Das Thema Mündlichkeit und Schriftlichkeit als solches ist zu komplex, um auf den folgenden 15 Seiten abgehandelt zu werden. Diese Arbeit will daher nur versuchen, geleitet von den folgenden Thesen, einige Aspekte des Themas zu beleuchten, die geeignet erscheinen in ihrer Gänze ein Bild der für unseren Betrachtungszeitraum besonders wichtigen Zeit um 1200 zu geben.
Um das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Mittelalter näher zu bestimmen, ist es nötig einen nicht unbedeutenden Teil dieser Arbeit den Bildungsvoraussetzungen der Träger von Literatur im Mittelalter zu widmen. Die Kenntnis des Bildungsniveaus der für den Literaturbetrieb wichtigen Bevölkerungsschichten1 lässt logischerweise Rückschlüsse auf deren literarische Ambitionen und Möglichkeiten zu. Meine erste These lautet daher: Die Produktion von schriftlich tradierter Literatur im Mittelalter hängt eng mit dem Zugang zu Bildung zusammen.
Des weiteren vollzieht sich der Literaturbetrieb, auch bereits im Mittelalter, in einem Spannungsfeld zwischen künstlerischen Ambitionen und gesellschaftlichen Vorgaben. Literatur reagiert auf gesellschaftliche Änderungen, so lautet meine zweite These. Zu klären bleibt noch die Frage, wie es zu dem Wechsel von einer scheinbar allgemein akzeptierten Mündlichkeit des Lebens und der Literatur zu einer zunehmenden Verschriftlichung vieler Bereiche der Lebenswirklichkeit kam und wie sich dieser Prozess vollzog. Diese Frage soll kurz angerissen und abschließend am Beispiel des Nibelungenliedes exemplifiziert werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Bildungsgeschichtliche Bedingungen um 1200
- Die Bildung der Frau
- Litteratus - Illitteratus
- Das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im mittelalterlichem Literaturbetrieb
- Literaturgeschichtliche Tendenzen
- Mündliche Tradition
- Schriftliche Tradition
- Der Übergang von mündlich zu schriftlich tradierter Literatur am Beispiel des Nibelungenliedes
- Die Oral Poetry Theorie bei Parry und Lord
- Demonstration der Oral Poetry Theorie an zwei Beispielen
- Literaturhistorische Analyse des Textes
- Die Oral Poetry Theorie bei Parry und Lord
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit beleuchtet Aspekte des Themas Mündlichkeit und Schriftlichkeit im mittelalterlichen Literaturbetrieb, insbesondere in der Zeit um 1200.
- Die Abhängigkeit der Produktion schriftlicher Literatur vom Zugang zu Bildung
- Das Spannungsfeld zwischen künstlerischen Ambitionen und gesellschaftlichen Vorgaben im Literaturbetrieb
- Der Übergang von einer dominanten Mündlichkeit zu einer zunehmenden Verschriftlichung
- Die Rolle des Nibelungenliedes als Beispiel für den Wandel von mündlicher zu schriftlicher Tradition
- Die Bedeutung der Bildung für die Entwicklung des Literaturbetriebs im Mittelalter
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung legt die zentralen Thesen der Arbeit dar, die sich mit dem Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im mittelalterlichen Literaturbetrieb befassen.
Das zweite Kapitel analysiert die Bildungsbedingungen um 1200. Hierbei wird deutlich, dass Lesen und Schreiben hauptsächlich auf geistlich gebildete Männer beschränkt waren, während adlige Herrscher selten über eine literarische Ausbildung verfügten.
Das dritte Kapitel untersucht das Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im mittelalterlichen Literaturbetrieb. Es werden die literaturgeschichtlichen Tendenzen, die mündliche und schriftliche Traditionen sowie die Rolle der Frau im Literaturbetrieb beleuchtet.
Das vierte Kapitel analysiert den Übergang von mündlicher zu schriftlicher Tradition anhand des Beispiels des Nibelungenliedes. Es wird die Oral Poetry Theorie von Parry und Lord vorgestellt und die literaturhistorische Analyse des Nibelungenliedes diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Mündlichkeit, Schriftlichkeit, mittelalterlicher Literaturbetrieb, Bildungsgeschichte, Nibelungenlied, Oral Poetry Theorie und dem Verhältnis von Kunst und Gesellschaft.
- Quote paper
- Dirk Hein (Author), 2004, Mündlichkeit und Schriftlichkeit im mittelalterlichen Literaturbetrieb, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22604