Die Theorie der Schweigespirale wurde Anfang 1970 von der wohl bekanntesten deutschen Publizistikwissenschaftlerin Elisabeth Noelle-Neumann aufgestellt und zählt zu den bekanntesten, aber auch umstrittensten sozialpsychologischen Konzepten. Den Anstoß für die Entwicklung der Theorie der Schweigespirale lieferte das Wahljahr 1965, in dem ein unerwartetes Phänomen zum Vorschein kam (s. Abb. 1). Nachdem Umfragen zufolge die CDU/CSU und die SPD über Monate hinweg in etwa gleichauf lagen, gewann letztendlich die CDU/CSU mit einem über zehnprozentigen Vorsprung. Diese scheinbar unlogische Entwicklung warf Spekulationen und Rätsel auf und zahlreiche Untersuchungen folgten, zumal sich im Wahljahr 1972 dieses Phänomen wiederholte. Zunächst lagen die beiden großen Parteien Kopf an Kopf, jedoch erlangte die SPD wenige Wochen vor der Wahl einen Vorsprung, der ihren Sieg bedeutete. Jeweils kurz vor den Wahlen ließ sich ein ”last-minute-swing“, der sogenannte Mitläufereffekt zugunsten der allgemeinen Siegeserwartung beobachten (Noelle-Neumann 1996, S. 16). In der Bevölkerung waren die Zahlen der SPD und CDU/CSU-Anhänger nachweislich gleich, jedoch schien das Auftreten in der Öffentlichkeit eine entscheidende Rolle für die überraschenden Wahlergebnisse zu spielen. 1972 zeigte die SPD ihre Überzeugungen und Ansichten öffentlich mit einer wesentlich stärkeren Begeisterung als ihre Gegnerpartei. Offensichtlich hat dieses Verhalten vor allem den unentschlossenen Teil der Bevölkerung dazu bewogen, die SPD zu wählen und sich somit der siegesreichen Seite anzuschließen. Das Kräfteverhältnis beider Parteien wurde von den Bürgern falsch eingestuft und während die SPD nach außen stark auftrat, konnte die CDU/CSU diese Euphorie nicht verbreiten. Dabei ging es im Wesentlichen wohl nicht darum auf der Siegesseite zu sein, sondern die Beweggründe der Menschen lagen vielmehr darin, sich nicht zu isolieren und schlossen sich der Mehrheit an. Folglich war die Isolationsfurcht die essentielle Kraft, die diese Entwicklung hervorgerufen hat und besonders bei jenen Personen mit schwachem Selbstbewusstsein und wenig Interesse an dem politischen Geschehen findet diese Erklärung ihre Berechtigung (Noelle-Neumann 1996, S. 20). Daraus entwickelte sich eine eigene Dynamik, die sogenannte Schweigespirale, die im Folgenden noch genauer erläutert wird.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Entstehung der Schweigehypothese
- 2 Die Theorie der Schweigespirale
- 2.1 Kernpunkte der Theorie
- 2.1.1 Erläuterung des Spiralprozesses
- 2.1.2 Ausnahmen der Schweigespirale
- 2.1.3 Hypothesen aus den verschiedenen Wissenschaften
- 2.2 Belege zur Schweigespirale
- 2.2.1 Bedeutung der Geschichtsphilosophie
- 2.2.2 Konformitätsforschung und Eisenbahntest
- 2.3 Öffentliche Meinung
- 2.3.1 Erklärung des Schaubildes
- 2.3.2 Definition der öffentlichen Meinung
- 2.3.3 Unterscheidung zwischen latenter und manifester Funktion
- 2.3.4 Fragekatalog zur Analyse
- 2.3.5 Beispiel für Prozess der öffentlichen Meinung
- 2.4 Rolle der Massenmedien
- 2.4.1 Wirkungsfaktoren
- 2.4.2 Thematisierung durch die Massenmedien
- 2.5 Kritische Standpunkte zur Theorie
- 2.5.1 Randbedingungen der Schweigespirale
- 2.5.2 Unterscheidung zwischen inhaltlicher und methodischer Kritik
- 2.5.3 Kritikpunkte nach Donsbach
- 2.5.4 Schlussgedanken zur Kritik
- 3 Bewertung der Schweigespirale und Ansätze zur Weiterentwicklung
- Entstehung der Schweigespirale und ihre historische Einordnung
- Kernpunkte der Theorie und ihre Bedeutung für die Kommunikation
- Rolle der Massenmedien in der Entstehung und Verstärkung der Schweigespirale
- Kritikpunkte und Limitationen der Theorie
- Bewertung der Schweigespirale und Ansätze zur Weiterentwicklung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit der Theorie der Schweigespirale von Elisabeth Noelle-Neumann, einem einflussreichen sozialpsychologischen Konzept, das den Einfluss von öffentlicher Meinung auf individuelle Meinungsäußerung untersucht. Die Arbeit analysiert die Entstehung und Entwicklung der Theorie, beleuchtet die wichtigsten Kernpunkte und diskutiert die Rolle der Massenmedien in diesem Zusammenhang.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1 erläutert die Entstehung der Schweigehypothese anhand des Wahljahrs 1965 und stellt das Phänomen des "Last-minute-swing" vor. Die Theorie der Schweigespirale wird in Kapitel 2 detailliert analysiert, wobei der Spiralprozess, Ausnahmen von der Regel und die Bedeutung der öffentlichen Meinung im Fokus stehen. Die Rolle der Massenmedien bei der Verbreitung und Verstärkung der Schweigespirale wird in Kapitel 2.4 diskutiert.
Schlüsselwörter
Schweigespirale, öffentliche Meinung, Massenmedien, Isolationsfurcht, Konformität, Meinungsbildung, "Last-minute-swing", Elisabeth Noelle-Neumann.
- Arbeit zitieren
- Sonja Kriependorf (Autor:in), 2003, Die Theorie der Schweigespirale - Das sozialpsychologische Konzept der öffentlichen Meinung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22079