich mit der Erneuerung des Kindheitsbildes und macht diverse Angaben und Vorschläge zur Kindererziehung und pädagogischen Maßnahmen. So wird Rousseau auch als „Hauptbaumeister der Jugendlichen“[1] bezeichnet. Die Schrift nimmt eine Art Vorreiterrolle ein, da sie ein neues Menschenverständnis eröffnet und somit das Kindheitsbild und die Kinderliteratur in der Romantik ohne Rousseaus Werk nicht möglich zu sein scheint.
In der Geschichte der Kindheitsidee des 18. Jahrhundert markiert Rousseau einen tiefen Einschnitt, denn Kinder galten in der Epoche der Aufklärung als Bruch des Vernünftigen. Rousseaus Kindheitsphilosophie brachte eine erste Trübung, da er das Idealbild des vernünftigen Kindes diskredierte.[2] Für Rousseau verläuft die Entwicklung vom schwachen und unvernünftigen Kind zum vernünftigen und sittlich starken Erwachsenen. Die Fähigkeiten des Kindes, dessen Anlagen es in sich trägt, müssen im Laufe der Zeit noch ausgebildet werden. Mit der richtigen Erziehung erlangt das Kind Stärke.[3] Das Individuum soll für das gesellschaftliche Leben gefestigt werden. Dabei teilt Rousseau die Kindheit in verschiedene Phasen ein: Am Anfang beschreibt er das Kind als gefühllos und ohne Vorstellungen und Sinnesempfindungen. Erst mit voranschreitendem Alter beginnt die individuelle Existenz, bis dann in der dritten Phase die Kindheit abgeschlossen und vollendet ist. Die Kindheit ist somit ein Stadium physischer Reife und soll so lang gestreckt werden, wie möglich, damit erst mal die Kindheit im Kinde reift.[4] Rousseaus pädagogischer Vorschlag ist die Erziehung des Kindes durch die Natur, denn die Natur hat dem Mensch Fähigkeiten und Anlagen gegeben und wehrt somit alles künstliche und willkürliche ab. Die enthaltenden Anlagen der Kinder sind allerdings nur zum Teil ausgebildet und müssen durch richtige Erziehung entfaltet werden. Wenn man sich der Natur widersetzt und seelische Fähigkeiten zu früh ausbildet, führt dies zu einer Hemmung der körperlichen Entwicklung und schwächt somit die Basis und Grundlage des Kindes. Kinder sollen somit anhand der Erziehung aus ihrer Schwäche und Hilflosigkeit herausgeführt werden, indem für Rousseau eine richtige Erziehung, die Schulung der Sinne und den Erwerb von Erfahrungen fördert. Die Kindheitserziehung ist abgeschlossen, wenn eine gewisse Stabilität im Denken und Handeln der Kinder entwickelt wurde.[5]
Ein wichtiger Aspekt in Rousseaus Erziehungsphilosophie beinhaltet die Thematik der Bildung. In der Kindheit werden Grundlagen für die Erziehung geschaffen, deshalb bleibt Bildung in der Kindheit außen vor und beginnt erst im Jugendalter. Er möchte also alle Verstandeskultur und Intellektualität von Kindern ferngehalten wissen.[6] Die Bildung als Pädagogik setzt dann in der Jugend ein und hat die Funktion den richtigen Vernunftgebrauch hervorzubringen. Dabei muss man eine klare Grenze zwischen Jugend und Kindheit ziehen, denn das Kind wird „einmal geboren um zu existieren, und dann noch mal um zu leben.“[7]
Eine radikale Veränderung in der Kindheitsidee birgt auch Rousseaus Theorie zum Umgang mit Kindern, denn für ihn beruht der bisher vertraute Umgang mit Kindern auf einer Täuschung. Die Menschen haben in den vergangen Jahrhunderten immer nur in Kindern den Erwachsenen gesucht, nie das Kind als solches gesehen und sich selbst in ihnen gespiegelt. In Wahrheit sei die Kindheit was „vollkommen Unbekanntes.“[8] Aus diesem Grund glaubt Rousseau auch nicht an die Existenz einer engen Bindung zwischen Kindern und Erwachsenen, da die intellektuellen Differenzen zu groß sind und man diese nicht überbrücken kann. Ein natürliches Aufwachsen des Kindes ist nur in weitgehender sozialer Bindungslosigkeit und Autarkie möglich. Er interpretiert den Menschen von Natur aus als gut und frei. Das zentrale Problem ist für ihn, wie verhindert werden kann, dass der Mensch durch die Gesellschaft schlecht und unfrei wird. Menschsein ist dabei verstanden als das Anstreben von Vervollkommnung auf der Basis der menschlichen Grundcharakteristika.[9]
Nicht nur Jean-Jacques Rousseau hat sich mit dem Kindheitsbild und den dazugehörigen pädagogischen Maßnahmen beschäftigt, auch viele andere Schriftsteller und Philosophen haben sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt. Hier soll Johann Gottfried von Herder nicht unerwähnt bleiben, dessen Schriften zwar nicht den populären Status eines Rousseaus erreicht haben, der aber genau in die entgegengesetzte Richtung wie dieser argumentiert. Er sieht das Kind als ein anhängliches Wesen, das gerne dazu bereit ist, sich einzugliedern und unterzuordnen. Es ist leicht beeindruckbar, autoritätshörig, sehr lernwillig und wissbegierig. Dies zielt in eine völlig andere Richtung ab, wie die Vorstellung Rousseaus von einem autarken Kind. Dessen vermitteltes Kindheitsbild ist die Vorbedingung dafür, dass Kindheit zu einem kritischen Gegenbild der Zeit, zu einem utopischen Entwurf werden kann.[10]
1.2. Das Kindheitsbild in der Romantik
Die Romantik, die man grob zwischen 1798 und 1835 einordnen kann, war eine Epoche, die stark von historischen Ereignissen, Veränderungen und Umbrüchen geprägt war. Durch die beginnende Industrialisierung wurden Mensch und Natur im Zeitalter der Aufklärung zunehmend in ihrem ökonomischen Nutzwert gesehen. Alles wurde auf Nützlichkeit und Verwertbarkeit untersucht. Die Romantiker waren der Ansicht, die angestrebte Selbstverwirklichung des Individuums wäre in dieser Gesellschaft nicht mehr möglich. So entstand ein Gefühl des Mangels.[11] So wie sich viele Institutionen, Einstellungen und Gedankengüter veränderten, verwandelten sich auch das Kindheitsbild und die Stellung des Kindes in der Gesellschaft. Dies geschah vor dem Hintergrund des Wandels der Familie, der sich in der Schicht der Bürgerlichen vollzog und zur Ausprägung der bürgerlichen Kleinfamilie, einer häuslichen Gemeinschaft aus Eltern und Kindern, führte.[12] Damit steht diese Entwicklung im Kontrast zu der vorher, vorrangig herrschenden „großen Haushaltsfamilie“, zu der nicht nur Eltern und Kindern gehörten, sondern auch Arbeiter der Familie zählten. Kinder wurden ihren Fähigkeiten entsprechend für diverse Arbeiten in der Familie eingesetzt und deshalb tendenziell auch wie Erwachsene behandelt. Es findet also ein Wandel von der Familie als Erwerbs- und Produktionsgemeinschaft zu einer ökonomisch, unabhängigen Gemeinschaft statt, in der Familie und Beruf strikt getrennt werden. Mit dem „Wandel der Familienstruktur verändern sich die Beziehungen zwischen den Familienmitgliedern. Durch die Trennung von Familie und Beruf wird die Familie zu einem privaten Binnenraum, der „nach außen“ abgrenzt ist.“[13] Durch die Entlastung der Familie und besonders des Kindes können die Beziehungen innerhalb der Familien persönlicher und intimer werden. Mit dem Wandel der Familie verändert sich dadurch auch die Kindheit. Im 18. Jahrhundert findet ein tiefgehender Umbruch im Status des Kindes statt, denn die Einstellung der Erwachsenen zu den Kindern verändert sich. Nun ist „die zentrale Beschäftigung, zu der die bürgerlichen Kinder angehalten werden, das Lernen.“[14] Das Lernen und somit das Erlangen von verschiedenen Fertigkeiten, dass das Kind im Leben als Erwachsener benötigen wird, tritt nun an die Stelle der frühen Erwerbsarbeit. Kindheit wird nun, auch infolge Rousseaus Werk „Emile“, als Lebensphase und Übergangszeit verstanden.
Auch die Einstellung zur Kindersterblichkeit, die im 18. Jahrhundert recht hoch war, veränderte sich.[15] Zuvor sah man den Kindstod als ein „von Gott verhängtes Schicksal“ an. Aus diesem Grund entstand auch des Öfteren keine emotionale Bindung zu Kleinkindern. Die äußeren Umstände verbesserten sich, wie medizinische Versorgung und Hygieneverhältnisse. Die Menschen waren aufgeklärter, so dass die Schwangerschaftsraten und Geburtenzahlen zurückgingen. Dies führte dazu, dass die Familien oft auch weniger Kinder hatten und somit das einzelne Kind in der Familie einen höheren Stellenwert zugesprochen bekommt.
Das Thema „Kinder und Jugendliche“ wird in der Zeit der Romantik stark aufgegriffen und es entstehen viele pädagogische Schriften, die sich mit den richtigen Erziehungsmaßnahmen beschäftigen. Es entsteht ein regelrechter Kinder- und Jugendwahn.
[...]
[1] Michael Mitterauer, Sozialgeschichte der Jugend, S. 34.
[2] Hans-Heino Ewers, Romantik, S.101.
[3] Simone Jostock, Kindheit in der Moderne und Postmoderne, S.30.
[4] Gabrielle Wittkopp-Ménardeu, E.T.A Hoffmann, S.15.
[5] Simone Jostock, Kindheit in der Moderne und Postmoderne, S.34.
[6] ebd., S.36.
[7] Jean-Jacques Rousseau, Emile oder über die Erziehung, S.438.
[8] Hans-Heino Ewers, Kindheit als poetische Daseinsform, S.39.
[9] Simone Jostock, Kindheit in der Moderne und Postmoderne, S.28.
[10] Hans-Heino Ewers, Kindheit als poetische Daseinsform, S.36.
[11] Manfred Frank, Einführung in die frühromantische Ästhetik, S.35.
[12] Reiner Wild, Aufklärung, S.55.
[13] ebd. S.55.
[14] ebd. S.57.
[15] vgl. Petra Plotz, Kindersterblichkeit. Rückständigkeit im historischen Vergleich, S.6. In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt in Deutschland bei rund 40 Jahren. In der Mitte des Jahrhunderts, in den 1840er, 1850er und 1860er Jahren, ging sie zurück. Der tiefste Stand wurde etwa um 1865 erreicht, eine Trendwende wurde eingeleitet, die Lebenserwartung stieg dauerhaft an. Dieser Rückgang der Lebenserwartung bei der Geburt in der Mitte des 19. Jahrhunderts ist überwiegend auf den zeitweiligen Anstieg der Säuglings- und Kindersterblichkeit zurückzuführen. Dieser konnte in den meisten Teilen Deutschlands beobachtet werden, jedoch mit regionalen und sozialen Ungleichheiten.
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