Gadamers These "In Wahrheit gehört die Geschichte nicht uns, sondern wie gehören ihr" bewegt sich zwischen den Polen der Geschichtshörigkeit und der Selbstbesinnung und bringt damit eine Spannung zum Ausdruck, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts, seit den ersten Historismus-Debatten, als konstitutiv für das problematische Selbstverständnis der Geisteswissenschaften gelten kann: Je nachdem, ob der Mensch Subjekt oder Objekt der Geschichte ist, wird sein geistiges Wissen, seine Geschichtswissenschaft entweder historisch bedingt, also tendenziell historistisch oder unbedingt subjektiv, also tendenziell subjektivistisch sein. Das objektiv-deterministische Geschichtsmodell nimmt eine naturgesetzliche Vernetzung von Ereignissen, Handlungen, Erfahrungen an. Das subjektiv-freiheitliche Geschichtsmodell dagegen fasst Ereignisse immer auch als Erlebnisse im Seelenleben auf, bei denen ein irrationaler Rest bleibt. Eine Geschichtswissenschaft, die dieses Modell zugrunde legt, wird eine Methode wählen, die der ganzheitlichen Verfasstheit ihres Gegenstands, der "Dreidimensionalität des vortheoretischen Leben", entspricht: Sie wird humanwissenschaftlich verfahren, wird sich auf den Menschen besinnen und dessen Lebensäußerungen zu verstehen versuchen: Sie wird - mit Wilhelm Dilthey - Lebenshermeneutik betreiben. Propagiert wird bei Dilthey somit eine Wissenserfahrung, die auf die "ganze Menschennatur", den "realen Lebensprozeß" des erkennenden Subjekts ausgeht und dabei eine dynamische Einheit von Erkenntnis, Fühlen und Handeln zu stiften vermag.
Die Arbeit zeichnet die Polarität von Naturwissenschaft und Geisteswissenschaft sowie Diltheys Konzept einer Methodik der Geisteswissenschaften anhand dessen "Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften" im Detail nach.
Inhaltsverzeichnis
- I. EINLEITUNG
- Die geschichtliche Welt: Subjekt oder Objekt ihres Aufbaus?
- II. HAUPTTEIL
- Ausweglosigkeiten im Aufbau der geistesgeschichtlichen Welt...
- 1. Naturwissenschaft
- 2. Erlebnis/Ausdruck
- 2.1 Erleben/Nacherleben...
- 2.2 Ausdruck/Verstehen
- 3. Die Aporie der Geistes/Wissenschaften.
- 3.1 Psychologische Hermeneutik vs. Geschichtshermeneutik...
- 3.1.1 'mens auctoris'
- 3.2 Transzendentale Erkenntnistheorie vs. Lebensphilosophie.
- 3.2.1 „Begründung durch Transzendentalphilosophie“.
- 3.2.2 Unergründlichkeit durch Lebensphilosophie.
- 4. Strukturelle Synthesis.
- 4.1 Dialektik Teil - Ganzes.
- 4.2 Einheit des Sinns und Geschichtsteleologie.
- 5. `Pragmatic turn'? Zu Diltheys ‘objektivem Geist’
- III. AUSBLICK auf Wegweisendes..
- 1. Geschichtliche Selbst/Determination...
- 2. Post-Geschichte zwischen Fatalismus und Freiheit.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text befasst sich mit der Frage, wie sich die geschichtliche Welt im Kontext der Geisteswissenschaften aufbaut. Dabei wird die Beziehung zwischen Subjekt und Objekt der Geschichte im Spannungsfeld zwischen Historismus und Subjektivismus untersucht. Im Mittelpunkt stehen die Methodologie der Geisteswissenschaften und die Herangehensweise an das Verstehen von Geschichte, wobei verschiedene Ansätze und Kritikpunkte beleuchtet werden.
- Die Rolle der Subjektivität und Objektivität im Aufbau der geschichtlichen Welt
- Die Methodologie des Verstehens in den Geisteswissenschaften
- Die Aporie der Geisteswissenschaften im Kontext von Historismus und Subjektivismus
- Der Einfluss der Lebensphilosophie auf das Geschichtsverständnis
- Die Bedeutung der 'Pragmatic turn' im Kontext von Diltheys 'objektivem Geist'
Zusammenfassung der Kapitel
I. Einleitung
Der einleitende Abschnitt stellt die zentrale Problematik des Textes vor: die Frage nach der Subjekt-Objekt-Beziehung im Aufbau der geschichtlichen Welt. Hierbei wird die These von Gadamer „In Wahrheit gehört die Geschichte nicht uns, sondern wir gehören ihr“ als Ausgangspunkt für die weitere Analyse verwendet.
II. Hauptteil
In diesem Abschnitt wird die Problematik des Aufbaus der geistesgeschichtlichen Welt ausführlich behandelt. Es werden verschiedene Aspekte beleuchtet, wie zum Beispiel die Rolle der Naturwissenschaften, die Bedeutung von Erlebnis und Ausdruck, die Aporie der Geisteswissenschaften, die Unterschiede zwischen psychologischer und historischer Hermeneutik, die Beziehung zwischen transzendentaler Erkenntnistheorie und Lebensphilosophie sowie die strukturelle Synthesis als Ansatz zur Bewältigung der aufgezeigten Probleme.
III. Ausblick auf Wegweisendes
Dieser Abschnitt gibt einen Ausblick auf die Bedeutung des Textes für das Verständnis von Geschichte und der Rolle der Geisteswissenschaften. Es werden die Themen der historischen Selbstbestimmung und der Post-Geschichte zwischen Fatalismus und Freiheit angesprochen.
Schlüsselwörter
Der Text behandelt die Themen Historismus, Subjektivismus, Geisteswissenschaften, Verstehen, Hermeneutik, Lebensphilosophie, Geschichte, 'Pragmatic turn', 'objektiver Geist', Dilthey, Gadamer, 'Aufbau der geschichtlichen Welt'.
- Citar trabajo
- Sandra Kluwe (Autor), 1998, Wegweisende Ausweglosigkeiten. Zu Diltheys 'Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften', Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/22748