Der Innovationssystem-Ansatz

Überblick und aktuelle Herausforderungen


Diplomarbeit, 2006

83 Seiten, Note: 1,30


Leseprobe


II Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1 EINLEITUNG

2 GRUNDLAGEN.
2.1 KOOPERATION UND NETZWERKE ALS GRUNDLAGE VON INNOVATIONSSYSTEMEN.
2.2 SPILLOVER, TAZITES WISSEN UND DIE BEDEUTUNG VON RÄUMLICHER NÄHE
2.3 DER CLUSTER-ANSATZ.

3 DIE INNOVATIONSSYSTEM-ANSÄTZE
3.1 BEGRIFFSKLÄRUNG
3.1.1 Definition von Innovation
3.1.2 Definition von System
3.1.3 Definition von Innovationssystem
3.2 DAS REGIONALE INNOVATIONSSYSTEM
3.2.1 Arten Regionaler Innovationssysteme.
3.2.2 Regionale Innovationssysteme, externes Wissen und nationale Institutionen.
3.3 DAS NATIONALE INNOVATIONSSYSTEM.
3.3.1 Die Rolle von Institutionen im Innovationssystem-Ansatz.
3.3.2 Nationale Innovationssysteme, Globalisierung und Regionalisierung
3.4 DAS INTERNATIONALE INNOVATIONSSYSTEM
3.5 DAS SEKTORALE INNOVATIONSSYSTEM
3.6 DAS TECHNOLOGISCHE INNOVATIONSSYSTEM

4 ZUSAMMENFASSUNG DER ERKENNTNISSE
4.1 GEMEINSAMKEITEN UND UNTERSCHIEDE DER INNOVATIONSSYSTEM-ANSÄTZE.
4.2 WANN WELCHER ANSATZ SINNVOLL IST

5 SCHLUSSBETRACHTUNG

LITERATURVERZEICHNIS

VERZEICHNIS DER INTERNETQUELLEN

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: DasNIS im Spannungsfeld von Regionalisierung und Internationalisierung

Abbildung 2: Technologie, Design Space und Sektoren

Abbildung 3: Der Innovationsprozess im Technologischen Innovationssystem

IV Tabellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Vorteile von Kooperationen

Tabelle 2: Definitionen von Innovation

Tabelle 3: Wesentliche Elemente eines Innovationssystems

Tabelle 4: Wesentliche Aktivitäten in einem Innovationssystem

Tabelle 5: Die wichtigsten formalen und informellen Institutionen

Tabelle 6: Wichtige europäische Organisationen auf dem Weg zum Internationalen IS.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Bedeutung von Innovation als ein entscheidender Faktor für wirtschaftliches Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen und Branchen, aber auch ganzer Regio- nen und Volkswirtschaften, ist in der heutigen ’wissensbasierten Wirtschaft’ unbestritten. Durch Innovation sind Unternehmen in der Lage ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und so zum Wachstum und Wohlstand ihrer Region und Nation beizutragen. Die zunehmende technologische Komplexität neuer Produkte und Verfahren, der steigende Wettbewerbsdruck einer globalisierten Wirtschaft und die damit einhergehende Verkürzung der Produktlebenszyklen, machen es den einzelnen Akteuren jedoch zunehmend schwer, die erforderliche Innovationsleistung im Alleingang zu erbringen. Entsprechend basiert der moderne Innovationsprozess weniger auf den Leistungen einzelner Individuen oder Unter- nehmen, als vielmehr auf der Interaktion einer Vielzahl von heterogenen Akteuren in koope- rativen Netzwerken und Systemen. An dieser Interaktion beteiligt sind neben vertikal verbun- denen Unternehmen (Zulieferer und Abnehmer), auch Wettbewerber und Dienstleiter, sowie Akteure der Wissenschaft (Universitäten, Forschungs- und Transfereinrichtungen) und Politik (Ämter, Behörden und Ministerien). Nur durch die Realisierung von Synergieeffekten aus der Vernetzung und Verschmelzung heterogener Wissensbasen und Kompetenzen, können die erforderlichen Ressourcen freigesetzt und auf effiziente Weise im Innovationsprozess einge- setzt werden. Die Beziehungen zwischen diesen Akteuren beinhalten sowohl den Transfer von Gütern und Dienstleistungen über den Markt, als auch den informellen Austausch von Wissen und Information. Damit eine derartige Interaktion überhaupt möglich ist, bedarf es eines gemeinsamen, institutionellen Rahmens (Gesetze, Normen, Regeln, Verhaltensweisen etc.), in welchen sowohl die Akteure selbst, als auch deren Beziehungen eingebunden sind. Das sich aus diesen Zusammenhängen ergebende System institutionell determinierter Inter- aktion, ist gekennzeichnet von Interdependenzen, Wechselwirkungen und Feedback zwi- schen seinen Elementen. Die Veränderung nur einer Komponente, führt auch zu einer Ver- änderung des Systems als Ganzes. Neues Wissen beispielsweise, erweitert die Wissensba- sis des betreffenden Bereiches (Region, Nation, Technologie, Sektor) und eröffnet neue technologische oder organisatorische Möglichkeiten und Marktchancen. In dem Bestreben diese auch wirtschaftlich zu nutzen, kommt es sowohl zur Entstehung neuer, als auch zu einer Veränderung der bereits bestehenden Organisationen, Beziehungen und Institutionen. Diese Zusammenhänge auch innerhalb eines theoretischen Modells auf konsistente Weise abzubilden, ist ein wichtiges Ziel der modernen Wirtschaftswissenschaften. Makroökonomi- sche Modelle, wie die ’Neue Wachstumstheorie’, berücksichtigen zwar die Notwendigkeit von endogenem Technologischem Fortschritt, sie sind jedoch nicht in der Lage, dessen Zustan- dekommen zu erklären. Zu komplex sind die Prozesse und Zusammenhänge, welche die Generierung, Diffusion und Nutzung von Innovation bestimmen, als dass man sie auf der makroökonomischen Ebene verstehen könnte. Um diese komplexen und vielschichtigen Zu- sammenhänge abzubilden, zu verstehen und eventuell zu beeinflussen, bedarf es eines dy- namischen Ansatzes, welcher möglichst alle relevanten Komponenten und deren parallel verlaufende Entwicklungsprozesse, schon auf der Mikro-Ebene berücksichtigt. Der Ansatz des Innovationssystems will genau dies leisten. Indem er es ermöglicht, sowohl die Gesamt- heit der beteiligten Akteure und Institutionen, als auch die Vielschichtigkeit von deren Bezie- hungen und Interaktionen untereinander zu berücksichtigen, liefert er ein umfassendes Ver- ständnis des modernen, von kollektivem Lernen, Nicht-Linearität und Pfadabhängigkeit ge- kennzeichneten Innovationsprozesses. Seinen Ursprung hat der mittlerweile sowohl unter Akademikern, als auch in der Politik weit verbreitete Ansatz, in dem Anfang der 90er Jahre entstandenen Ansatz des Nationalen Innovationssystems (Freeman, 1987; Lundvall, 1992 und Nelson, 1993). Nicht lange danach entstanden auch die Ansätze des Technologischen Innovationssystems (Carlsson und Stankiewicz, 1995), des Sektoralen Innovationssystems (Breschi und Malerba, 1997) und des Regionalen Innovationssystems (Cooke et al., 1997; Braczyk et al., 1998). Sie alle basieren auf denselben, grundlegenden Annahmen, unter- scheiden sich jedoch in Hinblick auf ihre Perspektive und die Dimension anhand welcher sie sich definieren und voneinander abgrenzen. Trotz seines noch relativ jungen Alters erfreut sich der Innovationssystem-Ansatz (IS-Ansatz) schon heute einer weiten Anerkennung und Verbreitung, nicht nur in der wissenschaftlichen Theorie, sonder auch in der wirtschaftlichen und politischen Praxis. Wenn die OECD etwa von der ’knowledge based economy’ (OECD, 1996) spricht, so verweist dies auf die enorme Bedeutung, welche dem (technologischen) Wissen als ’viertem Inputfaktor’ (Bullinger et al., 2004) zukommt. Je komplexer die Aufgabe, desto wichtiger wird das Wissen und die Erfahrung auch anderer Akteure. Immer mehr sind deshalb auch Innovationsprozesse durch Arbeitsteilung und Spezialisierung charakterisiert. Kommunikation, Interaktion und Kooperation unter den wirtschaftlichen Akteuren werden zunehmend als Voraussetzung erfolgreichen Innovierens erkannt. Sie haben Einfluss sowohl auf die Input- als auch auf die Output-Seite unternehmerischer Innovationsanstrengungen. Diesem Umstand wird auch von Seiten der Politik Rechnung getragen, beispielsweise indem F&E-Kooperationen und die gemeinsame Nutzung der daraus hervorgehenden Resultate in vielen Staaten eine der grundlegenden Ausnahmen des Wettbewerbsrechts ist.

2 Grundlagen

Zentraler Aspekt und Grundlage des Innovationssystems ist die Interaktion seiner Akteure in Kooperationen und Netzwerken. Insbesondere die territorialen Ansätze berufen sich darüber hinaus auf die Vorteile von räumlicher Konzentration von innovativer Tätigkeit in sogenannten ‘Clustern‘. Bevor wir uns also den Innovationssystemen zuwenden, sollen zunächst diese Grundlagen genauer erläutert werden.

2.1 Kooperation und Netzwerke als Grundlage von Innovationssystemen

“Firms almost never innovate in isolation.” 1

In einer Welt schnellen technologischen Wandels, zunehmender Globalisierung und Kom- plexität sowie sich ständig verändernder Arbeits- und Marktbedingungen, werden Information und Wissen zum vierten und wichtigsten Produktionsfaktor (vgl. Bullinger et al., 2004). In dieser ’knowledge based economy’ (OECD, 1996) ist Innovation ein ’strategic general concept’ (EU, 2002) und der treibende Faktor nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums und Wohlstands. Die hohe Komplexität technologischer Neuheiten führt jedoch dazu, dass ein- zelne Individuen und Unternehmen kaum mehr in der Lage sind, die erforderlichen Techno- logien und Informationen vollständig zu beherrschen (vgl. Tether, 2002; Kash und Rycroft, 2002; Pyka, 2002; Narula 2004a und b). Je komplexer die Aufgabe, desto wichtiger wird das Wissen und die Erfahrung auch anderer Akteure (Carlsson und Stankiewicz, 1995). Immer mehr ist deshalb auch der Innovationsprozess durch Arbeitsteilung und Spezialisierung cha- rakterisiert. Kommunikation, Interaktion und Kooperation unter den wirtschaftlichen Akteuren werden zunehmend als Voraussetzung erfolgreichen Innovierens erkannt. Sie haben Ein- fluss sowohl auf die Input- als auch auf die Output-Seite unternehmerischer Innovationsan- strengungen. Sie ergänzen unternehmensinterne Innovationsanstrengungen und erhöhen deren Intensität und Erfolgswahrscheinlichkeit (vgl. Becker und Dietz, 2004). Diesem Um- stand wird auch von Seiten der Politik Rechnung getragen, beispielsweise indem F&E- Kooperationen und die gemeinsame Nutzung der daraus hervorgehenden Resultate in vielen Staaten eine der grundlegenden Ausnahmen des Wettbewerbsrechts ist (vgl. Gonzáles- Maestre und Peñarrubia, 2005). Auf Grund dieser Zusammenhänge ist seit den 80er Jahren eine stetige Zunahme kooperativer Beziehungen zwischen Unternehmen zu beobachten.

Tabelle 1: Vorteile von Kooperationen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Betrachtet man die wirtschaftliche Realität, so wird klar, dass sich die eben beschriebenen Kooperationen in der Regel nicht auf Allianzen von nur zwei Akteuren beschränken. Nahezu jeder Akteur unterhält Beziehungen zu mehreren anderen Akteuren, welche ihrerseits eben- falls Beziehungen unterhalten. Je nach aktuellem Bedarf suchen sich Unternehmen neue Kooperationspartner und trennen sich von bisherigen (Cowan et al., 2005). Auf diese Weise entstehen Netzwerke von kooperierenden und interagierenden Personen, Organisationen und Institutionen. Diesem Umstand wird in der Literatur durch den mittlerweile auch im Zu- sammenhang mit Innovation weit verbreiteten Netzwerkansatz Rechnung getragen. Nach dem Erfinder und Entrepreneur (Mark I) und der organisationsinternen F&E (Mark II), ist heu- te das Netzwerk (Mark III) der Entstehungsort von Innovation (Vgl. Freeman und Soete, 1997). Diese Abkehr von der Vorstellung eines linearen Innovationsprozess wurde unter- stützt, durch die Abkehr vom bis dato im Zusammenhang mit Netzwerken dominierenden Transaktionskosten-Ansatzes (TKA). Der TKA konzentriert sich zur Erklärung von Netzwer- ken lediglich auf die kostenreduzierenden Effekte und vernachlässigt die Wirkungen einer solchen Kooperation in Bezug auf die Generierung und Verbreitung neuen Wissens. Erst durch die Neue Industrieökonomik und die wissensbasierten Ansätze gelangte der Netz- werkansatz zu seiner derzeitigen Popularität auch im Zusammenhang mit Innovation (für einen Überblick über diese Entwicklung vgl. Pyka, 2002). Diesen Ansätzen folgend, macht die begrenzte Rationalität der einzelnen Akteure die Kooperation von mehreren heterogenen Akteuren in einem dynamischen Prozess der Wissensgenerierung und Innovation erforder- lich. Dies ermöglicht ein höheres Maß an Arbeitsteilung und Spezialisierung, sowie die Rea- lisierung von Synergien aus der Verschmelzung heterogenen Fachwissens. “In Networks new technological opportunities are created via technological complementarities and syner- gies by bringing together different technological and economic competencies.” 2

2.2 Spillover, tazites Wissen und die Bedeutung von räumlicher Nähe

“Spatial proximity seems to enhance interactive processes that allow knowledge exchange and innovation. “ 3

Häufig wird argumentiert, dass auf Grund der Öffnung der Märkte, den Entwicklungen im Bereich geistiger Eigentumsrechte und den Fortschritten in der Informations- und Kommuni- kationstechnologie neues Wissen beinahe unverzüglich weltweit zur Verfügung steht. Be- obachtungen und empirische Untersuchungen hingegen lassen erkennen, dass die Wirt- schafts- und Innovationstätigkeiten einer Branche oder bezüglich einer bestimmten Techno- logie keineswegs gleichmäßig verteilt sind, sondern häufig in räumlicher Konzentration statt- finden (vgl. Porter, 1990, 1998; Feldman, 1994; Ohmae, 1995; Gertler, 1995; Storper, 1997; Malmberg und Maskell, 1997; Scott, 1998). Dabei scheinen es genau die Effekte der Globa- lisierung zu sein, welche die Tendenz zu Regionalisierung fördern: “( … ) therein lies a para- dox: the enduring competitive advantages in a global economy lie increasingly in local things - knowledge, relationships, motivation - that distant rivals cannot match. “ 4 Breschi und Malerba (2001) sprechen in diesem Zusammenhang von der ’coexistence of localization and globalisation’, Asheim und Gertler (2004) von der ’dual geography’. Freier internationaler Handel, sinkende Transportkosten und globaler Informationsaustausch ermöglichen den Unternehmen erst die Nutzung von Agglomerationsvorteilen, ohne dabei in anderen Belangen Nachteile in Kauf nehmen zu müssen (vgl. Krugman, 1991; Cook, 2003). So gibt es einige gute Argumente, welche dafür sprechen, dass räumliche Nähe für die Diffusion von Wissen und den Innovationsprozess, nach wie vor eine entscheidende Rolle spielt. Hierzu zählen neben den sogenannten ’Spillover’ auch die Bedeutung des ’taziten Wissens’ für den Innovationsprozess sowie die ’absorptiven Fähigkeiten’ der beteiligten Akteure.

Als ’ Spillover ’ bezeichnet man externe Effekte in Form der Diffusion von Wissen, Information und Know-how, welche bei der Interaktion von Individuen und Organisationen entstehen. Diesen Spillover wird bei der Generierung von Innovation eine entscheidende Rolle beige- messen, da sie die kostengünstige Erschließung externen Wissens ermöglichen und so neue technologische Möglichkeiten eröffnen (vgl. Nelson, 1993; Feldmann, 1994; Audretsch und Feldmann, 1996; Baptista und Swann, 1998; Breschi und Lissoni, 2001a, b; Malmberg und Maskell, 2002). Die Effizienz und Geschwindigkeit dieser Effekte, so die Argumentation, hängt entscheidend von der räumlichen Nähe der beteiligten Akteure ab (vgl. Pavitt, 1988; Jaffe, 1989; Acs et al., 1992; Jaffe et al., 1993; Malmberg und Power, 2005; Funke und Nie- buhr, 2005). “The importance of knowledge spillovers can make geographical proximity vital for innovative activity.” 5 Neben der kommunikationsförderlichen räumlichen Nähe wird dies auch damit begründet, dass die Akteure eines bestimmten geografischen Gebietes Gemein- samkeiten in Bezug auf Sprache, Interpretationsmuster und Wissensbasis haben, was die Interaktion und Kommunikation erleichtert und fördert (vgl. Lawson und Lorenz, 1999; Grabher, 2002a). Weiterhin weisen auch die Mechanismen des Spillover eine starke, räumli- che Komponente auf. Als die wichtigsten dieser Mechanismen gelten neben Imitation und F&E-Kooperationen, vor allem die Mobilität qualifizierten Schlüsselpersonals (vgl. Song et al., 2003; Power und Lundmark, 2004; Singh, 2005) und der persönliche, informelle Kontakt (vgl. Saxanian, 1994; Feldmann, 1999; Breschi und Lissoni, 2001a, b, 2003). In Bezug auf die Mobilität von Arbeitskräften zwischen Unternehmen wird die räumliche Komponente meist durch Suchkosten, Risikoaversion und das Bestehen sozialer Beziehungen begründet (vgl. Malmberg und Power, 2005). Am deutlichsten erkennbar sind die Vorteile räumlicher Nähe jedoch in Verbindung mit der informellen Interaktion, für deren Zustandekommen sie sogar als Voraussetzung gesehen wird (vgl. Saxanian, 1994; Storper und Venables, 2004).

Spillover, räumliche Nähe und informellen Kontakte spielen auch bei einem Phänomen eine wichtige Rolle, welches als ’something in the air’ (Marshall, 1890), ’buzz’ (Storper und Venables, 2002), ’local broadcasting’ (Owen-Smith und Powell, 2002), oder ’noise’ (Grabher, 2002b) bezeichnet wird. Diese Begriffe beschreiben die Informations- und Kommunikationskultur, wie sie durch informelle und persönliche Kontakte, auf intendierte oder nicht intendierte Weise zwischen den technologisch ähnlichen Unternehmen einer Region entstehen. Dabei wird bisweilen argumentiert, dass schon allein die Präsenz in einem solchen ‘Cluster‘ ausreicht, um von diesem ’buzz’ zu profitieren, denn Neuigkeiten, Gerüchte sowie Technologie und Markt relevante Informationen kursieren unter allen ansässigen Unternehmen (vgl. Gertler, 1995; 2003; Grabher, 2002a; Bathelt, 2005).

Im Zusammenhang mit Spillover gilt es jedoch zu beachten, dass diese nicht ausschließlich positive Wirkungen auf die Innovationstätigkeiten haben. Durch sie wird Wissen nicht nur in ein Unternehmen hinein-, sondern auch aus ihm hinausgetragen (vgl. Belderbos et al., 2004a). Spillover entstehen auf Grund der unvollständigen Aneignung neuen Wissens durch seine Erzeuger. Neues Wissen wird dadurch zu einem öffentlichen Gut, auf welches auch Akteure Zugriff haben die hierfür keine entsprechende Gegenleistung erbringen. Da die Ge- nerierung von Wissen jedoch mit Kosten und Anstrengungen verbunden ist, sind die Unter- nehmen umso weniger bereit diese auf sich zu nehmen, je mehr Unbeteiligte davon profitie- ren. Entsprechend mindern Spillover den Anreiz der Unternehmen selbst in F&E zu investie- ren. Aus diesem Grund ist die Konkurrenz einem kooperativen Verhalten zumindest dann vorzuziehen, wenn die Bedeutung von Spillover groß und die Möglichkeiten der Aneignung gering sind (vgl. González-Maestre und Peñarrubia, 2005). Je mehr ein Unternehmen in der Lage ist, sein Wissen zu schützen, desto eher ist es auch gewillt zu kooperieren (vgl. Bönte und Keilbach, 2005) - wäre das Phänomen der ’Nicht-Aneigbarkeit’ und somit der Spillover hingegen vollständig, so gäbe es weder einen Anreiz zu eigener F&E noch zu Kooperation.

Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass Unternehmen zumindest einen gewissen Einfluss darauf haben, welche Informationen nach außen dringen und in welchem Umfang dies der Fall ist. Durch die Möglichkeiten zur Sicherung geistigen Eigentums (z.B. Patentrecht), sowie der Ausgestaltung von Arbeits- und Kooperationsverträgen, bieten sich den Unternehmen wirksame Instrumente den Informationsabfluss zu steuern. Entsprechend argumentieren einige Autoren, dass Spillover keineswegs unkoordiniert von Statten gehen, sondern vielmehr innerhalb bestimmter ’epistemischer Gruppen’ oder ’Clubs’ ablaufen, weshalb lediglich deren Mitglieder und bei weitem nicht alle Akteure einer Region davon profitieren (vgl. Breschi und Lissoni, 2001b; Malmberg und Power, 2005).

Neben dem Zustandekommen von Spillover ist es auch die Beschaffenheit des dabei ausge- tauschten Wissens, welche der räumlichen Nähe eine besondere Bedeutung für den Innova- tionsprozess zukommen lässt. Man unterscheidet hierbei zwischen so genanntem ’ tazitem Wissen ’ (Polanyi, 1967) und ’kodifiziertem Wissen’ (explizitem Wissen). Während letzteres in Form von Beschreibungen, Abbildungen, Plänen oder Artefakten relativ einfach verschlüsselt und auch über weite Distanzen kommuniziert werden kann, entsteht ersteres durch ’learning by doing’ (Arrow, 1962), ’by using’ (Rosenberg, 1982) und ’by interacting’ (Lundvall, 1988) nach dem ’Versuch-und-Irrtum-Prinzip’ (vgl. Cowan et al., 2000). Es beruht entsprechend auf Erfahrungswerten und ist deshalb eingebettet in Personen, Organisationen und deren Bezie- hungen untereinander. Um es zu erlernen bedarf es der täglichen Übung und Anwendung (Nelson und Winter, 1982), des informellen persönlichen Kontakts oder des Personaltrans- fers (vgl. Saxanian, 1994; Maskell und Malmberg, 1999; Breschi und Lissoni, 2001b; Pavitt, 2002; Asheim und Gertler, 2004). Da dieses tazite Wissen entsprechend nicht über elektro- nische Medien vermittelt werden kann, (vgl. Maskell und Malmberg, 1999) wird es auch als ’sticky knowledge’ bezeichnet (vgl. Von Hippel, 1994; Malmberg, 1996; Asheim und Isaksen, 2002; Gertler, 2003). Auf Grund der zunehmenden Verbreitung kodifizierten Wissens mittels modern IK-Technologien gewinnt das tazite Wissen noch zusätzlich an Bedeutung für den Aufbau und Erhalt eines komparativen Vorteils (vgl. Maskell und Malmberg, 1999; Asheim und Gertler, 2004). “The ’ stickiness ’ of some form of knowledge is seen as one of the few remaining genuinely localised phenomena in the current global economy. “ 6 Entsprechen steigt die Tendenz zu räumlicher Konzentration von Industrien, je größer der tazite Anteil an deren Wissensbasis ist (vgl. Patel und Pavitt, 1991; Malmberg und Maskell, 1997; Baptista und Swann, 1998; Lawson und Lorenz, 1999; Quintana-Garcia und Benavides-Valesco, 2005). Gerade diesem taziten Wissen, welches nicht ohne weiteres kommuniziert und jedem zugänglich gemacht werden kann, wird ein hoher Neuheitswert und damit besondere Rele- vanz in Bezug auf Innovation zugesprochen (vgl. Maskell und Malmberg, 1999; Pavitt, 2002). Aus diesem Grund ist diese Art von Wissen insbesondere am Anfang des Technologie- Lebenszyklus von großer Bedeutung (Lundvall, 1988). Je ’reifer’ und standardisierter eine Technologie ist, desto geringer ist der Anteil taziten Wissens und desto mehr stehen kosten- reduzierende Mengen- und Verbundeffekte im Vordergrund räumlicher Agglomeration (vgl. Caniels und Romijn, 2005).

Im Vorangegangene wurde argumentiert, dass Unternehmen durch räumliche Nähe und die damit verbundenen Spillover Zugang zu innovationsrelevantem Wissen haben, welches lokal (technologiespezifisch), zumindest teilweise tazit (unternehmensspezifisch) und zumeist auch komplex (auf mehreren Technologin basierend) ist und deshalb nicht als frei verfügbar angesehen werden kann (vgl. Pyka, 2002). Um dieses Wissen auch nutzen zu können, be- darf es jedoch der entsprechenden ’ absorptiven Fähigkeiten ’ (Cohen und Levinthal, 1989), welche erst die Interpretation, das Verständnis und damit die Nutzung des verfügbaren Wis- sens ermöglichen (vgl. Miotti und Sachwald, 2003; Fritsch, 2003a; Powell und Grodal, 2004). Unter ’absorptiver Fähigkeit’ versteht man entsprechend “the firm ’ s ability to identify, assimi- late, and exploit knowledge from the environment. “ 7 Zum Aufbau dieser absorptiven Fähig- keiten bedarf es neben der Kooperation mit anderen Unternehmen auch einer kontinuierli- chen, eigenen F&E (vgl. Cohen und Levinthal, 1989). Nur im Wechselspiel von Kooperation und eigenen Anstrengungen können die benötigten absorptiven Fähigkeiten aufgebaut und erhalten werden (vgl. Koschatzky und Sternberg, 2000). Entsprechend verfügen große Un- ternehmen mit einer starken internen F&E über umfangreichere absorptive Fähigkeiten (vgl. Narula und Zanfei, 2005), was auch deren größere Bereitschaft zu Kooperation erklärt. Je näher ein Unternehmen dabei der Technologiegrenze kommt, desto leichter und schneller kann es externe Informationen aufnehmen und verarbeiten und dadurch wiederum seine absorptiven Fähigkeiten ausbauen (vgl. Naurula, 2004b).

Diesen Abschnitt zusammenfassend kann konstatiert werden, dass Räumliche Nähe die In- teraktion und Kommunikation unter den Akteuren einer Region fördert und so die Verbreitung von Wissen beschleunigt. Dies gilt insbesondere für so genanntes ’tazites Wissen’, welches zu seiner Verbreitung direkter und persönlicher Kontakte bedarf. Die alleinige Verfügbarkeit von Information reicht jedoch zu deren Nutzung nicht aus. Hierzu bedarf es auch der ’ab- sorptiver Fähigkeiten’, welche wiederum durch die Kooperation mit anderen Akteuren und eigene F&E-Anstrengungen entstehen und wachsen. Auf Grund dieser Zusammenhänge kommt der räumlichen Nähe eine wichtige Rolle im Innovationssystem-Ansatz zu.8

2.3 Der Cluster-Ansatz

“The enduring competitive advantages in a global economy are often heavily local, arising from concentration of highly specialized skills and knowledge, institutions, rivals, related businesses, and sophisticated customers.” 9

Der Cluster-Ansatz geht zurück auf Michael Porter (1998). Ausgehen von seiner Arbeit ’The Competitive Advantage of Nations’ (Porter, 1990) argumentiert er, dass die Interaktion von Unternehmen innerhalb des ’Diamond of Competitive Advantage’ intensiver ist, wenn die betreffenden Akteure geographisch konzentriert sind. Porter (2003) beschreibt ein Cluster “( … ) as a geographically proximate group of interconnected companies, suppliers, service providers and associated institutions in a particular field, linked by externalities of various types.” 10 Dabei geht es jedoch nicht mehr nur um die Erlangung eines Kompetitiven Vorteils’ durch die kostengünstige Erschließung von Inputfaktoren. Vielmehr erfordert die hohe Wett- bewerbsdynamik der heutigen Wirtschaft auch eine hohe Produktivität in der Nutzung dieser Inputs. Der Aufbau und Erhalt eines solchen ’ Kompetitiven Vorteils ’ bedarf der kontinuierli- chen Innovation, wie sie durch räumliche Nähe gefördert wird. Aufbauend auf Marshall (1890) und Krugmann (1991), nennt Porter drei zusammenfassende Gründe für eine, die Wettbewerbsfähigkeit erhöhende Wirkung von Clustern: a) die Produktivitätssteigerung bei den beteiligten Unternehmen; b) die Unterstützung bei Richtungsfindung und Geschwindig- keit von Innovationen; sowie c) die Begünstigung von Unternehmens-Neugr ü ndungen. Die Tendenz zu räumlicher Konzentration ist jedoch nicht in allen Industrien gleich. In Abhängig- keit von der Phase des Industrielebenszyklus und der Bedeutung von Spillover und tazitem Wissen variiert auch die räumliche Konzentration von Industrien (vgl. Audretsch und Feld- mann, 1996). Die Bedeutung räumlicher Nähe ist dabei umso größer, je wissensintensiver eine Industrie ist (vgl. Koschatzky und Sternberg, 2000). Dieser Zusammenhang gibt dem Cluster-Ansatz neben einer geographischen, auch eine technologische bzw. sektorale Di- mension. Die Beziehungen und Institutionen, wie sie über Industrien hinweg bestehen, de- terminieren auch die Grenzen eines Clusters. Ihre geographische Ausdehnung kann dabei variieren, von einer einzelnen Stadt oder Region, bis hin zu einem ganzen Land oder sogar einer Gruppe von Ländern. Dennoch werden Cluster in Theorie, Empirie und Praxis nahezu ausnahmslos als lokal oder regional verstanden. Entsprechend erfordert Schritt vom Cluster zum Regionalen Innovationssystem lediglich ein höheres Maß an formaler Kooperation, so- wie eine Stärkung der institutionellen Infrastruktur (vgl. Asheim und Isaksen, 2002).

3 Die Innovationssystem-Ansätze

Fünf Arten von Innovationssystemen (IS) sind Gegenstand dieses Kapitels. Neben den territorialen Innovationssystemen in Form des regionalen, nationalen und internationalen Innovationssystems, sind dies auch die technologiebasierten Ansätze des sektoralen und technologischen Innovationssystems.

3.1 Begriffsklärung

Bevor die verschiedenen Ansätze von Innovationssystemen dargestellt werden, soll an dieser Stelle geklärt werden, was unter einem Innovationssystem zu verstehen ist.

3.1.1 Definition von Innovation

“The doing of new things or the doing of things that are already being done in a new way.” 11

Nach Schumpeter ist Innovation die Generierung, Diffusion und Nutzung neuer oder verbes- serter Produkte, Produktionstechniken und organisatorischer Strukturen, sowie die Erschlie- ßung neuer Märkte und Produktionsfaktoren. Innovation umfasst sowohl die Ergänzung oder Neukombination bereits vorhandenen Wissens (inkrementelle Innovation), als auch auf völlig neuen Technologien beruhende und zuvor gänzlich unbekannte Anwendungen (Radikale Innovation). Innovation wird hier als systeminterner (endogener) Prozess verstanden, wel- cher alle Phasen der Innovation, von der Erfindung bis hin zu deren wirtschaftlicher Nutzung mit einschließt.

Tabelle 2: Definitionen von Innovation.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.1.2 Definition von System

“Systems are made up of components, relations, and attributes.” 12

Die Komponenten sind die agierenden Elemente eines Systems (Akteure). Jedes dieser Elemente besitzt bestimmte Eigenschaften (sog. Attribute), welche das System charakterisie- ren. Zwischen den Elementen bestehen Beziehungen der Art, dass Eigenschaften und Ver- halten eines jeden Elements das System als Ganzes beeinflussen, umgekehrt aber auch jedes Element von den Eigenschaften und dem Verhalten mindestens eines weiteren Ele- ments abhängt. Auf Grund dieser Interdependenzen sagt man auch: “( … ) the system is more than the sum of its component parts.” 13 Das System besitzt eine Funktion, d.h. es leistet oder erreicht etwas. Weiterhin muss es auch möglich sein, ein System vom ’Rest der Welt’ zu unterscheiden, d.h. es muss möglich sein, die Grenzen des Systems zu bestimmen.

3.1.3 Definition von Innovationssystem

“[A] system of innovation is constituted by elements and relationships which interact in the production, diffusion and use of new, and economically useful, knowledge. “14

Elemente eines Innovationssystems (IS) sind Organisationen und Institutionen (vgl. Tabelle 3). Organisationen definiert Edquist (2004) in diesem Zusammenhang als “formal structures that are consciously created and have an explicit purpose. They are players or actors.” Bei Institutionen hingegen handelt es sich um “sets of common habits, norms, routines, estab- lished practices, rules or laws that regulate the relations and interactions between individu- als, groups, and organizations. They are the rules of the game.” 15 Während Organisationen und Individuen die verschiedenen Aktivitäten durchführen, schaffen Institutionen die Rahm- bedingungen, welche diese Aktivitäten fördern oder behindern (Lundvall, 1992; Carlsson, 1995; Edquist, 1997). Sie werden bisweilen auch als die Eigenschaften der Interaktionen und Beziehungen unter den Akteuren bezeichnet (vgl. Lundvall, 1992; Johnson et al., 2003).

Tabelle 3: Wesentliche Elemente eines Innovationssystems.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Zentrale Funktion eines IS ist die Innovation. Entsprechend sind die Aktivitäten eines IS all jene wirtschaftlichen, politischen, sozialen und organisatorischen Tätigkeiten, welche die Generierung, Diffusion und Nutzung von wirtschaftlich verwertbarem Wissen beeinflussen (vgl. Tabelle 4). Die Eigenschaften des IS basieren wiederum auf den individuellen Eigenschaften der an dieser Interaktion beteiligten Akteure.

Tabelle 4: Wesentliche Aktivitäten in einem Innovationssystem.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bestimmung der Grenzen eines IS kann anhand unterschiedlicher Dimensionen erfolgen. Am gebräuchlichsten ist die Bestimmung der Systemgrenzen auf Grundlage geografischer, sektoraler oder technologischer Zugehörigkeit.

Dem Konzept des Innovationssystems liegt die Erkenntnis zugrunde, dass Innovationspro- zesse, wie andere wirtschaftliche Aktivitäten auch, durch ein starkes Maß an Arbeitsteilung und Spezialisierung unter verschiedenen Organisationen gekennzeichnet sind. Dies beinhal- tet sowohl arbeitsteilige Prozesse zwischen privaten Unternehmen (z.B. Zulieferern und Ab- nehmern), als auch zwischen privaten Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen (Univer- sitäten, Forschungs- und Transfereinrichtungen etc.). Auf Grund dieser vielschichtigen Ver- flechtung und Interaktion verschiedener Akteure innerhalb eines gemeinsamen institutionel- len Rahmens, ist es in den meisten Fällen wenig sinnvoll, die Innovationsaktivitäten eines einzelnen Akteurs isoliert zu betrachten. Vielmehr sind die Akteure stets eingebunden in ein wirtschaftliches, soziales und politisches System, welches ihre Aktivitäten fördert oder behin- dert. Andersherum ist die Entstehung und Veränderung dieser Umwelt aber auch determi- niert von der Interaktion und den Aktivitäten der Akteure. Diesen Zusammenhängen wird in den Ansätzen des IS Rechnung getragen. Die Interaktionen zwischen den Akteuren eines IS können dabei untergliedert werden in Wettbewerb, Transaktionen und Vernetzung (vgl. OECD, 2002). Sie alle haben einen direkten oder indirekten Einfluss auf den Innovationspro- zess.

Durch den Wettbewerb besteht erst die Notwendigkeit zu Innovation. Um sich in einem wett- bewerbsintensiven Markt zu behaupten, bedarf es der kontinuierlichen Schaffung von neuen bzw. der Verbesserung von bereits bestehen Produkten und Prozessen. Durch Transaktio- nen werden nicht nur Güter, sondern auch die darin ’eingebetteten’ Technologien und ’tazite Wissen’ ausgetauscht. Diese stehen dann auch anderen Akteuren zur Verfügung und kön- nen so die Grundlage weiterer Verbesserungen und Innovationen sein. Die Vernetzung der Akteure wiederum führt zu einem direkten Transfer von Wissen und Know-how durch die Zusammenarbeit und Kooperation von heterogenen Akteuren in den verschiedensten Berei- chen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Insofern als diese Interaktion bei der Generie- rung, Diffusion und Nutzung von Innovation im Mittelpunkt steht, ist das IS als ein dynami- sches und soziales System zu verstehen. Es enthält den gesamten Innovationsprozess, be- rücksichtigt dabei alle relevanten Akteure, sowie den Institutionellen Rahmen, in welchem diese agieren und interagieren.

3.2 Das Regionale Innovationssystem

“The region is increasingly the level at which innovation is produced through regional networks of innovators, local clusters and the cross-fertilising effects of research institutions.” 16

Der Ansatz Regionaler Innovationssysteme (RIS) entwickelte sich in den 90er Jahren, paral- lel zum Ansatz Nationaler Innovationssysteme, an den er sich in wesentlichen Teilen anlehnt (vgl. Asheim und Isaksen, 1996; Cooke et al., 1997; Cooke, 1998a, b). Wie der Ansatz Nati- onaler Innovationssysteme betont er die Bedeutung von gemeinsamer Geschichte, Kultur, Sprache und Institutionen für die Interaktion und Kooperation unterschiedlicher Akteure, zum Zwecke der Generierung, Diffusion und Nutzung von Innovationen. Anders als der Ansatz Nationaler Innovationssysteme, erkennt der RIS-Ansatz die Region, als die diesbezüglich relevante Betrachtungsebene. Diese Perspektive begründet sich auf der Feststellung, dass auch Regionen innerhalb von nationalen Grenzen, in den genannten Eigenschaften und ihrer Innovationsleistung große Unterschiede aufweisen (vgl. Braczyk et al., 1998; Cooke et al., 1997; Porter, 2003; Fritsch, 2003a, b, 2004; Fritsch und Franke, 2004). Historische und kul- turelle Gemeinsamkeiten bestehen zumeist auf regionaler und nur in abgeschwächtem Maße auch auf nationaler Ebene, so die Argumentation. Diese Gemeinsamkeiten sowie die räumli- che Nähe der Akteure, erleichtern die Entstehung persönlicher Beziehungen und informeller Netzwerke und fördern dadurch die Herausbildung einer gemeinsamen Sprache, sowie ein- heitlicher Interpretationsmuster und Konventionen. Auf diese Weise entsteht eine ’ Regionale Kultur ’ bestehend aus einem Set von Werten, Normen, Routinen, Erwartungen und Erfah- rungen, welche das Verhalten und die Interaktion der Akteure in einer Region bestimmen (vgl. Asheim und Gertler, 2004). Es ist diese ‘regionale Einbettung‘ (Regional Embeddedness: Granovetter, 1985) von Akteuren, Beziehungen und Aktivitäten, in regional- spezifische, kulturelle und soziale Institutionen, welche den entscheidenden Unterschied zum Ansatz Nationaler Innovationssysteme ausmacht und auch die Unterschiede zwischen den Regionen erklärt (vgl. Braczyk und Heidenreich, 1998; Cooke, 1998a; Tödtling, 1999; Maskell und Malmberg, 1999; Fritsch, 2003a; Asheim und Gertler, 2004). Durch sie entsteht eine Kultur des Vertrauens und der Interaktion, welche die Gefahr opportunistischen Verhal- tens und die Nachteile enger Kopplung mindern (vgl. Cooke et al., 1997). Sie beeinflusst nicht nur die Bereitschaft zu Kooperation und die Ausgestaltung der Beziehungen und Netz- werke, sondern auch die absorptiven Fähigkeiten der Akteure, sowie die Möglichkeit des Austauschs von tazitem Wissens. Vertrauen, die Bereitschaft zu Kooperation und soziale Netzwerke sind nach Cooke et al. (1998a) die wesentlichen Dimensionen eines RIS.

Um die sozialen, kulturellen und institutionellen Rahmenbedingungen sowie die darin einge- bettete Kommunikation und Interaktion der Akteuren geht es auch in Bezug auf den Lernpro- zess, als ein zentrales Element des IS-Ansatzes (vgl. Bathelt et al., 2004). Man spricht in diesem Zusammenhang auch von ’Interaction Networks’ (Kaufmann und Tödtling, 2001) in welchen es zu ’Collective Learning’ (vgl. Lundvall und Johnson, 1994), ’Interactive Learning’ (Edquist, 2004), ’Learning by Interacting’ (Lundvall, 1992), ’External Learning’ (Pyka, 1997) oder ’Information-’ bzw. ’Know-how-Trading’ (Von Hippel, 1998) kommt. Diese Begriffe ma- chen eines deutlich: Neues Wissen entsteht durch soziale Interaktion und dieser Lernpro- zess schafft die Voraussetzungen für Innovation. Zwar resultiert Lernen nicht immer in Inno- vation, ohne dieses Lernen gäbe es jedoch kein neues Wissen, auf welchem Innovation auf- bauen könnten (vgl. Johnson et al, 2003). Wissen ist die wichtigste strategische Ressource und Lernen als ein interaktiver, sozialer Prozess die grundlegende Aktivität der heutigen ’knowledge based economy’ (OECD, 1996) bzw. ’learning economy’ (vgl. Lundvall, 1992; Lundvall und Johnson, 1994; Johnson et al., 2003; Edquist, 2004).

RIS sind soziale Systeme in welchen es zu einer Erhöhung der regionalen Lernkapazität durch die Interaktion heterogener Akteure kommt (vgl. Doloreux, 2002). Diese Interaktion wird dabei ermöglicht und gesteuert von einheitlichen, intra- und inter-organisationalen Insti- tutionen (vgl. Asheim und Coenen, 2006). Die Kombination aus Heterogenität bezüglich dem Wissen und Homogenität bezüglich den Institutionen ist entscheidend für das Entstehen von neuem Wissens, durch die permanente Kombination und Neukombination von bereits vor- handenem und/oder neuem Wissen. Die Folge derartiger Interaktion sind Innovation, Spezia- lisierung und der Aufbau regionaler Kompetenzen (vgl. Maskell und Malmberg, 1999; Grabher, 2002 a, b; Bullinger et al. 2004). Durch das interaktive und kollektive Lernen verän- dert sich auch die Sichtweise bezüglich der absorptiven Fähigkeiten und der Wissensbasis. Sie sind nicht mehr nur individuell oder unternehmensspezifisch, sondern bilden den ’Kom- petitiven Vorteil’ einer ganzen Region (vgl. Asheim und Coenen, 2006).

Die geographische Komponente von RIS besteht in den bereits beschriebenen Zusammen- hängen von Spillover, tazitem und lokalem ’Sticky Knowledge’ sowie der Notwendigkeit von persönlichen Kontakten in der informellen Kommunikation. Diese Faktoren sind auch für den Lernprozess von großer Relevanz und verleihen diesem eine geographische Dimension.

“The view of interactive learning as a fundamental aspect of the innovation process provides the ground for an interactive innovation model, which is greatly facilitated by geographical proximity and territorial agglomeration”.17

Wie aber ist eine Region definiert und anhand welcher Dimensionen können ihre Grenzen bestimmt werden? Nach Cooke et al. (1997) sind Regionen “territories smaller than their state possessing significant supralocal governance capacity and cohesiveness differentiating them from their state and other regions.” 18 Regionen (RIS) sind entsprechend die Meso- Ebene zwischen der lokalen (Cluster) und nationalen (NIS) Ebene (vgl. Cooke, 2001; Asheim und Gertler, 2004). Die Bestimmung ihrer Grenzen kann anhand verschiedener Dimensionen erfolgen. Beispielsweise anhand kultureller Zugehörigkeit, einer dominierenden Industrie oder den politischen Grenzen (vgl. Cooke, 1998a). Welche dieser Dimensionen im Einzelnen die richtige ist, hängt auch von der Entstehung der betreffenden Region ab. Cooke et al. (1997) unterscheiden zwei Mechanismen, durch welche Regionen im Allgemeinen entste- hen: die Regionalisierung und den Regionalismus. Bei der Regionalisierung werden die regi- onalen Grenzen nach politischem Kalkül, von einer übergeordneten Instanz festgesetzt (Ad- ministrative Region). Beim Regionalismus hingegen handelt es sich um eine historisch ge- wachsene Region deren Bewohner eine gemeinsame Kultur und Sprache teilen und darauf- hin auch nach politischer Selbstbestimmung verlangen (Kulturelle Region). Entscheiden für das Bestehen eines RIS ist, dass die Region zumindest ein Mindestmaß an politischen und rechtlichen Befugnissen besitzt, durch welche sie Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung und insbesondere die Innovationstätigkeiten ausüben kann (Cooke, 2001). Einer der wich- tigsten Aspekte dabei, ist die finanzielle Souveränität der Region, d.h. die Höhe des Budgets, die Möglichkeit der Einflussnahme in Bezug auf die infrastrukturelle Ausstattung oder sogar eine gewisse Steuerhoheit. Je größer die diesbezüglichen Kompetenzen sind, desto geziel- ter kann auf regionaler Ebene eingegriffen und gesteuert werden und desto Erfolg verspre- chender ist die regionale Politik. Neben der Produktionskultur und dem interaktiven Lernen, ist es diese Finanzierung, welche Cooke et al. (1997) als wichtigstes Subsystem eines RIS bezeichnen.

3.2.1 Arten Regionaler Innovationssysteme

Da man sich in der Literatur zumindest darin einig ist, dass es die eine, beste L ö sung nicht gibt, sucht man nach möglichen Kategorien von RIS, um möglichst spezifische Handlungsempfehlungen ableiten zu können. Eine Auswahl der wichtigsten Dimensionen und Typen von RIS soll hier kurz dargestellt werden.

[...]


1 Edquist (1997b), S. 1.

2 Pyka (2002), S. 153.

3 Malmberg und Powers (2005), S. 410.

4 Porter (1998), S. 78.

5 Baptista und Swann (1998), S. 527.

6 Asheim und Isaksen (2002), S. 83.

7 Cohen und Levinthal (1989), S. 569.

8 An dieser Stelle ist es wichtig zu erwähnen, dass neben der räumlichen noch weitere ’Dimensionen von Nähe’ diskutiert werden. Kognitive, organisatorische, soziale, kulturelle und institutionelle Nähe sind dabei die am häu- figsten genannten (vgl. Boschma, 2004). Der Grund, weshalb hier lediglich von räumlicher Nähe gesprochen wird ist der, dass die genannten Dimensionen von Nähe alle direkt oder indirekt von räumlicher Nähe beeinflusst wer- den: “geographical proximity may reinforce or strengthen the other dimensions of proximity over time. “ (Boschma, 2004, S. 72). Es sollte jedoch darauf hingewiesen werden, dass die übrigen Dimensionen zwar meist als Ergän- zung, je nach Gegenstand der Betrachtung aber auch als Substitut räumlicher Nähe fungieren können. Räumli- che Nähe allein, so wird argumentiert, reicht nicht aus, um interaktives Lernen, den Austausch von tazitem Wis- sen oder die Nutzung von Spillover zu ermöglichen; andersherum sind diese auch nicht zwangsläufig an räumli-

(Fortsetzung der Fu ß note auf der nächsten Seite)

9 Porter (1998), S. 90.

10 Porter (2003), S. 562.

11 Schumpeter (1934), S. 65.

12 Carlsson et al. (2002), S. 234.

13 Blanchard und Fabrycky (1990), S. 2.

14 Lundvall (1992), S. 2.

15 Edquist (2004), S. 188.

16 Lundvall und Borrás (1999), S. 39.

17 Asheim und Isaksen (1996), S. 45.

18 Cooke et al. (1997), S. 480.

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Der Innovationssystem-Ansatz
Untertitel
Überblick und aktuelle Herausforderungen
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,30
Autor
Jahr
2006
Seiten
83
Katalognummer
V230083
ISBN (eBook)
9783656461180
Dateigröße
819 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Es handelt sich um Auszüge aus einer Diplomarbeit.
Schlagworte
Innovationssystem, Innovation, Innovationspolitik, Nationales Innovationssystem, Regionales Innovationssystem, Innovationsökonomik
Arbeit zitieren
Benjamin Schön (Autor:in), 2006, Der Innovationssystem-Ansatz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230083

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