Demokratie im Wandel der Zeiten - eine Begriffsbestimmung anhand von Lexika


Hausarbeit, 2004

19 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. - Lexikon von 1734 (Absolutismus)
- Lexikon von 1796 (Französische Revolution)
- Lexikon von 1833 (Großbritannien und Nordamerika)
- Lexikon von 1846 (das Staatslexikon)
- Lexikon von 1908 (Sozialdemokratie)
- Lexikon von 1926 (Weimarer Republik)
- Lexikon von 1937 (Nationalsozialismus)
- Lexikon von 1962 (DDR)
- Lexikon von 1974 (Bundesrepublik Deutschland)
- Lexikon von 1996 (Basisdemokratie)

3. Exkurs: Gleichberechtigung im Wandel

4. Zusammenfassung und Fazit

5. Literaturliste und Lexikaliste

1. Einleitung

Demokratie bedeutet "Volksherrschaft". Genau wie Faschismus, Kommunismus, Monarchie oder Aristokratie ist Demokratie aber auch eine Ideologie, mit der Herrschaftsinteressen gerechtfertigt werden sollen. Die Definition von Demokratie wandelt sich deshalb je nach politischer Lage. Wie sie sich geändert hat und unter welchen historischen Rahmenbedingungen das geschah, soll in dieser Arbeit beleuchtet werden.

Dazu wird ein Blick in die Lexika der letzten dreihundert Jahre geworfen. Insgesamt 26 Lexika wurden dafür ausgewertet. Berücksichtigt wurden vor allem deutschsprachige Standardwerke wie die Brockhaus- und Meyer-Auflagen, dazu kommen die evangelischen und katholischen Staatslexika und als internationale Vergleichspunkte die Encyclopaedia Britannica und das Schweizer Lexikon. Der Lexikoneintrag "Demokratie" (bzw. "Democratie") wird daraufhin untersucht, welche Arten der Demokratie unterschieden werden, welche Regierungsformen mit ihnen verglichen werden, welche Vor- und Nachteile diesen Formen zugesprochen werden und welcher letztendlich der Vorzug gegeben wird. Es wurden schließlich zehn Einträge berücksichtigt, in denen sich Veränderungen hinsichtlich der Definition abzeichnen. Um die Dimension der Veränderung vollständig erfassen zu können, wäre es zusätzlich nötig gewesen, auch Stichworte wie "Monarchie" und "Aristokratie" auszuwerten. Dafür reicht der Umfang dieser Hausarbeit jedoch nicht aus. Zitate aus den Lexika werden in der damaligen Schreibweise wiedergegeben, lateinische Ausdrücke werden in Klammern übersetzt.

Der Frage, welchen Menschen innerhalb einer Demokratie die Teilnahme am politischen System zugestanden wird, wird in dem Exkurs "Gleichberechtigung im Wandel" nachgegangen.

Im "Allgemeinen Historischen Lexikon", 1709 von Thomas Fritsch herausgegeben, ist der Begriff "Democratie" noch nicht zu finden. Erst 25 Jahre später erscheint das Stichwort im "Grossen Vollständigen Universal-Lexicon" von Johann Heinrich Zedler.

Lexikon von 1734 (Absolutismus)

Das Urteil im "Grossen Vollständigen Universal-Lexicon" ist eindeutig: Die Monarchie sei besser als die Demokratie. Zuerst wird jedoch die Funktionsweise der Demokratie erklärt. Sie wird in ihrer Radikalität vierfach unterteilt. Zuerst wird "unumschränckte" und "umschränckte" Demokratie unterschieden. Ersteres bedeute, dass alle Bürger die gleichen Rechte hätten. Das zweite bedeute, dass einige Personen Vorrechte eingeräumt bekämen. Je nachdem, wer diese Vorrechte genieße, wird bei Zedler noch auf lateinisch zwischen "regie temperatam" (königlich gemäßigt) und "aristocratice temperatam" (aristokratisch gemäßigt) unterschieden. Bei der königlich gemäßigten Demokratie gebe es nur eine Person mit Vorrechten, "doch so, dass seine Macht sich nicht auf einen Befehl, sondern nur auf einen Rath erstrecket" (Zedler 1734:524). In der aristokratisch gemäßigten Demokratie genießen "gewisse Collegia, Zünffte, oder auch der Adel ein Vorrecht" (ebd.). Drittens wird die "Democratiam civicam" (bürgerliche Demokratie) und "per vicus sparsam" (über die Dörfer verteilt) unterschieden, je nachdem, ob die Herrschaft in einer Stadt oder in mehreren Dörfern ausgeübt werde.

Zuletzt wird differenziert, ob jeder Mann eine Stimme hat oder nur einzelne Stände oder Zünfte zusammen jeweils eine abgeben dürfen: "Es können nemlich Mann vor Mann ihre Stimmen geben, welches viritim genennet wird: oder es geschiehet solches curiatim, da gewisse Eintheilungen oder Zünffte des Volckes nur ihre Stimmen, als einzelne geben" (ebd.). Hier setzt die Wertung ein. Der letzteren Form wird ausdrücklich der Vorzug gegeben, weil "die Nennung kluger und erfahrner Männer eher die Oberhand behalten kann" (ebd.). Es folgen einige Erklärungen zu den Vorteilen eines ständigen Rates, der vom Volk gewählt und abberufen werden könne.

Nach diesen praktischen Details der Demokratie wird der Vergleich zur Monarchie gezogen. Demokratie wird sogar als naturgemäß bezeichnet: "Ein jeder suchet seine Freyheit so lange zu behaupten wie er kann: Wenn es also der Willkühr derer Menschen anfangs überlassen gewesen wäre, eine Regiments-Form anzuordnen, so würden dieselben freylich diese Art der Regierung, worbey die meiste Freyheit ist, erwehlet haben. Wenn man aber erweget, dass die Größe von Gesellschaften derer Menschen, aus denen kleinern, welches die Familien sind, entstanden, so siehet man wohl, dass die Menschen gleich anfangs der Monarchie sind gewohnt gewesen" (ebd:525).

Diese Betrachtung wirkt aus heutiger Sicht antiquiert. Wenn aber der Mann als Oberhaupt einer Familie gesehen wird, wird der Bezug zur Monarchie verständlich.

Nun werden die Geschichtsschreiber bemüht, die Monarchie als bessere Regierungsform darzustellen. Nicolao Demasceno, Isocrates, Dionysius, Aristoteles und Justinus werden zitiert, der Inhalt immer deckungsgleich mit dem ebenfalls zitierten Cicero: "omnes antiquae gentes regibus quondam paruere" (alle alten Völker gehorchten einst Königen). Demokratie sei nur eine durch Fehler der Monarchen entstanden: "Nicht die üble Form der Monarchie, sondern die Fehler derer Monarchen haben die Democratiam hervorgebracht" (ebd:526). Diese wiederum habe mehr Fehler als die Monarchie. Es fehle an Einigkeit und das Volk lasse sich zu leicht von Demagogen beeinflussen. Außerdem können aus der Demokratie zwei weitere negative Staatsformen entstehen: "Wird in der Democratie dem gemeinesten Volcke allzu viel Gewalt gelassen, so wird dieser verderbte Zustand eine Ochlocratie genennet: weiß man aber nicht, wer eigentlich regieret und gehet alles durch einander, so heißt es eine Anarchie."

Die Verteidigung der Monarchie wird verständlich, wenn die historischen Rahmenbedingungen betrachtet werden. Anfang des 18. Jahrhunderts war die vorwiegende Regierungsform in Europa der Absolutismus. Kurfürsten, Könige und Kaiser wie August der Starke, Friedrich Wilhelm oder Friedrich Wilhelm I. prägten das Bild. Erst mit Friedrich dem Großen gewann der aufgeklärte Absolutismus an Einfluss, in dem sich der König nicht mehr als Herrscher sondern als Diener zu verstehen begann.

Lexikon von 1796 (Französische Revolution)

Die beiden entscheidendsten Ereignisse, welche den Demokratiebegriff verändern sollten, waren die Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten Amerika 1776 und die Französische Revolution 1789. Das "Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die Gegenwärtigen Zeiten"[1] von 1796 macht seinem Namen alle Ehre. Im ersten Satz wird die Demokratie als Gegensatz zur Aristokratie, der Herrschaft der "Großen und Vornehmen" (Leupold 1796:331) definiert. Danach wird ihr die Überlebensfähigkeit abgesprochen: "Man sieht leicht ein, daß eine ganz reine Demokratie eigentlich gar nicht Statt finden kann; weil es nie an verschlagenen Köpfen fehlen wird, welche das Volk nach ihrem Willen lenken, und oft gar tyrannisiren. Die Constitution von 1793[2], welche in Frankreich eine reine Demokratie einführen sollte, war doch so beschaffen, daß sie unmöglich lange bestehen konnte, ob sie gleich von den Grundsätzen einer eigentlichen Demokratie noch sehr weit entfernt war".

Die Schreckensherrschaft der Jakobiner und der Revolutionskrieg der Franzosen gegen Österreich trugen demnach nicht dazu bei, dass Ansehen der Demokratie in Deutschland zu heben. Dazu kommt, dass der preußische König Friedrich II. erst 1791 seine Solidarität mit dem gestürzten Ludwig XVI. bekannte. Ein Plädoyer für Demokratie wäre daher riskant gewesen.

Lexikon von 1833 (Großbritannien und Nordamerika)

Auch hundert Jahre nach dem Zedler-Lexikon hält sich die Vorstellung, dass direkte Demokratie nicht durchführbar sei. Im Brockhaus-Lexikon "Allgemeine Encyklopädie der Wissenschaften und Künste" heißt es: "Es gibt Lobredner der Demokratie, welche in dieser Art von Regirungsverfassung das einzige Heil der Staten sehen und den Einfluß des Volkes möglichst verstärkt wünschen. Wiewohl es nun vortrefflich klingt, ein Volk solle sich selbst regiren und keinem fremden Willen unterworfen seyn, so fanden wir doch in der Sache selbst schon die Schwierigkeit, den Volkswillen zu finden und, gesetzt er sei gefunden, dürfte gefragt werden, ob er der beste sei" (Brockhaus 1833:34). Zur Abwertung der Demokratie wird zurück in die Antike geschaut: "Fast alle Schriftsteller des griechischen Alterthums, welche ja in demokratischen Staten, wie Athen, zu leben das Glück hatten, zeigen sich der Demokratie abgeneigt, und man merkt bei ihnen ein geheimes Weh, welches sie kaum laut zu äußern wagen" (ebd.).

Die jüngeren Erlebnisse der Französischen Revolution werden durch die Theorie Machiavellis erklärt. Es folge ein "Zirkel des Formenwechsels der Regirungen" (ebd.) von Monarchie, Tyrannei, Aristokratie, Oligarchie, Demokratie, Ochlokratie, Monarchie etc. Hier wird übrigens deutlich, wie Machiavelli durch die Zerfallstheorie Platons beeinflußt wurde (Roth 2003:34). "Weil auf solche Weise die Formen in sich verderben und jede Generation nach demjenigen trachtet, was sie nicht hat, so darf es kaum Wunder nehmen, wenn das neuere Europa, dessen Statenzustand aus dem Mittelalter mit keinen demokratischen Institutionen hervorging, neuerdings nach ihnen sich sehnt, und besonders durch das Beispiel von Großbritannien und Nordamerika dazu aufgeregt wird, auch durch das schauervolle Beispiel der französischen Revolution sich nicht abschrecken läßt" (ebd.).

Die Napoleonischen Kriege waren vorbei, 1830 wurde die Monarchie in Frankreich wieder eingeführt. Was von den Demokratiebestrebungen blieb, war Leid, Tod und Elend. Allerdings zeigten die Reformen des britischen Parlaments bis 1832, dass Demokratie nicht gänzlich ohne Zukunft war. Das Lexikon von 1833 bricht keine Lanze mehr für die Monarchie, sondern sucht den Kompromiss. "Eine reine Demokratie, in welcher die Masse des Volks die höchste Souveränität selbst ausübt, aus europäischen Reichen zu bilden, könnte wol nur Schwärmern und Thoren beifallen; alle verständige Foderung könnte sich wol nur darauf beziehen, in der Person von Repräsentanten dem Volk einen gewissen Einfluß auf Regirungsangelegenheiten zu gestatten" (ebd.). Großbritanniens Verfassung wird ausdrücklich als Vorbild für diese Ansicht genannt, "es ist aber nicht mit Unrecht bemerkt worden, daß diese Verfassung eigentlich aus einer Mischung aus Erbmonarchie, Erbaristorkatie und Scheindemokratie bestehe" (ebd:35). Die "entschiedenen Demokraten" wollen deshalb mehr erreichen. Zum ersten Mal wird auch die "beliebte Lehre" (ebd:34) von der Gewaltenteilung als Mittel dargestellt, um die Macht der Repräsentanten unter Kontrolle zu halten. Montesquieu wird jedoch nicht erwähnt.

[...]


[1] Herausgegeben von Friedrich August Leupold, 1808 aufgekauft von F.A. Brockhaus.

[2] Damit ist wahrscheinlich die erste französische Verfassung vom 3. September 1791 gemeint.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Demokratie im Wandel der Zeiten - eine Begriffsbestimmung anhand von Lexika
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut (OSI))
Veranstaltung
Moderne Demokratietheorien: Konzeption, ideengeschichtliche Grundzüge und Kontroversen
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
19
Katalognummer
V22154
ISBN (eBook)
9783638255745
ISBN (Buch)
9783640202973
Dateigröße
534 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Demokratie bedeutet "Volksherrschaft". Genau wie Faschismus, Kommunismus, Monarchie oder Aristokratie ist Demokratie aber auch eine Ideologie, mit der Herrschaftsinteressen gerechtfertigt werden sollen. Die Definition von Demokratie wandelt sich deshalb je nach politischer Lage. Wie sie sich geändert hat und unter welchen historischen Rahmenbedingungen das geschah, soll in dieser Arbeit beleuchtet werden. Dazu wird ein Blick in 26 Lexika der letzten dreihundert Jahre geworfen. Hinweis des Autoren: Zu diesem Thema bin ich weiter am forschen, Anmerkungen und Kommentare sind also erwünscht. Vielen Dank. Richten Sie bitte Ihre Mail zur Kontaktaufnahme an info@grin.com Demokratie bedeutet "Volksherrschaft". Genau wie Faschismus, Kommunismus, Monarchie oder Aristokratie ist Demokratie aber auch eine Ideologie, mit der Herrschaftsinteressen gerechtfertigt werden sollen. Die Definition von Demokratie wandelt sich deshalb je nach politischer Lage. Wie sie sich geändert hat und unter welchen historischen Rahmenbedingungen das geschah, soll in dieser Arbeit beleuchtet werden. Dazu wird ein Blick in 26 Lexika der letzten dreihundert Jahre geworfen. Hinweis des Autoren: Zu diesem Thema bin ich weiter am forschen, Anmerkungen und Kommentare sind also erwünscht. Vielen Dank. Richten Sie bitte Ihre Mail zur Kontaktaufnahme an info@grin.com
Schlagworte
Demokratie, Wandel, Zeiten, Begriffsbestimmung, Lexika, Moderne, Demokratietheorien, Konzeption, Grundzüge, Kontroversen
Arbeit zitieren
Dipl. pol. Robert Kneschke (Autor:in), 2004, Demokratie im Wandel der Zeiten - eine Begriffsbestimmung anhand von Lexika, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22154

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