Die vorliegende Arbeit hat die Wirtschaftspolitik des italienischen Faschismus in den Jahren 1922 bis 1925 zum Thema. Genauer gesagt ist dies die Wirtschaftspolitik des Finanzministers Alberto De Stefani im ersten Kabinett Mussolinis bis zu dessen erzwungenem Rücktritt im
Juli 1925. Allgemein gilt er als die entscheidende Person für die Wirtschaftspolitik dieser Anfangsperiode des Faschismus. Seiner intellektuellen Herkunft aus dem Kreis der liberalen Freihandelstheoretiker entsprechend, wird dieser zeitliche Abschnitt der faschistischen Wirtschaftspolitik oft auch als die ‚liberale Phase‘ bezeichnet. Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, welche Wirtschaftspolitik De Stefani verfolgte, wie liberal bzw. in welchem Sinne liberal diese gewesen ist, ob seine Politik unter
Mussolini einen Einschnitt in die Tradition italienischer Wirtschaftspolitik darstellt und ob seine Politik spezifisch faschistische Züge aufweist. Die Amtszeit De Stefanis fällt in die Periode nach dem 1. Weltkrieg, in der die italienische
Wirtschaft mit starken Strukturveränderungen und dem neuerlichen Anwachsen des Weltmarkts konfrontiert ist. Beide Faktoren beeinflussen die Entwicklung der Ökonomie maßgeblich. Zunächst werden deshalb die strukturelle Situation der Wirtschaft und ihre
inneren Widersprüche beleuchtet. Danach wird untersucht, wie sich das Verhältnis zwischen faschistischer Bewegung und den italienischen Industriellen im Vorfeld der Regierungsübernahme Mussolinis entwickelte. Die zu beobachtende Annäherung zwischen faschistischer Partei und einem der einflussreichsten – wenn nicht dem einflussreichsten – wirtschaftlichen Lobbyverband, der ConfIndustria, ist für das Verständnis der anschließend betrachteten Wirtschaftspolitik De Stefanis von entscheidender Bedeutung. Geschildert werden die Maßnahmen, die De Stefani ergriff, seine zwischenzeitlichen Erfolge sowie die zunehmenden Konflikte während seiner Amtszeit, die schließlich zu seiner Ablösung führen.
Es folgt der Versuch einer Bewertung seiner Amtszeit und die Erörterung oben genannter Fragestellungen. Die Arbeit konzentriert sich auf die industrielle Entwicklung und die vorwiegend auf die
Industrie zielenden Maßnahmen der Wirtschaftspolitik De Stefanis. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- 1.0 Die ökonomischen Ausgangsbedingungen
- 1.1 Strukturprobleme der italienischen Industrialisierung
- 1.2 Konfliktlinien in der italienischen Ökonomie nach dem 1. Weltkrieg
- 2.0 Faschismus und ConfIndustria: Die steigende Konvergenz
- 3.0 Die Wirtschaftspolitik De Stefanis
- 3.1 Alberto De Stefani und seine ersten Maßnahmen
- 3.2 Haushaltskonsolidierung und inflationärer Boom
- 3.3 Die Erosion der Zustimmung: Industrieinteressen und Syndikalismus
- 3.4 Die wirtschaftliche Krise und die Abberufung De Stefanis
- 4.0 Die Bewertung der Wirtschaftspolitik De Stefanis
- 4.1 Radikaler Liberalismus oder Kontinuität?
- 4.2 Administrative Modernisierung
- 4.3 Eine spezifisch faschistische Wirtschaftspolitik?
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Wirtschaftspolitik des italienischen Faschismus unter dem Finanzminister Alberto De Stefani in der Periode von 1922 bis 1925. Der Fokus liegt auf der Frage, welche Wirtschaftspolitik De Stefani verfolgte, inwiefern sie als "liberal" bezeichnet werden kann, ob sie einen Einschnitt in die Tradition italienischer Wirtschaftspolitik darstellt und ob sie spezifisch faschistische Züge aufweist.
- Strukturprobleme der italienischen Industrialisierung vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Krisensituation nach dem 1. Weltkrieg
- Die Annäherung zwischen der faschistischen Bewegung und der ConfIndustria
- Die wichtigsten Maßnahmen der Wirtschaftspolitik De Stefanis
- Die Bewertung der Wirtschaftspolitik De Stefanis im Kontext der wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der Zeit
- Die Frage nach spezifisch faschistischen Zügen in der Wirtschaftspolitik De Stefanis
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den thematischen Fokus der Arbeit vor. Kapitel 1 beleuchtet die ökonomischen Ausgangsbedingungen in Italien nach dem 1. Weltkrieg, insbesondere die Strukturprobleme der italienischen Industrialisierung und die Konflikte in der Ökonomie. Kapitel 2 untersucht die Entwicklung des Verhältnisses zwischen der faschistischen Bewegung und der ConfIndustria, einem einflussreichen Wirtschaftsverband, im Vorfeld der Regierungsübernahme Mussolinis. In Kapitel 3 werden die wichtigsten Maßnahmen der Wirtschaftspolitik De Stefanis im ersten Kabinett Mussolinis vorgestellt, einschließlich seiner zwischenzeitlichen Erfolge und der zunehmenden Konflikte während seiner Amtszeit. Schließlich beleuchtet Kapitel 4 die Bewertung der Wirtschaftspolitik De Stefanis und erörtert die Frage nach ihrer Liberalität, ihrem spezifisch faschistischen Charakter und ihrem Stellenwert in der italienischen Wirtschaftspolitik.
Schlüsselwörter
Italienischer Faschismus, Wirtschaftspolitik, Alberto De Stefani, liberale Phase, Industrialisierung, ConfIndustria, Haushaltskonsolidierung, Inflation, Syndikalismus, wirtschaftliche Krise, Radikaler Liberalismus, Administrative Modernisierung, spezifisch faschistische Wirtschaftspolitik.
- Citation du texte
- Holger Schmidt (Auteur), 2001, Die Wirtschaftspolitik des italienischen Faschismus - Finanzminister Alberto De Stefani und die so genannte 'liberale' Phase, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21575