Das georgische 'supra' als Tradition im Kontext des Nationalismus


Hausarbeit, 2012

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


1.) Inhaltsverzeichnis

2) Einleitung

3.) Der Stellenwert des supra für die georgische Bevölkerung

4) Der traditionalistische Ansatz im Zuge der Nationalismus- forschung: Anthony D. Smith und das Element der Tradition

5) Der modernistische Ansatz im Zuge der Nationalismus- forschung: Traditionen im Kontext des Nationalismus zwischen Partizipation und Aggression
5.1 Der radikale Bruch der Moderne
5.1.1 Ernest Gellner
5.1.2 Benedict Anderson
5.2 Inkludierende Elemente des Nationalismus in Verbindung mit Traditionen
5.2.1 Eric Hobsbawm
5.2.2 Dekonstruktion des georgischen supra
5.2.2.1 Weintradition
5.2.2.2 Der königliche Hof und das „Goldene Zeitalter“
5.2.2.3 Das 19. Jahrhundert
5.3 Exkludierende Elemente des Nationalismus in Verbindung mit Traditionen

6.) Zusammenfassung

7.) Literaturverzeichnis

2.) Einleitung

Der (Sozial-)Anthropologe Florian Mühlfried beschäftigte sich in seiner Dissertation im Jahr 2005[1] mit dem georgischen supra – dem georgischen Festbankett. Das supra als rituelle Form des Essens, Trinkens sowie des Feierns und gilt sowohl in Georgien selbst als auch im Ausland als Inbegriff der georgischen Gastfreundschaft. Meist finden supras zu Ehren besonders einschneidender Ereignisse statt, wie beispielsweise einer Hochzeit oder eines Todesfalls. Doch ebenso wie in ländlichen Regionen kann es auch besonders im urbanen Raum zu informellen supras kommen, die aus nur zwei Personen bestehen können[2] – so beschreibt es zum Beispiel der in Montreal lehrende Kevin Tuite bei seinem ersten Besuch Tbilisis.[3] Charakteristisch für das zeitgenössische supra sind die Person des tamada – der, im Idealfall, charismatische Tischmeister, der die Festivität leitet und führt – sowie das Ausbringen von Trinksprüchen, die das supra strukturieren und bestimmte Themen ins Zentrum rücken, auf die im dritten Kapitel noch genauer eingegangen werden wird.[4]

Im Verlauf dieser Arbeit enttarnt der für das Max-Planck-Institut arbeitende Ethnologe das von georgischen Kulturwissenschaftlern teils in der Antike verortete supra als ein Produkt des 19. Jahrhunderts.[5] Damit soll von Beginn an darauf hingewiesen werden, dass der Begriff Tradition mit einer bestimmten Erwartung aufgeladen ist – nämlich die der Kontinuität an das längst Vergangene. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit der Tradition des supra auseinander und beleuchtet das damit eng verbundene Konzept des Nationalismus. Nationalismus wird hierbei im Sinne Theodor Schieders als wertneutraler Begriff definiert.[6] Dieter Langewiesche sieht Nationalismus als doppelseitigen Prozess mit jeweils doppeltem Boden: Außenpolitisch auf Abgrenzung bedacht und innenpolitisch auf die Integration möglichst großer Bevölkerungsgruppen gerichtet. Jedoch erweitert er dieses binäre Konzept, indem er anmerkt, dass innenpolitisch in demselben Prozess ebenso Bevölkerungsgruppen ausgegrenzt werden können.[7]

Zunächst wird im dritten Kapitel danach gefragt, was für eine Bedeutung der Tradition des georgischen supra für die Bevölkerung Georgiens zukommt. Das vierte Kapitel setzt sich mit dem traditionalistischen Ansatz der Nationalismusforschung auseinander und beleuchtet dessen Interpretation von Traditionen. Im fünften Kapitel wird auf den modernistischen Ansatz der Nationalismusforschung eingegangen. Im ersten Abschnitt desselben Kapitels wird untersucht, warum der Beginn der Moderne ein Bruch mit der vorherigen Geschichtsschreibung darstellt und sowohl Ernest Gellners als auch Benedict Andersons Erklärungen vorgestellt. Im zweiten Abschnitt werden zuerst mithilfe von Eric Hobsbawms Ansatz der Traditionsforschung die inkludierenden Elemente des Nationalismus in Verbindung mit Traditionen dargelegt. Anschließend wird dieselbe Theorie auf das georgische supra angewendet und die verschiedenen Anknüpfungspunkte genauer untersucht. Im letzten Abschnitt des fünften Kapitels wird nach der exkludierenden Funktionen von Traditionen im Kontext des Nationalismus gefragt. Abschließend werden die Ergebnisse diese Arbeit in der Zusammenfassung dargestellt.

3.) Der Stellenwert des supra für die georgische Bevölkerung

Das folgende Kapitel setzt sich mit der Frage auseinander, was für ein Stellenwert dem georgischen Festbankett von der einheimischen Bevölkerung eingeräumt wird.

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, strukturieren die vom tamada zu einem bestimmten Thema ausgebrachten Trinksprüche, die traditionellerweise immer in Verbindung mit dem Konsum von einheimischem Wein stehen, den gesamten Ablauf des supra. Ohne einen Trinkspruch dürfe kein Alkohol konsumiert werden. Anschließend werde das Thema des Trinkspruchs von den Gästen aufgenommen und in Form weiterer Trinksprüche fortgeführt.[8] Kommensalität sowie gruppenspezifische Verhaltenskonventionen fördern hierbei laut Mühlfried das solidarische Gruppenverhalten. Die Trinksprüche aktualisieren die gemeinsamen Wertvorstellungen und affirmieren die bestehenden sozialen Netzwerke sowie das georgische Nationalbewusstsein. Beispielsweise werden Trinksprüche auf die Nachbarschaft, die Vorfahren sowie auf die Heimat und Georgien ausgebracht. Da die in den Trinksprüchen behandelten Themen stark formalisiert seien, rahme die Tradition des supra sowohl den Ablauf als auch das Verhalten der Teilnehmer.[9] Das supra könne einerseits – wie in dem Eingans erwähnten Beispiel Tuites – einen informellen Charakter besitzen – sich andererseits in Form außergewöhnlicher Anlässe wie einer Hochzeit, Taufe oder eines Todesfalls deutlich vom Alltag abheben. Ebenso werden die Themen der Trinksprüche situationsbezogen angepasst.

[...]


[1] Vgl. Florian Mühlfried: Postsowjetische Feiern. Das Georgische Bankett im Wandel. Mit einem Vorwort von

Kevin Tuite. [Zugleich Diss. Hamburg, 2005] Stuttgart: Ibidem-Verlag (Soviet and Post-Soviet Politics and

Society Vol.34), 2006 (im Folgenden zitiert als „Mühlfried, Postsowjetische Feiern“).

[2] Vgl. ebd., S.32ff.

[3] Kevin Tuite: The Autocrat of the Banquet Table: the political and social significance of the Georgian supra.

In: Université de Montréal. Département d’anthropologie. >http://www.mapageweb.umontreal.ca/tuitekj/

publications/Tuite-supra.pdf< (zuletzt abgerufen am 20.08.2012 um 14.25 Uhr), S.1 (im Folgenden zitiert als

„Tuite, Banquet Table“).

[4] Vgl. Mühlfried, Postsowjetische Feiern, S.32.

[5] Vgl. ebd., S.111f.

[6] Vgl. Theodor Schieder: Nationalismus und Nationalstaat. Studien zum nationalen Problem im modernen Europa.

Hrsg. von Otto Dahn und Hans-Ulrich Wehler. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht Verlag, 1991, S.105 (im

Folgenden zitiert als „Schieder, Nationalstaat“).

[7] Vgl. Dieter Langewiesche: Nation, Nationalismus, Nationalstaat in Deutschland und Europa. München: Beck

Verlag (Beck’sche Reihe Bd.1399), 2000, S.40f (im Folgenden zitiert als „Langewiesche, Nation“).

[8] Vgl. Tuite, Banquet Table, S.2.

[9] Vgl. Mühlfried, Postsowjetische Feiern, S.71-79.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Das georgische 'supra' als Tradition im Kontext des Nationalismus
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (AOI Abteilung für Ethnologie)
Veranstaltung
PS: „Regionale Ethnographien I“
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
14
Katalognummer
V214445
ISBN (eBook)
9783656427186
ISBN (Buch)
9783656432791
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nationalismus, Erfundene Traditionen, georgisches supra / Festmahl, Georgien, Ernest Gellner, Benedict Anderson, imagined community, Moderne, Eric Hobsbawm, Goldenes Zeitalter, Anthony D. Smith, Die Erfindung der Nation, Inventing Traditions, Florian Mühlfried, Dieter Langewiesche, Kevin Tuite, Partizipation, Aggression, Georgische Geschichte, Weintradition, Königshof, Nation, Nationalstaat, Modernismus, Identität, Identitätsmuster, Kaukasus, ehemalige Sowjetunion, Regionale Ethnographien
Arbeit zitieren
Nils Marvin Schulz (Autor:in), 2012, Das georgische 'supra' als Tradition im Kontext des Nationalismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214445

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