Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Was ist “politically correct”?
2.1 Die Euphemismen
3. George Orwell und die Sprache der Politik
4. Der linguistische Rassismus
Schluss
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Vor einigen Jahren behauptet der nigerianische Schriftsteller Wole Soyinka, der 1986 den Nobelpreis für Literatur bekam, während eines literarischen Festivals in Neapel über Political Correctness[1]: „Wir sind nahe an einem Jahrtausend von Wörtern, die von ihrem Kontext abgezogen sind, ohne Risiken, ohne Beleidigungen, ohne Nuancen, ohne Geschichte: eine menschliche neutralisierte Kommunikation“.
Wegen dieses Phänomen sind wir umgeben von Wörtern, die nicht in unseren lebenden Gedanken geboren sind, sondern künstlich aufgebaut sind, mit heuchlerischen Begründungen von einer Gesellschaft, die die Welt geändert und geheilt glaubt. In seiner Philosophie der Sprache sprach Wittgenstein über Wörter, die „look like ,corpses‘ “: leere Wörter ohne konkrete Bedeutung, die eine Unfähigkeit der deutlichen Ausdruckskraft zeigen. Die Sprach dieser leeren Wörter hat dazu beigetragen, eine unüberwindbare Distanz zwischen dem lebenden Denken von Menschen und der Gesellschaft zu schaffen. Wenn wir dem Leid, der Diskriminierung, der Grausamkeit oder der Dummheit nicht mehr den richtigen Namen geben, werden wir sie nicht mehr erkennen.
Obwohl das Thema der political correctness ein sehr breites Thema ist, werde ich in diesen Abschnitten einen Eindruck davon zu geben versuchen, wie die Sprache der neuen Tendenz folgt, politically correct zu sein. Meine Analyse betrifft vor allem die englische Sprache und die amerikanische Gesellschaft, wo die polical correctness geboren ist und sich entwickelt hat.
Erstens werde ich mich mit der Definition von political correctness und seiner Stellung in der heutzutage Gesellschaft beschäftigen. Ich analysiere insbesondere einige Wörter, um besser zu verstehen, was heute die Debatte über political correctness bedeutet.
Ich habe mich entschieden, von „Euphemismen“ zu sprechen, obwohl dieses Wort nicht ganz neutral ist, weil ich finde, dass das Wort ,Euphemismus‘ das richtige Bild ist, um eine immer stärker grassierende Tendenz, sich politically „ incorrect “ zu erklären, um sich sprachlichen Entscheidungen, die für heuchlerisch gehalten werden, entgegenzusetzen.
Danach werde ich über George Orwell und seine Idee von politischer Sprache sprechen: sowohl sein Essay Politics and the English Language (1946) als auch sein Roman 1984 (Nineteen Eighty-Four) (1948) stellen eine beachtliche Analyse von Euphemismen und des Gebrauchs der Sprache von Institutionen vor, auch wenn diese Werke vor der Debatte über political correctness geschrieben wurden.
Zum Schluss werde ich im letzten Paragraph auf den linguistischen Rassismus, auf seine Bedeutung, und darauf, wie Wörter und Gedanken in der Konzeption des ,Anderen‘ miteinander verbunden sind, eingehen. In diesem Abschnitt werde ich mich auf die amerikanische Gesellschaft und besonders auf die Afroamerikaner konzentrieren, obwohl das Phänomen in vielen anderen Kontexten analysierbar ist.
2. Was ist “politically correct’?
Der Ausdruck „Politische Korrektheit“ oder „Political Correctness“ (PC abgekürzt) bezeichnet eine Argumentationslinie und eine soziale Haltung, die eine große Aufmerksamkeit auf Respekt im Allgemeinen und vor allem gegenüber bestimmten Kategorien von Personen richten. Wer nach politischer Korrektheit streben will, will ohne rassistische, ethnische, religiöse und sexuelle Vorurteile oder solche gegenüber physischen und psychischen Behinderungen sein.
Seinen Ursprung hat der Begriff in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo verschiedene Gruppierungen der Linken sich um eine verbindliche Sprachregelung gegen die Diskriminierung von Minderheiten bemühten. In der Bundesrepublik etablierte sich der Begriff langsam seit Anfang der 90er Jahre und steht für einen „Konformitätsdruck“, für bestimmte Bereiche „mit denen die Gesellschaft noch nicht fertig geworden ist“, die in ihrer Gestalt als „heikel“ gelten [...] (Heilmann 2008: 96)
Das Ende des Kalten Krieges bedeutete neue Widersprüche, die nicht an die zwei Mächte, die kapitalistische, westliche Welt und den realen Sozialismus, gebunden waren. Mit der Herrschaft der Marktwirtschaft und der Kommerzialisierung des Menschen haben rechte Traditionalisten das Schreckgespenst einer bösen kommunistischen Herrschaft verloren. Dieser zeitliche Standpunkt ist wesentlich, um die Geburt der Debatte über political correctness zu verstehen. Selbst der konservative Kolumnist Richard Bernstein fragt sich, warum political correctness und seine Philosophie die Vereinigten Staaten in diesem historischen Zeitpunkt plagen (Bernstein 1994 in Crisafulli 2004). Jetzt stehen die Diskrepanzen der amerikanischen Gesellschaft offensichtlich im Mittelpunkt und die Konservativen versuchen diese durch die Unterdrückung des Multikulturalismus und der kulturellen sowie religiösen Unterschiede zu verstecken. Außerdem sind die Konzepte und die politischen- philosophischen Kategorien nicht mehr geschichtlich determiniert: liberale Demokratie, kapitalistischer Markt, und auch Familie und Sexualität sind immer in ständiger Bewegung. Nach Edoardo Crisafulli (2004), erklärt das, wie durch political correctness eine neue Zeit von politischen und kulturellen Kämpfen beginnt: diese drehen sich um die Sprache, die nicht mehr ein neutrales Mittel darstellt, sondern eine ideologische Kommunikation. Einst war nämlich die Form von dem Inhalt abhängig und das Wort stand im Dienst der Idee. Heutzutage ist die Wichtigkeit des linguistischen Kampfes so groß, dass die Aussage, die Form selbst, die Oberhand gewinnt: das Wort ist oft Selbstzweck („The medium is the message“, sagte Marshall McLuhan). Es wird immer deutlicher, dass derjenige, der die Sprache und die Kultur kontrolliert, auch die ökonomische und politische Macht beeinflussen kann.
In diesem Kontext beginnt eine neue Form der Politik, die identity politics: man kämpft für seine eigene ethnische oder sexuelle Identität und um sein geistiges Erbe zu schützen. Die identity politics ist der Untergang einer traditionellen Politik: die Unterdrückten (Frauen, Homosexuelle, Schwarze, hispanische Leute, Immigranten, Moslems) kämpfen, um eine Barriere gegen die sozialen und kulturellen hegemonischen Kräfte aufzubauen und kollektive und persönliche Identitäten zu retten.
Jedenfalls ist die amerikanische political correctness heute eine radikale Bewegung, die um die 80er Jahre auf Universitätsgelände sich gegriffen hat. Die Intellektuellen kontrollieren auf die political correctness hin im Namen einer „linguistischen Ökologie“ (Crisafulli 2004) streng die öffentlichen Erklärungen von Journalisten, Universitätsprofessoren und Politikern, um die Wortwahlen, die rassistische oder sexistische Anspielungen enthalten, anzuzeigen. Und man darf die Rolle des Campus' nicht unterschätzen, weil sie sehr relevant sind, um die amerikanische, öffentliche Meinung zu bilden. Nach den Statistiken des National Center for Education Statistics ist die Zahl der Einschreibungen an der Universität in den Vereinigten Staaten 17 487 475 pro Jahr[2] ; das bedeutet, dass eine Vielzahl von jungen Leuten ausgesetzt und von dieser Realität beeinflusst wird.
Schlussendlich, um zu vereinfachen (aber ohne das Thema zu banalisieren), kann man sagen, dass sich zwei Parteien offenkundig in der Debatte über die PC gegenüberstehen: die radikale Linke verfolgt eine Politik der linguistischen Ökologie, dagegen protestiert die konservative Rechte gegen eine übertriebene Zensur von Texten und Büchern.
Trotzdem hat sich heute das Konzept von politically correct in unseren Gesellschaften ein wenig verändert: politically correct zu sein bedeutet fast nicht mehr auf den Gebrauch von nicht diskriminierenden Sprachen zu achten, sondern „Heuchler zu sein“. Die Rechte hat deswegen ihre Abneigung gegen die Akzeptanz von multikulturellen Modellen hinter ihren Kampf gegen die Hypokrisie versteckt.
2.1 Die Euphemismen
Eine der bedeutendsten Einführungen der politically (und auch seinen Entartungen) ist das Dokument The Power of Language der Manchester Polizei[3], das geschrieben wurde, um den Gebrauch von Stereotypen und beleidigenden Ausdrücken von britischen Sicherheitskräften zu verhindern oder wenigsten zu verringern. Der Vorsatz ist lobenswert, aber die Analyse der Sprache wird oft übertrieben und es werden quasi surrealistische Ausdrücke benutzt.
Betrachten wir einige Beispiele über zur Behinderung: die Idee ist ein positives Bild von Menschen mit körperlicher Behinderung zu vermitteln. Es ist der Mangel an angemessener Infrastrukturen, und nicht die körperliche Einschränkung der Menschen, der behindert macht. Daher gelten Wörter wie cretin (Idiot), spastic (Spastiker), cripple (Krüppel), Mongol (Mongole), deformed (verformt, verwachsen) heute als Beleidigungen und man muss sie beseitigen: zum Beispiel soll man nicht mongoloid sagen, sondern person with Down Syndrome (Person mit Down-Syndrom). Trotzdem geht das Dokument der Manchester Polizei vielleicht zu weit und spezifiziert auch die Artikel und die Präpositionen. Man kann nicht den bestimmten Artikel benutzen: wenn wir „the disabled, the blind, the deaf“ sagen, nehmen wir den Invaliden ihre Individualität und Menschlichkeit und kategorisieren sie aufgrund eines körperlichen Fehler, als hätten sie nur diesen gemeinsamen Fehler. Außerdem ist with (mit) die einzige zulässige Präposition, die eine Krankheit mit einer Person verbinden kann; deshalb sollte man sagen: a person with a heart condition (eine Person mit einem Herzleiden): wenn man person with einer Krankheit voranstellt, humanisiert man den Behinderte. Ausdrücke wie suffering from (leiden an) und afflicted with (leidend an) würden beleidigend sein, weil sie die able-bodied, die gesunden Menschen, dazu bewegen, die Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu bemitleiden[4].
[...]
[1] Le Conversazioni, scrittori a confronto (Gespräche, Schriftsteller im Vergleich)- 07.07.2012, Capri (NA)
[2] Digest of Education Statistics 2011: http://nces.ed. gov/pubs2012/2012001.pdf
[3] The Power of Language. A Practical Guide to the Use of Language, Manchester, Greater Manchester Police-Appropriate Language Working Party, 2000.
[4] Die abgeholte Beispiele hier werden von Crisafulli (2004) in seinem Buch genannt und werden aus den Dokument der Manchester Polizei früher zitiert abgeholt.