Partizipative Führung als Maßnahme gegen Boreout


Bachelorarbeit, 2012

70 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung (Hintergrund, Zielsetzung, Aufbau)

2 Ursachen & Entwicklung psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt

3 Boreout
3.1 Unterforderung
3.1.1 Qualitative Unterforderung
3.1.1.1 Monotonie
3.1.1.2 Psychische Sättigung
3.1.2 Unterforderungsbedingter Stress
3.1.3 Flow
3.2 Motivation im Beruf
3.2.1 Intrinsische Motivation
3.2.2 Arbeitsmotive
3.2.2.1 Inhaltstheorien der Motivation
3.2.2.2 Job Characteristic Model
3.3 Definition Boreout
3.3.1 Definition nach Rothlin & Werder
3.3.2 Gegenüberstellung Boreout & Unterforderung

4 Partizipative Führung
4.1 Definition
4.2 Menschenbild und Bedingungen der partizipativen Führung
4.3 Auswirkungen der partizipativen Führung
4.3.1 Arbeitszufriedenheit & Arbeitsmotivation
4.3.2 Commitment & Identifikation
4.3.3 Vertrauen

5 Kritische Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Items der Flow-Kurzskala

Tabelle 2: Hygienefaktoren & Motivatoren der Zweifaktorentheorie

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Zunahme immaterieller Anreize

Abb. 2: Wandel der Erziehungswerte

Abb. 3: Bestehendes Gesundheitsrisiko bei Über- und Unterforderung nach Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2012)

Abb. 4: Monotonieverlauf nach Radl, Burger, Krasnicka, Schaaf & Thau (1975)

Abb. 5: Verlauf der psychischen Sättigung nach Höger (2011)

Abb. 6: Person-Environment-Fit Stressmodell

Abb. 7: Vereinfachte Darstellung des Flow

Abb. 8: Komponenten des Flow-Erlebens

Abb. 9: Das vier Quadrantenmodell

Abb. 10: Bedürfnispyramide nach Maslow (1954)

Abb. 11: Faktoren der Zufriedenheit und der Unzufriedenheit nach Herzberg et al. (1959)

Abb. 12: Bedürfnisklassen der Inhaltstheorien der Motivation

Abb. 13: Job Characteristic Model

Abb. 14: Bestandteile des Boreout

Abb. 15: Managerial Grid

Abb. 16: Situatives Reifegradmodell

Abb. 17: Zusammenhang zwischen Motivation und Arbeitszufriedenheit

Abb. 18: Arten von Zufriedenheit

Abb. 19: Dimensionen des organisationalen Commitment

Abb. 20: Arten von Vertrauen

Abb. 21: Integration der Erkenntnisse der Auswirkungen der partizipativen Führung in das Job Characteristic Model von Hackman & Oldham (1980)

Abstract

The consultants Rothlin & Werder have implemented the concept boreout for a new kind of mental illness with their book “Diagnose Boreout - Warum Unterforderung im Job krank macht!” in 2007. This bachelor thesis examines if the concept boreout is really new and the participative leadership is a measure against boreout. It is assumed that boreout is closely related to mental underload. However, mental underload just arises if employees have a lack of intrinsic motivation. Therefore, it should be examined how far the participative leadership induces an increasing of intrinsic motivation.

The result of this thesis is that boreout is not a new concept, because the scientifically founded concept of qualitative mental underload already comprises all components of boreout. In addition, the participative leadership is a measure against boreout, because the leadership induces a high intrinsic motivation and performance of the employees. Keywords: boreout, participative leadership, mental underload, intrinsic motivation

Zusammenfassung

Die Unternehmensberater Rothlin & Werder führten 2007 mit ihrem Buch „Diagnose Boreout - Warum Unterforderung im Job krank macht!“ den Begriff Boreout für eine neue Art der psychischen Erkrankung ein. Die vorliegende Bachelorthesis überprüft, inwieweit es sich wirklich um ein neues Konzept handelt und ob mit Hilfe der partizipativen Führung dagegen vorgegangen werden kann. Es wird angenommen, dass Boreout eng mit dem wissenschaftlich fundierten Konzept der Unterforderung zusammenhängt. Diese wiederum tritt allerdings nur auf, wenn ein Mangel an intrinsischer Motivation besteht. Es ist daher zu überprüfen, inwieweit partizipative Führung zu einer Erhöhung der intrinsischen Motivation führt.

Diese Arbeit kommt zu dem Ergebnis, dass Boreout kein neuartiges Konzept darstellt, sondern vollständig mit dem wissenschaftlich belegten Konzept der qualitativen Unterforderung erklärt werden kann. Eine weitere Erkenntnis ist, dass es sich bei der partizipativen Führung um eine geeignete Maßnahme gegen Boreout beziehungsweise qualitative Unterforderung handelt, da dieser Führungsstil in der Lage ist, die intrinsische Motivation der Mitarbeiter zu erhöhen und zudem zu einer hohen Qualität der Arbeitsleistung und einer niedrigeren Fluktuations- und Abwesenheitsrate durch gesunde Mitarbeiter führt. Schlüsselwörter: Boreout, partizipative Führung, psychische Unterforderung, intrinsische Motivation

1 Einleitung

Hintergrund

Im heutigen Zeitalter der Globalisierung muss ein Unternehmen, um am Markt bestehen zu können, an der kontinuierliche Verbesserung seiner Prozesse und Strukturen interessiert sein. Bei diesem Optimierungsvorgang steht wohl in einer Dienstleistungsgesellschaft, wie sie in Deutschland anzutreffen ist, nicht die Maschine im Mittelpunkt, sondern die Mitarbeiter eines Unternehmens. Insbesondere Arbeitnehmer, die durch eine psychische Erkrankung geringe Leistungen erbringen oder bei einem fehlenden Eingreifen sogar komplett aus dem Arbeitsleben ausscheiden müssen, treten hierbei immer mehr in den Vordergrund, denn psychische Erkrankungen von Angestellten nehmen zu und führen zu enormen Kostenanstiegen in Unternehmen (Schuster, Haun & Hiller, 2011).

Laut der DAK (2011, S. 7) waren 12 Prozent der Krankheitstage im Jahr 2010 auf psychische Erkrankungen zurückzuführen. Die AOK stellte von 1996 bis 2007 für die eigenen Mitglieder einen Zuwachs der Arbeitsunfähigkeitsfälle, welche durch psychische Erkrankungen verursacht wurden, von 83,7 Prozent fest (Badura, Schröder & Vetter, 2009, S. 33). Doch nicht nur die Fehlzeiten und Arbeitsunfähigkeitsfälle führen zu Kosten. Nach dem Beratungsunternehmen Booz & Company (2011) wird ein großer Anteil der Kosten durch Arbeitnehmer verursacht, die trotz Erkrankung bei der Arbeit erscheinen. Besonders die psychisch Erkrankten sind weniger leistungsfähig und machen mehr Fehler. Es geht bei diesen Betrachtungen vorwiegend um durch Überforderung ausgelöste psychische Krankheiten, wie das Burnout-Syndrom , welches immer wieder im Fokus der Medien steht (Klenke & Müller, 2012). Der Begriff Burnout wurde 1974 durch Freudenberger als Krankheit des Überengagements eingeführt, die eine Erschöpfung der psychischen und physischen Kapazitäten hervorruft. Burnout weist jedoch ein unspezifisches Gesamtbild auf und daher gibt es bisher noch keine allgemeingültige Definition (Pfennighaus, 2000) . Allerdings identifiziert die sehr bekannte Beschreibung des Begriffes Burnout nach Maslach von 1976 drei zentrale Bestandteile des Syndroms: emotionale Erschöpfung, verminderte Leistungsfähigkeit und eine gleichgültige Einstellung gegenüber Mitarbeitern oder Kunden. Die Ursachen von Burnout liegen in der Wechselwirkung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen, dem situativen Zustand der Person, Arbeitsanforderungen und den gesellschaftlichen Verhältnissen (Hacker & Richter, 1998).

Nun erschien 2007 jedoch ein Buch mit dem Titel „Boreout- Warum Unterforderung im Job krank macht!“ von den Unternehmensberatern Philippe Rothlin und Peter R. Werder, die dieses Buch als Antwort auf die 2005 veröffentlichten Ergebnisse einer Umfrage des Kelly Services, einem internationalen Personalvermittlungsunternehmen, zum Thema Stress im Beruf und einer im Auftrag von AOL und Galaxy.com durchgeführten Studie zur Zeitverschwendung am Arbeitsplatz schrieben.

Nach der Umfrage von Kelly Services im November 2005 ist es so, dass sich 27 Prozent des gesamteuropäischen Durchschnitts der Arbeitnehmer gestresst fühlen. Die anderen 73 Prozent der Angestellten sehen ihr Stressaufkommen als gerade richtig an oder fühlen sich sogar unterfordert (Kelly Services, 2005).

Bei der 2005 von Dan Malachowsky im Auftrag von Galaxy.com und AOL durchgeführten Studie zum Thema Zeitverschwendung am Arbeitsplatz mit circa 10.000 Angestellten in den USA ergab die Auswertung, dass der durchschnittliche amerikanische Angestellte 2,09 Stunden seiner Arbeitszeit mit Dingen, die nicht seine Arbeit betreffen, verbringt. Diese Zahl liegt deutlich über den Erwartungen der Unternehmen, welche lediglich 0,94 Stunden für ein solches Verhalten einplanen, und kostet die amerikanische Wirtschaft rund 759 Milliarden Dollar pro Jahr (Malachowsky, 2005). Der wichtigste Grund für dieses Verhalten lag zu 33,2 Prozent in einem Mangel an Arbeit (Malachowsky, 2005).

Diese Ergebnisse ließen Rothlin & Werder (2007) zu dem Schluss kommen, dass nicht nur Überforderung, sondern auch Unterforderung ein Risiko für die Mitarbeiter und das gesamte Unternehmen darstellt. Sie gingen sogar einen Schritt weiter und identifizierten das Phänomen Boreout als neuen gesundheitlichen Risikofaktor.

Ausgehend von diesem Hintergrund wurde die Zielsetzung dieser Bachelorarbeit abgeleitet.

Zielsetzung

Zentral geht es in dieser Arbeit darum, festzustellen, inwieweit der partizipative Führungsstil als Maßnahme gegen Boreout geeignet ist. Hierzu muss jedoch zunächst untersucht werden, was sich hinter dem Begriff des Boreout konkret verbirgt und ob hinter der Begrifflichkeit wirklich ein neues Konzept steckt oder es ausschließlich bekannte Erkenntnisse der Psychologie behandelt. Außerdem soll die gesundheitliche Bedenklichkeit von Boreout herausgestellt werden. Diese Arbeit hat insgesamt das Ziel, einen Beitrag dazu zuleisten, Arbeitsbedingungen so zu gestalten, dass die Mitarbeiter ihre bestmögliche Leistung erbringen können und dabei ihre Gesundheit langfristig erhalten bleibt.

Aufbau

Nachdem auf die Zielsetzung dieser Arbeit eingegangen wurde, wird nun die daraus resultierende Logik der Gliederung vorgestellt.

Im Kapitel 2 „Ursachen & Entwicklung psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt“ soll zunächst gezeigt werden, dass Bedürfnisse und dessen Befriedigung eine große Rolle bei der Entstehung psychischer Erkrankungen spielen. Außerdem wird auf die veränderten Ansprüche und die Individualisierung der Mitarbeiter hingewiesen. Dieses Kapitel ist wichtig, um zu verstehen, warum gerade heute immer mehr psychische Erkrankungen bei Arbeitnehmern festzustellen sind und ein Begriff wie Boreout auftritt.

Der Abschnitt 3 befasst sich thematisch mit dem Phänomen Boreout und untergliedert sich in Unterforderung, Motivation und die Definition von Boreout . Im Rahmen dieser Arbeit wird angenommen, dass Boreout eng mit Unterforderung und einem Mangel an Motivation verbunden ist. Diese Annahme begründet sich auf dem Buch von Rothlin & Werder (2007), worin sie Unterforderung als Komponente von Boreout beschreiben. Unterforderung würde laut Flöck (1989) jedoch nicht auftreten, wenn der Mitarbeiter intrinsisch motiviert ist.

Das Konstrukt der Unterforderung wird zunächst betrachtet. Es soll hierbei geklärt werden, was unter dem Begriff Unterforderung zu verstehen ist, warum sie zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung führt und eine Notwendigkeit besteht, dagegen vorzugehen. Der Punkt 3.1.2 „Unterforderungsbedingter Stress“ stellt einen möglichen Erklärungsansatz für die gesundheitlichen Beschwerden dar. Die qualitative Unterforderung und ihre Ausprägungen Monotonie und psychische Sättigung werden ebenfalls zu dem Zweck eines besseren Verständnisses von der Entstehung einer psychischen Erkrankung durch Unterforderung erläutert. Zusätzlich dienen sie aber auch als wichtige Anhaltspunkte im Vergleich von Unterforderung und der Definition von Boreout von Rothlin & Werder (2007), wobei herausgestellt werden soll, ob es sich bei Boreout um ein neues Konstrukt handelt oder alle Aspekte dieses Begriffes auch durch die Facetten des Konzeptes der Unterforderung erklärt werden können.

Motivation ist ebenfalls ein Thema des dritten Kapitels, da Unterforderung sehr eng mit dem Thema Motivation zusammenhängt, was auch in dem Punkt 3.1.3 „Flow“, welcher den optimalen Grad zwischen Über- und Unterforderung beschreibt, zum Ausdruck kommt. Motivation dient als Erklärung, warum Unterforderung überhaupt erst entsteht. In den Unterpunkten von Kapitel 3.2 „Motivation im Beruf“ werden daher Motive vorgestellt, deren Befriedigung das Auftreten von Unterforderung verhindern soll. Zunächst erfolgt hier eine Unterteilung intrinsischer und extrinsischer Motivation, was zu einem besseren Verständnis der danach betrachteten Arbeitsmotive führt. Mit Hilfe der Inhaltstheorien der Motivation wird dann versucht, umfassend, die für den Beruf relevanten Bedürfnisse herauszustellen und mit dem Job Characteristic Model (Hackman & Oldham, 1976) in Punkt 3.2.2.2 werden anschließend Gestaltungsmaßnahmen der Tätigkeit vorgestellt, die das wichtige Bedürfnis nach Selbstverwirklichung befriedigen und eine hohe Arbeitszufriedenheit und intrinsische Motivation bei den Arbeitnehmern hervorrufen. Das Job Characteristic Model (Hackman & Oldham, 1980) verdeutlicht, dass eine bestimmte Gestaltung der Tätigkeitsmerkmale das Wohlbefinden der Mitarbeiter nachhaltig positiv beeinflussen kann.

Thema des vierten Kapitels ist die Vorstellung der partizipativen Führung. Sie soll, laut der Zielsetzung dieser Arbeit, als Maßnahme gegen Boreout herausgestellt werden. Neben der Definition betrachtet das Kapitel zunächst die Bedingungen und das Menschenbild der partizipativen Führung. Diese Betrachtung ist wichtig, um festzustellen, welche Mitarbeiter grundsätzlich durch einen partizipativen Führungsstil von Boreout befreit werden können. Im Punkt 4.3 sollen alle positiven Auswirkungen des partizipativen Führungsstils beschrieben werden sowie deren Relevanz für die Verhinderung von Boreout .

In der kritischen Schlussbetrachtung erfolgt dann die Zusammenführung aller relevanten Erkenntnisse der einzelnen Kapitel, um die Frage, ob partizipative Führung sich als Maßnahme gegen Boreout eignet, zu beantworten.

2 Ursachen & Entwicklung psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt

Es soll in diesem Kapitel nicht darauf eingegangen werden, was es für unterschiedliche Arten psychischer Erkrankungen gibt und wie diese therapeutisch behandelt werden können. Es geht vielmehr darum, welche Faktoren die Entstehung von psychischer Krankheit am Arbeitsplatz hervorrufen beziehungsweise förderlich auf sie wirken. Außerdem wird betrachtet, warum psychische Erkrankungen durch die Arbeit immer häufiger auftreten und was Unternehmen gegen diese Entwicklung unternehmen können.

Nach Cooper & Marshall (1976) und Kasl (1978) gibt es eine Vielzahl von Einflussfaktoren, die auf die psychische Gesundheit einwirken. Zu diesen zählen beispielsweise die Arbeitszeit und eine geringe Arbeitsautonomie in Form von fehlenden Partizipationsmöglichkeiten sowie mangelnder Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitsgeschwindigkeit und den Tätigkeitsinhalt. Weitere Einflussgrößen liegen in den Arbeitsanforderungen. Zum einen können Rollenkonflikte, also widersprüchliche, nicht gleichzeitig erfüllbare Anforderungen zu negativen gesundheitlichen Folgen führen und zum anderen sind quantitative und qualitative Über- als auch Unterforderungen als Fehlbeanspruchungen für die Entstehung psychischer Erkrankung förderlich. Hierarchische Konflikte, zum Beispiel häufige Auseinandersetzungen mit dem Vorgesetzten, und auch kooperative Konflikte, ein schlechtes Verhältnis zu den Kollegen, bedingen ebenfalls psychische Probleme. Die Arbeitsplatzunsicherheit, eine als ungerecht wahrgenommene Bezahlung und fehlende Aufstiegsmöglichkeiten sind zusätzliche Faktoren, die sich negativ auf die psychische Gesundheit auswirken.

Die Zusammenhänge zwischen der psychischen Gesundheit und den vorgestellten Faktoren wurden in mehreren Untersuchungen (z. B. Lyons, 1971; Johnson & Stinson, 1975) bestätigt, allerdings ist zu beachten, dass die Zusammenhänge sehr viel stärker ausgeprägt waren, wenn Ursache und Wirkung nicht berücksichtigt wurden (Seibel & Lühring, 1984). Die Auflistung der Einflussfaktoren auf die psychische Gesundheit verdeutlicht die Wichtigkeit von Bedürfnissen in der Betrachtung der Ursachen und Gründe für psychische Erkrankungen durch die Arbeit. In dem Kapitel 3.2.2 „Arbeitsmotive“ soll genauer auf die relevanten Bedürfnisse der Mitarbeiter eingegangen werden. Es ist jedoch wichtig, sich bei dieser Betrachtung darüber bewusst zu sein, dass die Qualität der Bedürfnisse der Angestellten einem anhaltenden Wandel unterliegt. Inglehart (1989) bezeichnet diesen Vorgang als Wertewandel .

Bedürfnisse sind zwar zum Teil angeboren, aber sie werden ebenfalls durch die erlebten Befriedigungschancen der aktuellen Lebenssituation und durch die Prägung der Gesellschaft beeinflusst. So ist es möglich, dass Motive, welche heute Einfluss auf das Verhalten der Menschen haben, diesen vor dreißig Jahren noch nicht hatten (Rosenstiel, 2010). Zu vermuten ist, dass durch den andauernden Wertewandel psychische Erkrankungen vermehrt auftreten. Denn Kornhauser (1975) und Gardell (1978) sehen die grundsätzliche Ursache für das Entstehen von psychischen Erkrankungen in der Arbeitswelt in einer Diskrepanz zwischen den Ansprüchen, die eine Person an ihre Tätigkeit stellt, und den Realisierungsmöglichkeiten durch die Arbeit. Genau diese Ansprüche der Mitarbeiter hinsichtlich der Vereinbarung von Arbeit und Freizeit sind jedoch gestiegen (Wunderer & Dick, 2000) und im Falle einer Nichterfüllung führen sie zu einer negativen Einstellung zu der Tätigkeit (Rosenstiel, 1999).

Zu den Bedürfnissen, die durch den Wertewandel in den Vordergrund gerückt wurden, zählen insbesondere jene, die von immaterieller Natur sind. So haben die Freude bei der Arbeit, das Innehaben einer verantwortungsvollen und interessanten Beschäftigung sowie Sinnverwirklichung und die persönliche Weiterentwicklung durch die Tätigkeit sehr stark an Bedeutung gewonnen (Klipstein & Strümpel, 1985). Auch Strümpel (1987) sieht in der Selbstverwirklichung, persönlichen Entfaltung und Eigenständigkeit Bedürfnisse, welche für den Mitarbeiter deutlich an Wichtigkeit zunehmen. Demgegenüber hat die Attraktivität materieller Anreize wie Entlohnung und Karriere nachgelassen (Wunderer & Dick, 2002).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Zunahme immaterieller Anreize (Rosenstiel, 2010, S. 60)

Abbildung 1 stellt die veränderten Ansprüche der Angestellten einmal gegenüber und macht die Abnahme der Wichtigkeit der materiellen Anreize und die Bedeutungszunahme der immateriellen Ansprüche sichtbar. So lag ein hohes Einkommen vor 1975 in der Wichtigkeit noch bei 67 Prozent, nach 1980 jedoch nur noch bei 50 Prozent. Demgegenüber stieg die Wichtigkeit einer interessanten, abwechslungsreichen Arbeit von vor 1975 bis nach 1980 um 8 Prozent.

Die Bedürfnisse werden zudem immer individueller, das Ich steht im Vordergrund und es zeigt sich der Wunsch, sein Leben selbst planen und gestalten zu wollen. Struck (1998, S. 18) merkt an: „ Dem einzelnen ist es in nie dagewesenem Maße möglich, zwischen Alternativen weltanschaulicher Legitimierung, kultureller Werte und Symbole oder Geschmackspräferenzen zu wählen, sie stilistisch auszubilden oder sie zu einem eigenen Stil zusammenzustellen.“

Auch in der Erziehung sind seit der Mitte des letzten Jahrhunderts ein Anstieg bei dem Erziehungswert der Selbstständigkeit und eine Abnahme der Bedeutung des Gehorsams als Wert der Erziehung zu erkennen. Diese Entwicklung ist in Abbildung 2 dargestellt und zeigt, dass Selbstständigkeit und freier Wille 1998 in der Wichtigkeit der Erziehungswerte einen Wert von 60 Prozent erreichten und somit einen Anstieg von 19 Prozentpunkte im Vergleich zu 1951 verzeichneten. Spannend ist zudem die Wichtigkeitsabnahme der Werte Gehorsam und Unterordnung um 13 Prozent in den Jahren von 1951 bis 1998. Auf Grund dieser Entwicklung darf angenommen wer- den, dass bei den so Erzogenen der Wert der Selbst- ständigkeit und des freien Willens auch im späteren Berufs- leben eine große Rolle spielen wird (Rosenstiel, 2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Wandel der Erziehungswerte (Rosenstiel, 2010, S.111)

Nach dieser Darlegung der Ursachen und Gründe für die Entstehung einer psychischen Erkrankung durch die Arbeit in der heutigen Zeit wird deutlich, dass Unternehmen zwei entscheidenden Herausforderungen gegenüberstehen, welche bewältigt werden müssen, um langfristig die Produktivität des Unternehmens und die Gesundheit der Mitarbeiter zu sichern. Zum einen sind die immateriellen Bedürfnisse nun von größerem Gewicht für die Arbeitszufriedenheit und -gesundheit und zum anderen bewerten die Mitarbeiter Arbeitsbedingungen individueller und ihrer Lebensplanung entsprechend (Wagner, Grawert & Langemeyer, 1993).

Diese Erkenntnis legt den Schluss nahe, dass Organisationsstrukturen und Anreizsysteme neu überdacht werden müssen, um auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter gezielter eingehen und so psychische Erkrankungen durch die Arbeit verhindern zu können.

Im folgenden Kapitel soll nun auf eine konkrete Form der psychischen Erkrankung im Arbeitskontext eingegangen werden. Es handelt sich hierbei um das Phänomen des Boreout .

3 Boreout

Diese Arbeit befasst sich mit dem neuartigen Begriff des Boreout . Es ist die Aufgabe dieses Abschnittes herauszufinden, was sich hinter dieser Begrifflichkeit verbirgt und welche Forschungen bereits zu diesem Thema unternommen wurden.

Die Gliederung des Kapitels 3 „Boreout“ beruht nicht auf der Definition von Rothlin & Werder (2007), welche den Begriff 2007 einführten. Ihre Arbeit zum Thema Boreout war zwar Anstoß für diese Thesis, aber eine wissenschaftliche Untermauerung fehlt bisher. Diese soll mit dieser Arbeit vorgenommen werden. Es besteht jedoch die Vermutung, dass der Begriff Boreout nur eine neue Bezeichnung für ein bereits bekanntes Problem ist. Bereits 1924 wurde durch Wyatt der Begriff Boredom geprägt. Die Ähnlichkeit wird nicht nur durch die Bezeichnung deutlich. Boredom stellt einen Monotoniezustand dar und wird dadurch hervorgerufen, dass die Arbeit keine Befriedigung der individuellen Bedürfnisse bietet und den Mitarbeiter unterfordert. Wyatt & Langdon (1937, S. 35) erklären das so: „Wenn die mentalen Prozesse, welche an die Arbeit gebunden sind, nicht den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu besetzen vermögen, und wenn der Geist zugleich unfähig ist, wirksame Substitute für das ungesättigte Interesse zu finden, so tendiert er dazu, sich auf die unbefriedigenden Züge der Arbeit zu richten, was sich in Zuständen von „Boredom“ äußert.“ Auf Grundlage der Arbeit von Wyatt & Langdon (1937) ist davon auszugehen, dass ein solches Konstrukt wie das des Boreout ebenfalls eng mit Unterforderung und Motivation zusammenhängen muss. Daher soll sich zunächst wissenschaftlich mit den Themen Unterforderung und Motivation befasst werden, um diese Erkenntnisse dann mit der Definition von Rothlin & Werder (2007) zu vergleichen, die Eigenständigkeit des Konzeptes Boreout zu überprüfen und im Anschluss gegebenenfalls eine eigene wissenschaftliche Definition von Boreout abzuleiten.

3.1 Unterforderung

„Es ist eine Herabsetzung des Menschen, ihn an eine Ruderbank zu ketten und als Kraftquelle zu gebrauchen, aber es ist eine fast ebensogroße Herabsetzung, ihm eine sich immer wiederholende Aufgabe in einer Fabrik zuzuweisen, die weniger als ein Millionstel der Fähigkeiten seines Gehirns in Anspruch nimmt“ (Wiener, 1958. S. 71). Neben dem stets präsenten Begriff des Burnout zollt dieses Zitat von Wiener aus dem Jahre 1958 der Unterforderung im Arbeitsleben seinen Tribut.

Bei psychischen Fehlbeanspruchungen im Arbeitsalltag wird meistens eher an Überforderung anstatt an Unterforderung gedacht, dennoch ist auf Grundlage der Richtlinie 90/270/EWG der Arbeitsgeber dazu verpflichtet, präventiv gegen Über- wie auch Unterforderung tätig zu werden.

Im Hinblick auf die Zielsetzung der Arbeit soll nun geklärt werden, was Unterforderung bedeutet und warum es wichtig ist, dagegen vorzugehen.

Mitarbeiter sind von ihrer Arbeit unterfordert, wenn die Anforderungen der Tätigkeit ihre Fähigkeiten, Eignung und den Willen, Leistung zu erbringen nicht ausnutzt (Kipfer, 2009). Jedoch muss der Unterschied zwischen Anforderung und Eignung so groß ausfallen, dass er für den Mitarbeiter unerträglich wird und ihm nicht mehr zugemutet werden kann (Kipfer, 2009).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Bestehendes Gesundheitsrisiko bei Über- und Unterforderung nach Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2012)

Wenchel (2004) und Graf (1970) sprechen von Überforderung durch Unter- forderung , denn Unterforderung kann wie auch Überforderung negative psychische und physische Folgen hervorrufen. Abbildung 3 verdeutlicht den Zusammenhang, dass eine Abweichung der Anforderungen von den individuellen Voraussetzungen in Form einer Unterforderung als auch einer Überforderung die gesundheitlichen Risiken erhöht. Auch Kornhauser (1975) kommt in seiner Untersuchung von Automobilmitarbeitern zu dem Schluss, dass Unterforderung die psychische Gesundheit negativ beeinflusst. Diese ist demnach umso schlechter, je restriktiver und einförmiger die Tätigkeiten sind und je weniger die Mitarbeiter bei der Arbeit ihre Qualifikationen einbringen können. Eine Erklärung für diesen Zusammenhang sieht Kornhauser (1975) darin, dass eine solche Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Arbeit und den bestehenden Qualifikationen der Mitarbeiter die Entwicklung eines Bewusstseins beruflicher Erfüllung, des Persönlichkeitswachstums und der Selbstwertschätzung hemmt.

Weitere Entstehungsbedingungen von Unterforderung sind zudem eine fehlende Ganzheitlichkeit der Aufgabe durch beispielsweise Routinisierung, rudimentäre Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten, schlechte Kommunikation, geringe Transparenz und mangelnde Aufgabenvielfalt. Zusätzliche Ursachen für Unterforderung sind aus Sicht der Vorgesetzten insbesondere eine hohe Durchlaufzeit der Aufgaben, eine geringe Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter sowie fehlende Kreativität und Flexibilität (Kipfer, 2009).

2008 führte die Firma Sirota eine Befragung zum Thema Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit durch, bei welcher herauskam, dass unterforderte Mitarbeiter unzufriedener als überforderte Beschäftigte sind. Gemäß der Erhebung haben die unterforderten Mitarbeiter weniger das Gefühl etwas geleistet zu haben und sind nicht stolz auf ihre Arbeit oder ihr Unternehmen. Ein Ergebnis der Studie macht deutlich, dass auf der Ebene der Mitarbeiter bei Unterforderung die Gefahr einer sinkenden Moral, Verbundenheit und Produktivität sowie auf Unternehmensebene einer gestörten Arbeitsatmosphäre und eines erhöhten Krankenstandes besteht (Kipfer, 2009).

Laut DIN EN ISO 10075 können diese negativen Auswirkungen durch qualitative als auch quantitative Unterforderung ausgelöst werden (Mühlpfordt & Richter, 2003). Quantitative Unterforderung wird durch zu seltene Tätigkeitsanforderungen verursacht. Dagegen tritt die qualitative Unterforderung bei ausreichend häufiger Tätigkeit durch „einförmig, gleichbleibende Anforderungen, die die erforderliche Aufgabenzuwendung mit unzureichenden kognitiven Auseinandersetzungsmöglichkeiten verbinden“, auf (Hacker & Richter, 1998, S. 112). Auf die qualitative Unterforderung soll nun genauer eingegangen werden.

3.1.1 Qualitative Unterforderung

Im Hinblick auf das Thema Boreout ist besonders der qualitative Aspekt der Unterforderung herauszustellen, denn es ist anzunehmen, dass das Phänomen des Boreout eng mit der empfundenen Sinnhaftigkeit der Arbeit durch den Mitarbeiter, der intrinsischen Motivation des Beschäftigten und einer mangelnden Ausnutzung seiner geistigen Fähigkeiten durch die Tätigkeit verbunden ist (siehe Kapitel 3). Diese Arbeit soll einen Lösungsansatz zur Behandlung und Prävention von Boreout herausarbeiten. Eine quantitative Unterforderung bedürfe einem bloßen Mehr an Arbeit und würde im Zweifelsfall zu einer Entlassung des Mitarbeiters führen, da nicht genügend Arbeit vorhanden ist. Eine Lösung einer qualitativen Unterforderung ist wohl komplexer, daher soll die qualitative Unterforderung mit ihren Ausprägungen Monotonie und psychische Sättigung genauer beschrieben werden. Der Monotoniezustand ist zwar Folge einer quantitativen Unterforderung, aber ebenso auch einer qualitativen (Hacker & Richter, 1998). Die psychische Sättigung wird hingegen nur durch eine qualitative Unterforderung ausgelöst.

„Einförmig, gleichbleibende Anforderungen, die die erforderliche Aufgabenzuwendung mit unzureichenden kognitiven Auseinandersetzungsmöglichkeiten verbinden“ führen, wie bereits erläutert, zu qualitativer Unterforderung. (Hacker & Richter, 1998, S. 112). Qualitativ unterfordernde Tätigkeiten können unter anderem negative Emotionen wie Ärger, Angst, Frustration, Wut, Unwohlsein, Unzufriedenheit und Hilflosigkeit auslösen (Kipfer, 2009). Um gegen qualitative Unterforderung vorzugehen, ist die intrinsische Motivation der Mitarbeiter sehr bedeutend. Nach Flöck (1989) sind Führungskräfte intrinsisch durch ihr Leistungsstreben und Arbeiter mit einfachen Tätigkeiten durch Geld extrinsisch motiviert.

Flöck (1989) vertritt die Meinung, dass Unterforderung nicht die Leistung eines intrinsisch motivierten Mitarbeiters beeinflusst, daher sind für ihn Führungskräfte nicht von Unterforderung und somit auch nicht von Boreout betroffen (siehe Kapitel 1). Die intrinsische Motivation spielt bei der Bekämpfung beziehungsweise Entstehung von Unterforderung wohl eine sehr große Rolle, doch es ist schwierig, den Arbeitern eine ausschließliche extrinsische und den Führungskräften eine komplett intrinsische Motivierung zu unterstellen. Gebert (1981) ist, ähnlich Flöck (1989), auch der Meinung, dass Führungskräfte nicht von Unterforderung betroffen sind, denn er sieht eine Gefahr der Unterforderung ausschließlich bei der Durchführung von einförmigen und reizarmen Tätigkeiten. Er blendet jedoch den Aspekt aus, dass auch objektiv betrachtete abwechslungsreiche Aufgaben von einer Person als sinnlos und langweilend angesehen werden können (Hacker & Richter, 1998). So schlägt Gubser (1968) als Lösung beziehungsweise Maßnahme gegen qualitative Unterforderung vor, den Mitarbeitern den Sinn ihrer Arbeit zu verdeutlichen, um sich in einem Zusammenhang mit anderen Arbeiten im Unternehmen zu sehen und die Wichtigkeit ihrer Tätigkeit abschätzen zu können. Dem Arbeiter wird so sein Wert gezeigt und er soll dadurch befähigt werden, verantwortungsvoll mit einem ihm gegebenen Entscheidungsfreiraum umzugehen. Dieser soll wiederum die Motivation steigern und eine zusätzliche gedankliche Auseinandersetzung mit der Tätigkeit ermöglichen. Außerdem ist es sinnvoll, die Mitarbeiter an Planung und Leitung der Arbeitsprozesse zu beteiligen (Hacker & Richter, 1984).

Eine Erweiterung oder Bereicherung der Aufgaben dient ebenso als Mittel zur Prävention von qualitativer Unterforderung (Kipfer, 2009).

Ein Beispiel aus der Praxis bestätigt die Wirkungsweise der vorgeschlagenen Maßnahmen:

In einem Unternehmen der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, genauer in der Abteilung der Rechnungskontrolle, trat qualitative Unterforderung durch einen hohen Wiederholungsgrad, Einförmigkeit in der Tätigkeit und durch fehlende Entscheidungsfreiräume der Mitarbeiter auf. Dieser Zustand sollte mittels eines Projektes geändert werden. Es wurden kleinere Teams gebildet und die Mitarbeiter bekamen ein Mitspracherecht bei der Gestaltung ihrer Tätigkeit. Nach zwei Jahren der Durchführung stellte das Unternehmen einen deutlichen Rückgang der qualitativen Unterforderung fest (Ulich, 2005).

Nach den allgemeinen Ausführungen zur qualitativen Unterforderung sollen nun deren konkrete Ausprägungen, Monotonie und psychische Sättigung, kurz beleuchtet werden, da sie in dem abschließenden Vergleich der Definition von Boreout nach Rothlin & Werder (2007) und dem Konzept der Unterforderung wichtige Hinweise für beziehungsweise gegen die Eigenständigkeit des Phänomens Boreout liefern können.

3.1.1.1 Monotonie

Monotonie wird als ein Zustand beschrieben, der durch eine verminderte psychische Aktivität gekennzeichnet ist und mit einem Gefühl der Müdigkeit und Schläfrigkeit einhergeht (Kipfer, 2009). Sich immer wiederholende Aufgaben, Reizarmut, eine fehlende Anforderungsvielfalt, Einförmigkeit und nur ein geringer bis mittlerer Anforderungsbereich sind Auslöser für Monotonie. Außerdem wirkt fehlender Raum für eigene Entscheidungen und Zielstellungen förderlich für die Entstehung von Monotonie (Hacker & Richter, 1984). Charaktereigenschaften der Beschäftigten bedingen das Entstehen von Monotonie zusätzlich, da extravertierte Mitarbeiter hierfür anfälliger als introvertierte sind (Gubser, 1968).

Nach Hacker & Richter (1984) kann Monotonie nur dann entstehen, wenn eine Aufgabe durchgängig eine gewisse Aufmerksamkeit durch den Beschäftigten fordert, sie aber gleichzeitig keinen Raum für eine den Arbeiter geistig fordernde Auseinandersetzung bietet. Laut Ulich (1960) kommt es umso schneller zu einem Monotoniezustand, umso häufiger der Beschäftigte der Aufgabe seine volle Aufmerksamkeit widmen muss.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Monotonieverlauf nach Radl, Burger, Krasnicka, Schaaf & Thau (1975)

Die Mitarbeiter empfinden Langeweile und Unlust gegenüber der Arbeit (Kipfer, 2009). Die Zeit wird für sie immer länger, ihre Aufmerksamkeit lässt nach und die Beschäftigten kämpfen mit einer aufkommenden Müdigkeit. Diese Veränderungen münden in einer Absenkung der durchschnittlichen Leistung und einem Ansteigen der Fehlerhäufigkeit und Reaktionsfähigkeit. Der Monotoniezustand hat einen wellenförmigen Verlauf, wie die Abbildung 4 zeigt. Dieser kommt dadurch zustande, weil der Mitarbeiter sich immer wieder willentlich dazu animieren muss, sich nicht der Müdigkeit hinzugeben und der Aufgabe seine Aufmerksamkeit zu widmen (Hacker & Richter, 1984).

Doch nicht nur das subjektive Empfinden der Mitarbeiter verändert sich, sondern es gibt auch einige physiologische Veränderungen, die während eines Monotoniezustandes auftreten. Beispielsweise sinken der Blutdruck und die Herzfrequenz und es wird die Kreislaufaktivität herabgesetzt. Auch die EEG-Aktivität nimmt ab und liefert einen physiologischen Beweis für die erlebte Müdigkeit (Hacker & Richter, 1984). Mitarbeiter, die über einen längeren Zeitraum in einem Monotoniezustand verharren, müssen mit Langzeitfolgen rechnen. Diese können sich in Form einer Verschlechterung der geistigen Leistungsfähigkeit, einer unterdurchschnittlichen Arbeitszufriedenheit, vermehrter psychischer und physischer Beschwerden und einem Rückgang aktiver Freizeitaktivitäten zeigen (Hacker & Richter, 1984).

3.1.1.2 Psychische Sättigung

Eine weitere Form der qualitativen Unterforderung stellt die psychische Sättigung dar.

Nach Hacker & Richter (1984) handelt es sich hierbei um „einen ärgerlich-unruhigen, unlustbetonten Spannungszustand“ (S. 74). Dieser Zustand tritt keinesfalls nur bei objektiv einförmigen Beschäftigungen auf, sondern auch bei Tätigkeiten, welche abwechslungsreich erscheinen (Hacker & Richter, 1984).

Bei der psychischen Sättigung ist nicht die Tätigkeit an sich die Ursache für die Unterforderung, sondern die Einstellung zu der Arbeit. Der Mitarbeiter möchte gerne arbeiten, aber ihm fehlt die Sinnhaftigkeit seiner Aufgaben (Hacker & Richter, 1998). Diese fehlende Sinnhaftigkeit kommt häufig aus einer Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Arbeit und den Wertvorstellungen der Person zustande (Allenspach & Brechbühler, 2005). Der Beschäftigte entwickelt daher eine starke Abneigung gegen die Tätigkeit und muss diese überwinden, um mit der Arbeit fortfahren zu können. Daher kennzeichnet psychische Sättigung im Gegensatz zur Monotonie eine gesteigerte Anspannung (Kipfer, 2009). Neben geringerer Leistung ist Müdigkeit aber trotzdem als eine Folge psychischer Sättigung möglich (Bartenwerfer, 1970). Zudem kann die psychische Sättigung, anders als Monotonie, auch vor der Aufnahme einer Tätigkeit auftreten (Hacker & Richter, 1998). Der Verlauf der psychischen Sättigung ist in Abbildung 5 dargestellt. Er macht deutlich, dass wenn eine psychische Sättigung erst einmal bei einem Mitarbeiter eingetreten ist, eine Ungewissheit über die Rückbildungschancen im Falle einer Beendigung der Tätigkeit besteht (Hacker & Richter, 1984).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Verlauf der psychischen Sättigung nach Höger (2011)

3.1.2 Unterforderungsbedingter Stress

In diesem Punkt soll die Betrachtung unterforderungsbedingten Stresses vorgenommen werden. Sie ist von großer Wichtigkeit, da ein Zusammenhang zwischen dieser Art von Stress und der psychischen Gesundheit sowie Absentismus und Fluktuation im Unternehmen besteht (Flöck, 1989). In der Literatur herrscht Uneinigkeit darüber, ob Unterforderung zu Stress führt, sollte dies jedoch der Fall sein, ist dieser Ansatz eine Erklärung für das Auftreten psychischer und physischer Beschwerden im Falle einer Unterforderung. Da angenommen wird, dass Unterforderung eng mit Boreout zusammenhängt (siehe Kapitel 3), würde Stress auch erklären, warum es bei Boreout zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommt.

Udris & Freese (1988), Martin, Udris, Ackermann & Oegerli (1980) und Greif (1989) sind der Meinung, dass qualitative wie auch quantitative Unterforderung Stress auslöst. Hecht (2001) kommt ebenfalls zu der Erkenntnis, dass eine Unterforderung bei der Arbeitstätigkeit eine „Unterbeanspruchung der psychobiologischen Regulation“ (S. 68) auslösen, somit das Gleichgewicht des Körpers stören und folglich zu negativem Stress führen kann.

Kirchner (1986) erklärt unterforderungsbedingten Stress mit seinem Belastungs- und Beanspruchungskonzept. Demnach führt zu niedrige Belastung zu einer Fehlbeanspruchung, welche gesundheitsschädigend ist und Stress auslöst. Unter psychischer Belastung wird laut DIN EN ISO 10075 „die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (Hacker & Richter, 1998, S. 32) verstanden und Beanspruchung ist „die zeitlich unmittelbare und nicht langfristige Auswirkung der psychischen Belastung auf die Einzelperson in Abhängigkeit von ihren habituellen und augenblicklichen Voraussetzungen einschließlich der individuellen Auseinandersetzungsstrategien“ (Hacker & Richter, 1998, S. 32).

Laut dem Person-Environment-Fit Stressmodell von French, Rodgers & Cobb (1974), das in Abbildung 6 dargestellt ist, kommt es zu Stress, wenn eine Ungleichheit zwischen den subjektiven Fähigkeiten und den subjektiven Anforderungen beziehungsweise zwischen individuellen Bedürfnissen und den gegebenen Befriedigungsangeboten besteht. Unterforderung stellt eine Nichtpassung von Anforderungen und Fähigkeiten dar (siehe Kapitel 3.1), somit kommt es bei Unterforderung zu Stress. Eine langfristige Unterforderung kann nach diesem Ansatz sogar zu chronischem Stress führen, welcher in negativen physiologischen Veränderungen wie Schmerzen im Rücken oder einem Magengeschwür resultiert (French, Rodgers & Cobb, 1974).

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Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Partizipative Führung als Maßnahme gegen Boreout
Hochschule
Leuphana Universität Lüneburg
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
70
Katalognummer
V229514
ISBN (eBook)
9783656453253
ISBN (Buch)
9783656453338
Dateigröße
1566 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Boreout, Unterforderung
Arbeit zitieren
Lilli Looks (Autor:in), 2012, Partizipative Führung als Maßnahme gegen Boreout, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229514

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