Der Vanitas-Gedanke bei Andreas Gryphius


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Einflüsse auf die Lyrik Gryphius’
2.1. Literaturhistorische Einordnung

3. Der Vanitas- Gedanke
3.1 Der Vanitas- Gedanke im Alten- und Neuen Testament
3.2 Christlicher Stoizismus

4. Interpretation an einem ausgewählten Beispiel
4.1 „Es ist alles eitel“- Andreas Gryphius
4.2 Formale Aspekte
4.3 Analyse

5. Veränderungen am Gedicht „Vanitas, vanitatum et omnia vanitas. Es ist alles gantz eytel.“

6. Die Zahlenkombination in den Lissaer Sonetten

7. Sinnbilder der Vanitas und ihr biblischer Ursprung

8. Zusammenfassende Betrachtung

9. Anhang

Bibliographie
1. Quellen
2. Sekundärliteratur
3. Internetquellen

1. Einleitung

Im Fernsehen, Radio, Internet und in Zeitungen ist die Thematik des Älterwerdens und des Todes omnipräsent. Wir leben in einer schnelllebigen Gesellschaft, in der Jugendlichkeit das anzustrebende Ideal darstellt. Falten und graues Haar dagegen sind Zeichen der Vergänglichkeit des Menschen und unerwünscht. Alles, was ein Mensch besitzen kann, sei es Geld, Macht oder Ruhm, ist auf Erden unbeständig und vergänglich. Nicht nur in unserer Gesellschaft ist dieses Problem von großer Bedeutung.

Bereits in der Bibel wurden der Tod und die Vergänglichkeit beschrieben. Nun stellt sich jedoch die Frage, wie die Menschen in früheren Generationen mit dieser Thematik umgingen.

Hierbei wird besonders die Zeit des Barock genauer betrachtet werden. Als Beispiel soll ein lyrisches Werk der Barockzeit herangezogen werden.

Der Gedanke der Vergänglichkeit alles Irdischen war eines der bedeutendsten Motive der Barockzeit und prägte vor allem die dichterische Kunst des wohl bekanntesten Lyrikers jener Epoche: Andreas Gryphius.

Zunächst soll beschrieben werden, welche Einflüsse die Dichtkunst Andreas Gryphius’ beeinflusst haben. Der sich anschließende „Vanitas- Gedanke“ gibt Aufschluss über den Ursprung der Vergänglichkeitsvorstellung im Alten und Neuen Testament. Hierbei soll der Vermutung nachgegangen werden, dass die „Eitelkeit“ nicht erst ein Phänomen der barocken Zeit war, sondern ihre Anfänge bereits im christlichen, biblischen Kanon zu finden sind.

Eine weitere Thematik, die behandelt wird, ist der „christliche Stoizismus“. Er ist eng verwandt mit dem Vanitas- Motiv und bietet dem barocken Menschen eine geistige Hilfestellung, um der pessimistischen Grundhaltung mit Rationalität und Akzeptanz entgegenzutreten.

Es wird die zweite Fassung des Gedichts „Vanitas, vanitatum et omnia vanitas. Es ist alles gantz eytel.“ analysiert und mit der Erstfassung verglichen. Zwischen den beiden Ausgaben liegen beinahe 30 Jahre und es soll der Frage nachgegangen werden, ob dieses Sonett aufgrund der Überarbeitung seinen ursprünglichen Sinn verlor. Abschließend wird auf die verschiedenen Sinnbilder für die Vergänglichkeit in Andreas Gryphius Werk eingegangen.

2. Einflüsse auf die Lyrik Gryphius’

2.1. Literaturhistorische Einordnung

In der Literatur, Geschichtsschreibung und bildenden Kunst wird besonders das 17. Jahrhundert mit dem Dreißigjährigen Krieg (1618- 1648) in Verbindung gebracht. Ein Krieg, der alles verwüstete, Epidemien und Hungersnöte auslöste und in dem unmenschliche Kriegshandlungen begangen wurden.

Bezeichnungen in der Literatur über dieses Jahrhundert sprechen eine deutliche Sprache. So wird bei Christoph Weigel von einem „eisernem oder materialischem Saeculum“[1] gesprochen und der Titel des Buches von Volker Press trägt die Bezeichnung „Kriege und Krisen“[2].

Der Dreißigjährige Krieg ging nicht nur als ein Krieg zwischen fremden Nationalstaaten auf deutschem Boden in die Geschichte ein, sondern auch als Religionskrieg zwischen Katholiken und Protestanten. Es ist das „konfessionelle Zeitalter“[3] oder das „Jahrhundert der Glaubenskämpfe“[4]. Seit dem Augsburger Religionsfrieden von 1555[5] hatten sich die Gegensätze in Deutschland verschärft. Die katholische Kirche gewann große Gebiete zurück und neben den Lutheranern gab es nun auch reformierte Gemeinden. Die Spannungen zwischen den Konfessionen waren enorm, sodass der „Prager Fenstersturz“[6] den Dreißigjährigen Krieg auslöste. Zu Beginn ein Religionskrieg, wurde er zunehmend zu einem Machtkampf zwischen dem Kaiser und den Fürsten.

Schlesien, die Heimat von Andreas Gryphius, erlebte zu dieser Zeit trotz des Krieges und der daraus resultierenden Not eine dichterische Blütezeit. Schlesien besaß zum einen bis in die dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts einen gewissen materiellen Wohlstand und zum anderen viele verschiedene kulturelle Ausprägungen. Das Gebiet war also sowohl in religiöser als auch politischer Hinsicht ein buntes Mosaik. Die unterschiedlichen Gruppierungen befanden sich in einer stetigen Diskussion miteinander, wodurch etliche neue Traditionen und Entdeckungen gefördert wurden.[7] Im Jahr 1632 hielt der Krieg auch in Schlesien Einzug, woraufhin die meisten bekannten Dichter ins Ausland flüchteten und dort ihre Werke veröffentlichten. Man kann demnach davon ausgehen, dass die damaligen Umstände zwar einen gewissen Einfluss auf die Dichtung des 17. Jahrhunderts hatten, das gehäufte Aufkommen der dichterischen Talente jedoch nicht begründet.[8]

Das „Buch von der deutschen Poeterey“[9] von Martin Opitz hatte ebenfalls einen großen Anteil an der Entwicklung der deutschen Dichtung. Zuvor wurde Dichtung in lateinischer Sprache verfasst, mit Ausnahme einiger Knittelverse über lokale Ereignisse. Martin Opitz jedoch wandte sich von den alten Sprachen ab.

3. Der Vanitas- Gedanke

Das aus dem Lateinischen stammende Wort „Vanitas“ bedeutet im Deutschen „Vergänglichkeit“ im ursprünglichen Sinne von „Nichtigkeit“. Der „Vanitas- Gedanke“ beschreibt die Vorstellung der Vergänglichkeit alles Irdischen und ist ein zentrales Charakteristikum der Lyrik des Barock. Wie in der Einleitung angedeutet, beschäftigte die Vergänglichkeit nicht nur unsere heutige Gesellschaft, sondern ist seit jeher ein zentrales Thema. In der deutschen Literatur des Barock könnte man das Interesse an Vergänglichkeit und der Problematik des Todes beinahe als einen Wesenszug eines jeden dichterischen Gemüts auffassen. Thomas Mann scheint diese These zu bekräftigen, als er folgende Worte bei der Bestattung Friedrich Huchs wählte:

„Er war ein Dichter, und solche pflegen mit dem Tode auf vertrautem Fuße zu stehen; denn wer so recht der Vertraute des Lebens ist, der ist auch derjenige des Todes [...]. Wo wäre der Dichter, der nicht täglich seiner gedächte in Grauen und Sehnsucht? Denn die Seele des Dichters ist Sehnsucht, und die letzte, die tiefste Sehnsucht ist die nach Erlösung.“[10]

3.1 Der Vanitas- Gedanke im Alten- und Neuen Testament

Der Vergänglichkeitsgedanke taucht jedoch schon viel früher auf. Im Alten Testament findet sich ein Bibelzitat[11] des Predigers Salomo, das die christliche Vorstellung der Unbeständigkeit alles Irdischen wiedergibt:

„Es ist alles ganz eitel, sprach der Prediger, es ist alles ganz eitel.“[12]

Aber auch Hiob wendet sich in seinen Betrachtungen über die menschliche Existenz der Vanitas- Perspektive zu. Jeder Mensch ist „zur Mühsal geboren“[13] und betritt „nackt“[14] das Leben. Dieses Leben aber ist nur ein „Hauch“[15] und vergeht sehr schnell, ähnlich einer welkenden Blume.[16] Am Ende kehrt jeder Mensch „nackt“ zum Staub zurück.[17]

Salomo greift die Gedanken Hiobs auf und ergänzt sie mit der Einsicht, dass diese Welt nichts zu bieten habe, was das menschliche Herz befriedigen könne.[18] Jugend, Glück Weisheit, Ruhm und Reichtum[19] zählt der Prediger als vergängliche, irdische Güter auf; sie zu erstreben sei vergeblich, denn der Mensch werde zu Staub und sein Leben sei nur Eitelkeit.

Der Vanitas Begriff impliziert dabei zwei unterschiedliche Betrachtungen des menschlichen Daseins. Auf der einen Seite ist es das schlimmste Elend, auf der anderen Seite das größte irdische Glück, was einem Menschen widerfahren kann. Der ständige Wechsel des Elends und Glücks ist „Vanitas“ selbst.[20] In dem Buch „Epochen der Deutschen Literatur“ wird dieser Wechsel folgendermaßen beschrieben:

„Die Göttin Fortuna herrscht, pflegt man zu sagen, das launische Glück, das unberechenbar kommt und geht“.[21]

Auch das Neue Testament weist das Motiv der „Vanitas“ auf. Es wird deutlich hervorgehoben, dass kein Mensch dem Schicksal entgehen kann, ungeachtet von Stand, Bildung und Erfolg. Nur der Tod bietet einen Zugang zum wahren Leben im Jenseits und nur er löst den Menschen von seinen weltlichen Bindungen; denn das irdische Leben gilt nur als vorübergehend.

Wie schon erwähnt, war die Zeit des Barock durch den Dreißigjährigen Krieg geprägt. Die Menschen litten unter ständiger Todesangst auf der einen und der Lebensgier auf der anderen Seite.[22] Es stellt sich jedoch die Frage, ob erst der Krieg den „Vanitas- Gedanken“ in der barocken Dichtung begünstigte. Nach dem bisher Gesagten, ist der Vanitas- Gedanke schon so alt, dass er ständiges Thema in der Heiligen Schrift ist und es fraglich scheint, ob es gerecht ist, dem Vergänglichkeitsgedanken gerade im 17. Jahrhundert eine solch große Bedeutung beizumessen. Ferdinand van Ingen steht dieser Frage in seinem Buch „Vanitas und memento mori in der deutschen Barocklyrik“ kritisch gegenüber.[23]

Die „Vanitas“ zeigte die Nichtigkeit des irdischen Lebens auf, welches die Vorstufe des ewigen Todes war. Gerade deshalb sollte das Leben in vollen Zügen genossen und gelebt werden. Mit diesen gegensätzlichen Gefühlen und Vorstellungen standen die Menschen in einem ständigen Widerspruch: Gott- Welt, Diesseits- Jenseits, Augenblick- Ewigkeit, Höhe- Fall, Ordnung- Chaos, Krieg- Frieden.[24] Diese Antithetik stellt ein bedeutsames Merkmal der Lyrik des Barock dar.

[...]


[1] Weigel, Christoph: Sculptura Historiarum et temporum memoratrix, Nürnberg: bey Taubern 1697. S. 229.

[2] Press, Volker: Kriege und Krisen, Bd.5, o.O: Beck 1991.

[3] Heckel, Martin: Deutschland im konfessionellen Zeitalter, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht Verlag 1983.

[4] Zeeden, Ernst Walter: Das Zeitalter der Glaubenskämpfe , 3.Aufl., München: dtv 1978.

[5] (1555) getroffene Abmachung zur Abgrenzung der Rechte zwischen kath. u. ev. Reichsständen. Im Nürnberger R.n rangen die prot. Reichsstände dem Kaiser ein Nichtangriffsversprechen ab, das bis zu einem allgemeinen Konzil oder zum nächsten Reichstag gelten sollte. Der Augsburger R. gestatte den weltl. Fürsten weiterhin den Glaubenswechsel, für die Untertanen wurde der Grundsatz „cuius regio, eius religio“ (Verbindlichkeit der Religion der Landesherrn für die Untertanen) festgelegt. (Augsburger Religionsfrieden, In: In: Bertelsmann Lexikon. Hrsg. von Lexikon- Institut Bertelsmann in Zusammenarbeit mit Dr. Hans F. Müller. Gütersloh: 1972, 182 a. S. 334).

[6] am 23. 5. 1618 warfen böhm. Protestanten zwei kaiserl. Räte aus einem Prager Schloßfenster aus Protest gegen die Verletzung des Majestätsbriefes durch die kath. Regierung. Der folgende Aufstand in Böhmen leitete den ersten Teil des Dreißigjährigen Krieges, den Böhm.- pfälz. Krieg, ein. (Prager Fenstersturz. In: Bertelsmann Lexikon. Hrsg. von Lexikon- Institut Bertelsmann in Zusammenarbeit mit Dr. Hans F. Müller. S. 68).

[7] vgl. Szyrocki, Marian: Andreas Gryphius- Sein Leben und Werk, Tübingen,1964. S.10.

[8] vgl. Szyrocki, Marian: Der junge Gryphius (Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft. Bd. 9), hrsg. v. Kraus, Werner und Mayer, Hans. Berlin,1959.

[9] Opitz, Martin: Buch von der deutschen Poeterey (1624). Studienausgabe. Hrsg. v. Herbert Jaumann. Stuttgart: Reclam 2002.

[10] Mann, Thomas, Ges. Werke, S. Fischer-Verlag 1960,Bd.X. S. 412.

[11] Alle angegebenen Bibelverse beziehen sich auf die Einheitsübersetzung nach Herder.

Die Bibel: Einheitsübersetzung, Altes und Neues Testament. Herder Verlag. Freiburg im Breisgau. 1995.

[12] Kohelet 1, 2.

[13] Hiob 5, 7.

[14] Hiob 1, 21.

[15] Hiob 7, 7.

[16] Hiob 14, 2.

[17] Hiob 1, 21.

[18] Vgl. Kohelet 1,2; 1,14; 2,1; 2,11; 2,15; 2,17; 2,19; 2,21; 2,23; 2,26; 3,19; 4,4; 4,8; 4,16; 5,8; 7,7; 8,9; 12,1; 12,8.

[19] Vgl. Kohelet 11,10.

[20] vgl. Bächtiger, Franz: Vanitas- Schicksalsdeutungen in der deutschen Renaissancegraphik. Inaugural- Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophischen Fakultät der Ludwig- Maximilians- Universität zu München. Zürich 1970. S.2.

[21] Bark, Joachim; Klaus D. Bertel; u.a: Epochen der deutschen Literatur. Gesamtausgabe. Hrsg. von Joachim Bark, Dietrich Steinbach, Hildegard Wittenberg. Stuttgart: Ernst Klett Verlag GmbH 1989. S.34.

[22] vgl. Ingen, Ferdinand van: Vanitas und Memento mori in der deutschen Barocklyrik. Groningen, 1966. S .89.

[23] vgl. ebd. S. 323f.

[24] Niefänger, Dirk: Barock. Verlag J. B. Metzler. Stuttgart, Weimar. 2000. S. 3.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Vanitas-Gedanke bei Andreas Gryphius
Hochschule
Universität Hildesheim (Stiftung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
24
Katalognummer
V215928
ISBN (eBook)
9783656448921
ISBN (Buch)
9783656450238
Dateigröße
705 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vanitas-, gedanke, andreas, gryphius, Barock, Vergänglichkeit, Eitelkeit, Sonett, Krieg, Lyrik, Zahlen, Symbolik
Arbeit zitieren
Victoria Theis (Autor:in), 2013, Der Vanitas-Gedanke bei Andreas Gryphius, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215928

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