Nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches waren die deutschsprachigen Staaten des 19. Jahrhunderts unter Modernisierungszwang geraten. Viele von ihnen waren nach 1806 nur noch verarmte Vasallenstaaten des Frankreichs von Napoleon I, und die Reste mittelalterlicher Ständeordnung und einer auf Landwirtschaft beruhenden Ökonomie ließ die Staaten in dem sich auf die industrielle Revolution vorbereitenden Europa weiter zurückfallen. Der Ausweg waren massive soziale Reformen; neben Reformation von Verwaltung und Militär wurde vor allen Dingen die Neugestaltung des Bildungswesens Kernpunkt des von der Großmacht Preußen begonnen deutschen „social engineering“ im 19. Jahrhundert.
Nach den Ideen der von der Aufklärung beeinflussten Reformer sollte eine rationale(re) Allgemeinbildung nun den Weg zu Chancengleichheit und ethischer Verbesserung aller öffnen, während ihre am protestantischen Pietismus orientierten Allierten mit den Schulreformen eine Verbesserung der christlichen Moral wie des ökonomischen Schicksals der verarmten Bevölkerung verbanden. Allzu liberale Vorstellungen der Reformer wurden allerdings rasch durch konservative Kräfte eingedämmt, und während andauernde Reformbemühungen vor allem für höhere Schulen schnell Wirkung zeigten, änderten sich die Verhältnisse in den Volks- bzw. Elementarschulen erst mit - mit der Gründung des Deutschen Kaiserreichs einhergehenden - weiteren Reformen im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts.
Thema der Arbeit. Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit der evangelische Religionsunterricht an deutschen Volksschulen in seiner Entwicklung ab 1850 untersucht und eine Verwendung des Themas für den Unterricht diskutiert und erstellt werden. Zuerst soll dazu eine Einführung in Geschichte und Struktur der Volksschule im 19. Jahrhundert und ihre Stellung zwischen Staat und Kirche sowie die Entwicklung des protestantischen Religionsunterrichts (2) gegeben werden. Im darauf folgenden Abschnitt (3) sollen die für die Schulreform wesentlichen Ministerialerlässe, die sogenannten „Stiehlschen Regulative“ von 1854 und die „Allgemeine Bestimmungen“ von 1872, bezüglich ihrer Bedeutung gerade für den Religionsunterricht vorgestellt und analysiert werden. Daran schließt sich eine inhaltliche Analyse eines zu dieser Zeit verbreiteten Religionsbuches an. [...]
Inhalt
1. Einleitung
2. Der evangelische Religionsunterricht in der Volksschule ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
2.1 Exkurs: Die Schule zwischen Staat und Kirche
2.2 Strukturen und Entwicklung der deutschen Volksschule im 19. Jahrhundert
2.3 Geschichte des evangelischen Religionsunterrichts
3. Vorstellung und Analyse von Zeitdokumenten
3.1 Die Stiehlschen Regulative
3.2 Die “Allgemeinen Bestimmungen” von 1872
3.3 Die „Erste Wahrheitsmilch“ - ein elementarer Katechismus
4. Verwendung in der Unterrichtspraxis: Unterrichtseinheit Schule früher
Literaturverzeichnis
Anhang: Dokumentation des Quellenmaterials, Aufgabenstellungen für Schüler, Vorschläge für Arbeitsblätter
Der evangelische Religionsunterricht in der Volksschule in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
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- M.A. Christopher Knapp (Author), 2010, Der evangelische Religionsunterricht der Volksschule ab 1850, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215014