Die in erster Linie von der Sowjetunion initiierte und durchgeführte Invasion in der CSSR im Spätsommer 1968 schockte zwar die ganze Welt, war jedoch kein Novum in der Außenpolitik der UdSSR. Die Niederschlagung des Aufstandes in Ungarn 1956 durch sowjetische Truppen zeigte bereits die Bereitschaft der UdSSR auf auch vor Militäraktionen gegen ihre Verbündeten nicht zurückzuschrecken. Bei der Betrachtung der Ereignisse der Jahre 1956 und 1968 stellt sich mir die Frage, wieso es, bei aller Entschlossenheit mit der die UdSSR letztendlich in beiden Staaten intervenierte, nicht auch zu einem anderen Vorgehen gegenüber den „abweichlerischen“ Kommunisten in Jugoslawien kam. Warum gelang es Tito noch vor der einsetzenden Entstalinisierung im Jahre 1953 einen von Moskau unabhängigen Weg bezüglich der Bildung einer „sozialistischen Gesellschaft“ durchzusetzen, obwohl sich Jugoslawien durch seine eigenständige Außenpolitik den Unmut des Kremls zuzog?
Diese beiden Punkte führen zum eigentlichen Schwerpunkt dieser Arbeit, der Frage, ob der von Jugoslawien eingeschlagene Weg, vor allem in der Innen - und Außenpolitik, sich als Vorbild für die Reformpolitiker der CSSR anbot, und ob eine Nachahmung dieses Modells die sowjetische Invasion 1968 in der CSSR hätte verhindern können.
Im ersten Teil dieser Arbeit werde ich auf das Verhältnis zwischen der UdSSR und Jugoslawien, mit Schwerpunkt auf den Zeitraum von der Gründung des Kommunistischen Informationsbüros bis zum Tode Stalins, eingehen und eine kurze Darstellung der innenpolitischen Veränderungen in Jugoslawien geben. Im zweiten Teil wird es daraufhin zu einem Vergleich der im ersten Teil dargestellten Verhältnisse der jugoslawischen Innen– und Außenpolitik mit denen der Innen– und Außenpolitik in der CSSR des Jahres 1968 kommen. Anschließend sollen die untersuchten Aspekte im dritten und letzten Teil dieser Arbeit im Bezug auf die oben angeführte Fragestellung diskutiert und bewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die jugoslawische Emanzipation von der UdSSR
- Zwei Modelle, ein Gedanke? Ein Vergleich
- Die Unterschiede des jugoslawischen und tschechoslowakischen Weges
- Der Prager Frühling und die Vorbildfunktion des jugoslawischen Modells
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Vergleich des jugoslawischen und tschechoslowakischen Weges zur Emanzipation von der UdSSR in den 1960er Jahren. Sie analysiert, inwiefern der „jugoslawische Weg" als Vorbild für die Reformpolitiker der CSSR diente und ob eine Nachahmung dieses Modells die sowjetische Invasion 1968 hätte verhindern können.
- Die Emanzipation Jugoslawiens von der UdSSR
- Die Unterschiede der politischen und ökonomischen Reformen in Jugoslawien und der CSSR
- Die Vorbildfunktion Jugoslawiens für die Reformbewegung im Prager Frühling
- Der Einfluss der sowjetischen Außenpolitik auf die Entwicklungen in beiden Staaten
- Die Frage, ob der jugoslawische Weg als Alternative zum sowjetischen Modell hätte dienen können
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel befasst sich mit der jugoslawischen Emanzipation von der UdSSR. Es beleuchtet die Versuche der Sowjetunion, Jugoslawien in eine politische und ökonomische Abhängigkeit von Moskau zu bringen, und die daraus resultierenden Spannungen, die schließlich zum Ausschluss Jugoslawiens aus dem Kominform führten.
Im zweiten Kapitel erfolgt ein Vergleich der jugoslawischen und tschechoslowakischen Wege, wobei die Unterschiede in der Innen- und Außenpolitik der beiden Staaten im Jahr 1968 hervorgehoben werden.
Das dritte Kapitel analysiert die Bedeutung des jugoslawischen Modells für die Reformpolitik des Prager Frühlings und diskutiert, ob eine Nachahmung dieses Modells die sowjetische Invasion hätte verhindern können.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselbegriffe wie jugoslawische Emanzipation, UdSSR, Kominform, Prager Frühling, tschechoslowakischer Weg, Reformpolitik, Sowjetische Intervention und Vorbildfunktion.
- Arbeit zitieren
- Holger Lehmann (Autor:in), 2002, Der Prager Frühling und der "jugoslawische Weg", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22733