Der Einfluss der kubanischen Revolution auf die US-amerikanischen Studentenbewegungen


Term Paper, 2011

17 Pages, Grade: 2,7


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Charakter und Verlauf der kubanischen Revolution
2.1 Fidelismo in den USA: Rasanter Wandel der offentlichen Meinung
2.2 Charles Wright Mills und sein intellektueller Einfluss
2.3 Rezeption der Revolution durch die US-Studentenbewegung

3 Schluss
3.1 Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Zum Beginn der sechziger Jahre tauchte weltweit eine neue politische Generation auf, die Altemativen zu den Lebensentwurfen der Nachkriegsara suchte. In den USA fuhlte sich diese Jugend in ihrer materiellen Position unwohl und suchte danach, aus diesem Uber- fluss und dem Ruckzug ins Private auszubrechen. Der ehemalige Sprecher der Students for a Democratic Society (SDS) Todd Gitlin schreibt von einem anti-politischen Klima in den USA der funfziger Jahre, das vom Antikommunismus der McCarthy-Ara, dem Kalten Krieg und der Konsumgesellschaft gepragt war.1 Der als bedeutungsleer bezeichnete Uber- fluss und die inkonsequente Haltung der Demokratischen Partei gegenuber sozialen Pro- blemen wie Rassendiskrimierung und Verarmung wurde zu einer Zielscheibe der Kritik.2 Die Ideen einer ,,Neuen Linken“ hatten ihren Ursprung in England, wo sich nach dem Ungarn-Aufstand 1956 einige Intellektuelle von der kommunistischen Partei lossagten. Auch in den USA suchten ehemalige Kommunisten nach etwas neuem, undogmatischem.3 Inspiriert durch die Burgerrechtsbewegungen des Sudens unter Martin Luther King bilde- ten sich erste Institutionen der Neuen Linken heraus. An der Universitat in Berkeley for- mierte sich SLATE, das sich fur akademische Freiheit und studentische Rechte engagierte, gleichzeitig wurde seit 1959 die erste Zeitschrift der neuen Bewegung Studies on the left herausgegeben.4 Ein Bundel von Wertvorstellungen verbanden diese kleinen Gruppen: die Kritik an der kommunistischen Bewegung, die Kritik an der amerikanischen Gesellschaft und der US-Aufienpolitik, die Akzentuierung freier Meinungsaufierung und das Interesse an neuen direkten Aktionsformen als Alternative zur dominanten Demokratischen Partei.5 Um I960 distanzierten sich die Hochschulgruppen der League for Industrial Democracy (LID) von ihrer Mutterorganisation und grundeten mit 250 Mitgliedern am 17. Juni 1960 die Students for a Democratic Society (SDS). Die LID stand der Demokratischen Partei nahe und weigerte sich, mit politischen Gruppen die dem Kommunismus nahestehen konnten, zu kooperieren. Die SDS betrachteten den Antikommunismus unter dem auch die nichtkommunistische Linke zu leiden hatte, als ideologische Waffe gegenjede neue Oppo­sition. 1962 verfassten sie ein Manifest, das Port Huron Statement, in dem sie sich deut- lich als Teil einer intemationalen Abgrenzungsbewegung von den alten Linken verstan- den.6

In dieser Arbeit soll untersucht werden, inwieweit die kubanische Revolution einen Ein- fluss auf die Neue Linke in den USA ausgeubt hat. Die Revolution fallt in den gleichen Zeitraum, in dem sich die Neue Linke in den USA formierte, namlich Ende der funfziger Jahre. In die nachfolgende Dekade fallt nicht nur die kurze und intensive Zeit der Studen- tenbewegungen, sondern auch die hochgradige Dynamik der aufienpolitischen Beziehun- gen zwischen den USA und Kuba. Das letztere auf die Studentenbewegungen Auswirkun- gen hatten und zu ihrer Konzeption und Radikalisierung beitrugen, soll hier dargelegt wer­den. Eine Schilderung der kubanischen Ereignisse erfolgt im nachsten Kapitel. Daraufhin soll die Rezeption der Vorkommnisse in der amerikanischen Offentlichkeit und im studen- tischen Umfeld dargestellt werden. Einflusse von amerikanischen Intellektuellen auf die Studenten bilden ebenfalls ein eigenes Kapitel.

2. Charakter und Verlauf der kubanischen Revolution

Die angesetzte kubanische Prasidentschaftswahl am 1. Juni 1952 sah die Wahl zwischen drei Kandidaten vor, von denen derjenige mit den geringsten Aussichten Sergeant Fulgen- cio Batista war. Dieser putschte sich wenig spater an die Macht und ubernahm das Ober- kommando der kubanischen Streitkrafte. Fidel Castro, damals noch ein 25jahriger Rechts- anwalt, versuchte vor dem Dringlichkeitsgericht in Havanna eine Verurteilung Batistas zu erwirken. Castro, der auch fur den Kongress kandidiert und sich einige Jahre politisch beteiligt hatte, fasste nach dem Misserfolg vor Gericht den Entschluss, die Unabhangigkeit von Kuba durch eine Revolution zu erreichen.7

Die Unabhangigkeit der Insel von den USA schien fur die meisten Kubaner der funfziger Jahre ein unrealistischer Traum zu sein. Ende des 19. Jahrhunderts hatten US-amerikani- sche Unternehmen einen grofien Anteil an den kubanischen Zuckerplantagen und Minen erworben. Nach der Unterstutzung der USA am Unabhangigkeitskrieg Kubas gegen die Kolonialmacht Spanien und der spanischen Niederlage, zwang der amerikanische Kon- gress den Kubanem durch das Platt Amendment8 Beschrankungen in ihrer staatlichen Sou- veranitat auf und behielten bis heute die Militarbasis Guantanamo auf der Insel.9 Die wirt- schaftliche Abhangigkeit durch die Monokultur der Zuckerplantagen und dem Absatz- markt in den USA stieg bis Mitte des 20. Jahrhunderts stark an. 1956 kontrollierten ameri- kanische Firmen bis zu 40 Prozent der Zuckerproduktion, 90 Prozent der Elektrizitat und Telekommunikation und uber 50 Prozent der offentlichen Transportmittel in Kuba.10 In den funfziger Jahren wurde Havanna zu einem stark frequentierten Ziel US-amerikani- scher Touristen. Prostitution, Spielhollen und mafiose Strukturen bildeten sich unter dem Schutz des Batista-Regimes und der amerikanischen Wirtschaftsinteressen heraus.11 John F. Kennedy unterstrich in einer TV-Debatte mit Richard Nixon das der amerikanische Bot- schafter in Havanna der zweitmachtigste Mann in Kuba sei.12 Die unheilige Allianz zwi- schen korrupten kubanischen Politikern und Diktatoren und amerikanischen Diplomaten und Investoren schafften uber 50 Jahre eine derartige okonomische Abhangigkeit der Insel von dem grofien Nachbar, dass die Folgen fur die arme Landbevolkerung und die Auswir- kungen auf das politische Bewusstsein der Kubaner nicht ausblieben. Zwischen Verdros- senheit, Zynismus und Korruption schwankend, entwickelten die Kubaner vor allem patriotische Gefuhle, die sie als Schicksalsgemeinschaft gegenuber den US-Amerikanern vereinten.13

Der erste bewaffnete Aufstand unter der Leitung Castros gegen das Batista-Regime am 26. Juli 1953 scheiterte. Castro und sein Bruder wurden in Haft genommen, ein Teil seiner Unterstutzer hingerichtet. Die Unterstutzung fur den Rebellen aus dem Volk wahrend sei­ner Haftzeit warjedoch so grofi,14 das Castro und seine Kameraden durch ein vom kubani- schen Kongress verabschiedetes Amnestiegesetz bereits 1955 entlassen wurden. Durch seine darauf folgende standige Uberwachung konnte Castro keinerlei oppositionelle Arbeit gegen Batista ausuben und entschloss sich nach Mexiko zur Vorbereitung eines erneuten bewaffneten Befreiungskampfes ins Exil zu gehen.15

Ende 1956 wagten Castro und seine Kampfer einen zweiten Angriff und landeten auf der Insel. Gejagt von der Batista-Armee blieben von den ursprunglich 82 Mannern nur 12 ubrig die sich in die Berge fluchteten. Von dort aus fuhrten sie einen ungleichen Guerilla- krieg gegen die Batista-Armee, die mit 30.000 Soldaten, einer Luftwaffe und einer Flotte zahlenmafiig und technisch weit uberlegen war. Uber zwei Jahre lang dauerte der unglei- che Krieg, bei dem sich immer mehr arme Menschen der kubanischen Landbevolkerung den Rebellen anschlossen.16 Schlussendlich errangen Castro und seine Kampfer den Sieg uber die zum grofiten Teil von den USA trainierte und unterstutzte kubanische Armee.17

Wahrend des Krieges hatte Castro die Bevolkerung Kubas uber das von ihm gegrundete Radio Rebelde und uber Manifeste zu Streiks und Widerstand gegenuber der Diktatur auf- gerufen. Sein illegaler Radiosender wurde zum meistgehorten Rundfunksender der Insel. Die Klasse der Campesinos, der armen Landbevolkerung stand am Ende geschlossen hin- ter der revolutionaren Bewegung. So beschreiben Paul Sweezy und Leo Huberman in ihrem Bericht uber den Verlauf der Revolution eindrucksvoll die Grunde, weshalb Castro und seine Kampfer das Vertrauen der unterdruckten Landbevolkerung gewinnen konnten:

,,Soldaten, die die Uniform der Bewegung des 26. Juli trugen, waren nicht wie die, welche die Cam­pesinos bisher kennengelernt hatten. Sie waren freundlich und rucksichtsvoll, nicht arrogant und bru­tal. Sie plunderten und raubten nicht, im Gegenteil, sie bezahlten fur alles, was sie sich nahmen; in der dieser Armee stand auf Plunderung der Tod. Die Soldaten respektierten die Campesinos und halfen ihnen. Als die Rebellen eines Tages das Material zum Bau eines Feldhospitals in der Sierra Maestra zur Pflege ihrer Verwundeten zusammen hatten, konnten sich die Campesinos in diesem Hospital, in dem Dr. Julio Martinez Paez, ein beruhmter Arzt aus Havanna, uber einen Rontgenapparat, Instru- mente und Arzneimittel verfugte, behandeln lassen. Eine ahnliche arztliche Fursorge fur Campesinos hatte es vorher nie gegeben. Als Che Guevara in den Bergen eine Schule errichtete, kamen so viele Campesinos mit ihren Kindern, um zu lernen, dass die Schule nicht allen Platz bot. Innerhalb von zwei Jahren wurden von der Rebellenarmee 30 Schulen gebaut. Nie zuvor hatten die Campesinos der Sierra eine Schule gesehen.“18

[...]


1 Gitlin, Todd: Das doppelte Selbstverstandnis der amerikanischen Studentenbewegung. In: Gilcher- Holtey, Ingrid (Hg.): 1968. Vom Ereignis zum Mythos, Frankfurt am Main 2008, S. 75-85, hier S. 76.

2 Ebd., S. 77.

3 Auch die Enthullung des stalinistischen Terrors durch Chruschtschow auf dem 20. Parteitag der KPdSU Anfang 1956 brachten das traditionelle Weltbild der kommunistischen Linken ins Wanken. Siehe Schmidtke, Michael: Der Aufbruch derjungen Intelligenz. Die 68er Jahre in der Bundesrepublik und den USA, Frankfurt am Main 2003, S. 33.

4 Flacks, Richard: Die philosophischen und politischen Ursprunge der amerikanischen New Left. In: Gilcher-Holtey, Ingrid (Hg.): 1968. Vom Ereignis zum Mythos, Frankfurt am Main 2008, S. 201-223, hier S. 205.

5 Ebd., S. 206.

6 Schmidtke, Michael: Der Aufbruch derjungen Intelligenz, S.41.

7 Huberman, Leo/Sweezy, Paul M.: Kuba. Anatomie einer Revolution, Frankfurt am Main 1968, S. 39.

8 Im Platt Amendment welches in der kubanischen Verfassung verankert wurde, erklarte sich unter anderem die kubanische Regierung dazu bereit, den Vereinigten Staaten jederzeit zu Erhaltung der kubanischen Unabhangigkeit das Recht auf Intervention zuzugestehen. Die Vereinbarung sah auch die Pacht der Flottenbasis Guantanamo fur 2000 Dollar jahrlich vor. Wie von den Kubanem befurchtet mischten sich die Amerikaner weiterhin militarisch in kubanische Angelegenheiten ein. 1906, 1912 und 1917 marschierten sie, gestutzt auf das Platt Amendment mit amerikanischem Militar ein, 1920 entsandten sie politische und finanzielle Berater die die kubanische Regierung kontrollieren sollten. Huberman/Sweezy: Kuba, S. 29.

9 Ebd. S. 28.

10 Mills, Charles Wright: Listen Yankee. The Revolution in Cuba, New York 1960, S. 23.

11 Gosse, Van: Where the Boys Are. Cuba, Cold War America and the Making of a New Left, London, New York 1993, S. 63. Mitte der funfziger Jahre besuchtenjahrlich um die 300.000 US-amerikanische Touristen die Insel. Ebd.

12 Baran, Paul A.: Reflections on the Cuban Revolution. In: Monthly Review, 8 (1961), S. 459-470, hier S. 468.

13 Gonzales, Manuel Pedro: Why Cubans resent the U.S. In: Monthly Review, 1 (1960), S. 18-23, hier S. 21.

14 Castro hatte sich in dem gegen ihn gerichteten Gerichtsprozess eloquent verteidigt und viele Anschuldigungen wie eine versuchte Tauschung des Gerichts das er krank und verhandlungsunfahig sei, widerlegen konnen. Den letzten Verhandlungstag nutzte er in einer funfstundigen Rede als politische und juristische Anklage gegen das Batista-Regime und die Rechtfertigung seiner oppositionellen Aktivitaten. In Haft grundete er eine Schule, lehrte Geschichte und Philosophie und lernte Englisch. Der Mythos uber seine Motive und seinen Kampf gegen Diktator Batista verbreitete sich trotz Zensur auf Kuba und fuhrte zu einer ungeahnten Popularitat in bestimmten Teilen der Gesellschaft. Huberman/Sweezy: Kuba, S. 50, 67.

15 Ebd., S. 68.

16 Ebd., S. 75, 83.

17 Mills: Listen Yankee, S. 50.

18 Huberman/Sweezy: Kuba, S. 76.

Excerpt out of 17 pages

Details

Title
Der Einfluss der kubanischen Revolution auf die US-amerikanischen Studentenbewegungen
College
University of Bremen  (Institut für Geschichtswissenschaft)
Grade
2,7
Author
Year
2011
Pages
17
Catalog Number
V214556
ISBN (eBook)
9783656430001
ISBN (Book)
9783668198616
File size
447 KB
Language
German
Keywords
che guevara, fidel castro, kuba, studentenbewegungen, new left, charles wright mills, sds, kommunismus
Quote paper
Leon Keller (Author), 2011, Der Einfluss der kubanischen Revolution auf die US-amerikanischen Studentenbewegungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214556

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