Das Internet als Schlüssel zur deliberativen Demokratie?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

13 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das Paradigma der deliberativen Demokratie
2.1 Die Rolle der Öffentlichkeit
2.2 Der Diskurs Bedeutung und Bedingungen

3 OnlineDiskurse im Licht deliberativer Ideale
3.1 Diskursplattform Internet Wirklich ausgeglichene Beteiligung?
3.2 Diskursplattform Internet Wirklich hohe Qualität?

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Das Internet hat seit Beginn seines Daseins allerlei Hoffnungen und Utopien im akademischen Diskurs hervorgebracht. Von Anfang an lag dabei der Fokus auf dem Verhältnis zur Politik. Die Erwartungen hinsichtlich der Auswirkungen des WWW auf die politische Arena erstreckten sich über eine große Bandbreite. Der Mainstream der Forschung sah in dem neuen Medium die Möglichkeit, die Gesellschaft (wieder) stärker zu politisieren. Die Bürger könnten durch das Internet frei und in einem öffentlichen Raum miteinander kommunizieren, Informationen bereitstellen, ihre Meinung leicht und kostengünstig artikulieren und dieser Aufmerksamkeit verschaffen. Dadurch würden die Chancen von allen Menschen steigen, ihre Interessen und Bedürfnisse in die öffentliche Arena einzuspeisen. Ferner könnte das Internet identitätsstiftend wirken und Gleichgesinnte sowie die Bürger allgemein näher zusammenbringen. Einige Forscher entwickelten sogar Konzepte wie das einer „elektronischen Demokratie“, die vor allem auf eine Stärkung des Plebiszits abzielen und die Trägheit und Schwere des repräsentativen Systems verdrängen sollten (Kunczik/Zipfel, 2005: 97). Auch der Diskurs sollte durch das Internet verändert werden. Durch den wesentlich einfacheren Zugang der Bürger zur Öffentlichkeit erhoffte man sich, dass sich dieser nun durch eine stärkere Präsenz an Teilnehmern aus der Peripherie auszeichnen, mehr von Argumenten geprägt und fairer, offener und einflussreicher sein würde als bisher. Damit wurde dem neuen Medium nichts weniger als die Kraft zugeschrieben deliberative Ideale zu verwirklichen. Doch reicht die Erfindung eines neuen Kommunikationsraums, um die Bürger stärker zu politisieren und damit die Demokratie zu stärken, vielleicht sogar zu verbessern? Ist das Internet als neue Diskursplattform der Schlüssel zur deliberativen Demokratie? Der zweiten Frage soll in der folgenden Hausarbeit nachgegangen werden. Demnach gliedert sich diese Arbeit in zwei Teile. In einem ersten, theoretischen Teil sollen auf die grundsätzlichen, demokratietheoretischen Überlegungen des hierzulande entscheidend von Jürgen Habermas geprägten, deliberativen Paradigmas eingegangen werden. Ein besonderes Augenmerk soll in diesem Abschnitt auf der Bedeutung von Öffentlichkeit und Diskurs für das politische System liegen. Der Schwerpunkt der Arbeit konzentriert sich allerdings auf den zweiten, empirischen Teil. Durch das Heranziehen von zwei Studien, die mit der Gleichheit der Partizipation und der Qualität des Diskurses jeweils zwei zentrale Elemente des normativen Ideals thematisieren, soll überprüft werden, inwieweit das Netz diese Ideale verwirklichen kann. Während das Konzept der deliberativen Demokratie mittlerweile auch außerhalb Politikwissenschaft zum Standard gehört, ist das

Forschungsfeld zu Studien, die sich mit Diskurs und Deliberation im Internet beschäftigen, noch sehr jung. Deshalb ist es besonders interessant, ob und wie deliberative Ideale in OnlineDiskursen verwirklicht werden. Wenn also nachfolgend von OnlineDiskursen die Rede ist, so sind damit immer politische Diskurse im Internet gemeint. Aufgrund der Tatsache, dass wissenschaftliche Publikationen immer mit einer gewissen Zeitverzögerung in die Fachwelt einfließen, haben neben der Fachliteratur schließlich auch Zeitungsartikel fruchtbares Material zur Ausarbeitung dargestellt.

2 Das Paradigma der deliberativen Demokratie

Das Konzept der deliberativen Demokratie ist mittlerweile zu einem modernen Klassiker der Demokratietheorie geworden. Wie Hüller bemerkt, gibt es in der Fachwelt jedoch mehrere, zum Teil unterschiedliche Auffassungen darüber, was man unter einer deliberativen Demokratie versteht (vgl. Hüller, 2005: 14). Deshalb bedarf es vorab einer Klarstellung. Wenn also nachfolgend von deliberativer Demokratie die Rede ist, so muss darauf hingewiesen werden, dass damit ausdrücklich vom Habermas’schen Verständnis gesprochen wird. Das hat für diese Arbeit zwei entscheidende Vorteile: Zum einen bezieht diese Konzeption von der Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft ihre Rechtfertigung aus den Überlegungen zur Diskursethik und schreibt damit dem öffentlichen Diskurs innerhalb der Volksherrschaft entscheidende Bedeutung zu. Zum anderen orientieren sich viele empirische Studien zu OnlineDiskursen an Habermas (vgl. Albrecht, 2010: 36).

2.1 Die Rolle der Öffentlichkeit

Die deliberative Demokratie ist, wie andere Demokratietheorien auch, eine normative Auffassung darüber, wie eine gute demokratische Ordnung aufgebaut sein soll. In der Auffassung von Jürgen Habermas spielt die Öffentlichkeit als kommunikativer Raum zwischen Gesellschaft und politischem System eine essentielle Rolle. Diese soll nun näher beleuchtet werden. Die Habermas‘sche Öffentlichkeit ist eine politische Öffentlichkeit und zeichnet sich durch sachliche, zeitliche und soziale Unbegrenztheit aus. Sachlich, weil die Themen, die in der Öffentlichkeit diskutiert werden, prinzipiell von allgemeinem Interesse sein müssen, also soziale Interessenskonflikte Gegenstand der Diskussion sind. Temporal, da immer neue Ansichten in den intermediären Raum eingebracht und artikuliert werden können und auch sollen. Auch bereits schon einmal geführte Diskussionen sind so im Kontext aktueller Auseinandersetzungen von Bedeutung und können jederzeit wieder aufgegriffen werden. Auf der sozialen Ebene bedeutet dies schließlich, dass die Konversationen, die im öffentlichen Raum stattfinden nie nur ein persönliches Gespräch zwischen zwei Akteuren darstellen, sondern durch die Verbreitung via Massenmedien prinzipiell alle Menschen einer Gesellschaft erreichen können (vgl. Albrecht, 2010: 45/46). Ferner wird die öffentliche Sphäre in der deliberativen Demokratie aus der Rolle des passiven Kontrolleurs des politischen Systems herausgelöst. Stattdessen agiert sie aktiv als AgendaSetter, indem sie Meinungen in der Gesellschaft aufgreift, bündelt und artikuliert, auf Missstände hinweist und einen Raum für Kritik schafft. Der Druck, der dadurch auf den Staat ausgeübt wird, soll nicht nur künftige Entscheidungen beeinflussen, sondern auch dem politischen Prozess zu mehr Transparenz verhelfen, kurz: eine stärkere Verknüpfung von Politik und Gesellschaft bewirken (vgl. Schwaabe, 2007: 139). Diese Konstitution von Öffentlichkeit erscheint jedoch nur mit der Existenz von Massenmedien verwirklichbar, da sie die grenzenlose Kommunikation in den verschiedenen Dimensionen erst ermöglichen. Sie erfüllen außerdem die benötigten Leistungen wie Auswahl und Positionierung von Standpunkten und ständige Beobachtung der Politik (vgl. Albrecht, 2010: 48). Da sich jedoch jegliche Massenmedien als Wirtschaftsunternehmen neben dem politischen Tagesgeschehen auch am Markt orientieren müssen, könnte die Qualität der Diskurse darunter leiden. Deshalb konstituiert sich Öffentlichkeit nicht allein durch die Massenmedien. Vielmehr kann die Öffentlichkeit als Plattform der Bürger angesehen werden, die sich lediglich der Massenmedien bedienen, um über verschiedene Standpunkte und allgemein relevante Probleme zu beraten und moralische Fragen abzuwägen.

2.2 Der Diskurs Bedeutung und Bedingungen

Diese Form der Kommunikation, die als Diskurs bezeichnet wird, spielt in der Demokratietheorie die zentrale Rolle (vgl. Martinsen, 2010: 52). Im Habermas’schen Verständnis ist der Diskurs „ ein Prozess, in dem es darum geht, die Gültigkeit der mit einer Äußerung erhobenen Ansprüche zu klären“ (Albrecht, 2010: 53). Das bedeutet, dass Akteure in einem Dialog ständig zweifelnd die Gültigkeit der Ansprüche des Gegenübers prüfen, ohne den anderen dabei einzig und allein von den Eigenen überzeugen zu wollen. Gegenstand des Diskurses können vielerlei Dinge sein, für eine deliberative Demokratie relevante Diskurse drehen sich aber um die Begründung von Normen und die politische Willensbildung, also Angelegenheiten, die alle betreffen. Da der Diskurs für die deliberative Demokratie von so außergewöhnlicher Wichtigkeit ist, sind an ihn eine Reihe von Bedingungen geknüpft, die von den beteiligten Akteuren akzeptiert und erfüllt werden müssen. (ebd.) Die erste und oberste Voraussetzung ist, dass der Diskurs argumentativ gestaltet wird, d.h. die Akteure ihre eigenen Ansprüche, aber auch die Kritik am Anderen, rational begründen. Sie beziehen sich dabei immer auf vorausgegangene Aussagen des Gegenübers und müssen auch bereit sein, den eigenen Standpunkt durch die überzeugende Kraft eines Arguments zu überdenken (vgl. Albrecht, 2010: 55). Durch die Festlegung auf den argumentativen Stil der Unterredung, ist es ausgeschlossen, dass eine Person durch Äußerlichkeiten wie Macht, Prestige oder Geld das hin und hergehende Gespräch dominiert. Aufgrund dessen wird in der Literatur auch gerne davon gesprochen, dass der Diskurs „herrschaftsfrei“ gestaltet sein muss (vgl. Martinsen, 2010: 50). Die Deliberation muss ferner öffentlich und frei zugänglich sein, was bedeutet, dass für alle Betroffenen Chancengleichheit der Beteiligung gelten muss. Auch die bereits im Zuge des Öffentlichkeitsentwurfs angesprochene sachliche, soziale und zeitliche Dimension sind konstitutiv. Das heißt, dass der Diskurs für alle unmittelbar oder möglicherweise Betroffenen relevant ist, kein zeitliches Limit besitzt und sich inhaltlich über ein unendliches Themenspektrum erstrecken kann (vgl. Schmidt, 2010: 243). Letztlich müssen die Teilnehmer an einem Konsens interessiert sein. Nur, wenn die Akteure bereit sind, auch eine vom ursprünglichen Standpunkt abweichende Meinung zu akzeptieren, kann der Diskurs ein für alle zufriedenstellendes, weil durch „den zwanglosen Zwang des besseren Arguments“ (Albrecht, 2010: 60) begründetes Ergebnis liefern. Diese zugegebenermaßen anspruchsvollen Voraussetzungen für einen Diskurs bewirken zweierlei. Erstens genießt das Ergebnis eine größere Legitimation, da der Konsens durch vernünftige Akteure in einem rationalen, fairen Prozess erzielt wurde. Der Konsens ist für Habermas allen anderen Formen des politischen Ausdrucks überlegen und besitzt gegenüber dem politischen System einen höheren Anspruch. (vgl. Schmidt, 2010: 242). Zweitens wird mit den hohen Anforderungen, die an die öffentliche Auseinandersetzung über strittige Geltungsansprüche geknüpft sind, das Augenmerk auf die Qualität des Diskurses gerichtet. Der normative, zuweilen abstrakte Begriff des Diskurses öffnet sich somit der Überprüfung an der Realität, bekommt also eine empirische Dimension (vgl. Schwaabe, 2007: 139). Im nun folgenden zweiten Teil werden deshalb Studien beleuchtet, die sich im Lichte normativer Deliberationsideale der Realität von OnlineDiskursen zuwenden. Dabei stellt sich natürlich die Frage: Erfüllen OnlineDiskurse die deliberativen Ideale der Habermas’schen Demokratiekonzeption oder sind die Erwartungen zu hoch?

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Das Internet als Schlüssel zur deliberativen Demokratie?
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München  (IfKW)
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
13
Katalognummer
V230043
ISBN (eBook)
9783656458777
ISBN (Buch)
9783656459767
Dateigröße
439 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Diskurs, Internet, Internetdemokratie, Deliberative Demokratie, Habermas, Diskursstandards
Arbeit zitieren
Christian Orth (Autor:in), 2013, Das Internet als Schlüssel zur deliberativen Demokratie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230043

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