Fragwürdige Helden. Sympathielenkende Erzählmethoden im "Armen Heinrich"

Anthropologische Zugänge zum Heldenbild Hartmanns von Aue


Magisterarbeit, 2012

135 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Etablierung der Emotionswissenschaften
2.1. Emotionsgeschichte und germanistische Mediävistik

3. Mehodenreflexion und Terminologie
3.1 Begriffsdefinition >Emotion<
3.2 Das Referenz-Problem
3.3 Analyseinstrumentarium
3.3.1 Begriffsdefinition >Sympathie<
3.3.2 Sympathiesteuerungsverfahren
3.3.2.1 Dialektik von sozialen Normen und Figurenverhalten
3.3.2.2 Selbstbehauptung und Protagonistenbonus
3.3.2.3 Figurenkonstellation
3.3.2.4 Literarische Konventionen
3.3.2.5 Äußerungen des Erzählers
3.3.2.6 Fokalisierung
3.3.2.7 Fokussierung
3.3.2.7.1 Raumkontext
3.3.2.7.2 Positionierung
3.3.2.7.3 Perspektivenabweichung und Perspektivenübernahme
3.3.2.7.4 Themenvorgabe
3.3.3 Die Frage nach dem Wirkungspotential
3.3.3.1 Der außerliterarische Bezugsrahmen

4. Der Arme Heinrich Hartmanns von Aue
4.1 Weichenstellung im Prolog (V. 1-132)
4.2 Vage Schuldzuweisung zu Handlungsbeginn (V. 133-266)
4.3 Eremitdendasein auf dem Maierhof (V. 267-300)
4.4 Einführung der Meierstochter (V. 301-349)
4.5 Die Schuldbekenntnis Heinrichs (V. 350-459)
4.6 Die Entscheidung zum Selbstopfer (V. 459-1026)
4.7 Die Krise und ihre Überwindung in Salerno (V. 1055-1386)

5. Ergebnisse der Analyse.

6. Anlagen
6. 1 Literaturverzeichnis
6.1.1 Quellen und Nachschlagewerke
6.1.2 Internetdokumente
6.1.3 Forschungsliteratur

1. Einleitung

"Es ist nicht bequem, Gefühle wissenschaftlich zu bearbeiten."1

Zu Fühlen und dieses Empfinden mitzuteilen, gehört wohl unumstritten zur Grunddisposition des Menschen und dokumentiert sich beim einzelnen Individuum in der ständigen Interaktion mit der Umwelt. Dass Gefühle jedoch auch eine Relevanz hinsichtlich kognitiver Prozesse besitzen, gilt keinesfalls als selbstverständlich. Viel mehr verweist der geläufige Sprachgebrauch auf eine strikte Trennung von Rationalität und Emotionalität.2 Gängige Phrasen, wie >blind vor Wut sein< oder >starr vor Angst sein< und >Jemanden vergeht Hören und Sehen<, zeugen von der Auffassung des negativen Einflusses von Gefühlen auf die psychische und physische Reaktionsfähigkeit.

Worauf gründet sich nun dieser Umstand? Einerseits bestand in der antiken und mittelalterlichen Philosophie eine Tradition, welche explizit die Verstandeskraft für eine spezifisch wissenschaftliche Methodik postulierte und Unberechenbares disqualifizierte;3 andererseits finden sich ebenso historische Textzeugnisse, die einen Konnex von Rationalität und Emotionalität konzipieren.4 Das zeigt sich signifikanter Weise auch an >Emotionswörtern<: Ein Begriff wie gemüete oder muot beinhaltet einen emotionalen und rationalen Bedeutungsaspekt gleichermaßen.5

Jedoch hat diese Dichotomie vor allem ihren Ausgangspunkt in der geisteswissenschaftlichen Praxis des 19. Jahrhunderts: Während Rationalität das wesentliche Potential für kognitive Leistungen bildete, wurde Gefühlen die Hemmung und Verfälschung jener Prozesse attestiert.6 Gerade durch diese alogische, fluide und singuläre Struktur von Emotionen, so gemeinhin die Argumentation, entzögen sich emotionale Phänomene wissenschaftlicher Analyse7 und seien im menschlichen Erkenntnisprozess wohl peripher anzusiedeln.8 Das dichotome Denkschema spiegelt sich nicht nur unter evolutionstheoretischem Aspekt in der gängigen Antithese von Natur und Kultur wider, sondern auch in einer genderspezifischen Debatte, der zufolge Emotionen als weibliches Verhaltensmuster, Vernunft als männliches definiert wird.9

Seit den 80er Jahren zeichnet sich jedoch eine Aufwertung von Gefühlen in den Wissenschaften ab.10 Die zahlreichen Publikationen von Gefühlsanaylsen im Kontext der heutigen Gesellschaft geben ein klares Bild von diesem >Trend<11. Dafür ist die neu gewonnene Überzeugung verantwortlich, Empfindungen seien eine Grundlage der Kognition12, in diesem Sinne bildeten sie eine Einheit mit dem Verstand. Anlass für einen solchen Standpunkt gab der Befund neurobiologischer und psychologischer Untersuchungen: Bei einer bestimmten Schädigung des Gehirns geht der Mensch seiner Emotionalität verlustig und ist gleichzeitig nicht mehr zur rationalen Entscheidungsfindung in der Lage.13 Demnach liegt der Verbindung von Emotion und Rationalität des Menschen eine komplementäre Struktur zugrunde.

So bahnen sich auch neue Wege zu einer adäquaten Vorstellung von Kulturen der Vormoderne.14 Insbesondere die Geschichts- und historischen Literaturwissenschaften profitieren davon, um der Alterität und Historizität ihres Untersuchungsgegenstandes Rechnung zu tragen. Obwohl das in der Forschung geläufige Schlagwort >Alterität< keine feste Definition aufweist15, ist diese >Andersartigkeit< in emotionsgeschichtlich- narratologischer Perspektive reich dokumentiert16. Denn in der mittelalterlichen Kultur und

Literatur geben die Personen ihren Gefühlen ungeniert und gebärdenreich Ausdruck.17 Das narrative und inszenatorische Konzept bildet somit das Kalkül, wodurch auf textexterner Ebene das rationale Moment von Emotionen zum Tragen kommt.18

Die vorliegende Arbeit widmet sich dem Komplex des Interpendenzverhältnisses von Emotion und Rezeption, wie es in der mittelalterlichen Literatur, speziell bei Hartmann von Aue, konzipiert wurde. Anhand des Armen Heinrich soll die Funktion von literarischen Emotionsdarstellungen hinsichtlich des Figurenpersonals, sowie raum-zeitlicher und lexikalischer Semantik beleuchtet werden, wobei auch strukturelle Mittel auf ihr rezeptionelles Potential hinsichtlich der Emotionsevokation miteinbezogen werden. Insbesondere ist auch danach zu fragen, welche Funktionen Gefühlsexpressionen auf textexterner Ebene übernehmen, aber auch welche Inszenierungsstrategien überhaupt eine emotionale Reaktion des Rezipienten hervorrufen könnten. Rezpientenemotionen, die auf Figuren oder Erzähler ausgerichtet sind, möchte ich auf sympathietragende Vorgänge der Interaktion zwischen Erzähltechnik bzw. Text und Leser zurückführen.

Eine spekulative Dimension muss diese Arbeit an sich haben, da nur mit einem ideellen Rezipienten gerechnet werden kann, um gewisse Wahrscheinlichkeiten im Textverständnis einsehen zu können.

Während bei modernen Texten eine empirische Rezeptionsforschung zumindest möglich ist, bleiben Annahmen über zeitgenössische Rezeptionshaltungen bei mittelalterlichen Texten partiell spekulativ.19

Der Unsicherheitsgrad, der mit jeder Rekonstruktion historischer Rezeptionswirkung von Texten einhergeht, kann allerdings mit dem Einbezug von leserpsychologischen, textanalytischen und kulturwisschenschaftlichen Studien der Moderne auf ein Minimum reduziert werden.

2. Etablierung der Emotionswissenschaften

Wie bereits erwähnt, fand in den letzten Jahrzehnten bezüglich der Emotionswissenschaften ein breites Umdenken statt, welches das Potential der genannten Forschungssektion für ein interdisziplinäres Feld betont20 und durch die Adaption von emotionswissenschaftlichen Methoden und Begriffen neue anthropologische Einblicke herausarbeitet.

Der "emotional turn"21 gründet sich im Wesentlichen auf drei Korrekturen bzgl. der Definition von Emotionalität in den verschiedenen Wissenschaften. Zum leichteren Nachvollzug möchte ich diese noch einmal kurz umreißen:

a) Der irrationale Charakter von Emotionen ist inzwischen innerhalb mehrerer Forschungsfelder widerlegt worden. Neurowissenschaftliche, psychologische und philosophische Studien ergaben, dass diese dem Verstand nicht entgegengesetzt sind, sondern aufs Engste miteinander verwoben, was den Kognitionsprozess betrifft.22 Viel mehr beeinflussen Emotionen die Wahrnehmung und Erinnerung in erheblichem Maße. Dem hinzu sind sie an eine eigene inhärente Logik gekoppelt:

Emotionen gelten in der modernen Forschung als Ergebnis der vielfältigen Modifizierung eines genetischen Potentials durch kulturelle und individuelle Faktoren. Als ein Sensorium, das in einem biologisch zweckdienlichen Sinne der Verhaltensregulierung dient, sind sie durchaus rational zu nennen. Sie gründen auf und sie führen zu rationalen Prozessen.23

b) Kultur wird als Zeichensystem aufgefasst. Immaterielle Objekte, wie Emotionen und Mentalitäten, können deshalb auch nur mittelbar über Zeichen betrachtet werden. So geraten auch die physischen Aspekte, wie Gestik und Geschlecht, in den Blickpunkt. Gefühlsausdrücke bilden >körper-einbeziehende<24 Interaktionsmodelle innerhalb einer Gesellschaft, die konventionelle und normative Geltung für deren Mitglieder besitzen. Damit kommt auch der soziologische Aspekt von Modellierung bzw. Reglementierung und Produktion emotiver Ausdrucksmuster ins Spiel.25

Ein Beispiel: Im Russland des 20. Jahrhunderts existierte immer noch der altertümliche Brauch, Klageweiber bei Todesfällen zu mobilisieren, um der Schwere des Schicksalsschlages für die Betroffenen Ausdruck zu verleihen.26 In der westlichen Kultur herrscht dagegen eine Tabuisierung expressiver Trauer vor, introvertierte Verarbeitungsmethoden werden normativ bevorzugt.27

Allerdings darf dieses Resultat nicht die Vorstellung provozieren, es gab oder gäbe eine allgemeine und strikte Theorie der Gefühlskonzeption und -kommunikation innerhalb einer Gesellschaft. Viel mehr muss man mit pluralistischen Tendenzen rechnen, weil ein Emotionsbegriff in diversen Rahmenbedingungen ein und derselben Kulturepoche andersartig konnotiert sein kann - sogar in ein und demselben Werk eines >Autors<, je nach Kontext, mal in einem positiven, mal in einem negativen Licht erscheinen. Darum ist eine uniforme Konzeption vormoderner Kulturen nicht anzunehmen.28

c) Die naive Auffassung von der Universalität und Ahistorizität von Emotionen ist einer plausibleren Einsicht gewichen. Während in älterer Zeit von einem allgemein menschlichen Gefühlsrepertoire ausgegangen wurde, welches sich >evolutionsbedingt<, zweckdienlich sublimierte, postulieren die heutigen Kulturwissenschaften eine kulturelle Variabilität von Gefühlswertungen, -ausdrücken und -funktionen.

In westeuropäischen Kulturen beispielsweise verweist das weiße Kleid zumeist auf einen Inititationsritus bzw. Erneuerungsprozess, verbunden mit einem positiven Empfinden, während in asisatischen Kulturen Weiß als Farbe der Trauer gilt.

Damit einher geht der geschichtswissenschaftliche Aspekt von der differenten Beschaffenheit auch früherer Gesellschaftsformen und ergo ihrer Kommunikationsformen. Schließlich ist es auch bezeichnend, dass alle früheren Untersuchungen zu einer >Geschichte der Gefühle<, sich auf den Wandel vom Mittelalter zur Frühen Neuzeit fokussierten,29 hier findet sich nämlich umfangreiches Material zur Analyse.30 Außerordentlicher Resonanz31 erfreute sich der Entwurf Althoffs in vehementer Distanz vom "Elias'schen Paradigma[s] der Affektkontrolle"32, indem er auf den Transfer von Rechtsvorstellungen zur Literarizität eingeht. Insbesondere machte er auf die Funktionen von >Affektausdrücken< im Bereich der Politik und Öffentlichkeit in der mittelalterlichen Kommunikation aufmerksam,33 jedoch konzentriert er sich auf die körperliche Dimension von Emotionsausdrücken, genauer gesagt Geste und Handlung.

Demnach zeugen Gefühlsdarstellungen in mittelalterlichen Dokumenten nicht von einer Ohnmacht gegenüber der Gefühlsintensität, sondern einem ritualisiertem Verständigungsmuster, von dem alle Beteiligten Kenntnis besitzen und das relevante Aufgaben in der öffentlichen Interaktion übernimmt. So symbolisierten Emotionen u.a. Authentizität und Bindungskraft, untermalten die Seriosität des Gezeigten und verliehen ihm dadurch eine zusätzliche Bekräftigung.34 Vor allem aber handelte es sich bei einer emotionalen Expression in der Politik um eine unmissverständliche Kommunikationsform, die wortreiche Debatten substituierte.35 Althoff geht von einem generellen Defizit in der damaligen Kommunikation aus, dass sich gegenüber verbal-argumentativer Auseinandersetzungen relativ ignorant zeigte. Emotionale Bekräftigung und Bestätigung fungierte im mittelalterlichen Ordnungsverständnis als Legitimation und Stabilisation. Dem seien sämtliche Konventionsformen - also Rituale und Zeremonien - unterworfen gewesen.

Die Zeichenhaftigkeit von vornehmlich averbalen Emotionsausdrücken, wie Gestik und Mimik, ist in diesem Zusammenhang von großem Gewicht gewesen, da somit nicht nur langwierige Auseinandersetzungen abgekürzt und vereindeutigt, sondern im Sinne eines Alarmsystems Streitigkeiten vorzeitig bzw. rechtzeitig erkannt und vermieden werden konnten. Dieser gezielte Einsatz von >Affekten< zeugt eindeutig von Kalkulation. Althoff räumt jedoch ein, dass emotionales Gebaren situationsabhängig aufgetreten sei, etwa bei Bittstellern, und sich nicht auf den gesamten Raum der mittelalterlichen Kommunikation erstrecke. Der Turnus, mit dem Emotionen zum Ausdruck kamen, und die fixe Inszenierungspraxis deuten auf feste Gepflogenheiten mit involvierendem Charakter hin; denn das Publikum sei durch Emotionalität angesteckt worden und die Inszenierung habe eine gleichartige emotionale Reaktion auf Rezipientenseite bewirkt. Dem genannten Historiker ist es zu verdanken, den möglichen utilitaristischen und funktionellen Gebrauch von Emotionsausdrücken evident gemacht zu haben. Ebenso ist seine Perspektive vorbildlich, die nicht nach dem realen Erleben von Emotionen sucht, sondern um ihre Funktion im sozialen und politischen System.36

Trotz oder gerade wegen der unüberschaubaren Menge an emotionstheoretischen Studien in den Geschichtswissenschaften37, gibt es noch viel Klärungsbedarf, was die Bedeutung von Emotionen in der mittelalterlichen Kultur betrifft38 - einmal abgesehen von den Untersuchungen zur höfischen Minne oder der christlichen Mystik.

2.1 Emotionsgeschichte und germanistische Mediävistik

"Wenn ein Interpret des Mittelalters etwas an mittelalterlichen Fühlen und Denken entdecken würde, das außer ihm niemand sonst heute für eine Denk- und Erlebnisform halten möchte, hätte dieser Interpret die Wahl, entweder seine Entdeckung für nichtig, oder aber seine Zeitgenossen für inkompetent zu halten."39

In der Literatur des 12. und 13. Jahrhunderts findet sich ein gesteigertes Nachdenken über das >Innere< des Menschen, wie es in der Vorzeit noch nicht im literarischen Diskurs stattgefunden hatte.40 Einher ging diese Neuerung mit großen Umschwüngen in Wissenschaft, Sozialgefüge und Religiosität,41 diese Bereiche weisen eine graduelle Steigerung an Rationalisierung und Internalisierung auf.42 Hier ist auch die KalokagathieFrage zu verorten: Das Problem der Korrespondenz von ethischer bzw. moralischer Haltung und äußerem Erscheinungsbild einer Person.

Aufgrund dieser innovativen Tendenzen halten neue Darstellungsmuster und Erzählstrategien Einzug in die mittelalterliche Literatur des deutschen Sprachraums.43 Zwar vollzog sich diese Wandlung ursprünglich in den Zentren der geistigen Elite, nahm jedoch auch allmählich Einfluss auf die höfischen Romane.44

Schon Elias behauptete eine gattungsabhänigige Affektmodellierung und -bewältigung innerhalb der mittelalterlichen Literatur.45 Wenzel würdigt diese Erkenntnis, ohne einer mentalitätsgeschichtlichen Theorie wie der Elias'schen zu verfallen.46 Beispielsweise wird die Darstellung von Kampfwütigkeit des Recken zwar nicht vollends gebrochen, wenn man die Heldenepik mit der höfischen Epik auf die Darstellung von Aggression untersucht, doch deutlich reduziert und reguliert.47 Pointiert formulierte dies Ridder:

Mit der Etablierung der höfischen Standards, die die alten Verhaltensmuster nicht ablösen, sondern vielfältig überformen, gerät der Protagonist in ein grundsätzlich anderes Spannungsverhältnis. Selbstdisziplinierung und Affektkontrolle sind neue Orientierungen, Gewaltbereitschaft und Kampfbereitschaft bleiben aber weiterhin unverzichtbar. Diesen Konflikt diskursiviert der höfische Roman.48

Die konfliktträchtige Zwiespältigkeit von Reglementierung und Radikalisierung menschlicher Seelen- und Körperkräfte bedingte scheinbar die hohe Attraktivität und Popularität dieser Erzählungen.49

Auch Schnell plädiert zur Vorsicht:

Aber auch wenn man innerhalb eines Texttyps diachrone Vergleiche anstellt, ist doch stets die Möglichkeit zu erwägen, dass sich Stile und Redeweisen ändern, ohne dass stets eine emotionsgeschichtliche Veränderung gegeben sein muss.50

Trotz vehementer Kritik an Elias, blieb seine Zivilisationstheorie lange Zeit wirkungsvoll.51 Dinzelbacher orientiert sich daran, wenn er einen geisteshistorischen Wandel in der literarischen Darstellung von höfischer Minne beobachten will. Mit soziologischen und psychologischen Perspektiven arbeitet er eine etappenartikge Gefühlsentfaltung heraus, die sich mit den Stufen der Ich-Entwicklung decke. Dies hätte seine Ursache in sozialgeschichtlichen Vorgängen, welche wiederum eine Affektregulierung einforderten. Ein solch schwerwiegender Umbruch in der Geistesgeschichte wurde vor allem radikal von Czerwinski vertreten.52 In der Analyse literarischer Personen glaubt er eine marionettenhafte Situationsgebundenheit des mittelalterlichen Menschen zu erkennen, Abstraktionsvermögen und Reflexion von und über Gefühle seien nicht aufzufinden. Handlungen von Figuren richteten sich ausschließlich nach der Rolle, eine Innerlichkeit fehle vollkommen. Von der höfischen Literatur bis in die Moderne hinein sieht er die Ablösung des Menschen vom Archaischen dokumentiert.

Ein schwerwiegendes Gegenargument erbrachte zuerst Müller, der die Funktion von Literatur als Medium der "Affektmodellierung" begreift und nicht nur ihrer Expression.

Mit Wenzel, Schnell, Dallapiazza u.a.53 ist anzumerken, dass der artifizielle Charakter von literarischen Emotionsdarstellungen in den eben skizzierten Arbeiten nicht berücksichtigt wurde. Eine einfache Übertragung bzw. Rekonstruktion der mittelalterlichen Lebens- und Gefühlswelt muss somit ausgeschlossen werden, unterliegen künstlerische Darstellungen doch bis zu einem gewissen Grade eigenständigen Gesetzmäßigkeiten und greifen bedingt auf die Realität zurück.

In der Folgezeit erschienen vor allem Beiträge zu einzelnen Emotionsphänomenen in der mittelalterlichen Literatur, welche auch den rezeptionsästhetischen Aspekt zu fixieren suchen.54 Sie behandeln hauptsächlich erzähltechnische Aspekte der Emotionsdarstellung. Ein problematischer Schwerpunkt scheint derzeit für die germanistische Mediävistik auf dem Verhältnis von >Emotionsgeschichte< und >Emotionen in der Literatur< zu liegen. Ich möchte hier nur exemplarisch auf einige der neuesten Publikationen zu sprechen kommen.

Jutta Eming hat es sich zur Aufgabe gemacht, Emotionsdarstellungen im mittelalterlichen Kontext auf ihren pragmatische Aspekt hin zu untersuchen.55 Ihre Analyse ergab, dass Gefühle nicht spontanen Affektausbrüchen gleichgesetzt werden können, sondern eine bestimmte Semantik integrieren. Vor allem auf textimmanenter Ebene sei eine syntagmatische bzw. paradigmatische Funktion aufzufinden. So versteht auch sie Emotionen als zweckorientierte Handlung, deren interaktiver und effektiver Charakter mit dem Begriff der Performativität erfasst werden soll.

Eming fordert zwar für einen Verzicht auf die Kategorie >Inneres<, da Gefühlsausdrücke in sozialer Funktion zu denken seien, setzt aber psychische Dispositionen der Verstellung und Täuschung voraus:56 "Emotionen können sich unmittelbar im Ausdruck niederschlagen, doch sie können dem Ausdruck auch vorausgehen, durch ihn verborgen oder simuliert werden."57

In ihrem Bemühen, die Psychoanalyse für mediävistische Fragestellungen fruchtbar zu machen, greift Eming jedoch auf sozial-historische Theorien zurück58, die sie als Referenz für literarische Gefühlsdarstellungen gebraucht, ohne deren grundsätzliche Dubiosität zu berücksichtigen. Sie spricht zwar davon "literarische Strategien der Codierungen und Ästhetisierungen von Emotionen erfassen"59 zu wollen, andererseits versucht sie literarischen Phänomene mit psychologischen Mitteln zu erarbeiten anstatt mit literaturwissenschaftlichen Anaylsemehtoden und diese mit soziopsychologischen Theorien zu stützen. Dies wird hauptsächlich in der Ausklammerung von Erzählerkommentaren deutlich, welche ebenso in das Phänomen der literarischen Emotionalität eingebunden werden müssen60, vor allem wenn man wie Eming "Fragen der (potentiellen) Erzeugung von Emotionen"61 und ein Analysekonzept erörtern will.

Außerdem operiert sie mit einer unklaren Terminologie, wenn einmal von Affekt, Emotion oder Trieb die Rede ist. Dies mag wiederum an der Affinität zu Freuds Trieb-Terminologie liegen, die sich hier niederschlägt; da die Psychoanalyse selbst aber keine Emotionstheorie bietet, sondern Gefühle als rein pathologisches Phänomen marginalisiert,62 wirkt Emings Argumentationsgang etwas holprig konstruiert und schlägt sich in einer variierenden Begriffsverwendung nieder. Das gleiche Dilemma zeigt sich in der Anwendung des Performativitätsbegiffs, der zwar theoretisch für die Erzähler- und Figurenebene differenziert wird, aber in der Textanalyse nicht kenntlich gemacht ist. Auch die Fixierung von Körperlichkeit als Instanz des performativen Aktes scheint mir zu einseitig.63

Annette Gerok-Reiter untersuchte die Wechselwirkung zwischen Angst, Macht und Ohnmacht im Erec unter Bezug genderspezifischer Aspekte.64 Angstemotion erführe in Hartmanns Roman eine bipolare Funktionalisierung auf Ebene der Erzählstruktur und der Geschlechterordnung. Sie legt offen, wie Enite in Monologen Angst vor ihrem Ehemann in Angst um ihn umcodiert. Eine reflektierende Emanzipationsentwicklung der Figur, welche mittels Verbalisierung erfolgt, beeinflusst sie zu selbstverletztenden Handlungen, vorrangig im Verlauf von Sorge- und Trauerszenen auftretend in Form von Haareausreißen und dem Zerkratzen der Haut. Im Vergleich eröffne der männliche Reflexionsprozess über die eigene Angst Handlungsmacht und Handlungsmöglichkeiten. Auf der Ebene eines Subtextes erweise sich Angst als Prinzip der Figurensteuerung, aber auch als Interpretationsanweisung für den Rezipienten, um zur Einübung und Überwindung von Angstgefühlen beizutragen. Dies korreliert mit den sozialhistorischen Tendenzen der Zeit, der Philosophie und Theologie des 12. Jahrhunderts.

Gerok-Reiter ist es zu verdanken, den tabuisierten Individualitätsbegriff in Anwendung auf das Mittelalter wieder zur Diskussion gestellt zu haben. Sie postuliert Identität in einem anderen Konstruktionsmodus für die Vormoderne, nämlich durch Exklusion, Differenz und Kontrast.65 Dennoch scheint sie eine unklare Position zu beziehen, wenn sie wiederum das Elias'sche Paradigma aufgreift:

Auf der anderen Seite steht der lebensweltlich-feudale Diskurs einer ungezügelten Körperlichkeit, die mit Hilfe der Literatur in einen Zivilisationsprozess eingebunden wird, der die Disziplinierung des Körpers fordert.66

Elke Koch nahm die literarische Darstellung von Trauer in den Blick, die sie wiederum als performativen Sprechakt mit sozialer Handlung gleichsetzt.67 Sie folgt explizit Hahns

Theorie von der >partizipativen Identität< und begreift eine literarische Emotionsdarstellung so als konstitutives Element von Identitätsbildung im Mittelalter, allerdings hier nur in Bezug auf Trauerszenen. Auch ihr dienen >Inklusion< und >Exklusion< als zentrale Komponenten von Identität. "Insbesondere die Dominanz körperbezogener Darstellungsmuster"68 findet ihr Interesse.

Höchst innovativ wirkt ihre Theorie über Enites weibliche Identität, die in der Selbstmord- Szene eine >Transgression< erfahren solle, denn Enite überschreite die Geschlechtsgrenze durch eigenmächtiges Handeln (den Griff zum Schwert, Anmaßung zur Selbstbefugnis über das eigene Leben) und der maskulinen Modifizierung ihrer Klageschreie (hohe und tiefe Stimme).69

Der Text spricht jedoch etwas ganz anderes, dort ist Infantilität statt Emanzipation gesetzt und eine vom Schmerz gebrochene Stimme statt einer maskulinen.70 Die Fixierung auf den Begriff der Identität bzgl. literarischer Trauerdarstellungen ist zu hinterfragen, nicht immer wird diese bestimmte Funktion als zentrale Thematik71 des Textes zu begreifen sein, vor allem wenn die Sentenz zu Textanfang und -ende ein anderes Thema in den Vordergrund rückt.72

Es ist andererseits bezeichnend, dass sie "in ihren Textanalysen die Differenz zwischen textinternen Zuschauern und textexternem Publikum immer wieder vernachlässigt bzw. übersieht"73.

Manuel Braun befasste sich in seiner Untersuchung ebenfalls mit mittelalterlichen Trauerszenen.74 Er vergleicht Darstellungen dieses Gefühls und seines Ausdrucks in diversen Textgattungen. Als Resümee zieht er, dass Parallelen der Darstellung in intertextuellem Austausch stehen und "solche Ähnlichkeiten [aber auch] auf anthropologische Grundlagen."75 deuten lassen. Jedoch mahnt er zur Vorsicht durch solche diachronische Untersuchungen einen bestimmten Umgang mit Emotionen im Mittelalter anzunehmen. So werden literarische Gefühlsausdrücke in höherer Intensität nicht nur in Körperzeichen übertragen, sondern auch in Worte gekleidet. Zudem stellt er die genderspezifische Formung von Trauer in den Vordergrund. Grundsätzlich ist eine bestimmte Gefühlsagitation, einschließlich identitätsbedingten Konsequenzen, geschlechtstypisch geprägt, d. h. Männer trauern ohne den krisenhaften Aspekt des Selbstverlustes um andere (gleichgeschlechtliche Figuren), während die Damen in den Romanen sich über ihr maskulines Pendant, den Ritter, definieren, oder andere männliche Bezugspersonen, wie Vater oder König, in deren Obhut sich sich befinden.

Klaus Ridder hat sich auf Ebene der Rezeptionsästhetik mit dem Verhältnis von Emotionalität und Rationalität in der mittelalterlichen Literatur auseinandergesetzt.76 Er greift moderne Theorien der Emotions- und Kognitionsforschung auf und legt die Verschränkung emotiver und kognitiver Vorgänge anhand von diversen Gattungen dar. Dabei fokussiert er die textuellen Strategien, die das Publikum in einer gewissen Weise beeinflussen soll oder besser gesagt, Einzelheiten der Erzählung in ein bestimmtes Licht rücken. Das Schwanken einer Figur zwischen zwei widerstreitenden Emotionen, hier Furcht und Zorn, signalisiert so den "Anfang eines Reflexionsprozesses"77.

In jüngster Zeit widmete sich Ingrid Kasten dem Themenkomplex >Emotion< erneut.78 Entsprechend der uneinheitlichen Konzeption von altertümlichen Gefühlsdarstellungen, beschäftigte sie sich mit zweierlei Relationstypen von Rationalität und Emotionalität. Zum Einen führt sie das Verfahren "der scholastischen Disputation"79 ins Feld und macht dieses für dargestellte Konflikte, die eine Figur im Inneren erleidet, in der Literatur fruchtbar. Zum Anderen untersucht sie Strategien der Emotionsdarstellung und ihren Mitteln, die

einen Gegensatz von Verstand und Gefühl veranschaulichen. Dabei fungieren Körper, Raum, Zeit und Objekte als Medien der Inszenierung, die die Rezipienten emotional involvieren sollen. Defizitäre Wahrnehmung und Autonomisierung des Körpers sind die narrativen Instrumente, um den irrationalen Charakter einer Emotion zu signalisieren. Leider arbeitet auch sie mit psychoanalytischen Modellen, deren Anwendung auf die Kognition und Intention des mittelalterlichen Dichters nicht vollends schlüssig ist. Auch die Adaption von geistlichen Diskursen lässt sich für volkssprachliche Texte nicht unbedingt in Anspruch nehmen. Auch wenn für einen Dichter wie Hartmann von Aue klerikale Kenntnisse nachzuweisen sind, bedeutet das nicht, dass er sich rigoros daran orientierte oder sie kirchengetreu zur Darstellung brachte.80

Die vorliegende Arbeit versteht sich insofern als Beitrag an die zuvor skizzierten Versuche, da ich meiner Analyse ebenso zugrunde lege, dass sich Emotionalität und Rationalität in einer Wechselbeziehung befinden. Auch die Sprachgebundenheit von Emotionen81 ist ein Faktum, das Emotionalisierung ermöglicht:

[...] Emotionen [sind, T.N.] immer nur über Sprache und andere Formen kultureller Repräsentationen ausdrückbar und vermittelbar [...], wie sie ihrerseits durch Sprache und Repräsentationen (Codes) geformt werden. [...] Die Prozesse, in denen Bedeutungen geschaffen werden, sind ebenso integraler Bestandteil dessen, was "Emotionen" sind, wie die Bedeutungen selbst.82

3. Methodenreflexion und Terminologie

Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass philosophische oder theologische Theorien des Mittelalters zwar nicht absolut in den volkssprachlichen Texten greifen, doch geben die dadurch vorgegebenen Semantiken eine produktive Orientierung zur Interpretation, da Schnittpunkte der unterschiedlichen Diskurse nicht auszuschließen sind;83 jedoch auch, weil dadurch einer Historizität von literarischen Phänomenen Rechnung getragen wird. Kasten spricht sogar von einer "für die Antike-Rezeption in der volkssprachlichen Literatur des 12. Jahrhunderts charakteristische[n] Gemengelage"84.

Analog hierzu sollten Theorien der Moderne nicht aus Angst vor einem >modernistischen Anachronismus< einfach verworfen, sondern auf ihr horizonterweiterndes Potential hin geprüft werden, allerdings unter besonderer Berücksichtigung des historischen und ästhetisch-medialen Aspekts.85

Da Emotionen einer kulturellen Kodifizierung unterliegen, sie allgemein standardisiert sind und prinzipiell zwischenmenschlich nachempfunden werden, kann eine literaturwissenchaftliche Untersuchung auch ohne weitere empirische Daten auskommen.

3.1 Begriffsdefinition >Emotion<

Zunächst einmal sei hier die definitorische Frage aufgeworfen, was unter Emotionen überhaupt zu verstehen ist.

Der Begriff >Emotion< wird in der heutigen Wissenschaftssprache aufgrund einer Diversität von Perspektiven recht uneinheitlich verwendet86, abhängig davon, ob Experten oder fachfremde Wissenschaftler darüber sprechen und zu welchen Methoden die Diskutierenden tendieren.

Generell sind Emotionen als geschichtlich und kulturell bestimmte, psychische Erscheinungen des Alltags aufzufassen, welche sich mittels körperlicher oder verbaler Formen ausdrücken oder darin ausagieren. Sie besitzen einen kognitiven Wert, manifestieren sich an physiologischen Merkmalen oder Abläufen und fungieren als Handlungsindikator und soziales Kommunikationselement.87

Triebe (Schlaf, Hunger) sind durch ihre Statik und ihr regelmäßiges Auftreten von Emotionen zu differenzieren, des Weiteren haftet am Wort >Trieb< der Habitus des Unbewussten und Unkontrollierbaren. Emotionen hingegen müssen dem nicht entsprechen, sie können durchaus selbstreflexiv wahrgenommen und es kann auf sie eingewirkt werden. Doch da eine "Triebstruktur [...] in mittelalterlichen Texten oft kaum greifbar" ist, werden nur Konstanten, wie beispielsweise der Selbsterhaltungtstrieb oder Anerkennungstrieb, in diese Untersuchung miteinbezogen,88 so sie zur Erhellung einer Textpassage relevant sind. Stimmungen unterscheiden sich durch eine länger anhaltende Zeitspanne und der unpräzisen Bezugnahme.89 Sie sind dem entsprechend auch von einer geringeren Intensität gekennzeichnet. Die Vermutung aber, dass Stimmungen auf Emotionen verweisen können, besteht meines Erachtens zu recht. Diese Emotionsklasse sei allerdings nur aus Vollständigkeitsgründen genannt und soll im Folgenden ausgeklammert werden, denn aufgrund der Unklarheit ihres Bezugsobjektes lassen sie sich mit textanalytischen Methoden kaum adäquat untersuchen.

Affekte sind demgegenüber vor allem durch eine übermächtige, emotionale Intensität gekennzeichnet.90 Der Affektbegriff sollte bei einer Kontextualisierung deswegen Verwendung finden, "weil er in historischen Quellen des europäischen Sprachraumes seit der Antike die größte Rolle spielt."91 und "eine Darstellungsstrategie literarischer Texte"92 bezeichnet.93

Gefühle wiederum werden in der Forschung, teils durch ihren angeblich erhöhten Grad an Introspektive, von Emotionen abgegrenzt, die Bezeichnung impliziere ein stärkeres, subjektives Erleben. Ich möchte den Begriff hier allerdings als Synonym zu >Emotion< fassen, da er in der Alltagssprache häufiger Verwendung findet als der eher wissenschaftliche Terminus >Emotion<.94

Um Emotionen als Gegenstand für die Literaturwissenschaft überhaupt greifbar zu machen, empfiehlt es sich, den Begriff nicht eng zu umreißen, sondern sich seine Neutralität95 zu Nutze zu machen, um Nuancenunterschiede mit bedeutungspartizipierenden Begriffen, wie >Affekt< oder >Trieb<, deutlich zu machen.96 Häufig wird in der Literaturwissenschaft auf Simone Winkos Aussage verwiesen: "Was Emotionen als mentale Größen 'sind', läßt sich nur in einem dezisionistischen Akt festlegen."97

Auch die vorliegende Arbeit möchte sich diesem Plädoyer und der vagen Begriffsverwendung anschließen - aus zweierlei Gründen: Erstens, da eine konkrete Definition für diese Arbeit nicht notwendig ist, um sinnvoll operieren zu können. Zweitens, um die Komplexität dieses Phänomens nicht aufgrund rigoroser Eingrenzung zu unterlaufen und dadurch zu verfehlen,98 wenn auch gewisse Einschränkungen unumgänglich sind:

Unter Verzicht auf das letzte Quäntchen Präzision versteht man auch mit der bildhaften [...] Formulierung was gemeint ist und mitunter kann der Verzicht auf Präzision, kann metaphorische Rede mit einem Gewinn an stilistischer Eleganz verbunden sein.99

So besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, alle relevanten Betrachtungsweisen von >Emotion< zu berücksichtigen.

3.2 Das Referenz-Problem

Das Thema der Repräsentation wird hier besonders virulent. Schließlich lassen sich Gefühle - zumindest wie sie in einer früheren Zeit konzipiert wurden - immer nur medial über die Sprache, Bilder und andere kommunikative Darstellungsformen, sogenannte Codes, artikulieren.100

In einer Sprache existiert ein gewisses Emotionsvokabular und -schemata, welche innerhalb einer Kultur meist lange Zeit überliefert werden, da sie als konventionalisierte und damit unmissverständliche Elemente von Verständigung gelten. Auch die Literatur ist ein Medium von geltenden Mustern: Zum einen spiegeln sich in ihr Emotionskonzepte wider, zum anderen kreiert sie neue Formen davon.101

Diesbezüglich bildeten sich in der germanistischen Mediävistik zwei Extrempositionen heraus. Mit der skizzierten Crux bzgl. der Referenz, problematisiert sich auch die Frage nach der Rezeption. Es darf vorausgesetzt werden, dass zeitgenössische Rezipienten und Autoren derselben Kultur über die gleichen Kenntnisse von emotionalen, normativen Mustern verfügen und gleichsam an Wissensbeständen partizipieren.

Die eine Forschungssektion konzentriert sich auf die Emotion einer literarischen Figur, als ob sie es mit realen Persönlichkeiten zu tun hätte. Die Analysen bauen dem entsprechend auf psychologischen Thesen auf und werden auf reale Gegebenheiten projiziert; es wird vom emotionalen Figurenverhalten auf das Gefühlsleben des mittelalterlichen Menschen überhaupt geschlossen. Dem Dichter wird also unterstellt, es speziell auf die Authentizität eines Gefühlsausdrucks anzulegen, seine Figuren so zu schildern, als wären es wirkliche Personen. Die Untersuchungen von Emotionsdarstellungen in der mittelalterlichen Literatur sollen unter dieser Prämisse zu einer >Geschichte der Gefühle< beitragen.102

In diesem Zusammenhang begegnet man häufig der These, ein Emotionsausdruck der Protagonisten diene allein dazu, im Rezipienten eine identische oder ähnliche Reaktion auszulösen. So könnte die Moderne auf das emotionale Verhalten der Menschen im Mittelalter schließen.

Dies bleibt aber fraglich, teilt ein Rezipient doch allein durch die unterschiedliche situative Einbettung nicht die selben Gefühle mit der Figur.103 Überdies wird einer Gefühlsübertragung schon durch den künstlichen Charakter von Emotionsdarstellung entgegengewirkt, eben durch drei besonders relevante Faktoren: Der umfangreichere Informationsstand des Publikums durch die Erzählerkommentare im Gegensatz zum Protagonisten; Unterbrechungen der Gefühlsbeschreibung durch Bemerkungen der Erzählinstanz und kunstvoller Formulierungen; das Bewusstsein des Rezipienten von der Fiktionalität des Erzählten.104 Eine qualitative Unterscheidung des emotionalen Wirkunspotentials von Literatur wird damit nicht ausreichend berücksichtigt. Ferner erweist sich der Gebrauch von psychoanalytischen Modellen problematisch, weil in der psychoanalytischen Literaturbetrachtung unter Codierung eine Verdrängungstechnik zu verstehen ist, mittels der eine bestimmte Emotion sich unter der Maske einer anderen zeigt. Die historische Literaturwissenschaft begreift unter Codierung jedoch den medialen Aspekt von Gefühlsdarstellung, ihre literarisch oder bildlich ausgedrückte Form also im Kommunikationsprozess.105 Es bedarf demnach einer etwas umständlich konstruierten Verbindung, um diese zwei Aspekte zusammenzuführen.106

Die >Oppositionspartei< hingegen insistiert darauf, dass es sich bei der literarischen Emotionsdarstellung um rein sprachliche Phänomene handelt, denen nur mit textanalytischen Methoden anstatt psychologischen begegnet werden könne, denn fingierte Personen, wie sie uns im Roman begegnen, besitzen gar kein emotionales Eigenleben, keine Introspektive:

Denn diese Körper weisen keine Seele, keinen 'Innenraum' auf - wenn sie selbst über sich Auskunft geben sollen, sprechen sie denn auch von keiner Entität, die sich aus dem Leib zurückgezogen hätte oder darüber hinausgewachsen wäre. Sitz der Identität und verantwortliche Schaltzentrale ist - der 'lîp'.107

'Gefühle' finden also für eine Figur des höfischen Epos nicht 'Innen' statt, sondern 'außen'; [...] Die Geste zwingt uns ein Paradox auf: Sind Affekte, die vollständig sichtbar sind, die vollständig lesbar sind, die vollständig objektiv sind, überhaupt noch 'Gefühle'? [...] Setzt ein Gefühl nicht genau das voraus, was hier fehlt, nämlich 'Innerlichkeit', bzw. einen 'Innenraum'?108

Die Schilderungen emotionaler Zustände sind nur Mittel zum Zweck im Textgeschehen. Emotionsdarstellungen in der mittelalterlichen Literatur sind ein strategisches Stilmittel, ohne realen Bezug, um einen bestimmten Effekt beim Rezipienten hervorzurufen.109 Damit ist aber die literarische Darstellung einer Erzählstrategie verpflichtet, die sich nicht darum bemüht, Gefühle authentisch, sondern so zu beschreiben, dass sie eine Gefühlsreaktion in Bezug auf die Geschichte auslösen.110 Der Leitspruch dieser extremen Position kann sich wohl so definieren lassen: Es gibt nur den Gefühlsdiskurs, nicht das Gefühl! Integriert ist in diese These die kulturelle Formung und Festigung von Gefühlen beim Publikum, dem die Darstellung zur Norm wird.111

Figuren im Roman allerdings eine innere Dimension abzusprechen, sowie ihre Gedankendarstellungen, Intentionen und Handlungen völlig auf die bloße Textstruktur bzw. Textfunktion zu reduzieren, scheint mir dem Gegenstand nicht angemessen. Eine Interpretation, die nicht alle Ebenen berücksichtigt und sich auf einen einzelnen Aspekt fixiert, mag partizipierende Bedeutungen frei legen. Eine Gesamtinterpretation muss jedoch all diese Bedeutungspartitionen in den Blick nehmen, die Beziehungspunkte ordnen, um Adäquanz zu schaffen. Die Einbettung in den Kontext, sowie der emergente Charakter einer jeglichen Struktur darf nicht ausgeblendet werden.112 Auch Müller, der zwar einerseits vor der Psychologisierung einer literarischen Figur warnt113, spricht sich andererseits gegen eine solche Radikalthese aus:114

Man bringt aber Parzivals tumpheit um ihren Gehalt, wenn man in ihr 'eine anthropomorphisierende Umsetzung der Schemafunktion des Märchen- einleitungsteils, 'anfänglich schwacher Held' in einen Zustand von Weltbefindlichkeit' sieht [...]115

Eine Reduktion von Emotionsdarstellungen auf ihre textimmanenten Aufgaben ist unzulässig, denn ein geistesgeschichtlicher Bezug bei Produzent und Rezipient lässt sich nicht leugnen. Schließlich wird aus heutigen leserpsychologischen Untersuchungen ersichtlich, dass eine emotionale Involvierung gleichsam mit der kognitiven Analyse des Romangeschehens beim Rezipienten vonstatten geht. Ohne Bedenken lässt sich dieses Resultat pauschal auch auf frühere Rezeptionsvorgänge übertragen. Ein emotionaler Effekt, oder die Normierung emotionalen Ausdrucks auf Rezipientenseite, kann aber nur dann greifen, wenn sich die Dichtung auch der authentischen Darstellung verpflichtet, damit der Interpret das Dargestellte mit eigener Wirklichkeitserfahrung116 messen kann und deshalb Emotionen produziert.117

Vor allem ist dieses Problem auch dem Umstand anzulasten, dass Emotionsdarstellungen separat für sich interpretiert werden, anstatt die kontextuelle Rahmung miteinzubeziehen.118 Ein Verfahren, das schon auf Mikroebene nicht greifen kann, finden Einzelsätze ihre konkrete Bedeutung doch nur in ihrem Bezugsrahmen zu den anderen Sätzen im Text. Fiktive Welten schließen graduell stets an die Wirklichkeit an119: Die Ritter der höfischen Romane sind ausgestattet wie reale Ritter, Normen der Realität finden sich ebenso als Werte der Romanwelt wieder, Feste im höfischen Roman sind ausgerichtet wie reale Festgesellschaften, Krankheitsschilderungen weisen eine realitätsbezogene Symtomatik auf120 u.v.m. Die Überhöhung der realen Sachlage in einen idealen Zustand verdeckt nicht den lebensweltlichen Bezug.121

Literatur ist die Formulierung von Spekulationen darüber, welche Gestalt menschliches Verhalten annehmen kann, sie spekuliert über Formen der Erfahrung, der Wahrnehmung und über die Art und Weise, wie man leben kann.122

Der griffigste Einwand betrifft jedoch im Rahmen der linguistischen Pragmatik die "Grundbedingungen menschlicher Kommunikation".123 Die Kooperationsmaximen innerhalb einer Gesellschaft verlangen stets einen gemeinsamen Kontext, auf den rekurriert wird, damit Verständigung gelingt.124 Der Sender arbeitet mit verkürzten Ausdrücken125 und >uneigentlichen Bedeutungen< in der intuitiven Annahme, dass der Empfänger mit ihnen vertraut ist. Zumindest werden meist Zeichen gesetzt, damit der Kommunikationspartner imstande ist, das Gesagte zu dechiffrieren.126 Der Sender rechnet damit, dass der Zuhörer bestimmte Zusammenhänge selbst freilegt, die für die Bedeutung der Aussage relevant sind.127 Propositionen128 und Präsuppositionen sind in jeder sprachlichen Äußerung vorhanden.129

Ebenso wie die verbale Kommunikation, besitzen "fiktionale Welten [...] das Merkmal der Unvollständigkeit."130 Auch hier obliegt es dem Rezipienten, das relevante >Weltwissen< als Sinngebungsverfahren heranzuziehen.131

Gerok-Reiter hat dies im Disput um die Innenwelt von literarischen Figuren prägnant formuliert:

Innerer und äußerer Bereich gehen, so gesehen, in der narrativen Engführung ineinander über. [...] Doch muss deutlich bleiben, dass der dichotome Bezug und somit das Repräsentationsverhältnis von l î p und seelisch-ethischem Bereich selbst in der extremen Engführung keineswegs aufgehoben wird. Im Gegenteil, die Verkürzung des Verweisweges wirkt eher als semiotisches Brennglas, das den Aspekt der Repräsentation gerade verstärkt.132

Das impliziert auch Abweichungen und Irregularitäten.133 Sie erlangen ihre Bedeutung und spezifische Kennzeichnung nur durch die Differenz zur Norm, zu einem kulturellen und sozialen Kontext,134 ansonsten fände sich keine Vorstellung, keine Idee von etwas Gültigem abzuweichen.135 Die >kognitive Dissonanz<136 würde aber ohnehin auftreten und den Rezipienten intuitiv zu einer Reflexion über das Erzählte bewegen. Wenn aber prinzipielle Divergenzen zur Realität vorliegen, wird das in der Regel für den Rezipienten markiert, etwa dadurch, dass auf keine historischen Wahrheitsinstanzen und -ansprüche Bezug genommen wird.137 Hübner konstatiert sogar, dass "die Erzählung die Rätselhaftigkeit der arthurischen Welt regelmäßig dadurch konstruiert, daß sie die narrative Information dem kognitiven Horizont des Protagonisten anpaßt."138

Insbesondere Rüdiger Schnell ermahnte dazu, den konstruktiven und artifiziellen Charakter von literarischen Emotionsdarstellungen stets im Blick zu behalten:

alle diese Studien psychologisieren, indem sie so tun, als ob die Romanfiguren ihr Leben selbst bestimmen könnten und für ihr Sosein selbst verantwortlich wären. Demgegenüber ist darauf zu verweisen, dass die Romanfiguren von den Zielen abhängen, die die mittelalterlichen Autoren mit ihnen verbinden: Was die Romanfiguren denken und fühlen, ist abhängig von den Funktionen, die sie im Text zu erfüllen haben.139

Die Referenzialität mittelalterlicher Emotionsdarstellung stößt sich für ihn an drei Problembereiche: Visualität und Verbalisierung von Emotionen in der Lebenswelt, der Körper als Zeichenträger gegen Sprache als Zeichenträger im Text, das Verhältnis von innerer Befindlichkeit und äußerer Haltung.

Er behauptet sogar: "Mit der Versprachlichung ist eine viel stärkere Subjektivierung und Wertung eines Geschehens verbunden als im Fall einer eigenen visuellen Wahrnehmung."140

Deshalb kommt für ihn der Frage, ob literarisch dargestellte Emotionen eigentlich noch auf alltagsweltliche Emotionen zurückgreifen, außerordentliche Relevanz zu, denn die Schilderung von Gefühlsgebärden im Text werden für den Rezipienten, der aufgrund des narrativen Zusammenhangs mehr Informationen erhält als die objektiv besetzten Positionen im Roman selbst, mit weiterer Semantik angereichert. Die ästhetische Struktur von literarischen Emotionen kann somit vexierend wirken, versucht man sie auf reale, authentische Gefühlsregungen zu übertragen.

Deshalb wäre es vermessen zu behaupten, wir könnten aufgrund literarischer Ekeldarstellungen das Ekelempfinden von historischen Personen genau erfassen.

Doch sind Annäherungen möglich [...].141

Zumindest was den emotionalen Effekt auf den Rezipienten betrifft, räumt Schnell eine Referenzialität zwischen Literatur und Realtiät ein. "Denn im Normalfall wird der Leser/ Hörer dieser Textstelle [...] die einzelnen scheinbaren signa naturalia [...] eben doch mit seinem Erfahrungswissen abgleichen".142 Bisweilen finden sich nämlich Emotionsdarstellungen in Form von Erzählerkommentaren, welche eine Identifikation von Figuren- und Höreremotion behaupten.143 Das bedeutet jedoch nur eine versuchte Beeinflussung der Rezipientenemotion144, nicht deren souveräne Beherrschung bzw. Verfügbarkeit und also Identifikation.145

Da sich der Rezipient dem fiktionalen Charakter der Erzählung bewusst ist, werde automatisch eine divergierende Emotionsreaktion hervorgerufen. Denn während vom Romanhelden Schmerz, Zorn oder Ekel >empfunden< wird, befinde sich der Zuhörer in einem Zwiespalt aus empathischem Erleben und distanzierter Faszination bzw. Sensationslust.146 So "würde eine gelungene Rhetorisierung ('Ästhetisierung') [des Ekelhaften] alle Aufmerksamkeit der Leser auf sich und vom [Ekel]Objekt abziehen."147

Das Potential von Literatur, durch Emotionsdarstellung das Gefühlserleben der Rezipienten zu verändern, es zu formen und zu prägen, möchte Schnell jedoch nicht bestreiten.148 Die Anwendung von neuzeitlichen Kunst- und Wahrnehmungstheorien ist für ihn legitim

aufgrund der Vermutung, daß auch einige mittelalterliche Darstellungen [...] auf bestimmte emotionale Reaktionen spekulierten oder bestimmten emotionalen Dispositionen entgegenkamen.149

Eine konkrete Methodik, um diesen Sachverhalt zu erarbeiten, weiß er allerdings auch nicht vorzulegen.

Trotz der genannten Vielfalt an emotionswissenschaftlichen Arbeiten innerhalb der Mediävistik, liegen wenige vor, die sich mit den rein sprachlichen und literarischen Inseznierungsformen und Evokationspraktiken von Emotionen befassen.150 Solche Untersuchungen sind dann meist diachron angelegt, um die Veränderung von Emotionskonzepten genauer in den Blick zu nehmen und konzentrieren sich auf einzelne Szenen emotionaler Darstellung. Allerdings existieren auch rein strukturelle Mittel, formale narrative Stile, welche Emotionsinhalte illustrieren können. Für sich genommen wirkt keine der beiden Extrempositionen unwillkürlich einleuchtend und zufriedenstellend. Durch die bloße Fixierung auf Emotionsdarstellungen, werden andere Textmerkmale ausgeblendet, die keine Emotionskodierung beinhalten, aber dennoch ein emotionales Wirkungspotential besitzen. Der Untersuchungshorizont und der darauf folgende Verstehensprozess ist von vornherein eingeengt.

Das andere Extrem, Reduktion von literarischen Emotionsphänomenen auf ihren kausalen und funktionalen Aspekt im Textgeschehen, vernachlässigt und ignoriert das emotionale Wirkungspotential für den Rezeptionsprozess.

In jüngster Zeit brachte Friedrich Michael Dimpel, auf dessen Arbeit ich teilweise schon rekurriert habe und auf den ich auch im Folgenden genauer eingehen möchte, eine umfangreiche, textanalytische Studie zur narrativen Technik mittelalterlicher Romane veröffentlichte151 und diese mit rezeptionsorientierten Ansätzen verbindet. Er ist vor allem darum bemüht, die erzähltechnischen Mittel aufzudecken, mit denen der Rezipient in seiner Wertung von Figuren und Situationen potentiell gelenkt wird.

Die Nebenfigur >Confidente< fixierend, betont er die spezifische Handlungsförderung und -ermöglichung, welche das Eingreifen dieses Figurentyps den Protagonisten eröffne. So hätte ohne Lunetes Hilfe Iwein nicht überleben können oder gar Laudine zur Frau gewinnen, Tristan hätte ohne Brangäne den Minnetrank nicht getrunken oder Marke in der Hochzeitsnacht irre führen können. Die Zofe spielt insofern auch eine zentrale Rolle, da sie als Beraterin und Vertraute der Herrin und oft auch des Ritters fungiert.

[...]


1 Sigmund Freud: Das Unbehagen in der Kultur. Wien 1930, S. 6. Freuds Konzept der Psychoanalyse erfasst Emotionen auch lediglich als Begleitphänomene einer allmählich schwindenden Triebstruktur.

2 Obwohl sich der spezifische Terminus >Emotionalität< erst relativ spät gebildet hat. Vgl. Kasten (2008), S. 253 f.

3 Kasten (2002) erwähnt wiederum, dass dieses Verständnis auf "christlich-abendländische[n] Traditionen" beruhe (S. 52 f.); und (2003), >Einleitung<, S. XIX f.; sowie (2008), S. 254.

4 Vgl. Ridder (2008), >Einleitung<, S. 15; im gleichen Sammelband auch Gerok-Reiter (2008): "Dass Emotionalität und Rationalität in Korrelation gesehen werden müssen [...] berührt sich jedoch zugleich auch mit spezifischen Ausprägungen der mittelalterlichen Affektenlehre." (S. 275).

5 Vgl. Kasten (2008) mit Beispielen von herze und sin, S. 255.

6 Vgl. Hammer-Tugendhat/Lutter (2010), >Einleitung<, S. 8; Anz (2011), S. 6.

7 Vgl. Anz (2011), S. 23.

8 Vgl. Eming (2006b), S. 249.

9 Vgl. Kasten (2002), S. 53; Dies. (2008), S. 254f.; sowie Hammer-Tugendhat/Lutter (2010), >Einleitung<, S. 8.

10 Vgl. Gerok-Reiter (2008), S. 273.

11 Exemplarisch möchte ich auf die neurobiologischen Untersuchungen anlässlich der EM 2012 zum Nationalgefühl der Deutschen hinweisen; vgl. Guido Mingels: Neuronen für Deutschland. In: Der Spiegel, H. 25/ 2012, S. 59. Vgl. ebenso die kürzlich ausgestrahlte TV-Debatte "Scobel" auf 3Sat zum Thema "Ewige Gefühle? Wie Emotionen unser Zusammenleben beeinflussen." Mit Prof. Dr. Ute Frevert und Prof. Dr. Tania Singer. <http://www.3sat.de/mediathek/?display=1&mode=play&obj=30161> (12.05.2012).

12 Vgl. Hitzer (2011), S. 3.

13 Vgl. zum Thema den Überblicksartikel von Bas Kast: Emotionen. Ich fühle also bin ich. In: der spiegel online, 10.08.2008. <http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/emotionen-ich-fuehle-also-bin-ich-a- 561852.html> (07.06.2012).

14 Vgl. Gerok-Reiter (2008), S. 275.

15 Vgl. die Einleitung zum Sammelband: Alterität als Leitkonzept für historisches Interpretieren. Hrsg. v. Anja Becker und Jan Mohr. Berlin 2012 (Deutsche Literatur. Studien und Quellen 8), S. 1-58.

16 Für Martini (2009) ist "die Alterität mittelalterlicher Kultur [nirgendwo] ersichtlicher als bei den Affekt- darstellungen in Epik und Lyrik der Zeit." (S. 7); ebenso Eming (2006a), S. 1; vgl. auch Becker/Mohr

(2012): "Im Unterschied zu 'Fremdheit' bezeichnet sie [die Alterität, T.N.] nicht nur eine mehrdimensionale und graduell abgestufte Relationsbeziehung, sondern darüber hinaus auch das im Akt der Relationierung Ausgeschlossene, das als Unverfügbares wiederkehrt. 'Alterität oszilliert damit zwischen den Positionen 'eindeutige Relation' und 'systematische Unverfügbarkeit'." (S. 43).

17 Ich möchte Alterität (hier in Hinsicht auf literarische Emotionsphänomene) in einem deutlichen Relationsbezug verwenden. So gelten bestimmte menschliche Basisdispositionen (positive und negative Gefühle als anthropologische Konstante), die in ihrer Präsentation jedoch auf unterschiedliche Weise deskribiert und konnotiert sind (emotionale Exzessivität in der literarischen Emotonsdarstellung, differente Wertesysteme). Letzteres ist uns also nicht vertraut, doch ist es aufgrund der gemeinsamen Grundkonstante graduell rekonstruierbar; vgl. Becker/Mohr (2012), S. 39 f.

18 Vgl. Kasten (2003), >Einleitung<, S. XV; sowie Ridder (2008), >Einleitung<, S. 9.

19 Vgl. Dimpel (2011), S. 66 f.

20 Vgl. Koch (2008), S. 33ff.; auch Schnell (2009) nennt in seiner Übersicht der literaturwissenschaftlichen Emotionsforschung, insbesondere auf die germanistische Mediävistik bezogen, fünf wesentliche und noch weiter auszudifferenzierende Zugangsarten, nach denen Emotionsdarstellungen des Mittelalters momentan analysiert werden: Alltags- und Mentalitätsgeschichte, Semiotik, Gender-Studies, Medien- und Kommunikationsgeschichte, Ritual- und Performativitätsforschung (S. 72 f.).

21 Vgl. zur Begriffsprägung Thomas Anz: Emotional Turn? Beobachtungen zur Gefühlsforschung. In: literaturkritik.de, 8.2006. <http://www.literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=10267> (12.07.2012).

22 Vgl. Hammer-Tugendhat/Lutter (2010), >Einleitung<, S. 8; Anz (2011), S. 7 f.

23 Ridder (2003a), S. 206.

24 Ich verwende bewusst diese unkonventionelle Formulierung, um die Missverständlichkeit auszuschließen, dass Gefühlsausdrücke rein >körper-bezogen< wären.

25 Vgl. Gerok-Reiter (2008), S. 273.

26 Vgl. aus dem online Artikel Sergey Bardins: Gedenken im Schichtbetrieb. Beerdigungstraditionen im Spiegel von russischer Volkskultur und sozialen Beziehungen. In: der überblick 02/2003: <http://www.eed.de/ueberblick.archiv/one.ueberblick.article/ueberblick.html?entry=page.200302.022> (10.06.2012).

27 Vgl. Eming (2006b): "Nach modernen Maßstäben zumindest in der westlichen Welt besteht 'echte' Trauer aus einem inneren Prozess, der sich gerade in der Bewegungslosigkeit des Körpers manifestiert und physisch vor allem im Weinen zum Ausdruck kommt. Exaltierte Trauer dagegen wirkt theatralisch, künstlich und 'unecht'." (S. 258).

28 Hammer-Tugendhat/Lutter (2010), >Einleitung<, S. 8f.

29 Vgl. Hitzer (2011), S. 5.

30 Vgl. Martini (2009), S. 7.

31 Vor allem in der germanistischen Mediävistik; vgl. Koch (2008), S. 39, Anm. 29.

32 Vgl. Hitzer (2011), S. 14.

33 Vgl. exemplarisch für seine Arbeit auf dem Feld der politischen Kommunikation: Gerd Althoff: Gefühle in der öffentlichen Kommunikation des Mittelalters. In: Emotionalität. Zur Geschichte der Gefühle. Hrsg. v. Claudia Bentien, Anne Fleig und Ingrid Kasten. Wien 2000 (Literatur-Kultur-Geschlecht 16), S. 82-89.

34 Vgl. Althoff (2010), S. 10.

35 Vgl. Althoff (2010), S. 11.

36 Vgl. Althoff (2010), S. 1, Anm. 1.

37 Vgl. Hitzer (2011), S. 1.

38 Vgl. Ridder (2003b), S. 225.

39 Karl Bertau zitiert nach Peter Czerwinski (1989), S. 354.

40 Vgl. Classen (2001), S. 19 und 21; Müller (2007), S. 349 f.

41 Vgl. Ridder (2008), >Einleitung<, S. 9-12.

42 Vgl. Ridder. (2003b), S. 227; Schnell (2009), S. 111; Miedema (2008), S. 133; Koch (2008), S. 51 f.

43 Vgl. Hübner (2004): "Im Gefolge der Entwicklungen in der französischen höfischen Erzählkunst seit den Antikenromanen kam diese komplexere Konstruktion in der deutschen Literaturgeschichte zu jener Zeit auf [...] und gelangt danach schnell zu einiger Bedeutung." (129 f.).

44 Vgl. Müller (2004): "In der sog. 'höfischen' Literatur wird das Verhältnis zum Selbst und das Verhältnis des Selbst zur Gesellschaft problematisiert." (S. 302). Hingegen ist Schnell (2009) sich nicht sicher, "inwieweit diese pastoraltheologische Wendung nach Innen sich auf andere Lebensbereiche ausgewirkt hat." (S. 111); auch Knapp (2011) spricht von einer "übliche[n] Skepsis der Germanisten gegenüber der Relevanz der lateinischen Literaturtheorie für die Volkssprachen, eine im Prinzip zweifellos berechtigte Skepsis. Sie kann nur durch positive Belege ausgeräumt werden, welche [...] etwas undeutlicher in weiteren Texten durchaus vorliegen." (S. 91); so auch Ridder (2008), >Einleitung<, S. 10.

45 Vgl. Martini (2009), S. 24 f.

46 Vgl. Martini (2009), S. 23 f.; im Übrigen auch Ridder (2008) gemäß Haug: "Jede Form von 'Rationalisierungsteleologie von Weber bis Elias' verkürze die Komplexität der kulturhistorischen Konstellationen in unzulässiger Weise." (>Einleitung<, S. 12).

47 Vgl. Koch (2008), S. 2.

48 Ridder. (2003b), S. 242; ähnlich argumentiert Raumann (2010) im Rahmen der Fiktionalitäts-Debatte, wenn sie meint "daß bereits in der Gattung <Artusroman> neue Möglichkeiten auch historisierenden Erzählens augenfällig werden, die sich nicht in einer <Negation> jedweder Historizität des Erzählten erschöpfen, sondern historisierende (Erzähl-)Elemente in der Fikionalität integrieren."

49 Vgl. Müller (2004), S. 297; Miedema (2008), S. 131.

50 Schnell (2009), S. 112.

51 Vgl. Martini (2009), S. 22 f.; Koch (2008), S. 43.

52 Vgl. Peter Czerwinski: Der Glanz der Abstraktion. Frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter. Frankfurt/ New York 1989 (Exempel einer Geschichte der Wahrnehmung 1); Koch (2006), S. 5 f.; Matini (2009), S. 38 f.; Becker/Mohr (2012), S. 29 f.

53 Vgl. Martini (2009), S. 40 ff.

54 Einen aktuellen Überblick bietet Elke Koch: Bewegte Gemüter. Zur Erforschung von Emotionen in der deutschen Literatur des Mittelalters. In: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch N.F. 49 (2008), S.33-54; und sehr kritisch Rüdiger Schnell: Ansätze und Irrwege historischer Emotionsforschung. In: Emotionen! 16. Jahrestag des Brackweder Arbeitskreises (DHI Paris 20-21. November 2009). Zusammenfassungen der Beiträge, S. 71-113. <www.brackweder-ak.de/Reader_Emotionen_2009> (23.07.2012).

55 Vgl. Jutta Eming: Emotion und Expression. Untersuchungen zu deutschen und französischen Liebes- und Abenteuerromanen des 12.-16. Jahrhunderts. Hrsg. v. Ernst Osterkamp und Werner Röcke. Berlin/ New York 2006 (Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 39); sowie den Aufsatz im Sammelband "anima und sele" (2006): Dies.: Affektüberwältigung als Körperstil im höfischen Roman. Ich folge hier u.a. der Rezension Rüdiger Schnells zu Emings Arbeit; in: ZfdA 140, 2 (2011), S. 227-243.

56 Vgl. Schnell (2011), S. 229.

57 Eming (2006a), S. 39.

58 Vgl. Eming (2006b), S. 256.

59 Eming (2006a), S. 5.

60 Eming (2006a) begreift die Erzählerstimme rein ideologisch, S. 119; Vgl. Schnell (2011), S. 213; das Ausblenden des Kommentars hat zur Folge, dass die Bedeutungskonzeption des Werkes verfehlt wird, da der Analyse eine relevantes, sinnstiftendes Element abhanden kommt; vgl. Ridder (2008), >Einleitung<, S. 13.

61 Eming (2006a), S. 75.

62 Dieser Umstand wird in der Formulierung Emings (2006a) selbst deutlich, so z.B.: "Heftige Emotionen gleichen pathologischen Phänomenen." (S. 93).

63 Vgl. Eming (2006b), S. 253 und S. 255, auf denen von "Körperwissen" die Rede ist.

64 Vgl. Annette Gerok-Reiter: Die Rationalität der Angst: Neuansätze im 'Fortunatus'. In: Reflexion und Inszenierung von Rationalität in der mittelalterlichen Literatur. Blauberer Kolloquium 2006. Hrsg. v. Klaus Ridder in Verbindung mit Wolfgang Haubrichs und Eckart Conrad Lutz. Berlin 2008 (Wolframstudien 20), S. 273-298; Dies.: Körper-Zeichen. Narrative Steuermodi körperlicher Präsenz am Beispiel von Hartmanns Erec. In: Körperkonzepte im arthurischen Roman. Hrsg. v. Frierich Wolfzettel. Tübingen 2007 (Schriften der Internationalen Artusgesellschaft), S. 405-430; Dies.: Die Angst des Helden und die Angst des Hörers. Stationen einer Umbewertung in mittelhochdeutscher Epik. In: Das Mittelalter 12 (2007), S. 127-143; Dies.: angest/vorhte - literarisch. Möglichkeiten und Grenzen der Emotions-forschung zwischen Text und Kontext. In: Daniela Hammer-Tugendhat und Christina Lutter (Hg.): Emotionen. Zeitschrift für Kulturwissenschaften. Hrsg. v. Thomas Hauschild und Lutz Musner, Nr. 2, Bielefeld 2010, S. 15-22.

65 Vgl. Dimpel (2011), S. 130.

66 Gerok-Reiter (2007a),

67 Vgl. Elke Koch: Trauer und Identität. Inszenierungen von Emotionen in der deutschen Literatur des Mittelalters. Hrsg. v. Ingrid Kasten, Niklaus Largier und Mireille Schnyder. Berlin, New York 2006 (Trends in Medieval Philology 8). Vgl. auch hierzu grundsätzlich die Rezension von Schnell, in: ZfdA 140, 2 (2011), S. 227-243.

68 Koch (2008), S. 3.

69 Vgl. Koch (2008), S. 189 ff.

70 Vgl. Schnell (2011), S. 236.

71 Vgl. Koch (2008), S. 14 f.

72 Vgl. Schnell (2011), S. 237 ff.

73 Vgl. Schnell (2011), S. 240.

74 Vgl. Manuel Braun: Trauer als Textphänomen? Zum Ebenenproblem der mediävistischen Emotionsforschung. In: Machtvolle Gefühle. Hrsg. v. Ingrid Kasten. Berlin/New York 2010 (Trends in Medieval Philology 24), S. 53-86.

75 Braun (2010), S. 84.

76 Vgl. Klaus Ridder: Emotion und Reflexion in erzählender Literatur des Mittelalters. In: Stephen C. Jaeger, Ingrid Kasten (Hg.): Codierungen von Emotionen im Mittelalter. Berlin/ New York 2003 (Trends in Medieval Philology 1), S. 203-221; Ders.: Kampfzorn: Affektivität und Gewalt in mittelalterlicher Epik. In: Christa Bertelsmeier-Kierst, Christopher Young (Hg.): Eine Epoche im Umbruch. Volkssprachliche Literalität von 1200-1300. Cambridger Symposium 2001. Tübingen 2003, S.221-248.

77 Vgl. Ridder (2003a), S. 204.

78 Vgl. Ingrid Kasten: Rationalität und Emotionalität in der Literatur des Mittelalters. In: Reflexion und Inszenierung von Rationalität in der mittelalterlichen Literatur. Blauberer Kolloquium 2006. Hrsg. v. Klaus Ridder in Verbindung mit Wolfgang Haubrichs und Eckart Conrad Lutz. Berlin 2008 (Wolframstudien 20), S. 253-271; Dies.: Emotionalität und der Prozeß männlicher Sozialisation. Auf den Spuren der Psycho-Logik eines mittelalterlichen Textes. In: Kulturen der Gefühle in Mittelalter und Früher Neuzeit. Hrsg. v. Ingrid Kasten, Gesa Stedman und Margarete Zimmermann. Stuttgart/Weimar 2002 (Querelles VII. Jahrbuch für Frauenforschung), S. 52-71; Dies: >Einleitung< In: Machtvolle Gefühle. Hrsg. v. Ingrid Kasten. Berlin/New York 2010 (Trends in Medieval Philology 24), S. 1-25.

79 Vgl. Kasten (2008), S. 258 f.

80 Vgl. Dahlgrün (1991): "Der Denkrichtung der theologischen Schulen ist Hartmann schon darum nicht zuzuordnen, weil das Medium der Verserzählung und distinktives, analytisch-dialektisches Vorgehen sich nicht vereinbaren lassen. Einzelne Elemente aus diesem Bereich, wie z. B. die Gesprächsform der disputatio, finden sich dennoch in seinen Dichtungen." (S. 218 f.).

81 Vgl. Anz (2011): "Aufgrund ihrer eigenen narrativen Struktur sind Emotionen so hervorragend ansprechbar durch narrative Medien wie Literatur und Film." (S. 21).

82 Hammer-Tugendhat/Lutter (2010), >Einleitung<, S. 9.

83 Vgl. Ridder (2003a), S. 218.

84 Kasten (2008), S. 265; auch Gerok-Reiter (2007b) meint, dass sich die mittelhochdeutsche Literatur in der antiken Tradition der Rhetorik sieht, S. 129.

85 Vgl. Kasten (2003), >Einleitung<, S. XVIII; Dies. (2008), S. 256; Koch (2008), S. 42 f.

86 Vgl. Kasten (2008), S. 253; Martini (2009), S. 11. Laut Schnell (2009) gab es schon in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts etwa 100 Begriffsbestimmungen von >Emotion< (S. 74 f.).

87 Vgl. Schnell (2009), S. 79.

88 Vgl. Dimpel (2011), S. 39, Anm. 68.

89 Vgl. Winko (2003), S. 77 f.

90 Vgl. Winko (2003), S. 73.

91 Hammer-Tugendhat/Lutter (2010), >Einleitung<, S. 11.

92 Eming (2006b), S. 262.

93 Koch spricht in ihrem Forschungsüberblick (2008) davon, dass der Affektbegriff eher bei der Orientierung an historische Emotionskonzepte Verwendung findet, der Emotoionalitätsbegriff in Gebrauch ist, wenn mit modernen Theorien operiert werde. Sie beanstandet dabei die Verbindung von Affekt und Historizität, da "auch in anderen Disziplinen wie der Psychologie oder der Philosophie von Affekten in einem historisch nicht spezifizierten Sinne gesprochen" werde (S. 35).

94 Vgl. Hammer-Tugendhat/Lutter (2010): >Einleitung<, S. 10 f.

95 Vgl. Eming (2006a) im Anschluss an Kasten, S. 44.

96 Vgl. Koch (2008), S. 38.

97 Winko (2003), S. 73.

98 Bei Gerok-Reiter (2010) findet sich eine äußerst ansprechende Formulierung: "Die >Kunst der Interpretation< liegt nicht darin, sich einer Methode ideologisch zu verpflichten, sondern jeweils zu erkennen, welche Methode die Eigenart des Textes am besten erschließt" (S. 20.); vgl. auch Becker/Mohr (2012) gemäß Kiening in Bezug auf die Alteritäts-Prämisse: "Beschreibungskriterien müssten somit fallweise entwickelt und in kontrollierter Distanznahme an das jeweilige Untersuchungsinteresse und den jeweiligen Gegenstand angepasst werden." (>Einleitung<, S. 10).

99 Dimpel (2012), Abs. 4; Ders. (2011), S. 17.

100 Vgl. Hammer-Tugendhat/Lutter (2010), >Einleitung<, S. 9; ebenso Schnell (2009), S. 73.

101 Vgl. Koch (2008), S. 44; und Anz (2011): "Narrationen fiktiver emotionstypischer Szenarios gehören wiederum, neben den Wahrnehmungen realer Szenarios, zu den Faktoren, die unsere eigene narrative Strukturierung von Emotionen im realen Leben prägen." (S. 21).

102 Vgl. Eming (2006a), S. 7; Gerok-Reiter (2010), S. 20; Koch (2008), S. 42.

103 Vgl. Schnell (2009) mit einem leicht verständlichen Beispiel anhand des Nibelungenliedes, S. 84 ff.

104 Vgl. Schnell (2009), S. 107.

105 Vgl. Schnell (2009), S. 101.

106 Vgl. Koch (2008), S. 35; Eming (2006a) hingegen sieht im Gebrauch von psychoanalytischen Methoden zur Analyse mittelalterlicher Dennkweisen keine solche Problematik gegeben, vielmehr operiere die Psychoanalyse mit dem gleichen Code-Verständnis, wenn Träume und Tagebücher als praktikable Zugänge zur menschlichen Psyche erkannt sind (S. 48 f). Emings Argument klingt durchaus stichhaltig, jedoch sehe ich darin keine Legitimation, psychoanalytische Theorien auf das Mittelalter zu projizieren, eben weil damit lediglich die moderne Mentalität aufgrund der zeitlich-gesellschaftlichen Prägung skizziert werden kann.

107 Philipowski (2000), S. 58.

108 Philipowski (2000), S. 68 f.

109 Sei es, dass der Autor auf diese Weise ein Bild von sich als genialer Rhetoriker vermitteln oder die momentane emotionale Konstitution seines Publikums miteinbeziehen möchte; vgl. Kasten (2008), S. 265.

110 Vgl. Gerok-Reiter (2007b), S. 129.

111 Vgl. zum pädagogischen Aspekt von Literatur im Mittelalter Horst Wenzel: Hören und Sehen. Zur Lesbarkeit von Körperzeichen in der höfischen Literatur. In: Personenbeziehungen in der mittelalterlichen Literatur. Hrsg. v. Helmut Brall. Düsseldorf 1994 (Studia humaniora 25), S. 191-218.

112 Zum Thema sei an die berühmten Worte des Aristoteles erinnert: "Das was aus Bestandteilen so zusammengesetzt ist, dass es ein einheitliches Ganzes bildet, nicht nach Art eines Haufens, sondern wie eine Silbe, das ist offenbar mehr als bloß die Summe seiner Bestandteile. Eine Silbe ist nicht die Summe ihrer Laute: ba ist nicht dasselbe wie b plus a, und Fleisch ist nicht dasselbe wie Feuer plus Erde." (Metaphysik, VII. Buch (Z), 1041 b10).

113 Vgl. Koch (2008), S. 52; vgl. Dimpel (2011), S. 131.

114 Müller (2004) spricht sogar von einem "Ich-Gefühl" anlässlich von Szenen des >Identitätsverlustes< (S.297).

115 Müller (2007), S. 32, Anm. 92.

116 Vgl. Dimpel (2011), S. 138.

117 Vgl. Kästner zitiert nach Wenzel (1994): "Jede fingierte Redeszene [...] bedeutet vom Rezipienten her gesehen eine relativ wirklichkeitsnahe Darstellungsweise [...] Seine Aufnahmebereitschaft für die zu vermittelnden Sachverhalte wird durch diese Wirklichkeitsillusion offenbar verstärkt, weil die fingierten Redekonstellations-Merkmale mit Erfahrungen aus alltäglichen realen Sprechsituationen verglichen und mühelos ergänzt werden können." (S. 196, Anm. 9.). Dass die literarische Darstellung auch Plausibilitätskriterien unterliegt, zeigt sich an Hartmanns fingiertem Dialog zwischen Rezipient und Erzähler im Iwein anlässlich des Topos vom geteilten Herzen, während der Zweikampfszene mit Gawain; vgl. Linden (2008), S. 102; Hübner (2004) wiederum will einen solche Mimesiskonvention nicht als Autorintention, sondern als anachronistische Projektion des 19. Jahrhunderts auf die mittelalterliche Literatur ansehen, trotzdem finden sich Grundlagen für diese Art von Realitätsorientierung in der Vormoderne (S. 132 ff.).

118 Vgl. Schnell (2009), S. 95.

119 Vgl. Dimpel (2011), S. 154 ff.; Schnell (2005), S. 373; Koch (2008), S. 44 f.; Gerok-Reiter (2007b), S. 127 f.; vgl. inbesondere Raumann (2010): "Funktionale Fiktionalität ist damit konstitutiv für ein adäquates, mittelalterliches Literarizitätsverständnis, impliziert aber nicht zwingend Fiktionalität im Sinne einer Erfindung, deren Qualität sich aus der bewußten Preisgabe von Legitimationszusammenhängen ergibt und die damit eine literarische <Eigenständigkeit> erkennen läßt." (S. 27).

120 Vor allem Schmitt hat schon vor fast 30 Jahren die Parallelen von fiktionaler Literatur und ihre authentische Darstellung im Bezug auf das pathologische Phänomen von Iweins Wahnsinn plausibel herausgearbeitet; vgl. Wolfram Schmitt: Der 'Wahnsinn' in der Literatur des Mittelalters am Beispiel des 'Iwein' Hartmanns von Aue. In: Jürgen Kühnel, Hans-Dieter Mück, Ursula Müller, Ulrich Müller (Hrsg.): Psychologie in der Mediävistik. Gesammelte Beiträge des Steinheimer Symposions (=Göppinger Arbeiten zur Germanistik 431). Göppingen 1985, S. 197-213.

121 Vgl. auch die Einwände von Koch (2008), S. 48 ff.; zuletzt hat Rachel Raumann sich intensiv mit der Thematik von Fiktionalität in mittelalterlichen Romanen befasst; vgl. Dies.: Fictio und historia in den Artusromanen Hartmanns von Aue und im "Prosa-Lancelot". Tübingen 2010.

122 Dimpel (2011), S. 157; eine ähnliche Ansicht vertritt auch Krüger (2011): "Literarische Texte können eine Spielwiese für kulturanthropologische Themen sein. [...] Sie sind jedoch trotz ihres besonderen Status als fiktive Texte nie losgelöst von den Texten und Diskursen, den kulturellen Dynamiken und Zirkulationen ihrer Umgebung." (S. 305); auch Müller (2007): "Literarische Texte zeichnen sich dadurch aus, dass sie diese Vorgaben überschreiten und reflektieren. Sie 'handeln' Hierarchien, Widersprüche, Aporien, Abstimmungen zwischen divergierenden Angaben einer Kultur 'aus', indem sie sie prozessieren und wechselseitig perspektivieren." (S. 40).

123 Dimpel (2011), S. 154 f.

124 Vgl. Dimpel (2011), S. 136.

125 Vgl. Anz (2011): "Nach kognitionswissenschaftlichen Einsichten reicht es dabei meist aus, nur über Teilelemente eines Szenarios informiert zu sein." (S. 21).

126 Vgl. Dimpel (2011), S. 68.

127 Vgl. Dimpel (2011), S. 156.

128 Vgl. Winko (2003): "Semantisches Wissen ist propositionales Wissen über die Welt [...] aufgrund von Abstraktion und sprachlicher Vermittlung"(S. 79).

129 Vgl. Dimpel (2011), S. 141; vgl. grundsätzlich zum >Hörverstehen< den Aufsatz von Peter Paschke: Zum Problem der Authentizität in L2-Hörverstehenstests. In: FLuL 30 (2001), S. 150-166. Hier S. 151-154.

130 Vgl. Dimpel (2011), S. 137.

131 Vgl. Müller (2007), S. 40 f.

132 Gerok-Reiter (2007a), S. 417.

133 Marion Oswald (2006) zählt "Tabus zu den zentralen Organisations- und Kommunikationsformen von Kultur." (S. 67).

134 Vgl. Müller (2004): "Die literarische Fiktion ist also das Medium, in dem ein scheinbar nicht hinterfragbares Alltagsverständnis [...] selbst thematisch wird und insofern befragt werden kann. [...] Der Einzelne kann sich gegenüber der Gruppe auszeichnen [...] und er kann ihre Normen exemplarisch verfehlen (wie der Sünder), aber er hat nicht die Möglichkeit, sich in seiner Besonderheit von ihr abzusetzen." (S. 298).

135 Vgl. Dimpel (2011), S. 155.

136 Vgl. Germanistische Linguistik. Eine Einführung. Hrsg. v. Albert Busch und Oliver Stenschke. Tübingen 2007 (bachelor-wissen).13. Kapitel: Pragmatik, S. 215-224.

137 Dies ist vor allem im Erec der Fall, wobei Hartmann über den Status seiner fiktionalen Dichtung buchstäblich und >selbstbewusst< reflektiert; vgl. Marie-Sophie Masse: man sol einem w î be/ kiesen b î dem l î be/ ob si ze lobe st â t. Zu Lob und Beschreibung der Frauenschönheit im >Erec<. In: Vom Verstehen deutscher Texte des Mittelalters aus der europäischen Kultur. Hommage à Elisabeth Schmid. Hrsg. v. Dorothea Klein. Würzburg 2011 (Würzburger Beiträge zur Deutschen Philologie 35), S. 151-171. Hier S. 164-167. Vgl. auch Raumann (2010): "Der Aspekt der Fiktionalität wird damit in all seinen Schattierungen reflektiert, und darüber hinaus wird das Wissen um dieses Bedeutungssprektrum von fictio in dem Dialog zwischen Erzähler und Vrou Minne auch beim Rezipienten vorausgesetzt, wenn er in dem <Streitgespräch> der beiden Deutungsinstanzen ein ironisches Spiel mit der traditionellen Reflexion über bildliche Redeweise erkennt." (S. 286).

138 Hübner (2004), S. 139.

139 Schnell (2009), S. 83.

140 Schnell (2009), S. 85. Eine ähnliche Ansicht suggeriert Dimpel (2011), wenn er einen gravierenden "Unterschied zu Sympathiezuwendungen in der realen Welt" darin sieht, "daß in narrativen Texten die Darstellung von Innenleben möglich ist;" (S. 71).

141 Schnell (2005), S. 370.

142 Vgl. Schnell (2009), S. 92. Vgl. auch Dimpel (2011): "Studien zum Rezeptionsverhalten deuten an, daß Alltagswissen über das Verhalten realer Menschen auch auf literarische Figuren übertragen werden kann." (S. 121, Anm. 297). Die linguistische Theorie der >Frame- oder Scriptsemantik< wird rein sinngemäß adaptiert und dem entsprechend von der sprachpragmatischen Konzeption auf die literarische übertragen; vgl. Müller (2007), S. 17-23.

143 Auch bei Hartmann von Aue finden sich exemplarische Textstellen, für diese Art von provokanter Emotionsevokation; vgl. zum Beispiel Erec V5329 ff.

144 Vgl. Schnell (2009), S. 105.

145 Vgl. Schnell (2005), S. 397 f.

146 Vgl. Schnell (2005) S. 364.

147 Schnell (2005), S. 389.

148 Schnell (2009), S. 112.

149 Schnell (2005), S. 366.

150 Vgl. Koch (2008), S. 35.

151 Vgl. Friedrich Michael Dimpel: Die Zofe im Fokus. Perspektivierung und Sympathiesteuerung durch Nebenfiguren vom Typus der Confidente in der höfischen Epik des hohen Mittelalters. (Philologische Studien und Quellen 232) Berlin 2011; Ders.: Perspektivierung, Fokalisierung, Fokussierung und Sympathiesteuerung zur Einführung. Mit Beispielanalysen zum ‚Erec‘ Hartmanns von Aue. In: IASLonline [11.05.2012], <http://www.iaslonline.de/index.php vorgang_id=3623> (12.06.2012).

Ende der Leseprobe aus 135 Seiten

Details

Titel
Fragwürdige Helden. Sympathielenkende Erzählmethoden im "Armen Heinrich"
Untertitel
Anthropologische Zugänge zum Heldenbild Hartmanns von Aue
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (Institut für Deutsche Philologie)
Veranstaltung
Germanistische Mediävistik
Note
2
Autor
Jahr
2012
Seiten
135
Katalognummer
V229874
ISBN (eBook)
9783656453406
ISBN (Buch)
9783656453673
Dateigröße
1046 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
fragwürdige, helden, sympahtielenkende, erzählmethoden, armen, heinrich, anthropologische, zugänge, heldenbild, hartmanns
Arbeit zitieren
Tamara Niebler (Autor:in), 2012, Fragwürdige Helden. Sympathielenkende Erzählmethoden im "Armen Heinrich", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/229874

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