Die Thematisierung der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung ist so alt wie die Frauenbewegung an sich. Bei meiner Recherche zu dieser Arbeit habe ich erfahren, dass es Frauenbewegung im Sinne der Selbstbestimmung und des Kampfes um gesellschaftliche Anerkennung schon lange vor den vom Feminismus geprägten 60er und 70er Jahren gab; auch aus dem Mittelalter gibt es Dokumente, die von einem Aufbäumen einzelner Frauen gegen einengende und diskriminierende Normen berichten. Was mich an dem Bild der Frau im Mittelalter fasziniert – und zum Schreiben dieser Arbeit angeregt hat – ist die Doppelmoral, wie Frauen sich im gesellschaftlichen Alltag und in der Öffentlichkeit zu benehmen hatten (besonders den Männern gegenüber) und wie sie auf der anderen Seite von den Dichtern der Minnelyrik beschrieben wurden. Im realen Leben führte die Frau des 12. Jahrhunderts ein dem Mann untergeordnetes Leben, in dem sie, je nach sozialem Status, meist nur in sehr geringem Ausmaß politisches oder gesellschaftliches Mitspracherecht bekam.1 In der Phantasie der Minnedichter erhält die Frau jedoch Macht über den Mann – zumindest solange, wie sie von ihm umworben wird.2 Diesen Widerspruch zwischen dem „wahren“ und dem „geschriebenen“ Leben möchte ich anhand historisch nachweisbarer Zeugnissen des Mittelalters und am literarischen Beispiel des „König Rother“3 untersuchen und auf seinen Wahrheitsgehalt hin prüfen. Dabei strebe ich mit dieser Arbeit keine chronologische und lückenlose Darstellung der Frau im Wandel der Zeit an. Vielmehr stelle ich die Beschäftigung mit den Anfängen eines in der Literatur an Bedeutung gewinnenden Frauenbildes als statuierendes Exempel für ein sich langsam veränderndes Frauenverständnis ins Zentrum meiner Untersuchungen. In diesem Zusammenhang möchte ich des Weiteren folgende Fragen aufgreifen: Wie bedeutsam war die Rolle der Frau im Mittelalter? Wie wurde die Frau in der Literatur dargestellt und wie sah das Leben (besonders der adligen Frau) wirklich aus? [1 Duby, Georges/Perrot, Michelle: „Geschichte der Frauen.“ Frankfurt/Main, Campus Verlag, 1993, S. 285-287.; 2 ebenda, S. 265-267.; 3 Bennewitz, Ingrid: „König Rother“. Stuttgart, Philipp Reclam jun., 2000. ]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Warum eine Arbeit über Frauen?
- 2. Zeugnisse aus dem Mittelalter
- 2.1 Frauenalltag: Segen und Fluch
- 2.2 Literatur im Wandel der Zeit
- 3. Liebe Minne – Eheleben
- 3.1 Was die Brautwerbung mit der Braut zu tun hat
- 3.2 Allgemeines Frauenverständnis im König Rother
- 4. Frauenfiguren im König Rother
- 4.1 Herlint - Die listige Hofdame
- 4.2 Das heterogene Bild der Königstochter
- 4.3 Macht und Ohnmacht einer Königin
- 5. Zusammenfassung
- 5.1 Abschließende literarische Untersuchungen des Rother-Epos
- 5.2 Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Darstellung von Frauen im Mittelalter, insbesondere den Widerspruch zwischen ihrem tatsächlichen Leben und ihrer literarischen Repräsentation in der Minnelyrik und im König Rother-Epos. Ziel ist es, anhand historischer Zeugnisse und literarischer Analysen das Frauenverständnis dieser Zeit zu beleuchten und die Bedeutung der weiblichen Rolle zu ergründen. Die Arbeit konzentriert sich auf den adligen Frauenstand, berücksichtigt aber auch die Unterschiede zu anderen sozialen Schichten.
- Das Leben von Frauen im Mittelalter: Alltag, soziale Unterschiede und rechtliche Stellung.
- Die Entwicklung des Frauenbildes in der mittelalterlichen Literatur: vom religiösen Kontext zur höfischen Minnelyrik.
- Analyse der Frauenfiguren im König Rother-Epos und deren Widerspiegelung gesellschaftlicher Normen und Erwartungen.
- Der Gegensatz zwischen dem „wahren“ und dem „geschriebenen“ Leben von Frauen im Mittelalter.
- Die Rolle der Frau in der Brautwerbung und im Eheleben im Kontext des König Rother.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Warum eine Arbeit über Frauen?: Diese Einleitung begründet die Wahl des Themas und stellt die Forschungsfrage nach dem Widerspruch zwischen dem realen Leben von Frauen im Mittelalter und ihrer Darstellung in der Literatur. Die Autorin hebt die Faszination für die Doppelmoral hervor und kündigt an, historische Zeugnisse und das König Rother-Epos zu untersuchen, um das Frauenverständnis dieser Zeit zu erforschen. Sie betont, dass es nicht um eine chronologische Darstellung geht, sondern um die Analyse des sich langsam verändernden Frauenbildes, insbesondere anhand der Frage nach der Bedeutung der weiblichen Rolle im Mittelalter und ihrer Darstellung in der Literatur.
2. Zeugnisse aus dem Mittelalter: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über den Alltag von Frauen in verschiedenen sozialen Schichten des Mittelalters. Es wird der Unterschied zwischen dem Leben von adligen, bürgerlichen und bäuerlichen Frauen skizziert, wobei der Fokus auf den adligen Frauenstand liegt. Die Hauptaufgabe der Frau wird als die Fürsorge für Haushalt, Ehemann und Kinder dargestellt, wobei ihre Abhängigkeit vom Mann betont wird. Das Kapitel veranschaulicht die unterschiedlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Situationen von Frauen, je nach ihrem Familienstand und sozialer Stellung. Es wird auch auf den Mangel an schriftlichen Quellen über Frauen aus der mittleren und unteren Schicht hingewiesen, was die Forschung erschwert.
2.1 Frauenalltag: Segen und Fluch: Dieser Abschnitt erweitert die Schilderung des Frauendaseins im Mittelalter. Er beleuchtet die unterschiedlichen Erfahrungen von Frauen in verschiedenen sozialen Schichten – Bauernfrauen, Bürgerinnen und Adelige – und hebt die beschränkten Möglichkeiten und die Abhängigkeit von männlichen Autoritäten hervor. Es wird der Gegensatz zwischen der oft schwierigen Realität und dem literarischen Bild der Frau dargestellt, das vor allem auf adlige Frauen fokussiert ist. Die eingeschränkte Möglichkeit zur Selbstbestimmung und die Rolle der Frau innerhalb des patriarchalischen Systems werden deutlich herausgestellt. Die Quellenlage, die schwerpunktmäßig Informationen über den Adel liefert, wird thematisiert, um die Lücken im Wissen über den Alltag der Frauen anderer Schichten zu verdeutlichen.
2.2 Literatur im Wandel der Zeit: Dieser Abschnitt analysiert den Wandel in der Darstellung von Frauen in der mittelalterlichen Literatur vom religiös geprägten Bild hin zur höfischen Minnelyrik. Der Übergang vom 12. Jahrhundert wird als eine literarische Umbruchphase betrachtet, in der das Frauenbild in der Literatur aufgewertet wird. Die Minnedichtung wird als ein wichtiger Faktor für diese Veränderung angesehen, obwohl diese Aufwertung nicht als Gleichberechtigung interpretiert werden kann. Es wird deutlich gemacht, dass die literarische Traumwelt des höfischen Romans eine stark idealisierte Sicht auf die Frau darstellt, die vom Wunschbild heiratswilliger Männer geprägt ist, und die den Realitäten der damaligen Zeit weitestgehend entsprach.
3. Liebe Minne – Eheleben: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Brautwerbung im Kontext des König Rother-Epos und analysiert, inwiefern diese Handlung die Gefühle der Braut widerspiegelt. Es wird die Eigenart der Brautwerbung im Rother-Epos im Vergleich zu anderen Spielmannsdichtungen betrachtet, wobei die Initiative von Rothers Lehnsmann Lupold ausgeht. Der amoröse Aspekt tritt zunächst in den Hintergrund; die Notwendigkeit eines Thronerben steht im Vordergrund. Die Autorin kündigt an, sich auf die Analyse der Beweggründe der weiblichen Figuren zu konzentrieren, während die Motivationen Rothers außen vor bleiben.
3.1 Was die Brautwerbung mit der Braut zu tun hat: Der Abschnitt untersucht die Brautwerbung im "König Rother" aus der Perspektive der Braut. Es wird diskutiert, wie die Beschreibung der Braut durch das „Eigenschaftsbündel“ die Werbung beeinflusst und inwieweit emotionale Aspekte der Braut in den Prozess involviert sind. Obwohl die Notwendigkeit eines Thronerben die Handlung zunächst vorantreibt, werden die Möglichkeit und die Grenzen für die emotionalen Beteiligung der Braut in dem Prozess diskutiert. Die Grenzen der Interpretation des Textes wird durch die vorherrschende Literatur des damaligen Zeitalters gelegt.
Schlüsselwörter
Frauen im Mittelalter, Minnelyrik, König Rother, Frauenalltag, Frauenrollen, höfische Literatur, gesellschaftliche Normen, Frauenbild, Brautwerbung, Ehe, Adel, Patriarchat, literarische Analyse, historische Quellen.
Häufig gestellte Fragen zur Arbeit "Frauen im Mittelalter: Darstellung im König Rother-Epos"
Was ist das Thema der Arbeit?
Die Arbeit untersucht die Darstellung von Frauen im Mittelalter, insbesondere den Widerspruch zwischen ihrem tatsächlichen Leben und ihrer literarischen Repräsentation in der Minnelyrik und dem König Rother-Epos. Der Fokus liegt auf dem adligen Frauenstand, berücksichtigt aber auch Unterschiede zu anderen sozialen Schichten.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Ziel ist es, anhand historischer Zeugnisse und literarischer Analysen das Frauenverständnis des Mittelalters zu beleuchten und die Bedeutung der weiblichen Rolle zu ergründen. Die Arbeit analysiert den Gegensatz zwischen dem "wahren" und dem "geschriebenen" Leben von Frauen.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit behandelt das Leben von Frauen im Mittelalter (Alltag, soziale Unterschiede, rechtliche Stellung), die Entwicklung des Frauenbildes in der mittelalterlichen Literatur (vom religiösen Kontext zur höfischen Minnelyrik), die Analyse der Frauenfiguren im König Rother-Epos und deren Widerspiegelung gesellschaftlicher Normen und Erwartungen, sowie die Rolle der Frau in der Brautwerbung und im Eheleben im Kontext des König Rother.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in eine Einleitung, ein Kapitel zu Zeugnissen aus dem Mittelalter (inklusive Unterkapiteln zum Frauenalltag und der Literatur), ein Kapitel zu Liebe, Minne und Eheleben (mit Unterkapiteln zur Brautwerbung und dem allgemeinen Frauenverständnis im König Rother), ein Kapitel zu den Frauenfiguren im König Rother (Herlint, die Königstochter und die Königin), und eine Zusammenfassung mit Schlussfolgerungen.
Wie wird der Alltag von Frauen im Mittelalter dargestellt?
Das Kapitel zu den Zeugnissen aus dem Mittelalter skizziert den Alltag von Frauen in verschiedenen sozialen Schichten (Adel, Bürgertum, Bauernschaft), wobei der Fokus auf dem Adel liegt. Es wird die Abhängigkeit der Frau vom Mann, ihre Aufgaben im Haushalt und ihre rechtliche und wirtschaftliche Situation beleuchtet. Der Mangel an schriftlichen Quellen über Frauen aus unteren Schichten wird ebenfalls thematisiert.
Welche Rolle spielt die Minnelyrik?
Die Arbeit analysiert den Wandel des Frauenbildes in der mittelalterlichen Literatur, vom religiös geprägten Bild hin zur höfischen Minnelyrik. Die Minnedichtung wird als ein wichtiger Faktor für eine Aufwertung des Frauenbildes in der Literatur betrachtet, wobei diese Aufwertung nicht mit Gleichberechtigung gleichgesetzt wird.
Wie werden die Frauenfiguren im König Rother-Epos analysiert?
Die Arbeit analysiert verschiedene Frauenfiguren im König Rother-Epos, wie Herlint (die listige Hofdame), die Königstochter und die Königin, um ihre Rolle und Bedeutung im Kontext gesellschaftlicher Normen und Erwartungen zu ergründen. Der Fokus liegt auf Macht und Ohnmacht der weiblichen Figuren.
Welche Rolle spielt die Brautwerbung im König Rother?
Die Brautwerbung im König Rother wird aus der Perspektive der Braut analysiert. Es wird untersucht, inwiefern die Beschreibung der Braut und die Notwendigkeit eines Thronerben die Handlung beeinflussen und wie emotionale Aspekte der Braut in den Prozess involviert sind.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Frauen im Mittelalter, Minnelyrik, König Rother, Frauenalltag, Frauenrollen, höfische Literatur, gesellschaftliche Normen, Frauenbild, Brautwerbung, Ehe, Adel, Patriarchat, literarische Analyse, historische Quellen.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Zusammenfassung fasst die Ergebnisse der literarischen und historischen Untersuchungen zusammen und zieht Schlussfolgerungen zum Frauenverständnis im Mittelalter. Sie beleuchtet den Widerspruch zwischen dem realen Leben und der literarischen Darstellung von Frauen und deren Bedeutung im Kontext des König Rother-Epos.
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- Amely Braunger (Author), 2003, Untersuchung der Frauen-Charaktere im "König Rother", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/21588