Wer sind die Schuldenmacher Österreichs?


Seminararbeit, 2004

22 Seiten, Note: Sehr gut


Leseprobe


Inhalt

1. Fragestellung
1.1 Wer sind die Schuldenmacher der zweiten Republik?
1.2 Wir haben mit der alten Schuldenpolitik Schluss gemacht!
1.2.1 Öffentliches Budgetdefizit
1.2.2 Öffentliche Verschuldung
1.3 Schuldenmacher Kreisky? Schuldenmacher SPÖ?

2. Schulden machen – eine allgemeine Definition
2.1 Kennzahlen der öffentlichen Verschuldung
2.2 Wichtige Quoten im Detail

3. Öffentliche Verschuldung in Österreich
4. Theorie der öffentlichen Verschuldung
4.1 Klassische Schule der Nationalökonomie
4.2 Die Theorie von John Maynard Keynes
4.3 Monetarismus

5. Die österreichische Budgetpolitik und Staatsschuldenentwicklung seit 1960
5.1 Öffentliche Defizite / Überschüsse der Republik
5.1.1 Die höchsten Defizite der Republik
5.2 Öffentliches Primärsaldo (- / +)
5.2.1 Die höchsten Primärdefizite der Geschichte

6. Schuldenmacher Schüssel?

7. Zukunft ohne Schulden?

8. Literaturverzeichnis

1. Fragestellung

1.1 Wer sind die Schuldenmacher der Zweiten Republik?

„Nulldefizit“, „Maastricht-Kriterien“, „Budget“, „Staatsausgaben“, „Steuerreform“ – alle diese im finanzpolitischen Diskurs der letzten Jahre sehr häufig verwendeten Begriffe haben damit zu tun: Schulden. Und damit hat sich das Thema „Staatsschulden“ auch als ständiger Begleiter sämtlicher Diskussionsthemen der Budget-, Wirtschafts- und Sozialpolitik etabliert und ist somit sicherlich ein Thema, das einer näheren Betrachtung bedarf.

1.2 Wir haben mit der alten Schuldenpolitik Schluss gemacht!

In der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ist für die Finanzpolitik eine Reihe von Beschränkungen vereinbart worden, die ein übermäßiges Anwachsen der Staatsschulden durch hohe und dauernde Budgetdefizite verhindern sollen.

Die Entscheidung, welche Mitgliedstaaten an der dritten Stufe der WWU von Beginn an teilnehmen können, wurde anhand der Erfüllung gewisser wirtschaftlicher Kriterien, so genannter Konvergenzkriterien, gefällt, die in Art. 121 EG-V festgelegt sind. Mitgliedstaaten müssen demnach ökonomische Vorleistungen erbringen, um so den Stabilitätsvorstellungen für eine gemeinsame Geldpolitik gerecht zu werden. Der Vertrag verlangt die Erfüllung aller fünf Kriterien. Neben jenen Kriterien, die die Preisstabilität, die Wechselkursstabilität und den Zinssatz betreffen, kommen jene zwei zum Tragen, die für die Behandlung dieses Themas besonders wichtig erscheinen:

1.2.1 Öffentliches Budgetdefizit

„Das geplante oder tatsächliche Budgetdefizit des Gesamtstaates darf 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) nicht überschreiten, es sei denn, dass das Verhältnis erheblich und laufend zurückgegangen ist und einen Wert in der Nähe des Referenzwertes erreicht oder den Referenzwert nur ausnahmsweise und vorübergehend überschritten hat und das Verhältnis in der Nähe des Referenzwertes bleibt.“[1]

1.2.2 Öffentliche Verschuldung

„Die Bruttoverschuldung des Gesamtstaates darf 60 Prozent des BIP nicht überschreiten, es sei denn, das Verhältnis ist hinreichend rückläufig und nähert sich dem Referenzwert rasch genug an.

Weiters finden bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Konvergenz auch so genannte ökonomische Sekundärkriterien Berücksichtigung. Diese beziehen sich u.a. auf die Integration der Märkte, die Entwicklung der Leistungsbilanz, die Entwicklung der Lohnstückkosten und anderer Preisindizes.“[2]

Darüber hinaus hat sich die österreichische Bundesregierung das Ziel gesetzt, den Bundeshaushalt innerhalb von zwei Jahren auszugleichen.[3]

Damit eine Trendwende in der Budgetpolitik einzuläuten nahm sich die schwarzblaue Regierung bei ihrem ersten Antreten vor und erhob das „Nulldefizit“ zum Ziel aller Bemühungen. „Wir haben mit der alten Schuldenpolitik Schluss gemacht“, erklärte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel in seiner zweiten Regierungserklärung[4] und lässt damit die Frage aufkommen, wer, wenn nicht er, denn diese „alte Schuldenpolitik“ zu verantworten hatte.

1.3 Schuldenmacher Kreisky? Schuldenmacher SPÖ?

War es tatsächlich nur Bruno Kreisky, wie es stellvertretend für viele ÖVP-Nationalratsabgeordnete Edeltraud Lentsch annahm[5] und was sich, auch dank gelungener Kommunikation der Regierungsparteien schon als allgemeingültige Wahrheit etablierte,

oder, allgemeiner und schon etwas realistischer formuliert, da nicht auf eine einzige Person reduziert, die SPÖ als solches, welche offenbar sogar als Namensgeber einer „sozialistischen Schuldenpolitik“ fungierte?[6]

Der Vorwurf an die SPÖ, Alleinverantwortliche für den Schuldenstand der Republik zu sein, kommt unentwegt, auch und vor allem von Abgeordneten im Nationalrat, die den Regierungsparteien ÖVP und FPÖ angehören:

„Schulden haben Sie gemacht!“[7]

„Dass der Sozialstaat beziehungsweise unser Wohlfahrtsstaat gefährdet ist, ist auf eine jahrzehntelange Schuldenpolitik und auf den Unwillen der Sozialdemokraten, die nie nachhaltige Reformen unterstützen wollten, zurückzuführen.“[8]

„Die Politik der vergangenen Jahrzehnte heißt hohe Schulden.“[9]

„Die Liquidität, die unseren Finanz­ministern in den Budgets durch die Schuldenpolitik, die gemacht worden ist, abhanden gekommen ist, und die Liquiditätsprobleme, die daraus resultierten, haben zuletzt in einem gegipfelt: dass es einem sozialdemokratischen Finanzminister eingefallen ist, einen 13. Monat zu erfinden.“[10]

„ Die SPÖ sagt immer wieder, die Pensionsre­form sei unsozial. Wissen Sie, was unsozial ist? – Es ist unsozial, wenn man Schulden macht und diese Schulden dann die nächste Generation, sprich die Erben, bezahlen muss. Das ist unsozial!“[11]

„Frag einmal den Herrn Edlinger, weshalb er Schulden gemacht hat, was er sich dabei gedacht hat, oder den Herrn Vranitzky!“[12]

„Die Verschleierungs- und Verwässerungspolitik der SPÖ bringt uns jetzt jedoch ebenso wenig weiter wie die frühere Schuldenpolitik der SPÖ.“[13]

„Wohin die Politik des Nichtentscheidens führt, sehen wir auch an den Staatsschulden: ein spätes Erbe unseres Bruno Kreisky, der Sozialdemokratie.“[14]

„7 Minuten Redezeit sind ganz sicher zu wenig, um den staatspolitischen Schwachsinn und die jahrzehntelange Schuldenpolitik, die die SPÖ gemacht hat, hier darzustellen!“[15]

„Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht gewesen, hätte sich Bundeskanzler Kreisky damals an sein Ver­sprechen gehalten. Wir hätten heute vielleicht ein paar hundert Millionen oder vielleicht sogar Milliarden Schilling Schulden weniger, und wir hätten zweifelsohne etwas weni­ger Druck, die notwendigen Sanierungsmaßnahmen unseres Haushaltes und damit natürlich auch Maßnahmen wie Budgetsanierung sowie Steuer- und Pensionsreform umzusetzen, meine Damen und Herren!“[16]

Als besondere Anmerkung scheint hierbei angebracht zu sein, dass sämtliche Zitate aus einer einzigen Sitzung des österreichischen Nationalrats stammen und dass das vermeintliche Thema „Schuldenmacher SPÖ“ mit keinem Wort in der Tagesordnung aufschien. „Sprache schafft Wahrheit“, sagte angeblich Wittgenstein.

Ein differenzierteres Bild vom Tatsachenverhalt zu zeichnen soll Ziel dieser Arbeit sein. Außerdem soll die Arbeit Ausschluss darüber geben, was Schulden machen an sich bedeuten kann und was es mit gängigen Kennzahlen auf sich hat, die rund ums Thema „Öffentliche Verschuldung“ Verwendung finden. Zudem soll ein kurzer Überblick über die theoretischen Modelle zur Staatsverschuldung ein Fundament zur weiteren Untersuchung darstellen. Abschließend folgt eine kritische Betrachtung budgetärer Politik der im Amt befindlichen Regierung.

2. Schulden machen – eine allgemeine Definition

Schulden machen kann ein Nationalstaat auf vielerlei Weise. Wenn ich von „Schuldenmachen“ spreche, dann meine ich in erster Linie, zur Vereinfachung, gesamtstaatliche Budgetdefizite in Kauf zu nehmen. Außerdem schreibe ich die Verantwortung für diese Schulden zur Vereinfachung allein der Institution Bundesregierung und ihrer Mitglieder zu, die die jeweiligen Budgetentwürfe auch einstimmig beschließen, im Normalfall automatisch auf die mehrheitliche Zustimmung Nationalrat zählen können und damit im langjährigen Vergleich auch relativ konstant 80 - 90 Prozent des gesamtstaatlichen Defizits verursachen.

2.1 Kennzahlen der öffentlichen Verschuldung

Verschiedene Kennzahlen sind zur Erfassung der ökonomischen Bedeutung der Verschuldung entwickelt worden. Insbesondere im internationalen Vergleich ist man auf diese Quoten angewiesen, da man sich zum Beispiel eine Umrechnung auf eine gemeinsame Währung erspart. Aber auch auf nationaler Ebene ist die Verwendung von absoluten Größen nicht sinnvoll, da diese wenig Aussagekraft besitzen.

Quoten werden nicht nur in der öffentlichen Diskussion, sondern auch in wissenschaftlichen Analysen häufig verwendet. Nicht absolute Größen, sondern deren Relation zum Beispiel zum BIP besitzen Aussagekraft.[17]

Des Weiteren sollten Problembereiche bei der Verwendung von Kennzahlen angesprochen werden, da man unter Umständen zu falschen Ergebnissen kommen könnte. Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen. Wenn man die Einengung des haushaltspolitischen Spielraumes mit der Zinsausgabenquote (das Verhältnis der Zins- zu den Gesamtausgaben) dokumentieren möchte, so würde die Verringerung der Ausgaben pro Budgetperiode trotz gleich bleibender Höhe der Zinszahlungen die Zinsausgabenquote ansteigen lassen. Und bei Heranziehung einer einzelnen Quote würde dies zu falschen Schlüssen führen.

Hier wäre man unter Umständen dazu geneigt, zu sagen, dass die Zinszahlungen zu einer immer größer werdenden Belastung führen, und aus diesem Grunde müsste der öffentliche Schuldenstand reduziert werden.[18]

[...]


[1] Europäische Union – Konvergenzkriterien, abgerufen von der Website des österreichischen Bundesfinanzministeriums, unter http://www.bmf.gv.at/eu/zukunfteuropas/derwegzurgemeinsame546/konvergenzkriterien/_start.htm, am 29. Dezember 2003.

[2] Ebd.

[3] Vgl. Neck / Holzmann / Schneider, Hg., 2000, Staatsschulden am Ende?, Wien, Seite 3.

[4] In der Regierungserklärung vom 28. Februar 2003, einsehbar auf http://www.austria.gv.at/regierungserklaerung.pdf, 22. Oktober 2003.

[5] Stenographisches Protokoll, 10. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich, XXII. Gesetzgebungsperiode, Mittwoch, 26. März 2003.

[6] Böhacker, Hermann, in: Der Standard, 10. August 2002.

[7] Amon, Werner, 20. Sitzung des Nationalrats in der XXII. Gesetzgebungsperiode, als Zwischenruf in der Rede des SPÖ-Abgeordneten Josef Cap, der über die Beschäftigungspolitik zu Bruno Kreiskys Zeiten referierte.

[8] Achleitner, Elke, ebd.

[9] Kopf, Karlheinz, ebd.

[10] Wegscheider, Susanne, ebd.

[11] Wattaul, Anton, ebd.

[12] Wattaul, Anton, ebd.

[13] Steibl, Ridi, ebd.

[14] Keuschnigg, Georg, ebd.

[15] Scheuch, Uwe, ebd.

[16] Ledolter, Johann, ebd.

[17] Vgl. Fallmann, Hubert, 1997, Öffentliche Verschuldung, Wien, Seite 50.

[18] Vgl. ebd., Seite 51.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Wer sind die Schuldenmacher Österreichs?
Hochschule
Universität Wien  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
SE Budgetpolitik
Note
Sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
22
Katalognummer
V22355
ISBN (eBook)
9783638257183
ISBN (Buch)
9783638647311
Dateigröße
611 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
War es tatsächlich nur Bruno Kreisky, wie es stellvertretend für viele ÖVP-Nationalratsabgeordnete Edeltraud Lentsch annahm und was sich, auch dank gelungener Kommunikation der Regierungsparteien schon als allgemeingültige Wahrheit etablierte, oder, allgemeiner und schon etwas realistischer formuliert, da nicht auf eine einzige Person reduziert, die SPÖ als solches, welche offenbar sogar als Namensgeber einer 'sozialistischen Schuldenpolitik' fungierte?
Schlagworte
Schuldenmacher, Budgetpolitik
Arbeit zitieren
Mag. Hannes S. Auer (Autor:in), 2004, Wer sind die Schuldenmacher Österreichs?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22355

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