Tying, exklusive Verträge und das Kartellrecht im Fall Microsoft


Seminar Paper, 2003

47 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

EINLEITUNG

1 DAS UNTERNEHMEN UND SEIN UMFELD
1.1 DIE GESCHICHTE VON MICROSOFT
1.2 DIE BETROFFENEN PRODUKTE

2 DER PROZESS
2.1 AMERIKANISCHES ANTITRUSTRECHT.
2.1.1 Verfahrensablauf
2.2 ÜBERBLICK ÜBER DIE HAUPTANKLAGEPUNKTE
2.3 WETTBEWERBSRECHTLICHE EINORDNUNG VON TYING UND EXKLUSIVEN VERTRÄGEN
2.4 PROZESSVERLAUF IN DEN USA
2.5 DER VORWURF DER MONOPOLISIERUNG AUS REGIERUNGSSICHT
2.6 DER VORWURF DER MONOPOLISIERUNG AUS MICROSOFTSICHT
2.6.1 Der New Economy Markt
2.6.2 Abgeleitete Folgen für das Kartellrecht.

3 TYING
3.1 FAKTISCHES TYING IM MICROSOFT FALL
3.2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN
3.2.1 Kritik der Chicago School
3.2.2 Die Kritik an der Chicago Kritik
3.3 SCHLUSSFOLGERUNGEN FÜR DEN MICROSOFTFALL

4 EXKLUSIVE VERTRÄGE
4.1 EXCLUSIONARY BEHAVIOR.
4.1.1 Exklusivverträge mit PC-Herstellern
4.1.2 Exklusivverträge mit ISP
4.1.3 Exklusivverträge mit Internet Content Providern
4.1.4 Exklusivverträge mit Softwareverkäufern.
4.1.5 Sonstige effektiv exklusiv wirkende Verträge
4.2 PREDATORY BEHAVIOR
4.2.1 Predatory Pricing
4.2.2 Microsofts Preissetzung.
4.3 THEORETISCHE GRUNDLAGEN DER EXKLUSIVERTRÄGE
4.3.1 Theorie der Chicago School
4.3.2 Modifikationen des Grundmodells

5 WOHLFAHRTSEFFEKTE
5.1 KURZFRISTIGE EFFEKTE
5.2 LANGFRISTIGE EFFEKTE

6 SCHLUSSBETRACHTUNG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Einleitung

Kartellrecht soll die Funktionsfä higkeit des Wettbewerbs gewährleisten. Dabei kann nur der aktuelle Wissensstand als Grundlage für die Rechtssprechung dienen. Bei der Analyse, ob Microsoft durch gezielten Einsatz wettbewerbsfeindlicher Maßnahmen zum Schaden der Konsumenten gehandelt hat, tauchen einige Fragen auf. Sind die alten Vorschriften des Shermanakts geeignet den Wettbewerb in New Economy Märkten zu schützen bzw. sind sie überhaupt anwendbar? Agiert Microsoft in einem solchen Markt und wie ist dieser zu charakterisieren? Welche konk reten ökonomischen Auswirkungen haben die Strategien der Kopplungsgeschäfte (engl.:Tie- in-Sales) und der exklusiven Verträge im Microsoft Fall? Wirken Microsofts Strategien zum Schutz seines Betriebssystemmonopol nur wettbewerbsschädlich bezogen auf den zweiten Protagonisten in diesem Kartellrechtsprozess, oder auch gesamtwirtschaftlich wohlfahrtsmindernd?

In dieser Arbeit wird versucht durch Fokussierung auf Tying und exklusive Verträge der Beantwortung dieser Fragen ein wenig nä her zu kommen und die verschiedenen Standpunkte einander gegenüber zu stellen.

Dazu wird im ersten Teil das Unternehmen Microsoft, der Markt auf dem es agiert und die im Prozess betroffenen Produkte kurz dargestellt. Im zweiten Teil folgen die kartellrechtlichen Grundlagen und eine kurze Beschreibung des Prozessablaufes. Im 3. und 4. Teil werden dann die Details von exklusiven Verträgen und Tying untersucht. Darauf folgt im 5. Teil eine Wohlfahrtsbetrachtung, welche die Grundlage für die in der Schlussbetrachtung getroffenen Aussagen darstellt. Zumindest tendenziell soll an dieser Stelle eine Beurteilung der Ergebnisse des Prozesses vorgenommen werden.

1 Das Unternehmen und sein Umfeld

1.1 Die Geschichte von Microsoft

Zwei parallele 25 Jahre alte Erfindungen initialisierten eine neue industrielle Revolution: der erste Personalcomputer, der Altair 8800 im Jahre 1975 und das Arpanet1 1972. Auf den Altair 8800 folgte nach dem Intel 8088 Prozessor 1981 der IBM PC und auf das Arpanet folgten 1982 die TCP/IP Protokolle2 und 1989 erfand Tim Berners Lee das World Wide Web durch die Integration von Hypertext und Internet. Durch die Entwicklung von Software zum Ansehen, Editieren und Senden von Dokumenten, wurde das Internet sehr leicht handhabbar. Außerdem fielen die Kosten für Prozessoren und Speicherplatz stark und ebenso stark reduzierten sich die Kosten für das Senden von elektronischer Information über physische Netzwerke.

1972 implementierten Bill Gates und Paul Allen BASIC, die erste Programmiersprache für den Altair und gründeten daraufhin Microsoft. Innerhalb von drei Jahren wuchs der Umsatz auf über 500.000 US-$ und die Mitarbeiterzahl stieg auf 15. Der große Erfolg von Microsoft hängt mit dem Auftrag zusammen, für den sehr erfolgreichen IBM PC, das Betriebssystem zu schreiben. [Wh02]

Die ersten dieser kleineren preiswerten Computer brachte die Firma Apple Computers auf den Markt. Auf diesen neuen PC-Markt musste IBM reagieren, die bisher Großrechner erfolgreich verkauften. Binnen eines Jahres sollte ein eigener PC auf den Markt gebracht werden. Dieser Zeitraum war jedoch für die Entwicklung neuer Komponenten viel zu kurz und so beschloss man, diese von Zulieferern zu kaufen. Für das Betriebssystem kaufte Microsoft von einer Drittfirma für 25.000 US-$ ein bereits existierendes Betriebssystem und nahm einige Veränderungen vor. Das neue, MS-DOS getaufte Betriebssystem wurde dann für IBM lizenziert - die Urheberrechte blieben bei Microsoft. Der neue IBM PC war außerordentlich erfolgreich. Dank IBMs Ruf und Erfahrung bei der elektronischen Datenverarbeitung entwickelte sich das Gerät zu einem wichtigen Arbeitsgerät für kleine und mittelständische Unternehmen. Dieser Erfolg wiederum veranlasste viele Software-Unternehmen mehr Anwendungsprogramme gerade für MS-DOS auf den Markt zu bringen, da für deren Absatz der Marktanteil des Betriebssystems, also der potentielle Kundenkreis, maßgeblich ist. Dazu kam, dass Microsoft sein Betriebssystem ständig weiter entwickelte und durch eine kluge Geschäftspolitik und einen Verzicht auf einen geschlossenen Lizenzierungskreis dafür sorgte, dass ständig leicht zu bedienende, kostengünstige und vielfältige Anwendungen geschrieben wurden. Dies wiederum steigerte die Verkaufszahlen der IBM-PCs mit MS-DOS noch weiter, da in aller Regel das entscheidende Kriterium bei der Auswahl eines Betriebssystems die auf diesem laufenden Programme sind. Dadurch wurde MS-DOS noch attraktiver für Softwareentwickler - ein klassischer Netzwerkmarkt hatte sich entwickelt. Gleichze itig begann sich damit aber die Kontrolle über diesen Markt zu verschieben. Als 1982 erste IBM-kompatible PCs auftauchten, vergab Microsoft MS-DOS Lizenzen an weitere Computerfirmen, womit die Dominanz von Microsoft im Bereich der Betriebssysteme sich weiter erhöhte. [Ban01, Kap.1]

1992 beschäftigte Microsoft 10.000 Mitarbeiter und hatte einen Jahresumsatz von 2,8 Milliarden US-$. [Whi02] Das Beschäftigungsfeld erstreckt sich mittlerweile über Entwicklung, Lizenzierung und Wartung einer breiten Palette an Soft- und Hardwareprodukten. Die Softwareprodukte umfassen Betriebsystemsoftware, Datenbank- und Internetserver, Anwendungssoftware und Spiele für Personal Computer, Anwendungen für Client Server Dienste, Softwareentwicklungstools und Software für den Internetzugang. Die Spielkonsole “X-Box” und diverse Eingabegeräte zählen zu den Hardwareprodukten. Mit MSN ist Microsoft auch im Internet präsent und stellt mit 6,5 Mio. Mitgliedern die zweitgrößte “Community” hinter AOL3 dar.4

Um die finanziellen Dimensionen der Microsoft Corp. Darzulegen, seien an dieser Stelle noch ein paar Zahlen genannt. Derzeit sind 5,42 Mrd. Microsoft Aktien im Handel, was einer Marktkapitalisierung von ca. 340 Mrd. US-$ entspricht. Das Barvermögen für kurzfristig verfügbare Geldanlagen beträgt 38,2 Mrd. US-$ und die jährlichen Ausgaben für Forschung betragen umgerechnet 4,5 Mrd. Euro, mehr als SUN, Oracle und AOL zusammen aufwenden und auch mehr als beispielweise Österreich mit 4,5 Mrd Euro ausgibt.5 Zu erwähnen bleibt abschließend, dass ein neuer Markt entstanden ist, und dass Unternehmen, wie beispielsweise Microsoft, Cisco Systems, Intel, Nokia und Sun neu an der Spitze der 25 führenden Unternehmen der Welt im Hinblick auf den Marktwert sind. [Eva02, S.255]

1.2 Die betroffenen Produkte

Die Produkte, die gerade für die Diskussion der Kopplung und Nutzung exklusiver Verträge innerhalb des Kartellrechtsprozesses entscheidend sind, sollen folgend kurz dargestellt werden, um später auf grundlegende Erklärungen verzichten zu können.

Windows 95

Windows 95 wurde am 24.08. 1995 als Nachfolger von Windows 3.11 for Workgroups präsentiert. Erstmals Bestandteil eines Betriebssystems war der Internet Explorer. Durch die schnelle Verbreitung dieses Betriebssystems - im Gegensatz zu den Vorgängern - wurde der Internet Explorer zum führenden Browser.

Windows 98

Am 25. Juni 1998 wurde der Nachfolger von Windows 95 vorgestellt. Sowohl die Unterstützung neuester Hardware als auch eine Verkürzung der Prozesslaufzeiten und die verbesserte Stabilität machten Windows 98 zu einem sehr erfolgreichen Produkt. Der Internet Explorer ist noch stärker integriert.

Internet Explorer6

Hierbei handelt es sich um einen Browser zum Anzeigen von HTML7 Seiten. Um komplexere Programme innerhalb von Webseiten ablaufen zu lassen, wird eine komplexere Programmiersprache benötigt. Als Standard fungiert hier das von SUN entwickelte plattformunabhängige Java. Sowohl der Browser und dessen Bestandteile als auch dessen Integration spielen bei dem Prozess eine bedeutende Rolle.

Navigator

Hierbei handelt es sich ebenso um einen Browser der Softwarefirma Netscape8. Er hat im wesentlichen die gleichen Funktionen und Aufgaben wie der IE.

2 Der Prozess

2.1 Amerikanisches Antitrustrecht

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schlossen sich in Folge der Industrialisierung viele kleine Unternehmen zu Monopolen (engl.: “trusts”) zusammen, die schnell an Größe und Macht gewannen. Zur Jahrhundertwende hatte beispielsweise “Standard Oil” einem Anteil von 90% am Markt für Erdölraffinerierung in den USA. Infolgedessen wurde das amerikanische Wettbewerbsrecht durch den Sherman Act 1890, den Clayton Act 1914 und den Federal Trade Commission Act 1914 geschaffen. Durch diese Neuerungen sind horizontale und vertikale Beschränkungen und gezielte Verhaltensweisen zur Erlangung bzw. Erhalt einer Monopolstellung per se verboten. Nachträglich wurde eine Abschwächung mit der “rule of reason” als Modifikation in den Sherman Act eingefügt, die eine Abwägung der Vor- und Nachteile einer Wettbewerbsbeschränkung im Einzelfall vorsieht. Somit ist bloße Größe nicht per se schädlich.

- 1 Sherman Act

Verbot von jedem Vertrag und Zusammenschluss sowie jedem abgestimmten Verhalten mit wettbewerbsbeschränkendem Charakter.

- 2 Sherman Act

Verbot der Monopolisierung, jedes Versuches sowie Vereinbarungen und Zusammenschlüsse mit diesem Ziel.9

Nach §3 Clayton Act sind die im Falle Microsofts relevanten Wettbewerbshandlungen, Bezugsbindung von Käufern und Abnahmeverpflichtungen durch Kopplungsgeschäfte (exclusive dealing and Tying contracts), verboten. Voraussetzung ist allerdings, dass die jeweiligen Praktiken geeignet sind, wesentlich den Wettbewerb zu beschränken, oder eine Schaffung oder Verstärkung einer Monopolstellung zum Ziel haben. [Els99, Nr.802 1.Abs.] Darüber hinaus ist §3 auch nur anwendbar, wenn der Wettbewerber im zwischen-/ bundesstaatlichen Handel tätig ist und bei der verbotenen Handlung, Waren für Gebrauch, Verkauf oder Wiederverkauf in den USA verkauft oder geleast werden. Für den Microsoftfall ist der §3 demzufolge anzuwenden.

Im Gegensatz zum europäischen Kartellrecht, wo die von politischen Einflüssen unabhä ngige EU Kommission Ermittlungen aufnimmt, ist in den USA das Justizministerium zuständig.

Wie später ersichtlich wird, haben die Gerichte einen erheblichen Ermessensspielraum in der Auslegung einer wettbewerbsrelevanten Handlung, der in erheblichem Maße von wirtschaftspolitischen Einflüssen geprägt sein kann. Betrachtet man beispielsweise den von Elsing angeführten Vergleich der relativ liberalen “Reaganomics” und der restriktiven Bush-Regierung, so werden die möglichen Dimensionen dieser Einflussnahme ersichtlich. [Els99, Nr. 802 3. Abs.]

1985 hat das DOJ “Vertical Restraint Guidelines” herausgebracht, in denen vertikale Bindungen selten einen wettbewerbsschädlichen Aspekt und nur in Ausnahmefällen per se Verbote bei einer dominanten Marktstellung darstellen.

2.1.1 Verfahrensablauf

In erster Instanz wird vor dem District Court verhandelt, der in jedem Bundesstaat mindestens einmal vertreten ist und der Tatsachenfindung dient (sog. Tatsacheninstanz). Die zweite Instanz ist der Court of Appeals (COA), der bestimmte Rechtsfragen überprüft, wobei für jeden Bezirk (district) ein bestimmter COA zuständig ist. Als letzte Instanz kommt noch der Supreme Court in Frage, der unabhängig über eine (Nicht-)Annahme einer Rechtsfrage entscheidet, jedoch bei bundesstaatsübergreifenden Angelegenheiten, d.h. falls mehrere Bundesstaaten betroffen sind, das Verfahren eröffnet. [Els99, S.21-42]

2.2 Überblick über die Hauptanklagepunkte

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: [Pla99]; [Jac00]

Die konkreten Aktionen, die den Anteil der IE Nutzung im Verhältnis zur Navigator Nutzung signifikant beeinflusst haben sollen sind:

- Massive Investitionen in die Browsertechnologie
- Den Preis für den IE auf 0 zu setzten
- Exklusive Distributionsverträge mit den ISP
- Tying des IE an Windows.

Auch wenn es im Prozess noch eine Reihe weiterer einzelner Punkte gab, lassen sich diese 4 als die Hauptaktionen ansehen.10 Die ersten beiden Punkte wurden von den Gerichten als nichtwettbewerbsbeschränkend eingestuft. Die letzteren wurden als die Schlüsselaktionen bezeichnet und werden in den nächsten Abschnitten genauer beleuchtet. [Kle, S.4]

2.3 Wettbewerbsrechtliche Einordnung von Tying und exklusiven Verträgen

Durch die Fokussierung auf Tying und exklusive Verträge wird zum einen eine Komplexitätsreduzierung bei der Betrachtung des Microsoft Falles erreicht zum anderen ist gerade an diesen beiden Unternehmensstrategien die Ambivalenz in der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung sehr gut nachzuvollziehen.

Bis 1950 etwa wurden beide Strategien bei marktmächtigen Unternehmen als schädlich für den Wettbewerb angesehen. Diese Sichtweise ist konform zur so genannten Harvard School, die einen eher kurz- bis mittelfristigen Betrachtungshorizont hatte und den Wettbewerb durch Marktzutrittschranken gefährdet sah, wodurch tendenziell Entflechtung und Fusionskontrolle im Focus der Wettbewerbspolitik stand.11 Durch Vertreter der Chicago School, wie Posner 1976, Bork 1978 oder Bernheim & Whinston 2000 wurden später wettbewerbsneutrale und zum Teil auch wettbewerbsfördernde Wirkungen unterstellt. Im Gegensatz zur Harvard School wird hier davon ausgegangen, dass auf langfristige Sicht Markzutrittsschranken nicht wirksam sind. Der Schwerpunkt der Wettbewerbspolitik liegt hier eher auf dem Verbot horizontaler Absprachen - vertikale werden als unbedenklich erachtet. Betrachtet man diese beiden Gruppen als Pole, so kann man Beiträge der aktuellen Diskussion um Microsofts Tying und die Benutzung exklusiver Verträge als Mix aus beiden Polen einordnen. Dieser Mix bildet somit auch die Grundlage für eine Beurteilung dieses Falles. [Whi01, S.66]

Äquivalent zu Beurteilung des “monopolizing” nach dem Sherman Act, ob bei Innehaben einer marktbeherrschenden Stellung diese durch unfaire Methoden weiter ausgebaut wird, wird im deutschen Kartellrecht nach dem Missbrauch einer marktbeherrsche nden Stellung gefragt. Im GWB, der Grundlage des deutschen Kartellrechts, wird unter Tying und exklusiven Verträgen eine Behinderungsstrategie verstanden. Es handelt sich somit, um eine rechtliche Beschränkung aufgrund einer Behinderung von Mitbewerbern durch Verträge. Exklusive Verträge gehören damit zu Ausschließlichkeitsbindungen, bei denen Vertragsbeteiligte keine Waren von Dritten beziehen bzw. abgeben dürfen. Kopplungsverträge sind Verpflichtungen, sachlich bzw. handelsüblich nicht zusammengehörige Waren oder Dienstleistungen zusammen abzunehmen. In Deutschland würde man bei der Erfassung solcher Behinderungsstrategien fragen, ob ein Unternehmen, das eine marktbeherrschende Stellung auf einem relevanten Markt hat, diese missbraucht.12 Die Marktbeherrschung wird dabei durch Indikatoren, wie Finanzkraft oder Marktzutrittsschranken festgestellt. Der wichtigste Indikator ist hierbei der Marktanteil13 auf dem relevanten Markt. Die Bestimmung des relevanten Marktes erfolgt durch räumliche und sachliche Abgrenzung14, wobei die sachliche Abgrenzung nach verschiedenen Konzepten durchgeführt werden kann.15 Im deutschen Recht führen diese Strategien zu Gesetzesverstößen, wenn eine erhebliche Zahl von Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt sind bzw. der Marktzutritt beschränkt ist. Im europäischen Recht sind Kopplungsverträge und Ausschließlichkeitsbindungen ebenfalls verboten.16 17

In der EU gibt es ebenfalls ein laufendes Verfahren gegen Microsoft. Dieses soll in dieser Arbeit jedoch nicht weiter betrachtet werden, da die Vorwürfe, die Microsoft gemacht werden, in beiden Prozessen unterschiedlich sind. In der EU steht die Serverdominanz im Vordergrund. Hier hat die EU Kommission festgestellt, dass Microsoft seine Marktposition wettbewerbswidrig genutzt haben soll, um sich einen Vorteil auf den Märkten “Middleware”18 und “Lowserver” zu verschaffen. [SR01]

Die Vorwürfe beziehen sich somit zwar auf andere Produkte und Märkte, aber die Strategie, die untersucht wird, ist wiederum dieselbe. Microsoft soll beispielsweise den Windows Media Player an das Betriebssystem gekoppelt haben und sich damit einen Vorteil gegenüber dem Konkurrenzprodukt Real Player verschafft haben.

2.4 Prozessverlauf in den USA

Microsoft’s antitrust Geschichte begann 1990 mit einer Untersuchung durch die Federal Trade Commission (FTC) bezüglich der Lizenzpraktiken des Unternehmens gegenüber Computerherstellern. Per Abstimmung wurden 1993 die Untersuchungen durch die FTC eingestellt, jedoch durch das DOJ derart weitergeführt, dass am 15. Juli 1994 Klage wegen Wettbewerbsverletzung durch wettbewerbsbeschränkende und exklusive Verträge mit PCHerstellern eingereicht wurde. Als Ergebnis wurde ein so genannter “consent decree” mit Microsoft vereinbart. Dieser verpflichtete Microsoft keine wettbewerbswidrigen Auflagen bei der Lizenzvergabe an Computerhersteller sowie Kopplungsgeschäfte (Tying arrangements) vorzunehmen, außer es handele sich um untrennbar verbundene oder “andere” Produkte. Kurze Zeit später vergab Microsoft nur noch Lizenzen an Computerhersteller, die Windows mit Internet Explorer gebündelt auslieferten. [MW99, S.29] Im Jahr 1995 geriet Microsoft zwischenzeitlich ins Visier der Regulierungsbehörde, wegen eines feindlichen Übernahmeversuches von Intuit19, um den Markt für Telebankingsoftware zu monopolisieren. [MW99, S.30]

Am 20.Oktober 1997 wurde durch das Justizministerium bei der obersten Justizbehörde gegen Microsoft wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsrecht Klage eingereicht. Der Vorwurf begründete sich in der Ausnutzung der marktbeherrschenden Stellung Microsoft’s auf dem Markt für PC-OS (Windows 95) zugunsten des Aufbaus von Marktzutrittsschranken auf dem Webbrowser-Markt. Laut der US Justizministerin diente das Verhalten einzig und allein dem Erhalt bzw. der Ausweitung der Monopolstellung, wodurch der o.g. consent decree gebrochen wurde.

Am 11. Dezember 1997 wurde Microsoft von dem zuständigen Richter Thomas Penfield Jackson (DC) angewiesen, die Bündelung von Windows und Explorer aufzuheben und diese separat anzubieten. [GK2001, S.26]

Microsoft traf im Januar 1998 die Vereinbarung mit dem Justizministerium den Internet Explorer teilweise zu entfernen bzw. ihn zu installieren, aber auf der Benutzeroberfläche nicht sichtbar zu machen. Jedoch blieben die Anschuldigen der Wettbewerbsrechtverletzung weiterhin bestehen, wurden sogar durch die Aussagen von Netscape und AOL bezüglich des Marktaufteilungsangebotes seitens von Microsoft erhärtet. [MW99, S.29-32]

Am 23.Juli 1998 wurde in der Berufung (AC) die Entscheidung von Richter Jackson mit der Begründung, dass die Funktionalität ohne Bündelung nicht mehr gegeben sei, aufgehoben -und somit auch der Vorwurf gegen das Wettbewerbsrecht durch Abschluss von Kopplungsverträgen verstoßen zu haben.

2.5 Der Vorwurf der Monopolisierung aus Regierungssicht

Laut der Anklage habe Microsoft eine Monopolstellung auf dem Markt für PC-OS20 und eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für Server-OS. Zudem sind die Marktzutrittsschranken in diesen Märkten so hoch, dass ein anderes OS nur sehr schwer konkurrieren könnte. Als Indiz dafür wurde IBM mit seinem Betriebssystem OS/2 angeführt. Dieses OS wurde trotz erheblicher Entwicklungskosten ein Misserfolg. Der Grund seien existierende Netzwerkeffekte, die zu einer “applications barrier to entry”21 führen. Dies begründet sich in der Tatsache, dass die Anzahl der verfügbaren Software für ein Betriebssystem kombiniert mit dem System selbst den Nutzen für die Enduser bringt. Da die Hersteller dieser Software in einem Markt mit Netzwerkeffekten agieren, fallen hohe Fixkosten bei der Herstellung an. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis, der für einen augenblicklich im Markt befindlichen Monopolisten eine sehr hohe Marktzutrittsschranke darstellt. [GK01, S.27ff]

Die Regierung und Microsoft haben den Navigator in Verbindung mit einem Java-Plugin und Serveranwendungen allerdings als potentiellen Wettbewerber für Microsofts Windows bewertet. Da Java plattformunabhängig funktioniert, würde das Betriebssystem irrelevant werden.22 Aufgrund der großen Akzeptanz von Java und der temporären Alleinstellung von Netscape, fühlte sich Microsoft gezwungen, seinen Markt zu verteidigen, bevor Netscape völlige Betriebssystemunabhängigkeit erreicht bzw. die Minimalfunktionen eines OS integriert.

Die erste Möglichkeit lag darin, sich friedlich per Absprache den Markt zu teilen, wobei Microsoft den PC-Markt und Netscape den Servermarkt für Browser bedienen sollte, was auf beiden Märkten jedem Unternehmen ein Monopol gesichert hätte. Nachdem Netscape die Aufteilung verweigerte, wählte Microsoft eine Mischung aus Verdrängungs- und Ausschlussmaßnahmen. [Har95]

Da diese Maßnahmen wettbewerbsfeindlich sind und Microsoft eine Monopolstellung innehat, soll, nach Meinung der Regierung, eingegriffen werden.

2.6 Der Vorwurf der Monopolisierung aus Microsoftsicht

Einen anderen Ansatz verfolgen Autoren wie Evans und Lerner.23 Sie unterstellen einen dynamischen Wettbewerb in dem Markt, in dem Microsoft agiert und sind daher gegen eine Regulierung. Wie der Markt in diesem Ansatz beschrieben wird und welche Auswirkungen das nach Meinung der Autoren auf wettbewerbsrechtliche Konzepte hat, legen die nächsten beiden Abschnitte dar.

[...]


1 Abkürzung für Department of Defens’s Advanced Reserch Project Agency Network, welches zur Vernetzung von Super Computern für Forscher gedacht war.

2 Die Protokolle, die die meisten Informationen über das Internet transportieren.

3 AOL hat derzeit ca. 34 Millionen Mitglieder.

4 Entnommen aus Chip Online, 2.06.2001, www.chip.de/archiv/164883.html

5 Gemäß Company Research, Insider Holding for Microsoft Corp., www.wsj.com

6 folgend mit IE bezeichnet.

7 HTML ist eine Seitenbeschreibungssprache

8 Netscape wurde 1997 von AOL aufgekauft.

9 Die Tatbestandsmerkmale sind hier der Besitz von Monopolmacht und die zweckgerichtete Handlung.

10 Hierzu zählen u.a. die versuchte Kartellabsprache mit Netscape und das Verzögern der Veröffentlichung wichtiger technischer Details für Netscape.

11 Auf eine ausführlichere Darstellung dieses Wettbewerbsleitbildes und auch der folgenden Chicago School wird in dieser Arbeit verzichtet.

12 Vgl. die allgemeine Formulierung in § 20 GWB, sowie die speziellen Regelungen für Tying und Ausschließlichkeitsbindungen in §16 GWB.

13 Im GWB gilt hier für ein Unternehmen ein Marktanteil von größer als 33,3% als marktbeherrschende Stellung für zwei weitere Gruppen enger Oligopole, d.h. 2 bis 3 und 3 bis 5 Unternehmen, gelten Kennzahlen von 50% und 66,6%.

14 Gegebenenfalls ist auch eine zeitliche Abgrenzung vorzunehmen.

15 Diese werden hier im Einzelnen nicht erläutert. Zu den Konzepten gehört u.a. das Bedarfsmarktkonzept, welches als methodisches Konzept Güter, die geeignet sind einen bestimmten gesellschaftlichen Bedarf zu decken, mittels Kreuzpreiselastizitäten ermittelt.

16 Bei Ausschließlichkeitsbindungen gibt es im europäischen Recht eine Ausnahme: Alleinvertriebs-

vereinbarungen. Diese sind nach GFVO für 5 Jahre freigestellt, da sie zur gegenseitigen Durchdringung der nationalen Märkte geeignet sind.

17 Betroffen ist hier Artikel 82 des Amsterdamer Vertrages, wonach der Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung auf dem gemeinsamen Markt verboten ist.

18 Unter Middleware versteht man Programme, die zwischen dem Betriebssystem und den eigentlichen Anwendungsprogrammen laufen.

19 Intuit ist zu diesem Zeitpunkt der Marktführer von Homebankingsoftware.

22 Momentan sind zusätzliche Ausführungszeiten für Java-Anwendungen nötig, so dass nicht völlig auf ein OS verzichtet werden kann.

23 In ähnlicher Art argumentieren auch andere Wirtschaftsexperten, wie Schmalensee und Fisher.

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Details

Title
Tying, exklusive Verträge und das Kartellrecht im Fall Microsoft
College
Humboldt-University of Berlin  (Industrieökonomik)
Course
Seminar zu vertikalen Beziehungen im WS 2002/2003
Grade
1,3
Author
Year
2003
Pages
47
Catalog Number
V22511
ISBN (eBook)
9783638258173
ISBN (Book)
9783638717410
File size
642 KB
Language
German
Notes
rechtliche und Wohlfahrtsbetrachtungen sowie modelltheoretische Analyse
Keywords
Tying, Verträge, Kartellrecht, Fall, Microsoft, Seminar, Beziehungen, exklusive Verträge
Quote paper
Dipl. Kfm. Jörg Krause (Author), 2003, Tying, exklusive Verträge und das Kartellrecht im Fall Microsoft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22511

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