Die Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Dichtung ist eine spannende Herausforderung: Motive, die vorher nicht thematisiert wurden, weil es sie schlicht nicht gab, finden Eingang in die Verse. „Klassische“ Formanalysen werden neuen Gedichten kaum gerecht und die Frage, was unter Lyrik eigentlich zu verstehen sei, beschäftigt ganze Seminare. Die Zeit der Regelwerke à la Opitz ist lange vorbei, und Dichter beschreiten mutig immer neue Wege, um einer frischen, unverbrauchten Idee in unkonventioneller Form Ausdruck zu verleihen.
Aber auch eingelaufene Wege dürfen wieder beschritten werden – unter der Voraussetzung, dass unterwegs ein paar neue Blümchen gepflanzt oder der Pfad auch einmal rückwärts oder im Handstand gegangen wird. Auf ähnlich kreative Methoden setzten auch Jan Wagner und Henning Ahrens, deren Gedichte "gaststuben in der provinz" und "Brauereiausschank, Kleinstadt" in dieser Arbeit untersucht werden. Beide griffen in ihren Gedichten das altbekannte Thema „Provinz“ auf, finden jedoch ihre ganz eigenen Wege, einem etwas angestaubten Motiv einen neuen, frischen Anstrich zu geben: Während Ahrens dem aktuellen Trend zur prosaischen Dichtung folgt und dem Leser in Versform eine „Geschichte“ über das Kleinstadtleben erzählt, setzt Wagner auf scheinbar unspektakuläre, doch tatsächlich äußerst feinsinnig gewählte Details, um einen ganz neuen Zugang zur Thematik zu ermöglichen.
Meine Vorgehensweise bei der Betrachtung der Gedichte ist, wie das Material selbst, an unsere Zeit angepasst und entspricht daher in Aufbau und Zusammensetzung nicht einer „klassischen“ Gedichtinterpretation. Um allen wichtigen Aspekten der Gedichte den nötigen Raum zu geben, wähle ich stattdessen eine freiere, leicht essayistische, wiewohl selbstverständlich wissenschaftliche Methode. Dabei stütze ich vor allem auf meine eigenen Leseeindrücke, beziehe aber zum einen die Kenntnisse aus dem Seminar "Lyrik nach 2000" und zum anderen die aktuelle Lyriktheorie mit ein, um den Gedichten in vollem Umfang gerecht zu werden. Zur besseren Kontextualisierung stelle ich den Interpretationen zudem eine Vorstellung der Anthologie "Laute Verse" voran, in der Ahrens’ und Wagners Gedichte abgedruckt sind. Ziel der Arbeit ist, das „Neue“ in den untersuchten Gedichten herauszuarbeiten und somit auch zu zeigen, wie viel Potenzial in der zeitgenössischen Lyrik steckt, für die Wagners und Ahrens’ Werke exemplarisch stehen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Anthologie Laute Verse als gemeinsamer Kontext
- Jan Wagner: gaststuben in der provinz
- Zur Form
- Entdeckung des Milieus „Gaststube“
- Das Foto zur Fixierung eines Status quo
- Henning Ahrens: Brauereiausschank, Kleinstadt
- Zur Form
- Die Sprecherinstanz
- Das Phänomen „Kleinstadtschänke“
- Brauereiausschank, Kleinstadt und gaststuben in der provinz im Direktvergleich
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse zweier Gedichte, "gaststuben in der provinz" von Jan Wagner und "Brauereiausschank, Kleinstadt" von Henning Ahrens, die beide das Thema "Provinz" aufgreifen, jedoch in unterschiedlicher Weise interpretieren. Die Arbeit zielt darauf ab, die spezifischen Herangehensweisen beider Dichter an dieses Motiv zu analysieren und das "Neue" in ihren Gedichten herauszuarbeiten.
- Die Relevanz des Themas "Provinz" in der zeitgenössischen Lyrik
- Der Vergleich der Form und Stilistik der Gedichte von Wagner und Ahrens
- Die Darstellung des Milieus "Gaststube" und "Kleinstadt" in den Gedichten
- Die Rolle der Sprecherinstanz und des Lesers in den Gedichten
- Die Einordnung der Gedichte in den Kontext der Anthologie "Laute Verse"
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt die Relevanz der Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Dichtung heraus und betont die Besonderheit der Motive, die in neueren Gedichten vorkommen. Sie führt in die Arbeit ein, die sich mit den Gedichten "gaststuben in der provinz" von Jan Wagner und "Brauereiausschank, Kleinstadt" von Henning Ahrens beschäftigt.
Die Anthologie Laute Verse als gemeinsamer Kontext
Dieser Abschnitt analysiert die Anthologie "Laute Verse", in der die beiden untersuchten Gedichte abgedruckt sind. Er beschreibt den Kontext der Anthologie, die Intention des Herausgebers Thomas Geiger und die Auswahl der beteiligten Autoren. Zudem wird die Bedeutung der Gedichtbetrachtung durch die Autoren selbst beleuchtet.
Jan Wagner: gaststuben in der provinz
Dieser Abschnitt analysiert das Gedicht "gaststuben in der provinz" von Jan Wagner. Er beleuchtet die Form des Gedichts, die Entdeckung des Milieus "Gaststube" und die Verwendung von Fotografien zur Fixierung eines Status quo.
Henning Ahrens: Brauereiausschank, Kleinstadt
Dieser Abschnitt analysiert das Gedicht "Brauereiausschank, Kleinstadt" von Henning Ahrens. Er untersucht die Form des Gedichts, die Rolle der Sprecherinstanz und das Phänomen der "Kleinstadtschänke".
Brauereiausschank, Kleinstadt und gaststuben in der provinz im Direktvergleich
Dieser Abschnitt stellt die beiden Gedichte im Direktvergleich gegenüber und analysiert die unterschiedlichen Herangehensweisen von Wagner und Ahrens an das Thema "Provinz".
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen "Provinz", "Gaststube", "Kleinstadt", "zeitgenössische Lyrik", "Form", "Stilistik", "Sprecherinstanz", "Leser", "Anthologie", "Laute Verse" und "Henning Ahrens", "Jan Wagner", "Thomas Geiger".
- Quote paper
- Wiebke Hugen (Author), 2013, Das Phänomen "Provinz" in Henning Ahrens' "Brauereiausschank, Kleinstadt" und Jan Wagners "gaststuben in der provinz", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215577