Mediengeschichte als Herrschaftsgeschichte. Der Hörfunk im Dritten Reich


Term Paper, 2011

19 Pages, Grade: 1,7


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Rundfunkpolitik und ihre Ziele
2.1 Organisatorische Veränderungen
2.2 Personelle Umstrukturierung
2.3 Erweiterung der Hörerschaft

3. Programminhalte und –struktur
3.1 Vier Phasen der Programmentwicklung nach Konrad Dussel
3.2 Standardisierung und Veralltäglichung
3.3 Unterhaltung als Lockmittel
3.4 Virtueller Raum und Volksgemeinschaft

4. Resümee

Abkürzungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Geschichte der AV-Medien, so lautete der Titel des im Wintersemester 2010/11 stattfindenden Seminars an der Universität Lüneburg. Es wurde im Zuge dieser Veranstaltung der von verschiedenen Autoren bereits geforderte Versuch unternommen, eine stärkere Einbindung der Mediengeschichte bei der sozial- und alltagsgeschichtlichen Forschung anzustrengen (vgl. Marßolek/von Saldern 1999: 11; Leonhard 2010: 17). Es zeigt sich tagtäglich, wie unsagbar groß der Einfluss der (audiovisuellen) Medien „auf Alltagsleben, Wahrnehmungsweisen, sowie Gesellschaft und Politik“( Marßolek/von Saldern 1999: 11) ist. Zugleich ist diese Einflussnahme meist nur schwer greifbar zu machen, da Medien sich in das Leben der Menschen so sehr integrieren, dass sie zu scheinbar unsichtbaren Begleitern werden, die kaum noch bewusst wahrgenommen werden. So stellt es eine große Schwierigkeit da, die Mediennutzung und die Medienprodukte unabhängig von den Inhalten zu untersuchen, denn erinnert wird meistens nur das Ereignis, nicht die Art und Weise seiner medialen Vermittlung.

Die vorliegende Arbeit versucht in diesem Zusammenhang „Mediengeschichte als Herrschaftsgeschichte“ zu analysieren, wobei als Analysegegenstand hierbei der Rundfunk[1] im Dritten Reich dienen soll, dem in Form des Volksempfängers im Bereich der modernen Massenmedien Pioniercharakter zugeschrieben werden kann.

Nicht ohne Grund war Joseph Goebbels neben Adolf Hitler einer der zentralen Akteure der NS-Führungsriege. Er war es, der zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit das gesamte Potenzial einer Medienmaschinerie nicht nur erkannte, sondern leider auch auf sehr clevere Art und Weise für die politischen und ideologischen Ziele des diktatorischen Regimes einzusetzen wusste. Besonderes Augenmerk legte er dabei auf das zu jener Zeit noch relativ junge Medium Rundfunk.

Die Nazis erkannten von Anfang an die Macht des Beeinflussungsinstruments Radio, doch durchliefen die Rundfunkverantwortlichen einen über die gesamte Zeit des Regimes andauernden Lern- und Anpassungsprozess für die Perfektionierung ihrer Propagandastrategien.

Doch welche verschiedenen Strategien wurden im Laufe der Zeit realisiert und vielleicht wieder verworfen? Was für eine Rolle spielten sie für die Etablierung und Stabilisierung der politischen Macht? Und welche Voraussetzungen mussten hierfür überhaupt erst einmal geschaffen werden?

Somit soll die Arbeit beginnen mit einer Nachzeichnung der politischen Veränderungen, welche sich im Zuge der nationalsozialistischen Machtergreifung vollzogen. Besonderes Augenmerk soll hierbei natürlich auf die Rundfunkpolitik gelegt werden, die von Anfang an eine wichtige Rolle für die Politik der NSDAP spielte. Die Veränderungen organisatorischer wie personeller Strukturen, sowie die Schaffung bestimmter technischer Voraussetzungen werden gleichermaßen Beachtung finden. Im weiteren Verlauf sollen Programmstruktur und Programminhalte auf ihre Gestaltungsweisen und Veränderungsprozesse im Sinne des nationalsozialistischen Regimes, aber auch unter Beachtung der Hörerbedürfnisse und deren Aneignungsweisen hin untersucht werden. Für einen groben Überblick wird in Anlehnung an Konrad Dussel eine Unterteilung der Programmentwicklung in vier Phasen unternommen. Die zwei wichtigsten Instrumente bei Gestaltung des Programms, die Standardisierung und die Unterhaltung, sollen Thema der beiden folgenden Kapitel sein um abschließend eines der großen Ziele des Regimes, die Etablierung und Festigung der Volksgemeinschaft genauer zu betrachten.

2. Rundfunkpolitik und ihre Ziele

2.1 Organisatorische Veränderungen

Im Folgenden sollen nun zunächst die (rundfunk)politischen Ereignisse seit Ende der Weimarer Republik kurz nachgezeichnet werden, um die Voraussetzungen für den nationalsozialistischen Missbrauch des Rundfunks aufzuzeigen.

Bereits zu Zeiten des Weimarer Rundfunks wurde der Weg bereitet für die schnelle und effektive Machtübernahme der Nationalsozialisten im Rundfunksektor. Die Entprivatisierung wurde mit aller Kraft vorangetrieben und bereits 1925 mussten sich alle regionalen Sender in der RRG (Reichsrundfunkgesellschaft) zusammenschließen (vgl. Sarkowicz 2010: 205). Die Rundfunkordnung von 1926 legte die Schaffung politischer Überwachungsausschüsse und Kulturbeiräte fest. Alle Nachrichten kamen vom DD (Drahtlosen Dienst) in Berlin, an dessen Spitze ein vom Reichskabinett genehmigter Chefredakteur saß. Diese Strukturen gewährten dem Staat einen großen Spielraum um sowohl auf personelle wie auf organisatorische und dadurch auch auf inhaltliche Aspekte maßgeblich Einfluss zu nehmen. Hinzu kam eine weitgehende Zensurbefugnis für Reich und Länder, die eine mehr oder weniger unabhängige politische Berichterstattung wie wir sie heute kennen beinahe unmöglich machte (vgl. Sarkowicz 2010: 205).

Bereits um 1929/30 schloss sich die NSDAP mit anderen rechtsgerichteten Vereinigungen zusammen, um ganz gezielt die Organisation und Formierung der Rundfunkhörer voranzutreiben. Unterstützung kam hierbei vom Medienmagnaten Alfred Hugenberg, dessen Pressekonzern im Juli 1930 den Aufruf zum „Aufbau eines Kampfverbandes der vereinigten national gesinnten Rundfunkteilnehmer“ lancierte (vgl. Dussel 2004: 81).

Im August 1930 kam es zur Gründung des RDR (Reichsverband Deutscher Rundfunkteilnehmer), der in seiner Anfangszeit keineswegs stark nationalsozialistisch, sondern vielmehr deutschnational geprägt war. So war bei seiner Gründung keines der drei Vorstandsmitglieder NSDAP-Mitglied. Kurz darauf jedoch gründete sich innerhalb des RDR die „Verbandsgruppe Nationalsozialisten“, die mit ihrem Magazin „Deutsch der Rundfunk“ sogar ein eigenes rundfunkpolitisches Kampfblatt herausbrachten (vgl. Dussel 2004: 81 f.).

Kurze Zeit später machten sich die Nationalsozialisten daran die RDR-Führungsriege zu unterwandern und bereits im Dezember 1931, nur ein Jahr nach der Gründung des RDR, schafften sie es, das Ruder an sich zu reißen: der gesamte Vorstand des RDR wurde abgesetzt und durch NSDAP-Mitglieder ersetzt: Joseph Goebbels, Horst Dreßler Andreß und Eugen Hadamovsky übernahmen von nun an den Vorsitz (vgl. Dussel 2004: 82).

Im Jahre 1932 wurden unter dem Reichskanzler von Papen im Zuge der zweiten Rundfunkreform schließlich alle Rundfunkanstalten gegen Entschädigungszahlungen in Staatsbesitz überführt, 51% gingen an die Länder, 49% der Anteile gingen an die Reichspost (vgl. Sarkowicz 2010: 206) und der Rundfunk wurde damit endgültig zum „Staatsrundfunk“ (Münkel 1998: 51).

Noch im Frühjahr 1932 wurde Hitlers Antrag im Zuge der Reichspräsidentenwahl eine Rede im Radio zu halten vom Überwachungsausschuss des Senders abgelehnt. Durch den Erlass vom 11. Juni 1932 jedoch (vgl. von Saldern 1999: 68) wurden der NSDAP mit der erstmaligen Zulassung umfassender Parteipropaganda (vgl. Dussel 2004: 81) im Radio die Pforten geöffnet und damit eine entscheidende rundfunkpolitische Wende angestoßen.

Ein Tag nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, verkündete die neue Regierung am 1. Februar 1933, dass „die geistige und willensmäßige Einheit“ des Volkes wiederherzustellen ihre „oberste und erste Aufgabe“ (Tormin 1961: 13) darstelle. Mit dieser Ankündigung wurde das die gesamte nationalsozialistische Ideologie bestimmende Konzept der „Gleichschaltung“ eingeleitet.

Im Zuge dieser Gleichschaltung sollte „jedes Tun und Denken“ (Tormin 1961: 25) in den Dienst des Staates gezwungen werden. Mit dem Rundfunk hatte das Regime ein hilfreiches Instrument unter seiner Kontrolle, um dieses Ziel zu erreichen.

Adolf Hitlers neue Position in der Regierung eröffnete den Nationalsozialisten rundfunkpolitisch also weitere völlig neue Möglichkeiten. In Hitlers Kabinett saß der ebenfalls der NSDAP angehörende für Rundfunk zuständige Innenminister. Somit war es ein nicht allzu schwieriges Unterfangen vor den Reichstagswahlen durch einen Trick allen außer den Regierungsparteien den Zugang zum Mikrophon zu verwehren: Auf Vorschlag des Innenministers kam es zu einem Kabinettsbeschluss über ein Verbot von Parteiwerbung (vgl. Dussel 2004: 83). Ministerreden und „erläuternde Berichte“ (Diller 1980: 65) blieben von diesem Verbot selbstverständlich unberührt. In der Zeit zwischen dem 1. Februar und dem 4. März 1933 wurden 45 Wahlsendungen ausgestrahlt, wovon keine einzige von einer Nichtregierungspartei stammte (vgl. Dussel 2004: 83).

[...]


[1] Unter Rundfunk wird im Folgenden nur Bezug auf den Hörfunk genommen. Zwar wurden im Zuge des Propagandafeldzuges der Nationalsozialisten Versuche unternommen, das Fernsehen zu nutzen, doch konnte „der Führer“ auf der zu jener Zeit noch sehr flimmrigen und kleinen Mattscheibe nicht in angemessener Form präsentiert werden – er erschien einfach viel zu klein (vgl. Leonhard 2010: 23 f.).

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Details

Title
Mediengeschichte als Herrschaftsgeschichte. Der Hörfunk im Dritten Reich
College
Leuphana Universität Lüneburg
Course
Geschichte der AV-Medien
Grade
1,7
Author
Year
2011
Pages
19
Catalog Number
V214645
ISBN (eBook)
9783656429715
ISBN (Book)
9783656436737
File size
424 KB
Language
German
Keywords
Hörfunk, Drittes Reich, Radio, Propaganda, Massenmedien
Quote paper
Anja Schneck (Author), 2011, Mediengeschichte als Herrschaftsgeschichte. Der Hörfunk im Dritten Reich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214645

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