Die Legalität des Irak-Krieges 2003 aus völkerrechtlicher Sicht


Seminararbeit, 2008

22 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Völkerrechtliche Aspekte

3. Rechtfertigung des Militärschlages nach Art. 51 der UN-Charta
3.1. Der Besitz von Massenvernichtungswaffen
3.2. Die Verbindung zum Terrornetzwerk Al Qaida

4. Rechtfertigung über Kap. VII der UN-Charta
4.1. Resolution 678 vom 28.11.1990 und 687 vom 03.04.1991
4.2. Resolution 1441 vom 08.11.2002

5. Entmachtung des Regimes

6. Humanitäre Gründe

7. Fazit

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis

1. Einleitung:

Ein Jahr nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf das World Trade Center und das Pentagon wurde von der Bush-Administration die Neue Nationale Sicherheitsstrategie (NSS) veröffentlicht, die eine Antwort auf die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen darstellen sollte. Den Kern dieser Strategie bildet das Konzept der „vorbeugenden Selbstverteidigung“, in der sich die USA ein Recht auf Präventivkriegsführung vorbehalten.[1] Ein präventives Selbstverteidigungsrecht gegen so genannte „Schurkenstaaten“ und Terroristen bildet laut amerikanischer Vorstellungen neben den Strategien von „containment“ und „deterrence“ eine legitime Grundlage in der „Bush-Doktrin“.[2]

In den Militärschlägen gegen den Irak im Jahr 2003 machten die USA mit Unterstützung anderer Staaten ihre neuen Sicherheitsvorstellungen deutlich. Ziel dieses Krieges war der Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein, dem der Besitz von Massenvernichtungswaffen und Verbindungen zum Terrornetzwerk Al Qaida vorgeworfen wurden.[3] Der Feldzug wurde ohne Mandat der Vereinten Nationen durchgeführt und löste weltweit heftige Debatten über seine Rechtmäßigkeit aus. Während Kritiker die Aktion als Widerspruch zu den Normen der UN-Charta und zum geltenden Völkerrecht werteten[4], stützten sich Befürworter auf das in der UN-Charta verankerte Selbstverteidigungsrecht.[5] Die amerikanische bzw. britische Regierung rechtfertigte den Irakkrieg zu Beginn des Konfliktes auf zwei Arten: Erstens mithilfe des Selbstverteidigungsrechts gemäß Art. 51 der UN-Charta, indem die vermuteten Massenvernichtungswaffen und die angebliche Verbindung zum Terrornetzwerk Al Qaida des irakischen Regimes als eine Bedrohung dargestellt wurden. Die angemessene Antwort auf diese Bedrohung wäre laut USA und Großbritannien ein Krieg gegen den Irak als vorbeugende Selbstverteidigung. Zweitens könne eine Autorisierung für einen Krieg aus den einschlägigen Resolutionen des Sicherheitsrates abgeleitet werden, gemäß Kapitel VII der UN-Charta.[6]

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es nun, der Frage nachzugehen, ob es sich bei den Militärschlägen gegen den Irak 2003 um eine legale Vorgehensweise von Seiten der USA und deren Verbündeten handelte. Es soll grundsätzlich untersucht werden, inwieweit die Rechtfertigungen der „coalition of the willing“ einer völkerrechtlichen Prüfung standhalten können. Als Methode zur Beantwortung der gestellten Frage dient die Recherche einschlägiger Literatur zu diesem Thema.

Nachdem die wichtigsten Aspekte des geltenden Völkerrechtes, die bei dieser Debatte von Bedeutung sind, kurz skizziert werden, wird zur Beantwortung der gestellten Frage in einem ersten Hauptkapitel der Rechtfertigungsversuch des Krieges analysiert, der sich auf das Selbstverteidigungsrecht (Art. 51 der UN-Charta) bezieht.

Im zweiten Hauptkapitel richtet sich das Augenmerk auf die Rechtfertigung über Kapitel VII der UN-Charta und dessen Zulässigkeit.

Im nächsten Kapitel soll kurz auf das Argument des Regimewechsels im Irak eingegangen werden, welches als weiteres Motiv der USA angeführt wurde.

Abschließend wird auch eine mögliche Rechtfertigung aus humanitären Gründen beleuchtet, welche in diesem Zusammenhang jedoch einen Sonderfall darstellt, da es sich bei dem zu untersuchenden Konflikt um keine humanitäre Intervention handelte.[7]

2. Völkerrechtliche Aspekte:

Ausgangspunkt meiner vorliegenden Überlegungen bildet das in Art. 2 (4) der UN-Charta festgeschriebene und für das Völkerrecht zwingende Gewaltverbot: „All members shall refrain in their international relations from the threat or use of force against the territorial integrity or political independence of any state, or in any other manner inconsistent with the Purposes of the United Nations”.[8] Allen Staaten ist also jede Androhung oder Anwendung von Gewalt verboten.

Die UN-Charta erkennt zwei Ausnahmen[9] des Gewaltverbotes an, die eine Anwendung von Gewalt rechtfertigen. Im ersten Fall hat jeder Staat ein Recht auf Selbstverteidigung gegen einen bewaffneten Angriff nach Art. 51 der UN-Charta. Daneben können militärische Maßnahmen nach Kapitel VII der UN-Charta vom Sicherheitsrat beschlossen werden, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu gewährleisten.[10] Nachdem vom Sicherheitsrat eine Bedrohung oder ein Bruch des Friedens gemäß Art. 39 festgestellt wurde, können entweder nicht-militärische (Art. 41) oder militärische Maßnahmen (Art. 42) beschlossen werden. Der Sicherheitsrat hat die Möglichkeit, militärische Maßnahmen nach Art. 42 an UN-Mitgliedsstaaten zu delegieren.[11]

Der Ansatzpunkt in der vorliegenden Debatte ist in der Tatsache zu finden, dass sich die USA und Großbritannien anfangs genau auf diese zwei angeführten Ausnahmen beriefen und damit ihren Militärschlag gegen den Irak zu rechtfertigen versucht haben.[12]

Bezüglich der Legalität des Irak-Krieges bleibt festzuhalten, dass nur dann von einem rechtmäßigen Krieg gesprochen werden kann, wenn sich die USA und deren Verbündete entweder auf das Selbstverteidigungsrecht, also Art. 51 der UN-Charta, oder auf eine vom Sicherheitsrat auf Grundlage von Kapitel VII der UN-Charta erteilten Ermächtigung stützen können.[13]

3. Rechtfertigung des Militärschlages nach Art. 51 der UN-Charta

Nach Art. 51 der UN-Charta hat ein Staat das naturgegebene Recht auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung. Voraussetzung für das Selbstverteidigungsrecht ist jedoch die Tatsache, dass ein bewaffneter Angriff vorliegt:

„Nothing in the present Charter shall impair the inherent right of individual or collective self-defence if an armed attack occurs against a Member of the United Nations, until the Security Council has taken measures necessary to maintain international peace and security […].”[14]

Betrachtet man nun den vorliegenden Fall im Irak, wird deutlich, dass der Irak im Vorfeld der Militärschläge weder die USA noch einen anderen Staat angegriffen hatte.[15]

Es muss also in diesem Zusammenhang abgeklärt werden, ob ein Recht auf präventive Selbstverteidigung, wie von den USA in der NSS gefordert wird, zulässig ist. Murswiek weist auf zwei unterschiedliche Auslegungen hin: Während sich die eine Seite auf eine enge Auslegung des Art. 51 stützt, bei der gemäß dem Wortlaut ein bewaffneter Angriff gegeben sein muss, um vom Selbstverteidigungsrecht Gebrauch zu machen, vertreten andere einen eher gedehnten Ansatz. Anhänger letzterer Auffassung legen ihr Hauptaugenmerk auf die Bezeichnung „naturgegebenes Recht“ auf Selbstverteidigung. Man kann von einem Staat nicht verlangen einen Angriff eines anderen Staates abzuwarten und den Vorbereitungen dafür tatenlos zuzuschauen.[16] „Es darf nicht so ausgelegt werden, dass die Selbstverteidigung im konkreten Fall praktisch unwirksam sein und der Staat seine Integrität unverteidigt preisgeben muss.“[17]

Das Völkergewohnheitsrecht kennt die Regel einer vorbeugenden Verteidigung, die auf den so genannten „Caroline-Fall“ zurückgeht. Die Caroline war ein Dampfschiff, das im Jahr 1837 Männer und Waffen über den Niagara bringen sollte, um einen Aufstand in der damaligen britischen Kolonie zu unterstützen. Das Schiff wurde jedoch von den Briten überfallen und in Brand gesteckt. Mehrere Menschen wurden getötet. Während Großbritannien diese Vorgehensweise als Akt der Selbstverteidigung rechtfertigte, wurde sie von amerikanischer Seite verurteilt, weil zwischen den USA und Großbritannien zu dieser Zeit Frieden herrschte. Aus diplomatischen Verhandlungen zwischen dem amerikanischen Außenminister Webster und dem britischen Außenminister Lord Ashburton gingen Kriterien (Caroline-Kriterien) für die Zulässigkeit einer vorbeugenden Selbstverteidigung hervor.[18] Laut diesen Kriterien muss der Nachweis erbracht werden, dass es eine unmittelbare und überwältigende Notwendigkeit zur Selbstverteidigung geben muss, die keine andere Wahl der Mittel und keine Zeit für Überlegungen zulässt.[19]

Ein weiteres Kriterium ist das der Proportionalität, wonach die Verteidigungsmaßnahmen nicht schwerer ausfallen dürfen als der Angriff erwartet worden wäre.[20]

Finden diese Kriterien nun im vorliegenden Fall ihre Anwendung? Um den Angriff mit der Strategie der vorbeugenden Selbstverteidigung zu rechtfertigen, muss also gezeigt werden, dass vom Irak eine existenzielle Bedrohung ausgeht, die eine unmittelbare und überwältigende Notwendigkeit zur Selbstverteidigung erfordert. Mit anderen Worten muss der Besitz bzw. ein möglicher Einsatz von Massenvernichtungswaffen und/oder die Weitergabe an Terroristen bzw. terroristische Organisationen nachgewiesen werden. Ein weiterer Vorwurf, der von Seiten der Amerikaner glaubhaft gemacht werden muss, ist der der Verbindung zum Terrornetzwerk Al Qaida.

[...]


[1] Vgl. Reiter 2002, S. 2 – 3; Vgl. Münkler 2004, S. 35 – 36; Bezug nehmend auf die Begriffsdefinitionen von Prävention und Präemption gilt festzuhalten: Während in der englischsprachigen Literatur die beiden Begriffe strikt voneinander unterschieden werden, verwendet man im deutschsprachigen Raum diese Begriffe synonym oder aber auch genau umgekehrt (etwa bei Münkler). Prävention und Präemption unterscheiden sich in der Definition der Bedrohung. Bei der Prävention wird ein Angriff zukünftig vermutet. Sie zielt darauf ab die Bedrohung im Ansatz zu unterbinden noch bevor es zu einer Krise kommt. Dieses Vorgehen, das vorbeugend eigene Interessen mithilfe militärischer Mittel durchzusetzen versucht, ist völkerrechtlich nicht gedeckt. Präemption wird im Kontext mit dem Selbstverteidigungsrecht verwendet und ist im Völkergewohnheitsrecht anerkannt. Es geht darum, einem Militärschlag, der kurz vor seiner Ausführung steht, antizipativ zuvorzukommen. Eine stichhaltige Beweisführung für den unmittelbar bevorstehenden Angriff ist unerlässlich. Vgl. hierzu Hilger 2005, S. 17 – 20; Vgl. Kamp 2003, S. 126

[2] Vgl. Schaller 2004, S. 347

[3] Vgl. Schild 2006, S. 43

[4] Vgl. Woyke 2006, S. 421

[5] Vgl. Tomuschat 2003, S. 40

[6] Vgl. Murswiek 2004, S. 287

[7] Vgl. Roth 2004, S. 17

[8] United Nations Department of Public Information 2005, S. 6

[9] Die obsolet gewordenen Feindstaatenklauseln werden hier nicht als Ausnahme angeführt.

[10] Vgl. Gareis/Varwick 2007, S. 92

[11] Vgl. United Nations Department of Public Information 2005, S. 27 – 28

[12] Vgl. Tomuschat 2003, S. 40

[13] Vgl. Murswiek 2004, S. 287

[14] United Nations Department of Public Information 2005, S. 32

[15] Vgl. Murswiek 2004, S. 289

[16] Vgl. ebd. S. 289 - 290

[17] Ebd. S. 290

[18] Vgl. Volk 2003, S. 183

[19] Vgl. ebd.

[20] Vgl. Hilger 2005, S. 21

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Die Legalität des Irak-Krieges 2003 aus völkerrechtlicher Sicht
Hochschule
Leopold-Franzens-Universität Innsbruck  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
1,5
Autor
Jahr
2008
Seiten
22
Katalognummer
V229567
ISBN (eBook)
9783656445944
ISBN (Buch)
9783656446316
Dateigröße
507 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
9/11, Präemption, Selbstverdeidigungsrecht NSS
Arbeit zitieren
Joachim Baumann (Autor:in), 2008, Die Legalität des Irak-Krieges 2003 aus völkerrechtlicher Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229567

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