Von der kommunalen Selbstverwaltung haben viele Wähler ein Idealbild, das
nur wenig mit der Realität in den Rathäusern zu tun hat. Sie gehen dabei davon
aus, dass kommunale Entscheidungen (fast) immer reine Sachfragen seien, die
man nach rein verwaltungstechnischen Gesichtspunkten entscheiden könne.
Die „Freien Wählergemeinschaften“ scheinen dieses Bedürfnis vieler Bürger
nach einer rein „sachorientierten“ und dadurch harmonischen und
ideologiefreien Kommunalpolitik zu verkörpern.
Ich möchte mit dieser Arbeit untersuchen, weshalb dies der Fall ist und
inwieweit die Wählergemeinschaften diesem Anspruch genügen bzw. ob sie
ihm überhaupt genügen können. Ich werde zuerst aufzeigen, was für Entscheidungen auf kommunaler Ebene
getroffen werden müssen und dabei insbesondere auf die Frage eingehen, ob
es sich dabei um politische Entscheidungen handelt. Ich werde dabei auch
diskutieren, ob eine nur an „Sachfragen“ orientierte Kommunalpolitik möglich
und noch zeitgemäß ist.
Danach werde ich das Phänomen der „Freien Wählergemeinschaften“ in der
Kommunalpolitik der Bundesrepublik darstellen.
In einem dritten Schritt werde ich dann untersuchen, ob die „Freien
Wählergemeinschaften“ von ihrer Struktur und ihrem Selbstverständnis her
besser als die politischen Parteien für eine „sachorientierte“ Kommunalpolitik
geeignet sind.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Hauptteil
2.1 Entscheidungen in der kommunalen Selbstverwaltung
2.2 „Freie Wählergemeinschaften“ – die besseren „Sachpolitiker“?
2.2.1 Das Phänomen „Freie Wählergemeinschaften“
2.2.2 Im Wettbewerb mit den Parteien: Freie Wählergemeinschaften in der kommunalen Politik
3 Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Fragestellung
Von der kommunalen Selbstverwaltung haben viele Wähler ein Idealbild, das nur wenig mit der Realität in den Rathäusern zu tun hat. Sie gehen dabei davon aus, dass kommunale Entscheidungen (fast) immer reine Sachfragen seien, die man nach rein verwaltungstechnischen Gesichtspunkten entscheiden könne.
Die „Freien Wählergemeinschaften“ scheinen dieses Bedürfnis vieler Bürger nach einer rein „sachorientierten“ und dadurch harmonischen und ideologiefreien Kommunalpolitik zu verkörpern.
Ich möchte mit dieser Arbeit untersuchen, weshalb dies der Fall ist und inwieweit die Wählergemeinschaften diesem Anspruch genügen bzw. ob sie ihm überhaupt genügen können.
1.2 Aufbau der Arbeit
Ich werde zuerst aufzeigen, was für Entscheidungen auf kommunaler Ebene getroffen werden müssen und dabei insbesondere auf die Frage eingehen, ob es sich dabei um politische Entscheidungen handelt. Ich werde dabei auch diskutieren, ob eine nur an „Sachfragen“ orientierte Kommunalpolitik möglich und noch zeitgemäß ist.
Danach werde ich das Phänomen der „Freien Wählergemeinschaften“ in der Kommunalpolitik der Bundesrepublik darstellen.
In einem dritten Schritt werde ich dann untersuchen, ob die „Freien Wählergemeinschaften“ von ihrer Struktur und ihrem Selbstverständnis her besser als die politischen Parteien für eine „sachorientierte“ Kommunalpolitik geeignet sind.
2 Hauptteil
2.1 Entscheidungen in der kommunalen Selbstverwaltung
Das Bild einer „unpolitischen“ kommunalen Selbstverwaltung ist weit verbreitet. Demnach geht es in den Kommunen in erster Linie darum, „nach besten Lösungen innerhalb eines als Sachzwang wahrgenommenen Handlungsrahmens“ zu suchen.[1] Es ginge also rein darum, dass in Verwaltungsfragen sachkundige Mandatsträger entscheiden, was eben entschieden werden muss.
Parteien mit ihren konkurrierenden Vorstellungen scheinen in diesem Bild der kommunalen Selbstverwaltung natürlich unangebracht, da „es ja keine ‚rote Müllabfuhr’ oder eine ‚schwarze Abwasserbeseitigung’“ geben könne. Die Kommunen sollten der „Platz für sachl[iche] Entscheidungen, aber kein Platz für parteipolit[ische] Auseinandersetzungen sein.“[2] Dieses „überlieferte Verständnis [...] unterstellt [jedoch], dass die Gegenstände kommunaler Verwaltung im Wesentlichen technischer Natur sind und am besten von fähigen, erfahrenen und gut ausgebildeten Verwaltungsfachleuten bewältigt werden können,“ so Naßmacher und Naßmacher.[3]
In dieser Vorstellung wird oft nicht berücksichtigt, dass bei kommunalen Entscheidungen durchaus von einer „best[immten] Grundwerteposition aus zw[ischen] alternativen Handlungsvarianten gewählt werden muss.“[4]
Zwar ist z.B. die Entscheidung, welches Bauunternehmen eine Baumaßnahme durchführen (nämlich das günstigste) soll eine reine Verwaltungsfrage. Doch die Entscheidung, ob und was gebaut werden soll (und damit natürlich angesichts der leeren Kassen der Kommunen zusammenhängend auch, was nicht oder erst später gebaut werden kann) ist eine politische Entscheidung. Unter Politik ist dabei die „Entscheidung zwischen mehreren Alternativen anhand von konkreten Interessen, Wertvorstellungen und übergreifenden politischen Konzeptionen“ zu verstehen.[5] Dabei spielt es natürlich durchaus eine Rolle, welche Grundwerte die Entscheidungsträger haben.
Die kommunale Selbstverwaltung hat sich dabei in den letzten Jahrzehnten deutlich politisiert. Dies liegt nicht nur daran, dass die politischen Parteien die kommunale Ebene immer mehr auch als ihr Wirkungsfeld sehen und so für eine Parteipolitisierung der Kommunen sorgten. Besonders in Gemeinden in Ballungsräumen und in Umlandsgemeinden mit durch die Verdichtung bedingten steigendem Problemdruck trifft die kommunale Selbstverwaltung heute häufig auf Bürger, die mit „vergleichsweise hoher Konfliktbereitschaft reagieren.“[6]
Die in diesen verdichteten Gebieten inzwischen regelmäßig auftretenden „Planungskonflikte um Verkehrswege, Deponien oder Industrieansiedlungen“[7] lassen es doch äußerst fraglich erscheinen, ob eine „konfliktfreie, ‚sachbezogene’ Arbeit in den Gremien der Selbstverwaltung“[8] heute noch realistisch und zeitgemäß ist. „Die Orientierung an Sachlichkeit und Ortsbezogenheit unterstellt, eine gemeinsame Zielsetzung“, also „rein sachliche [...] Gemeindeinteressen.“ Naßmacher und Naßmacher stellen dagegen fast, dass der „Ort [...] keine Interessen [hat], sondern nur die Menschen, die darin wohnen.“[9]
So stehen z.B. die Interessen der örtlichen (Bau-)Wirtschaft und Handwerker nach neuen Verkehrswegen und Baugebieten in einem oft unversöhnlichen Gegensatz zu den Interessen der Anwohner, die eine ruhige und verkehrsarme Umgebung wünschen.
[...]
[1] Naßmacher, Hiltrud / Naßmacher, Karl-Heinz: Kommunalpolitik in Deutschland, Opladen 1999 (S.34)
[2] Möller, Thomas: Wählergemeinschaften, freie; in: Voigt, Rüdiger (Hg.): Handwörterbuch zur Kommunalpolitik, Opladen 1984 (S.483)
[3] Naßmacher, Hiltrud / Naßmacher, Karl-Heinz: Kommunalpolitik in Deutschland, Opladen 1999 (S.33 – Alle Zitate wurden behutsam an die aktuelle Rechtschreibung angepasst.)
[4] Möller, Thomas: Wählergemeinschaften, freie (S. 484)
[5] Knemeyer, Franz-Ludwig / Jahndel, Katrin: Parteien in der kommunalen Selbstverwaltung, Stuttgart u.a. 1991 (S.18)
[6] Holtmann, Everhard: Parteien in der lokalen Politik; in: Wollmann, Hellmut / Roth, Roland (Hg.): Kommunalpolitik, Politisches Handeln in den Gemeinden, Opladen 1999 (S.220)
[7] ebenda
[8] Panke Renate: Wählergemeinschaften im Lande Brandenburg. Untersucht in ausgewählten Gemeinden. Eine exemplarische Untersuchung von Freien Wählergemeinschaften in Brandenburg – dargestellt an den Gemeinden Lehnitz, Kleinmachnow, Zeuthen und Teltow. Diplomarbeit an der Freien Universität Berlin, Berlin 1997 (S.35)
[9] Zitate aus: Naßmacher, Hiltrud / Naßmacher, Karl-Heinz: Kommunalpolitik in Deutschland, Opladen 1999 (S.35)
- Arbeit zitieren
- Ralf Höschele (Autor:in), 2003, Die Freien Wählergemeinschaften in den Kommunen. Lokale Sach- statt Parteipolitik?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22394
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