Richard Wagner. Seine Werke, Förderer und Kritiker


Libro Especializado, 2013

192 Páginas


Extracto


Inhalt

Wagner für Anfänger. Eine Betrachtung der Opern Richard Wagners von Friedrich Bielfeldt
Einleitung
Das Frühwerk
Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg
Lohengrin
Der Ring des Nibelungen
Tristan und Isolde
Die Meistersinger von Nürnberg
Parsifal
Richard Wagner im Spiegel der Zeit I
Ein Exkurs – Wer ist Hannah Arendt?
Literatur zu Richard Wagner
Literatur zu Hannah Arendt

Richard Wagners Verhältnis zur Musikkritik. Am Beispiel Eduard Hanslicks von Marie-Christin Heene
Einleitung
Allgemeines zum Thema Kritik – insbesondere Musikkritik
Hanslick als Musikkritiker
Wagners Forderungen nach einer neuen Musikkritik
Kritik an Wagner
Chronologie der Ereignisse zwischen Wagner und Hanslick
Schlussbetrachtungen
Literatur- und Quellenverzeichnis

Eine ungewöhnliche Beziehung: Ludwig II. und Richard Wagner bis zum Ende des Krieges von 1866 von Florian Widmann
Einleitung
Die frühen Jahre Ludwigs II.
Die Beziehung zu Richard Wagner
Der Krieg von 1866 und der Einfluss Richard Wagners auf Ludwig II.
Abschließende Gedanken
Literatur

Wagner für Anfänger. Eine Betrachtung der Opern Richard Wagners von Friedrich Bielfeldt 2004

Einleitung

Die vorliegenden Texte sind Zusammenfassungen von Einführungsvorträgen, die in der Zeit von September 2001 bis März 2004 stattfanden. Sie richten sich zuerst an Laien, die mit Richard Wagner noch nicht so vertraut sind, seine Opern nicht oder nur teilweise kennen und die sich gerne intensiver in Wagners Werk einarbeiten möchten. Da die frühen Opern „Das Liebesverbot“, „Die Feen“, „Rienzi“ und „Der fliegende Holländer“ nicht Teil der Einführungsvorträge waren, soll diesen nur eine kurze Vorbemerkung gewidmet sein. Ein Schwerpunkt der Betrachtungen soll dabei auf den politischen und soziologischen Momenten liegen, die sich teilweise in den Werken Wagners wiederfinden, und die einen interessanten Blickwinkel auf die Zeit werfen, in der Wagner lebte, und auf seine Denkweise, die allen seinen Opern innewohnt. Es ist faszinierend, wie viele Gedanken Wagner vor sich hergewälzt haben muss, die nicht nur musiktheoretischer und texttheoretischer Natur gewesen sind, sondern weit in das gesellschaftliche Leben des 19. Jahrhunderts hineinreichen. Und noch viel faszinierender ist dabei die Feststellung, wie viele von den soziologischen Ansätzen Wagners auch heute noch ihre Gültigkeit haben mögen, mal ganz abgesehen davon, dass sie auf einige der ganz großen und bedeutenden Soziologen Einfluss genommen haben, wenn man nur an Theodor Adorno, Emile Durkheim oder auch Hannah Arendt denkt, die sich in ihrer Totalitarismus-Studie von 1951 sogar ganz unmittelbar auf Richard Wagner bezieht.

Richard Wagner ist also nicht nur ein Opernkomponist gewesen, der sich tollkühn mit der althergebrachten Form der Oper als Unterhaltungsmusik auseinander setzte, sondern er war auch ein politischer Künstler, der mehr als jeder andere Komponist vor und nach ihm über seine Zeit reflektierte und dabei Utopien entwickelte, die auch heute noch zum grundlegenden Gedankengerüst unserer Gesellschaft gezählt werden können, auch wenn unsere Gesellschaft heute ungleich demokratischer geworden ist, als diejenige Richard Wagners. Wagners Aktualität geht sogar soweit, dass renommierte Politologen, wie Professor Dr. Udo Bermbach, Wagner gar als einen Vordenker der Sozialdemokratie sehen und ihn somit zu den großen Vordenkern des 20. Jahrhunderts zählen.[1] Ich wünsche allen Lesern viel Freude beim Einstieg in Wagners Werk und guten Genus.[2]

Das Frühwerk

Das Frühwerk Richard Wagners umfasst, nach gängiger Auffassung „Die Feen“, „Das Liebesverbot“ sowie „Rienzi – der letzte der Tribunen“.

Es erscheint jedoch sinnvoll, Wagners erste deutsch-romantische Oper „Der fliegende Holländer“ ebenfalls in diese Kategorie zu fassen, zumal sich in dieser Oper immer noch Stilelemente finden, welche sich in den darauffolgenden Opern, also denen ab dem „Tannhäuser“, bereits in Auflösung befinden, wenn man zum Beispiel an die Form der Arie denkt. Dazu später noch ein paar Worte.

Die ersten Drei

Richard Wagners Frühwerk umfasst im Wesentlichen vier Opern, von denen drei erhalten sind. Seine erste Oper „Die Hochzeit“ (WWV 31) hatte Wagner 1832 auf einer Reise nach Prag begonnen, wo er den Text verfasste sowie die erste Nummer der Oper komponierte.

Seinem früheren Kompositionslehrer aus Wagners Leipziger Zeit soll das Textbuch sehr gut gefallen haben. Aufgrund seiner eigenen Unzufriedenheit vernichtete Wagner das Textbuch jedoch, so dass diese Oper der Nachwelt nicht erhalten blieb.

„Die Feen, große Romantische Oper in drei Akten nach Carlo Gozzi“ (WWV 32) entsteht im Frühjahr 1833 in Würzburg, wo Wagner gerade ein Engagement als Chordirektor des Würzburger Theaters erhalten hatte, an dem Wagners Bruder Albert als Sänger wirkte. Erst 1888 wurde diese Oper in München uraufgeführt, und zwar unter der Leitung von Hermann Levi, der bereits 1882 den „Parsifal“ in Bayreuth uraufgeführt hatte.

Die Fee Ada liebt den sterblichen König Arindal. Bei der Hochzeit verbietet sie Arindal, nach ihrer Herkunft zu forschen. Ein Verbot, das Arindal überschreitet. Er verliert Ada an die Unterwelt und gewinnt sie erst nach schweren Prüfungen und nachdem er in die Unterwelt eindringt und sie dort entzaubert. In dieser Handlung scheinen bereits erste Momente auf, die sich später im „Lohengrin“ wiederfinden (Frageverbot). Aber auch Ähnlichkeiten zur „Walküre“ durch das Moment der Entzauberung Adas bzw. Brünhildes in eine sterbliche Person. Auch ergeben sich im Augenblick der zu bestehenden Prüfungen Anklänge an Wolfgang Amadeus Mozarts „Die Zauberflöte“ und an Christof Willibald Glucks „Orpheus und Eurydike“ über den Weg des Prinzen in die Unterwelt, um die Geliebte wiederzugewinnen.

Während die frühe Wagner-Literatur diese Oper eher als Schüleroper abtut (sicher nicht ganz zu Unrecht)[3], verweisen gerade in jüngerer Zeit Wagnerforscher, wie Professor Dr. Udo Bermbach (2003) oder Professor Dr. Dieter Borchmeyer (2002), auf die sozialpolitischen Ansätze dieser Oper, die sicher wegweisend sind für die weiteren Opern Richard Wagners. Der Gegensatz zwischen Aristokratie, wie sie durch die Fee Ada vertreten wird, und Bürgertum, symbolisiert durch das diesseitige Königreich des Arindal, findet sich später nicht zuletzt im „Ring des Nibelungen“ wieder. Das Gegeneinander der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten sollte dort zumal eines der Hauptthemen Wagnerschen Denkens werden.

Im November 1834, Wagner war mittlerweile Kapellmeister in Magdeburg, beginnt er sein nächstes Opernprojekt „Das Liebesverbot oder die Novize von Palermo, große komische Oper in zwei Akten nach William Shakespeare“ (WWV 38); sie wird 1836 in Magdeburg unter Wagners Leitung uraufgeführt. Es handelt sich hierbei um eine typische Shakespearische Verwechslungskomödie, in deren Verlauf der Edelmann Claudio verhaftet und zum Tode verurteilt wird. Isabella, die Schwester des sizilianischen Statthalters Friedrich, und Marianna, dessen verstoßene Gattin, inszenieren ein Schurkenstück, um Claudio aus der Haft zu befreien. Am Ende dieser Inszenierung wird Friedrich als Ehebrecher enttarnt und steht nun selber als Krimineller da.

Das Interessante dieser Oper ist weniger der Inhalt, sondern eher der musikalische Stil des Werkes, welcher voll ist mit Anlehnungen an die italienischen Koloraturopern Giaccino Rossinis, Vinzento Bellinis und Gaetano Donizettis. Komponisten, welche Wagner später als Unterhaltungsmusiker niederen Ranges verabscheute.

Die dritte Frühoper „Rienzi, der letzte der Tribunen, große Oper in fünf Akten“ (WWV 48) beginnt Wagner 1837, als er Kapellmeister in Riga ist, und er beendet sie 1839, als er bereits in Paris weilt, wohin er per Schiff über London vor seinen Gläubigern zu entkommen versuchte. Schulden hatte Wagner nahezu überall, das sollte in Paris während der sogenannten Hundejahre nicht besser werden. Nach heutigen Maßstäben muss Wagner zu Lebzeiten mehr als 50 Millionen € Schulden gehabt haben.

Der „Rienzi“ ist eine Grand Opera im französischen Stil und an Wagners damalige Vorbilder Hector Berlioz und Giacomo Meyerbeer angelehnt, den er später abgrundtief verabscheute, da Giacomo Meyerbeer sich weigerte, Wagner finanziell zu unterstützen. „Rienzi“ wird 1842 in Dresden unter Wagners Leitung uraufgeführt. Der Erfolg ist überwältigend und bringt ihm einen Vertrag als Kapellmeister auf Lebenszeit ein.

Der Volkstribun Rienzi befreit Rom von der Herrschaft der Cäsaren und errichtet eine Art Militär- und Volksdiktatur. Der Freiheitskämpfer Adriano begehrt gegen Rienzi und dessen neues Unrechtsregime auf und inszeniert eine Revolution, an deren Ende Rienzi in den Flammen des Kapitols ums Leben kommt. Auch in dieser Oper ist bereits vieles von Wagners späteren sozialpolitischen Ansätzen zu finden, die geprägt sind durch das Verlangen der Unterschichten nach Freiheit und deren Unterdrückung durch die Oberschichten, ein Thema, das den ganzen „Ring des Nibelungen“ durchzieht.

Noch während seiner Arbeiten am „Rienzi“ lernt Wagner in Paris Heinrich Heine kennen, mit dem ihn eine enge Freundschaft verbindet. Heine inspiriert und berät Wagner nicht nur bei seinen Arbeiten zum „Fliegenden Holländer“, Wagner teilt auch viele politische Ansichten mit Heinrich Heine, wie seine Aversion gegen das Preußentum, welches beide als ungeistig und militaristisch empfinden.[4]

Der fliegende Holländer

„Der fliegende Holländer“ wird nicht zu Unrecht von Teilen der Musikwissenschaftler nicht mehr zum Frühwerk Wagners gezählt. Der „Holländer“ ist Wagners endgültiger Durchbruch zur romantischen deutschen Nationaloper, die Wagner in Anlehnung an die Opern Carl Maria von Weber weiterführen und etablieren wollte. Es gibt in dieser Oper jedoch noch so viele Elemente aus dem Frühwerk, die man im Spätwerk Wagners nicht mehr findet, dass eine Zuordnung zum Frühwerk durchaus noch als sinnvoll erscheint. Man denke nur an die Stilelemente der Arie, der Ballade oder des Duettes, die in ihrer verdichteten Form nur noch im „Holländer“ anzutreffen sind. Die sogenannte Königin-Arie im ersten Akt des „Tannhäuser“ sowie die Hallen-Arie aus dem zweiten Akt sind da nur noch ein kleines Überbleibsel dieser alten Elemente, welche den endgültigen Abschied Wagners von der Konventional-Oper manifestiert.

Danach sind bei Wagner lediglich noch durchkomponierte Opern zu finden, die sich anstatt Arien und Duetten der Monologe und Dialoge bedienen. Diese Feststellung erlaubt die Kategorisierung des „Holländer“ als Frühwerk, genauso wie die im „Holländer“ neu kreierte Form der Nationaloper und die deutlich romantische Orchestersprache eine Zuordnung in Wagners Hauptwerk zulässt. Nicht zu Unrecht ist ja diese Oper die in chronologischer Reihenfolge erste Oper, die Wagner für die Aufführung in Bayreuth legitimiert hat.

Wagner schreibt den „Fliegenden Holländer“ in Paris in der Zeit von Mai bis November 1841. Die der Oper zugrundeliegende Sage begegnet Wagner zuerst 1839 auf seiner Seereise von Riga nach London, und er entdeckt sie 1840 in Paris in abgewandelter Form in Heinrich Heines „Salon“ wieder, woraufhin er sich inspiriert von der Lektüre an die Arbeit macht.

Der Holländer hatte in grauer Vorzeit das Schicksal herausgefordert und sich mit der Umseglung des Kap Horn eine unlösbare Aufgabe gestellt, die wie ein Fluch Gottes auf ihm lastet. Seither irrt er ohne Heimat und ohne Ruhe über die Weltmeere außer- stande die Aufgabe zu lösen und kehrt nur alle sieben Jahre an Land zurück. Einzig eine Frau, die bereit ist mit ihm, dem Aussätzigen, ihr Leben zu teilen und ihm ein Zuhause zu geben, kann ihm diesen Fluch des Umherirrens nehmen, wie der Holländer in seinem Monolog des ersten Aktes erzählt. In einer Bucht trifft der Holländer auf den norwegischen Kaufmann Daland, der dort ebenso vor einem Unwetter Zuflucht sucht wie der Holländer. Daland verspricht dem Fremden im Tausch gegen Gold und Schmuck seine Tochter Senta zur Frau. Diese Tochter wiederum kennt die Sage des Holländers, von der sie fasziniert, ja fast schon besessen ist. Angetan von dem Bild des Holländers und aufgefordert durch ihre Amme Mary erzählt sie im zweiten Akt die Geschichte vom Holländer in ihrer Ballade nach, und zwar derart entrückt und besessen, dass man als Zuhörer von ihrer Hingabe und Selbstaufgabe befremdet ist.

Erik, Sentas Verlobter, besucht sie von Träumen verstört, und er versucht erneut, um Senta zu werben und sie von sich zu überzeugen, zumal sie sich, von der Geschichte des Holländers berauscht, immer mehr vor ihm verschlossen hat. Der Versuch misslingt, so dass Erik unverrichteter Dinge wieder abziehen muss.

Das Zimmer betreten Daland und der Holländer. Und die Begegnung zwischen dem Holländer und Senta gleicht einer Epiphanie. Beide gestehen sich, wie vom Blitz getroffen, ihre Liebe und schwören sich ewige Treue. Der Holländer scheint am Ziel.

Der Ehevertrag der beiden wird von Daland und dem namenlosen Fremden sofort abgeschlossen.

Im dritten Akt begegnen wir erneut den Seeleuten sowie dem Steuermann, die wir bereits im ersten Akt in der Bucht kennen gelernt haben, welche sich betrinken und den Holländer mit Spott und Häme übersäen. Nachdem die Seeleute erschreckt durch den Gesang der unsichtbaren Männer des Holländer verschwunden sind, begegnet Erik abermals Senta, die am Schiffskai nach dem Holländer sucht. Durch Zufall bemerkt der Holländer, wie sehr Erik Senta bedrängt. Eine Situation, die er zwangsläufig fehlinterpretieren muss. Als Außenseiter, der niemandem zu trauen imstande ist, muss er diese Situation als enttäuschenden Verrat begreifen. Er verabschiedet sich voller Wut und Verzweiflung von Senta. Doch diese beschwört abermals ihre Treue und stürzt sich, noch bevor des Holländers Schiff ablegt, ins offene Meer. Unter den Klängen des Erlösungs-Motivs schweben der Holländer und Senta gen Himmel; der Holländer hat seinen Frieden gefunden.

Dieses Erlösungsende hat Wagner erst sehr spät gefunden, und zwar auf Anregung von Heinrich Heine, der Wagner bei der Komposition dieser Oper als Mentor beriet.

In der Urversion des „Holländer“ fehlt das Ende der Erlösung noch, so dass die Oper eine vollkommen pessimistische Perspektive bekommt. Denn trotz des Todes Sentas kann es für beide in dieser Urversion keine Erlösung geben.

Diese Urversion wurde übrigens in Bayreuth erstmals in der Produktion von 2003 bis 2008 in der Regie von Claus Guth und unter der Leitung von Marc Albrecht gespielt.

Deutet man diese Oper in der Tradition von Harry Kupfer (Bayreuth, 1984 bis 1988, Leitung Woldemar Nelson) und Dieter Dorn (Bayreuth 1992 bis 1995 sowie 1998 und 1999, Leitung Peter Schneider), kann es auch schlüssig sein, ein Ende ohne Erlösung zu wählen. Denn ist der Holländer als ein Traum Sentas zu verstehen und Claus Guth macht daraus den Traum eines Kindes, welches erwachsen wird, kann es logisch sein, am Ende auf die Erlösung zu verzichten, wenn man zu dem Schluss kommt, dass das Erwachen Sentas die Ankunft in einer kalten, eingeengten und spießigen Welt ist, aus der sie über ihre Träumerei entfliehen wollte.

Harry Kupfer und Dieter Dorn sahen noch den Traum einer Erwachsenen in Sentas Ballade, welcher durchaus die Chance auf Verwirklichung in sich hatte. Das Erwachen eines Kindes jedoch, wie bei Claus Guth, führt in der letzten Konsequenz immer zur Ernüchterung durch die Unmöglichkeit der Erfüllung. Auch ist es interessant zu überlegen, ob es für den Holländer, den ewigen Juden Ahasver, den Aussätzigen, in einer Gesellschaft, wie sie Wagner in der Oper zeichnet, welche aus Handel, Geldgier und Intoleranz gegenüber Außenseitern und visionären Träumern besteht, überhaupt eine Erlösung oder auch ein Zuhause geben kann.

„Der fliegende Holländer“ wird 1843, abermals unter Wagners Leitung, in der Version mit Erlösungsende in Dresden uraufgeführt.

CD- und DVD-Auswahl

Wem diese Oper gefällt, dem seien folgende CDs empfohlen:

1. Karl Böhm, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele; Gwyneth Jones, Sieglinde Wagner, Thomas Stewart, Karl Ridderbusch, Hans Esser, Hans Ek; 1971, Deutsche Grammophon.[5]
2. Giuseppe Sinopoli, Chor und Orchester der Deutschen Oper Berlin; Cheryl Studer, Uta Priew, Bernd Weikl, Hans Sotin, Placido Domingo, Peter Seiffert; 1998, Deutsche Grammophon.[6]
3. Daniel Barenboim, Chor der Deutschen Staatsoper Berlin und Staatskapelle Berlin; Jane Eaglen, Felicity Palmer, Falk Struckmann, Robert Holl, Peter Seiffert, Rolando Villazon; Teldec, 2001.[7]

Auf DVD/Video: 4. Woldemar Nelson, Chor uns Orchester der Bayreuther Festspiele, Regie: Harry Kupfer; Lisbeth Balslev, Anna Schlemm, Simon Estes, Matti Salminen, Robert Schunk, Graham Clark; 1985, Teldec.[8]

Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg

Der „Tannhäuser“ ist Wagners zweite Bayreuther Oper. Das Interessante an dieser Oper ist, dass von ihr drei unterschiedliche Versionen existieren: die sogenannte Urversion, welche in der Produktion von 2002 bis 2007 in der Regie von Philipe Arlaud und unter der Leitung von Christian Thielemann erstmals in Bayreuth aufgeführt wurde, die Dresdner Fassung, welche Wagner für die Uraufführung in Dresden 1845 erstellte, sowie die Pariser Fassung, welche Wagner für die französische Erstaufführung 1860 aufarbeitete.

Während sich die Urversion und die Dresdner Fassung noch kaum voneinander unterscheiden, lediglich die Orchesterbegleitung variiert ein wenig, zeichnet sich die Pariser Fassung durch ein wesentlich längeres und exzessiveres Bacchanal zu Beginn des ersten Aktes und eine veränderte Gestaltung der Rolle der Venus aus, die um einiges dämonischer und gezeichnet ist als in der Dresdner Fassung.

Während die Uraufführung in Dresden immerhin noch einen Achtungserfolg darstellte, geriet die französische Erstaufführung in Paris zu einem Skandal. Veranlasst durch mehrere negative Artikel sowie die Tatsache, dass dem „Tannhäuser“ das obligatorische Ballett des zweiten Aktes fehlt, wurde die gesamte Premiere hindurch die Aufführung durch lautstarkes Benutzen von Trillerpfeifen gestört. Die Resonanz bei den Kritikern war entsprechend. Eine bewusste Provokation Wagners gegenüber dem Opernestablishment.

Trotz der mehrfachen Umarbeitungen war Wagner nie wirklich zufrieden mit dieser Oper und er äußerte noch 1880 gegenüber Cosima, dass er der Welt den „Tannhäuser“ noch schuldig geblieben wäre.

Inhalt und Interpretation

Wagner begegnet der Tannhäuser-Sage das erste Mal 1842, als er Ludwig Tiecks „Phantalus“ las, in welchem die Sage des Sängers Tannhäuser erzählt wird, der im Venusberg weilt. 1843 in Paris liest der dann den „Salon“ Heinrich Heines vom Minnesänger Heinrich von Ofterdingen, der bei einem Sängerwettstreit teilnimmt, an dessen Ende er verstoßen wird.

Diese beiden Sagen vermischte Wagner dann in seiner Oper zu einer Handlung, wobei er den Tannhäuser und Heinrich zu einer Person verschmolz, die Heilige Elisabeth Ludwig Tiecks zur Nichte des Landgrafen Hermanns von Thüringen machte und den Venusberg räumlich im Hörselberg bei Eisenach ansiedelte.

Es geht in dieser Oper um zwei divergierende Prinzipen: dasjenige des Diesseitigen und dasjenige des Jenseitigen, oder, wie es Charles Baudelaire ausdrückte:

„Tannhäuser stellt den Kampf der zwei Prinzipen dar, die das menschliche Herz zu ihrem Hauptschlachtfeld erwählt haben, d.h. des Fleisches mit dem Geiste, der Hölle mit dem Himmel, Satans mit Gott.“[9]

Tannhäuser trägt hier also zwei unvereinbare Prinzipien in sich, und er leidet an diesem Widerstreit derart, dass er an ihm zugrunde gehen muss, da es ihn zerreißt. Diese Oper wirft insofern die Frage auf, warum es Menschen nicht möglich ist/sein kann in dieser unserer Welt, solche oder diese Prinzipen miteinander zu vereinen. Tannhäuser ist, als Vertreter der freien und fleischlichen Liebe ein Opfer einer übernormierten und durch religiöse Zwänge gegeißelten Gesellschaft, welche ihn als Außenseiter und Freidenker nicht versteht und ihn nicht gewähren lässt, ihm also keinen Platz in ihrer Mitte einzuräumen vermag.

Zu Beginn des 1. Aktes wird dort, im Venusberg, wieder einmal gefeiert, eine Orgie veranstaltet, in deren Mitte Tannhäuser weilt. Jedoch ist er dieser rein körperlichen Welt überdrüssig, da er als geistiger Mensch, als Künstler auch geistige Herausforderungen sucht. So bittet er nach Beendigung des Bacchanals, während er im Hintergrund das Glockengeläut seiner Heimat vernimmt, in seiner Königin-Arie Venus, ihn ziehen zu lassen.

Dies ist neben Elisabeths Hallen-Arie definitiv die letzte Arie, die Wagner überhaupt geschrieben hat. Nach dieser Arie verwendet er in seinen Opern nur noch Monologe und Dialoge. Die ursprünglichen Arien und Duette mit ihren Strophen und Refrains wird man bei Wagner nicht mehr wiederfinden. Auch sind ab dieser Arie sämtliche Opern Wagners durchkomponiert, alle Pausen weggelassen worden. Zugleich ist diese Arie die wohl schwerste, die Wagner je komponiert hat, da sie zum einen Koloraturen höchster Schwierigkeit beinhaltet, welche nur von Koloratur-Tenören Rossinischer Tradition beherrscht werden, und zum anderen diese Koloraturen im äußersten Fortissimo komponiert wurden. Die einzigen Sänger, die diesen Spagat bis dato zu bewältigen vermochten, waren Wolfgang Windgassen, Robert Dean Smith sowie, man höre und staune, Placido Domingo.

Tannhäuser verlässt den Venusberg und findet sich später auf einer Waldlichtung seiner Heimat wieder, wo er sich berauscht vom Gesang eines Hirten und der vorbeiziehenden Pilger zu einem Gebet hinreißen lässt. Die strenge Schönheit des Pilgergesangs und die fast einfache, heidnische Freiheit des Hirtengesangs nehmen hier den Zwiespalt Tannhäusers vorweg. Tannhäuser wird durch seine ehemaligen Mitstreiter am Thüringischen Hofe aufgefunden: den Landgrafen Hermann von Thüringen, Wolfram von Eschenbach, Biterolf, Walther von der Vogelweide, Heinrich den Schreiber und Reimar von Zweter. Wolfram heißt ihn sofort willkommen und beseitigt mit seiner freundlichen Begrüßung Tannhäusers auch die letzten Zweifel der anderen Minnesänger, zumal Tannhäuser nicht zu sagen bereit ist, wo er zwischenzeitlich gewesen ist. Und obwohl Tannhäuser weiterziehen möchte, überredet Wolfram diesen zu bleiben, indem er den Namen Elisabeths nennt, mit dem Tannhäuser eine Liebesbeziehung verbindet.

2. Akt: In der Wartburg erwartet Elisabeth die Ankunft Tannhäusers (Hallen-Arie), der alsbald von Wolfram zu ihr geführt wird. Beide gestehen sich ihre Liebe. Jedoch auch Elisabeth gegenüber vermag Tannhäuser nicht zu sagen, wo er so lange gewesen ist, da er sich ihr gegenüber schämt. Als Hermann, Elisabeths Onkel, den Festsaal betritt, ziehen sich Wolfram und Tannhäuser unbemerkt zurück. Hermann bereitet Elisabeth auf den bevorstehenden Sängerstreit vor, an dessen Ende sie den Sieger zu küren hat, welcher dann ihr Ehemann werden soll. Hermann versucht zu erfahren, ob Tannhäuser es ist, der ihr Herz erobert hat, da er sich diesen insgeheim als Schwiegersohn wünscht, was Elisabeth ihm andeutungsweise bestätigt.

An dieser Stelle findet nun die beschriebene Pariser Provokation statt. Eigentlich wäre hier am Ende einer Arie und zweier Dialoge die perfekte Stelle, um ein Ballett zu installieren, welches eigentlich in keiner französischen Oper fehlen darf. Anstatt jedoch ein dem Massengeschmack entsprechendes Ballet einzubauen, setzt Wagner hier den Einmarsch der Gäste; eine Szene, die in ihrer gesetzten Steifheit nun alles andere als tänzerisch ist. Der Landgraf begrüßt seine Gäste und Minnesänger und eröffnet den Wettstreit, dessen Richterin Elisabeth sein soll. Das zu besingende Thema ist die Liebe. Als erster ausgelost, betritt Wolfram die Bühne und beginnt die hehre, nur leider allzu platonische Liebe zu besingen, wofür er den Beifall der Gäste erntet und Tannhäusers Spott. Dessen Hohn führt zu einer ersten Eskalation, die nur dadurch im Zaum gehalten wird, dass Walther Tannhäuser in einer Gegenrede zu erwidern weiß. Diese Gegenrede treibt Tannhäuser derart zur Weißglut, dass er außer sich ein Lied auf die körperliche und sinnliche Liebe anstimmt, an dessen Ende er seinen Aufenthalt im Venusberg offenbart.

Diese Provokation besiegelt fast schon sein Schicksal, das den Tod bedeuten würde. Und nur Elisabeth, diejenige, die am meisten von Tannhäusers Geständnis getroffen ist, kann dieses verhindern, indem sie sich trotz seiner Kränkung vor ihn stellt und um sein Leben bittet. Gerührt von den Gefühlen seiner Nichte weist der Landgraf einen Ausweg: Tannhäuser muss nach Rom, um beim heiligen Feste (gemeint ist das Pfingstfest) den Papst um Vergebung zu bitten. Tannhäuser stellt sich dieser Aufforderung und schließt sich den Pilgern auf ihrem Weg nach Rom an, auch wenn es einzig sein schlechtes Gewissen gegenüber Elisabeth ist, das ihn dazu bewegt.

3. Akt: Ungeduldig erwartet Elisabeth, von Wolfram beobachtet, der sie heimlich liebt, Tannhäusers Rückkehr. Es ist Herbst geworden. Als aus der Ferne die Pilger kommen, muss Elisabeth feststellen, dass Tannhäuser nicht unter ihnen ist. (Eine Szene, die frappierend an Leonore im ersten Akt von Ludwig v. Beethovens „Fidelio“ erinnert.) Das bedeutet, dass seiner Abbitte beim Papst nicht stattgegeben wurde, und es bedeutet zwangsläufig Tannhäusers und Elisabeths Untergang, da diese Abbitte ihre einzige Möglichkeit gewesen wäre, durch die Gesellschaft entsühnt zusammenleben zu können. Elisabeths anschließendes Gebet bedeutet somit ihren Abschied in die Welt des Jenseits, so dass sie Wolframs Bitte, sie zu geleiten, nicht zu entsprechen vermag. In Wolframs ‚Lied an den Abendsstern’ offenbart sich seine Liebe zu ihr und er bittet um Beistand für ihren Weg ins Jenseits und des Todes.

Nun erscheint Tannhäuser, der zu Wolframs Entsetzen offenbar vollkommen dem Wahnsinn verfallen ist. Er ist über den Verlust jeder Legitimität, jeder Lebensberechtigung durch die Ablehnung seiner Sühne, von der er Wolfram in seiner Rom-Erzählung berichtet, derart verzweifelt, dass er keinen Sinn mehr darin sieht, in dieser Welt zu leben. Und so versucht er in dem einzigen Ort Zuflucht zu finden, an dem er überleben könnte: im Venusberg.

Und auch hier wieder ist es Wolfram, der ihn zurückhält, indem er ihm erzählt, dass Elisabeth für ihn gestorben und zum Engel geworden ist, um ihn so von seinem inneren Zwiespalt zu erlösen. Tannhäuser stirbt über Elisabeths Leiche und erbittet ihren Segen, während aus der Ferne eine neue Schar Pilger naht, welche die Erlösung Tannhäusers verheißen. Der Tod Elisabeths nämlich hat den Stab des Papstes ergrünen lassen und seiner Seele Erlösung gebracht.

Natürlich kann man in diesem Ende eine christlich-katholische Sichtweise entdecken, die darin besteht, dass ein Mensch die Sünden eines anderen auf sich nehmen und ihm so Erleichterung verschaffen kann. Der Gedanke der Erbsünde hat so seine Berechtigung gefunden und findet sich im Tannhäuser sicher wieder. Bedenkt man jedoch, dass Wagner in den 1830er und 1840er Jahren, gerade vor der Revolution von 1848, zu den schärfsten Religionskritikern gehörte, reicht dieser Ansatz nicht aus. Es geht ihm hier eher um eine beißende Religionskritik, die immer auch Gesellschaftskritik bedeutet. Man könnte diese Kritik als Frage formulieren. Was ist das für eine Welt und für eine Religion, welche die Freiheit des einzelnen, zumal die Freiheit zu lieben, derart unterbindet, dass dieser sein Heil und seine Erlösung nur noch im Jenseits, also im Tod, erlangen kann? Dies ist auch als eine Kritik an den Kirchen, allzumal der katholischen Kirche mit ihrer dogmatischen Knebelung aller Sexualität, zu verstehen. Harry Kupfer hat dies 1988 in Hamburg unter der Leitung von Gerd Albrecht sehr eindeutig so inszeniert und die Frage aufgeworfen, ob Tannhäuser ein Opfer dieser Dogmen ist, die einzig dem institutionellen Machterhalt dienen.

CD- und DVD-Empfehlungen

Wem der Tannhäuser gefallen hat, dem seien folgende CDs empfohlen:

1. Wolfgang Sawallisch, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele; Anja Silja, Grace Bumbry, Wolfgang Windgassen, Eberhard Wächter, Josef Greindl; Philips, 1962. Pariser/Dresdner Fassung.[10]
2. Giuseppe Sinopoli, Chor der Covent Garden und London Philharmonia Orchestra; Cheryl Studer, Agnes Baltsa, Placido Domingo, Andreas Schmidt, Matti Salminen; Deutsche Grammophon, 1988. Pariser Fassung.[11]
3. Franz Konwitschny, Chor und Orchester der Deutschen Staatsoper Berlin; Elisabeth Grümmer, Marianne Schech, Hans Hopf, Dietrich Fischer-Dieskau, Gottlob Frick; EMI, 1961. Dresdner Fassung.[12]

Auf DVD liegt keine überzeugende Aufnahme vor.

Lohengrin

Der „Lohengrin“ entsteht in der Zeit von November 1845 bis November 1847 in Paris und Dresden. Es handelt sich bei der Lohengrin-Sage um eine Erzählung Wolfram von Eschenbachs, dem Schöpfer des „Parzival“, die Wagner dem Buch „Über den Krieg von Wartburg“ von Christian Theodor Lucas entnimmt, demselben Wolfram, dem Wagner bereits eine tragende Nebenrolle im „Tannhäuser“ zugestanden hatte.

Eigentlich war die Uraufführung des „Lohengrin“ für Dresden vorgesehen. Da Wagner jedoch aufgrund seines Engagements während der 1848er Revolution steckbrieflich gesucht wurde und in die Schweiz emigrieren musste, kam es in Dresden lediglich zu einer konzertanten Aufführung vom Ende des 1. Aktes. Die Uraufführung fand dann erst am 28. August 1850 in Weimar unter der Leitung von Wagners späterem Schwiegervater Franz Liszt statt. Aufgrund der schlechten Kritiken und des mäßigen Zuschauererfolges wurde die Oper allerdings schon nach fünf Aufführungen abgesetzt. Erst 1875 konnte Wagner die Oper bei der österreichischen Erstaufführung an der Wiener Staatsoper auf der Bühne erleben.

Inhalt und Interpretation

Wie auch beim „Tannhäuser“ lässt der „Lohengrin“ unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten zu.

Man kann den „Lohengrin“ sicherlich als eine mystische Märchenoper interpretieren, in der es um die Frage geht, wie ein Wunder in die Welt gelangen, und wie es dann möglich sein kann, dass dieses Wunder aus der Welt wieder vertrieben wird.[13]

Eine Interpretation also, die auf die Unfähigkeiten abzielt mit Wundern oder auch mit dem Wunder der Kunst, sähe man Lohengrin selbst als Künstler, umzugehen, und die in dieser Form sicherlich auch der Geschichte Jesu Christi ähnelt, welcher das Wunder der Liebe in die Welt zu bringen versuchte und damit scheiterte. Werner Herzog ist diesem Ansatz in seiner Bayreuther Produktion von 1987 bis 1992, unter der musikalischen Leitung von Peter Schneider, sehr überzeugend nachgegangen.

Man kann den „Lohengrin“ allerdings auch als eine gesellschaftliche Fundamentalkritik verstehen, und zwar fußend auf Wagners Aufsatz „Über die republikanische Monarchie“ von 1848.

In diesem Aufsatz fordert Wagner die radikale politische Entmachtung der Aristokratie und die Einsetzung eines vom Volke gewählten Parlamentes, ohne jedoch die vollständige Abschaffung des Adels zu proklamieren. Angelehnt an das Vorbild der englischen Monarchie sah Wagner die Aufgabe des/eines Königs darin, eine moralische Integrationsfigur zu verkörpern, welche das Volk nach innen und außen repräsentiert und es im Inneren eint und zusammenhält.[14] Jedoch, so Wagners Quintessenz, müsse die Aristokratie diese moralischen Grundsätze überhaupt erst besitzen und auch beibehalten, was nur gelingen könne, wenn die Aristokraten keine politische Macht mehr besäßen, da sie (sinngemäß argumentiert) so nicht mehr Gefahr liefen, ihre Verantwortung dem Volke gegenüber zu verlieren.

Auf Grundlage dieser Gedanken ließe sich eine Interpretation verfolgen, welche der Frage nachgeht, wie ein Phänomen wie Lohengrin überhaupt möglich sei?

Ein Mann, der aus dem Nichts erscheint, quasi von Gott gesandt, und sich dem Volk als Erretter und Heilsgeber anbietet und von diesem Volke vorbehaltlos akzeptiert wird, ohne dass das Volk weiß, wer dieser fremde Erlöser überhaupt ist, wie er heißt und für welche Richtung er steht.

Die Antwort auf diese Frage könnte, aus Wagners Aufsatz abgeleitet, lauten, dass solch ein Phänomen nur auf Grundlage eines Volkes, einer Gesellschaft möglich ist, welchem es an moralisch-integren, verantwortungsvollen Vorbildern fehlt. Ein Volk also, das führungs- und hoffnungslos sich selbst überlassen ist, ohne durch die politische Führung eine teleologische Vision vermittelt zu bekommen, welche dem ihm eine werteorientierte Richtung oder auch ein Ziel vorgibt.

Dieser Ansatz, der genauso den Zustand der Bundesrepublik Deutschland seit 1998 beschreiben könnte, wurde auf einleuchtende Art und Weise in der Bayreuther Produktion des „Lohengrin“ in den Jahren 1999 bis 2003 und 2005 in der Regie von Keith Warner verfolgt, unter der musikalischen Leitung von Antonio Pappano und Sir Andrew Davis sowie Peter Schneider.

Inhaltlich lässt sich der „Lohengrin“ leicht darstellen, zumal Wagner, anders als beim „Tannhäuser“ die ursprüngliche Sage kaum verändert hat.

1. Akt: Dem Fürsten Friedrich von Telramund wurden einst, wir schreiben das Jahr 933 in Antwerpen, die beiden Waisenkinder des Fürsten von Braband Elsa und Gottfried, der künftige Regent von Braband, zur Obhut übergeben. Als Gottfried eines Tages spurlos verschwand, witterte Telramund, aufgestachelt durch seine Frau Ortrud, die dem gestürzten Herrschergeschlecht Radboth entstammt, seine Chance. Als König Heinrich in Antwerpen weilt, um neue Truppen für den Krieg gegen die Hunnen zu rekrutieren, klagt Telramund Elsa des Brudermordes an mit der Behauptung, sie wolle durch den Mord an die Macht gelangen.[15]

Elsa kann sich durch nichts verteidigen als durch einen Traum von einem Ritter, der für sie im Gottesgericht streiten würde. Nach dem dritten Ausruf des Gottesgerichtes scheint dieses Wunder in Erfüllung zu gehen, indem über das Wasser auf einem Kahn gezogen der Schwanenritter Lohengrin erscheint. Er kämpft und siegt für Elsa und nimmt sie, nachdem er Telramund das Leben geschenkt hat, zu seiner Frau. Allerdings besteht er dabei auf dem Frageverbot, welches gebietet, dass niemand ihn nach seinem Namen und seiner Herkunft fragen dürfe.

2. Akt: Der entehrte Friedrich klagt seine Frau Ortrud an, ihn zur Anklage Elsas verleitet zu haben, was er allein nie getan hätte, zumal er Elsa eigentlich hätte heiraten sollen und nicht Ortrud. Diese aber hatte ihn zu der Heirat überredet mit dem Argument, sie kenne einen Weg, um ihr entmachtetes Geschlecht wieder auf den Thron Brabands zu heben. Die selbstgerechte Art, mit der Telramund sich in dieser Szene selbstbemitleidet, wirkt hier genauso jämmerlich wie das Winseln eines am Boden liegenden Hundes. Interessant ist jedoch auch die Figur Ortruds. In ihrer nihilistischen Art der Gottesverachtung und – Verleumdung, welche sie wie ein Panzer zu umgeben scheint, offenbart sich ihre irrsinnige Verletzung über die Entehrung durch den Thronverlust genauso wie ihre Verachtung für ihren Ehemann. Sie stellt in dieser Oper das eigentliche Gegengewicht zu Lohengrin dar, der ihr als Vertreter Gottes und der weißen Magie, zuwider ist, zumal sie sich als Hexe, als schwarze Magierin den Urgöttern Wotan und Donner verpflichtet sieht.

Im Gegensatz zu Telramund jedoch gibt sie sich der Situation nicht geschlagen. Sie überredet Telramund zu einem neuen Plan, um Lohengrin und Elsa zu entzaubern und den unbekannten Ritter so zu vertreiben.

Zusammen mit ihrem Mann will sie in Elsa den Zweifel an ihrem unbekannten Ritter schüren.

Sie begibt sich zu Elsas Haus und verschafft sich durch ein aufgesetzt-unterwürfiges Verhalten Elsas Mitleid und somit Zugang zu ihrem Haus.

Und während noch der Heerrufer Telramunds Verbannung bekannt gibt, weiht dieser ein paar wenige seiner Anhänger in seine Pläne ein, zumal er gedenkt Lohengrin zu einem günstigen Zeitpunkt töten zu wollen.

Der König begibt sich mit Elsa, die in Ortruds Begleitung ist, zum Münster zur bevorstehenden Hochzeit. Und noch bevor Elsa das Münster betreten kann, stellt sich Ortrud ihr in den Weg. Sie weckt in Elsa erste Zweifel an der Richtigkeit ihrer Ehe mit einem Unbekannten. Telramund tritt hinzu und klagt Lohengrin der Zauberei an. Nur schwer gelingt es dem herbeikommenden Lohengrin, Elsa wieder aufzurichten und mit ihr die Hochzeit zu begehen. Der Plan Ortruds scheint aufzugehen.

3. Akt: Vom Brautchor in Elsas Haus geleitet sind Lohengrin und Elsa zum ersten Mal allein. Doch während beide ihre Liebe besingen, werden Elsas Zweifel immer größer, bis sie diese nicht mehr ertragen kann und Lohengrin nach seinem Namen fragt. Dieses Schockmoment versucht Telramund, der alles belauscht hat, auszunutzen und stürmt hinein, um Lohengrin umzubringen. In Notwehr tötet Lohengrin ihn. Voller Enttäuschung begibt sich Lohengrin mit Elsa zum Richtplatz, um dort Rechenschaft abzulegen. Vor dem König und dem Volk berichtet er von dem Totschlag an Telramund und beginnt Elsas Frage öffentlich zu beantworten (Gralserzählung). Als Gesandter des Grals und Sohn des Parsifal ist er gekommen, um Elsa beizustehen. Da er nun aber öffentlich als solcher bekannt ist, muss er Elsa und Braband wieder verlassen. Während er sich unter dem Wehgeschrei des Volkes zu seinem Kahn begibt, gesteht Ortrud in heller Verzückung, dass sie es war, die Gottfried in einen Schwan verwandelt hatte, um Elsa so anklagen zu können. Lohengrin vernimmt diesen Ausbruch Ortruds und gibt daraufhin Gottfried, den Schwan der sein Boot gezogen hatte, wieder frei, um Ortrud nicht siegen zu lassen. Gottfried, der nun in menschlicher Gestalt wiederkehrt, soll der neue Herrscher von Braband sein.[16] Dies bedeutet die endgültige Niederlage Ortruds und somit ihren Tod, jedoch auch den Untergang Elsas, die in Gottfrieds Armen stirbt.

Beide haben ihre Ziele, Ortrud die Machtübernahme, Elsa die Ehe mit einem unbekannten Erlöser, nicht erreichen können, weshalb sie in dieser Gesellschaft nicht mehr weiterleben können. Sie sind damit beide als Opfer sozialer Umstände zu sehen, einer Umgebung, in der sie keine Heimat mehr haben. Ortrud und Elsa ersetzten die gesellschaftlichen Visionen, die sie durch die Obrigkeit nicht vermittelt bekommen konnten, durch private Ziele und Visionen, mit denen sie gesellschaftlich zu Aussätzigen wurden und somit ihre Heimat, ihre Einbettung in einen größeren Kontext verloren. Das Ende der Oper vermittelt trotz dieser pessimistischen Sicht zumindest die Hoffnung, dass es der Gesellschaft unter Gottfried zumindest besser gehen könnte.

CD- und DVD-Empfehlungen

Auf CD lohnen sich vor allem die folgenden Aufnahmen:

1. Claudio Abbado, Wiener Philharmoniker und Chor der Wiener Staatsoper; Cheryl Studer, Waltraud Meier, Siegfried Jerusalem, Hartmut Welker, Kurt Moll; Deutsche Grammophon, 1994.[17]

2. Rudolf Kempe, Wiener Philharmoniker und Chor der Wiener Staatsoper; Elisabeth Grümmer, Christa Ludwig, Jess Thomas, Dietrich Fischer-Dieskau, Gottlob Frick; EMI, 1963.[18]

Auf DVD ist empfehlenswert: 3. Peter Schneider, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Regie: Werner Herzog; Eva Johannson, Gabriele Schnaut, Paul Frey, Ekkehard Wlaschiha, Hans Sotin; Teldec, 1992.[19]

4. Claudio Abbado, Wiener Philharmoniker und Chor der Wiener Staatsoper, Regie: Wolfgang Weber; Cheryl Studer, Dunja Vejzovic, Placido Domingo, Hartmut Welker, Robert Lloyd; Deutsche Grammophon, 1988.[20]

Der Ring des Nibelungen

Im Sommer 1848 beginnt Wagner in der Schweiz die Arbeiten am „Ring des Nibelungen“, seinem größten Werk, an dem er mit einer Unterbrechung von 8 Jahren bis zum Spätsommer 1874 schreibt. Diese Tetralogie, bestehend aus einem Vorabend „Das Rheingold“, und drei Tagen „Die Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“, ist zweifelsfrei die künstlerische und politische Quintessenz des Wagnerschen Schaffens und steht in der gesamten Kulturgeschichte ohne Gleichen dar. In Zahlen ausgedrückt besteht der „Ring“ aus 104 aneinandergereihten Leitmotiven, dauert je nach Dirigat um die 15 Stunden und beinhaltet 9000 im Stabreim gehaltene Textverse. Zum Vergleich dient hier Johann Wolfgang v. Goethes „Faust I und II“, die je nach Inszenierung rund elf Stunden Aufführungsdauer auf die Bühne bringen, so beispielsweise in der Inszenierung von Peter Stein in Hannover 2000, und die 12.000 Textverse beinhalten. Wagner vereinigt im „Ring“ drei Sagenkreise miteinander. Er verbindet den Inhalt und die Personen des „Nibelungenliedes“ mit der in Skandinavien und Island anzusiedelnden „Edda“, einer nordgermanischen Göttersage, und der ebenfalls aus Skandinavien stammenden „Völsunga-Sage“, die sich inhaltlich um das Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde rankt und sich später in Thomas Manns Novelle „Wälsungenblut“ wiederfindet. Dabei verlegt Wagner die Handlung vollständig in die Nähe des Rheines, also an den Ort des Nibelungenliedes, und verschmilzt einige Personen der Sagen miteinander. So wird beispielsweise Brünhilde, welche im „Nibelungenlied“ noch die Frau Hagens war, in Wagners Opern zur Ehefrau Siegfrieds und zur Tochter des Göttervaters Wotan, der ja eigentlich der „Edda“ entstammt. Auf diese Weise ersetzt Brünhilde die eigentliche Ehefrau Siegfrieds aus dem „Nibelungenlied“ Kriemhilde. Diese wird lediglich in der Nornenszene der „Götterdämmerung“ in einem Nebensatz erwähnt, und zwar als Mutter der Gibichungen Gunther, Gutrune und Hagen.

Vom Gesamtkunstwerk zum Festspielhaus

Man kann feststellen, dass Wagner mit dem Beginn der Arbeit am „Ring“ den Durchbruch zum Gesamtkunstwerk, den er seit dem „Fliegenden Holländer“ stets versucht hatte, um die konventionelle Unterhaltungsoper zu überwinden, endgültig geschafft hat. Das Konzept des Gesamtkunstwerkes, das Wagner in seinem Aufsatz „Oper und Drama“ von 1850 proklamierte, kann man in dem Ziel zusammenfassen, in der Oper eine Gleichwertigkeit herzustellen zwischen Musik, Text und Bühne bzw. Handlung. Dieses bedeutet zunächst eine Aufwertung des Textes, der nach Wagners Vorstellungen nicht mehr nebensächlich zu sein hatte, sondern eine, wenn nicht sogar die zentrale Rolle des ganzen Werkes zu spielen hatte. Daraus lässt sich nicht nur ein hoher literarischer Anspruch ableiten, den Wagner über die Verwendung von Stabreimen zu bilden versuchte („Hierher Du frevelnder Freier, Fricka fälle Dich hier!“[21]), sondern auch ein rasanter Bedeutungszuwachs der Regie, des Geschehens auf der Bühne also, die sich bei Wagner in sehr umfangreichen, fast schon pedantischen Regieanweisungen niederschlägt. Diese Regiearbeit Wagners kann man durchaus als Geburtsstunde des Regietheater verstehen, wie es später von Berthold Brecht proklamiert, und heute durch so namhafte Regisseure wie Götz Friedrich, Harry Kupfer und Peter Konwitschny vertreten wird. Zudem zieht der Bedeutungszuwachs des Textes auch eine erhöhte Bedeutung der Musik mit sich, die nicht mehr eine reine Begleitung mit irgendeinem schönen Klang darstellt, sondern selber eine eigene Sprache spricht. Die Entwicklung der Leitmotivtechnik, bei der vorher festgelegten Leitmotiven eine bestimmte Bedeutung zugeschrieben wird, die sich natürlich im Kontext auch ein wenig ändern kann, ist dabei der Hauptversuch, dieser Musik die nötige Sprache zu verleihen. Zudem vermochte es Wagner seiner Musik, in der jeweiligen Handlungssituation zu beschreiben hatte, neue Farbklänge hinzuzufügen, welches später als Synästhesie bezeichnet wurde. Synästhesie bedeutet nichts anderes als die Verbindung zweier Kunstelemente zu einem, wie zu Beispiel das Farbenhören oder das Musiksehen, wie man es später auch in den Opern Richard Strauß´ wiederfinden konnte, oder auch in den kongenialen Laser-Shows der britischen Rock-Band Pink Floyd, die in ihren Konzerten immer wieder versuchte, Gesamtkunstwerke aus mythisch angehauchter Musik, poetischem Text und visuellen Effekten zu kreieren. Gleichzeitig mit der Idee des Gesamtkunstwerkes entwirft Richard Wagner das Konzept eines Festspielhauses, in welchem einzig und allein der „Ring“ aufzuführen sei, in Anlehnung an die griechischen Antikenfestspiele. Und so entwarf Wagner in Zusammenarbeit mit Gottfried Semper ein Festspielhaus, welches den akustischen Ansprüchen seines Werkes gerecht wurde. Das wesentliche Hauptmerkmal seines Festspielhauskonzeptes war zunächst einmal der amphitheatrische Zuschauerraum, den Wagner aus dem Vorbild des Amphitheaters in Epidauros ableitete.

Dieser halbkreisartige Zuschauerraum verhinderte in der Antike, dass die Besucher einer Aufführung zu weit vom Geschehen entfernt wurden, und somit näher an der Bühne platziert werden konnten, um dem Bühnengeschehen besser folgen zu können. Des Weiteren gestaltete Wagner den Zuschauerraum ohne jede Verzierung, verzichtete auf jede Form von Teppichen und Polstern und verwendete anstatt Stein lediglich Holz für die Ausstattung desselben. Damit wurde jegliche Form von Klangschluckern vermieden, was die Akustik merklich verbesserte.

Und zu guterletzt verlegte Wagner den Orchestergraben unter die Bühne, zum einen um eine unnötige Ablenkung des Publikums durch das Orchester zu vermeiden, zum anderen um eine besser Durchmischung des Orchesterklanges mit den Sängerstimmen zu erreichen; eine Idee, welche bei einem teilweise bis zu 120 Mann starkem Orchester nicht zu unterschätzen ist, da die Sänger in Bayreuth nicht mehr der Anstrengung ausgesetzt sind, gegen ein vor der Bühne gelagertes Orchester ansingen zu müssen, sondern quasi über den Orchesterklang hinwegsingen können.

Dieses Haus wurde nun nicht, wie geplant, in München, sondern in Bayreuth gebaut, wo am 22. Mai 1872 an Wagners 59. Geburtstag die Grundsteinlegung stattfand. Die Finanzierung des Hauses wurde zur einen Hälfte durch König Ludwig II. und zur anderen Hälfte durch eine festspieleigene Patronatsgesellschaft finanziert, so dass im August 1876 die ersten Bayreuther Festspiele mit drei kompletten Ring-Zyklen stattfinden konnten, und zwar unter der Leitung des renommierten Dirigenten Hans Richter. Neben Mark Twain, Theodor Fontane und Peter Tschaikowski waren auch Kaiser Wilhelm I. sowie der Kaiser von Brasilien anwesend, während König Ludwig II. lediglich die Generalproben besucht hatte.[22]

Die zweiten Festspiele konnten aufgrund der prekären finanziellen Situation erst im Jahre 1882 stattfinden, wo unter der Leitung des Dirigenten Hermann Levi acht Mal der „Parsifal“ uraufgeführt wurde. Wagner behielt sich bei diesen Festspielen selber das Recht vor, die letzte Szene des „Parsifal“ vom Publikum unbemerkt selber zu dirigieren.

Das Rheingold

Eigentlich hatte Wagner den Ring mit dem Text zu der Oper „Siegfrieds Tod“ begonnen, die er später in „Götterdämmerung“ umbenannte. Von diesem Text ausgehend entwarf er dann eine zusätzliche Oper über den jungen „Siegfried“. Um auch die Vorgeschichte zu „Siegfried“ nicht wegfallen zu lassen, entwickelte Wagner dann den Text zu „Die Walküre“ und abschließend zu „Das Rheingold“. Ausgehend von dem rückwärts konzipierten Text begann er daraufhin, die Musik zum „Ring“ vom Anfang ausgehend zu komponieren. In diesem Kontext ist es interessant zu wissen, dass der wohl größte Wagnerianer des 20. Jahrhunderts Thomas Mann seine „Buddenbrooks“ ähnlich konzipierte. Beginnend mit dem Schlussteil des Werkes, welchem er selber den Titel „Hannos Tod“ gab, arbeitete er sich Teil für Teil um ganze zwei Generationen von Hanno zurück, bis er genealogisch bei dessen Großvater angekommen war.[23]

Inhalt und Interpretation

Der Göttervater Wotan ist Herrscher über die Welt, die er im Glauben an die Liebe und den Respekt zu gestalten versucht. Als er eines Tages Rat sucht, geht er zur Uresche Ügdrasil, dem Baum der ewigen Weisheit, und trinkt aus der Quelle, die diesem Baum entspringt, um die Zukunft vorherzusehen. Als Pfand für diesen Dienst lässt er der Esche sein rechtes Auge. Die Schrecknisse der Zukunft, die er nun zu sehen vermag, verleiten ihn, da er seine Welt vor ihnen bewahren will, dazu, der Esche einen Ast abzuschlagen, aus dem er seinen Speer herstellt. Auf diesem Speer finden sich, in Runen niedergeschrieben, die Verträge, welche er mit allen gesellschaftlichen Schichten seiner Welt schließt, um den Frieden und gegenseitigen Respekt auf seiner Erde zu sichern. Dieser unrechtmäßige Erwerb des Speeres stellt den Sündenfall dar, der den Stein der Geschehnisse überhaupt ins Rollen bringt. Es handelt sich um das unumkehrbare Unheil, das durch dieses Vergehen an der Mutter Natur, die gleichbedeutend ist mit der Göttin Erda, beginnt. Es kann vermutet werden, dass dieses Vergehen zeitgleich stattfindet zum Raub des Rheingoldes im ersten Bild der gleichnamigen Oper.

In einem erst sehr leisen und verhaltenen und dann immer strahlender werdenden Es-Dur beginnt das Vorspiel die Entstehung der Welt durch das Wasser zu schildern.[24] Im Rhein tummeln sich zu Beginn des ersten Bildes die drei Rheintöchter, die Hüterinnen des Schatzes der Natur, des Rheingoldes. Zu ihnen begibt sich der Zwerg Alberich, ein Nibelung, der aus dem Ort Nibelheim stammend einen typischen Vertreter der Arbeiterklasse bzw. des Proletariats darstellt. Als ständig zu kurz gekommener Krüppel wittert er in den flirtenden Rheintöchtern eine willkommene erotische Abwechslung. Verärgert über diese, welche sich über ihn belustigen, möchte er abziehen, als sein Blick auf das Rheingold fällt. Demjenigen, der bereit ist für das Gold auf Liebe zu verzichten, bringt es unendliche Macht über die Welt, erzählen die Rheintöchter Alberich. Da er bei den drei Mädchen erotisch sowieso nichts mehr zu erwarten hat, verschwindet er samt dem Gold.

Im zweiten Bild begeben wir uns in die luftigen Höhen, in denen die Götter, die Aristokraten also, herrschen. Wotan hat sich und ihnen die Burg Walhall als Schutz gegen die Mächte des Bösen bauen lassen, und zwar durch die beiden Riesen Fasolt und Fafner, die als Bauunternehmer mit kleinbürgerlichem Bildungshintergrund angesehen werden können. Leider hat Wotan den beiden auf die Schnelle Freia, die Schwester seiner Frau Fricka, zum Lohne versprochen, was sehr unklug war, zumal sie die Hüterin der Äpfel ist, welche den Göttern ihre Unsterblichkeit sichern. Daher gibt es auch gleich den ersten Ehestreit des Werkes zwischen Fricka und Wotan. Die Riesen erscheinen und fordern den Lohn, welchen Wotan ihnen ausschlagen muss. Einzig der Halbgott Loge, verantwortlich für List und Feuer, weiß eine Lösung. Er kenne Alberich und wisse um dessen Lottogewinn. Mit diesem könne man Fricka von den Riesen wieder auslösen. Und während die Riesen mit ihrem Pfand Fricka abziehen, begeben nicht Wotan und Loge nach Nibelheim.

Dort treffen sie zu Beginn des dritten Bildes auf Mime, Alberichs jüngeren Bruder, der sich von diesem permanent malträtieren lassen muss. Er erzählt den beiden Göttern von Alberichs Gold und dem Ring, den Alberich samt einem Tarnhelm aus dem Gold gewonnen hat. Die Tatsache, dass Alberichs Verstand dem Zuwachs an Macht nicht Stand halten konnte, nützen die beiden Götter aus.

Sie fordern Alberich auf, ihnen die Zauberkräfte des Helmes zu belegen und sich in eine Kröte zu verwandeln. Diese Kröte packen und fesseln Wotan und Alberich sogleich und nehmen Alberich so den Ring und das Gold ab im Tausch gegen seine Freiheit. Am Boden zerstört verflucht Alberich den Ring mit den Worten, die den Ring das ganze Werk hindurch begleiten werden: „Wer ihn hat, den zehre die Sorge, und wer ihn nicht hat, den zehre der Neid!“[25]

Die Götter begeben sich sodann zu Beginn des vierten Bildes wieder in die Lüfte zu ihrer neuen Wohnstätte. Den Riesen wird das Gold übergeben, und zwar in der Menge, welche dazu in der Lage ist Freia ganz zu umhüllen. Als Fasolt, der sich in Freia verliebt hat, noch ein Auge Freias durch das Gold schimmern sieht, fordern die Riesen Wotan auf, noch den Ring an seinem Finger dazu zu legen. Es erscheint Erda, die Göttin der Natur und der Erde. Sie mahnt in strengem cis-moll Wotan dazu, von dem Ring zu lassen, da dieser Unglück und Verderben bringe. Widerwillig folgt Wotan dem Rat und gibt den Ring den Riesen. Im Streit um das Gold fordert der Fluch Alberichs das erste Opfer. Fafner erschlägt seinen Bruder Fasolt und verschwindet mit der Beute. Endlich können die Götter über einen Regenbogen nach Walhall einziehen. Unter der Wehklage der Rheintöchter, die den Raub des Goldes beklagen, bleibt nur Loge zurück, der sich mit der trügerischen und verlogenen Ruhe der Götter nicht identifizieren kann.

CD- und DVD-Empfehlungen

Auf CD: 1. James Levine, Orchester der Metropolitan Opera; James Morris, Siegfried Jerusalem, Heinz Zednik, Ekkehard Wlaschiha, Kurt Moll, Jan Hendrik Rootering, Christa Ludwig, Birgitta Svendén; Deutsche Grammophon, 1988.[26]

2. Sir Georg Solti, Wiener Philharmoniker; George London, Set Svanholm, Paul Kuen, Gustav Neidlinger, Walter Krepel, Kurt Böhme, Kirsten Flagstad, Jean Madeira; Decca, 1966.[27]

Auf DVD: 3. Pierre Boulez, Orchester der Bayreuther Festspiele, Regie: Patrice Chereau; Donald McIntyre, Heinz Zednik, Hermann Becht, Helmut Pampuch, Matti Salminen, Fritz Hübner, Hannah Schwarz, Christa Reppel; Philips, 1980.[28]

4. James Levine, Orchester der Metropolitan Opera, Regie: Otto Schenk; s.o.[29]

Die Walküre

Der erste Tag der Tetralogie muss inhaltlich etwa 20 Jahre nach dem „Rheingold“ angesiedelt werden, was sich aus dem Alter der Protagonisten der Oper ergibt.

Nach dem Einzug in die Burg Walhall zog Wotan lange Zeit durch seine Welt, auf der Suche nach einem Heer, das er zu Verteidigung der Götter gegen die Macht des Bösen verwenden könne. Dabei machte er auch Bekanntschaft mit einer namenlosen Erdenfrau, die ihm acht Kinder gebar – die Walküren. Diese acht Töchter nahm Wotan zu sich nach Walhall und bildete sie zu Kämpferinnen aus, deren einzige Aufgabe es sein sollte, alle gefallenen Helden nach Walhall zu holen und diese dort für das von Wotan benötigte Heer auszubilden. Man kann an der Ausbildung dieses Heeres ablesen, wie sehr sich Wotan nach dem Erhalt des Speeres, dem Symbol seiner auf Verträgen gebauten Macht, von seinen Bürgern entfernt haben muss. Durch die beinahe gescheiterten Verhandlungen mit den Riesen über Walhall und den Raub des Goldes von Alberich scheint in die Welt Wotans der Zwiespalt und das Misstrauen Einzug gehalten zu haben. Ein Misstrauen, welchem Wotan nur durch eine Institution wie einem Heer begegnen konnte, um die Sicherheit seiner Welt zu garantieren. Nicht nur zu Wotans Zeit sind Institutionen Ausdruck von Sicherheit und Träger bestimmter Grundnormen, sondern auch Ausdruck der Gewissheit, dass bestimmte Dinge geregelt werden müssen, eben weil man den Menschen nicht grenzenlos vertrauen kann.

Jedoch die Walküren sind nicht die einzigen Nachkommen Wotans. So blieb nämlich der Gedankenaustausch Wotans mit Erda nicht ganz ohne Folgen. Sie gebar ihm seine Lieblingstochter Brünhilde, auch eine Walküre, die ihm von klein an nie mehr von der Seite weichen sollte.

Und, als ob das noch nicht genug wäre, machte er Bekanntschaft mit einer adligen Erdenfrau, mit der er das Zwillingspaar Siegmund und Sieglinde zeugte. Mit dieser Frau muss Wotan zwischenzeitlich ein regelrechtes Doppelleben geführt haben, da er unter dem Pseudonym Wälse mit ihr zusammenlebte, um Siegmund zu einem Helden auszubilden. Von ihm erwartete er sich, dass er später losziehen werde, um den mittlerweile zum Drachen mutierten Fafner zu töten, und ihm dann das Gold und den Ring zu entreißen und dem Rhein zurückzugeben. Er weiß, dass, sollte das Gold nicht in den Rhein zurückkehren, seine Welt dem Untergang geweiht ist.

Eines Tages jedoch, als Siegmund mit Wälse vom Training im Wald zurückkehrte war seine Mutter von Schächern erschlagen und Sieglind entführt worden, um mit Hunding verheiratet zu werden. Seither irrt Siegmund allein durch die Welt, um seine Schwester wiederzufinden.

In der Vorgeschichte zur „Walküre“ passiert jedoch noch eine bemerkenswerte Tatsache. Wotans größter Kontrahent Alberich, der seit dem Raub des Goldes an nichts anderes denkt als daran, wie er sich das Gold zurückbeschaffen könne, hatte sich einst Kriemhild, die Mutter Gunthers und Gutrunes, mit Geld gefügig gemacht und mit ihr Hagen in die Welt gesetzt. Dieser Hagen sollte ihm, dem einst unterlegenen Krüppel, als Krieger dienen, um das Gold für ihn zurück zu erobern.

Inhalt und Interpretation

1. Akt: Während draußen ein Gewitter tobt und vom kommenden Unheil kündet, erscheint Siegmund gehetzt von Hundings Mannen in dessen Haus, von dem er nicht weiß, dass es das Haus seines Jägers ist. Dort wird er von der ihm unbekannten Frau Hundings versorgt. Beide fühlen sich im Moment ihres Anblickes sofort zueinander hingezogen. Es ist schon fast rührend, wie der junge Siegmund, der zuvor noch mit keinem fremden Menschen zusammengetroffen ist, mehrfach der fremden Frau gegenüber die Fasson verliert und alle seine gesellschaftlichen Grenzen überschreitet. Als Hunding das Haus betritt, erkennt er in ihm sofort seinen Erzfeind, den er jagte, und er fordert ihn postwendend zum Duell am nächsten Tag auf. Hundings Frau bringt ihren Mann zur Bettruhe und betäubt ihn mit einem Schlafmittel. Sie begibt sich zu Siegmund. Diesem hatte sein Vater einst ein Schwert verheißen, mit welchem er sich in höchster Not verteidigen könne. Dieses Schwert sitzt nun tief in die Esche geschlagen, welche in der Mitte des Hauptraumes Hundings Haus steht. Wotan hatte es einst dort hinein geschlagen mit der Ankündigung, dass nur derjenige, der dazu im Stande sei es herauszuziehen, Sieglinde zur Frau nehmen dürfe. Mit der Sicherheit, dass nur ihr Gast, den sie als ihren Bruder erkannt hat, dies vollbringen könne, weist sie Siegmund das Schwert, welches er herauszieht, und gibt sich als seine Schwester zu erkennen. Es beginnt das wohl wunderbarste Liebesduett der Opernliteratur, an dessen Ende das Zwillingspaar Hundings Haus verlässt und flüchtet.

2. Akt: Während Wotan sich im Spiel mit seiner Tochter befindet, gibt er ihr, berauscht von der Wiederzusammenkunft seiner Kinder in der letzten Nacht, Brünhilde den Auftrag, Siegmund beim Duell mit Hunding zu unterstützen. Hunding soll fallen. Fricka betritt den Raum. Sie ist als Göttin der Ehre, der Moral und der Ehe in der letzten Nacht von Hunding angerufen worden, ihm beizustehen. Sie ist erbost darüber, dass Wotan den Inzest und Ehebruch des Wälsungen-Paares duldet und fördert. Ganz abgesehen von der Kränkung, die ihr der eigene Ehemann durch seinen elffachen Ehebruch zugefügt hat. Sie fordert Siegmunds Tod, den ihr Wotan auf seinen Speer schwören muss, um weiteren Schaden von der Ehe abzuwenden. Niedergeschlagen und traurig gibt Wotan die Änderung seines Auftrages Brünhilde bekannt. Er erzählt ihr den Grund für diese Änderung und warum er damals Siegmund und Sieglinde zeugte. Nun, da Siegmund fallen soll, sieht er keine Hoffnung mehr, seine Welt zu retten, eine Welt, die von freier und gegenseitiger Liebe geprägt sein sollt, für die das Wälsungen-Paar maßgeblich stand. In einem Wald rasten Siegmund und Sieglinde von der langen Flucht. Und während Sieglinde in tiefen Schlaf fällt, erscheint Brünhilde, um Siegmund auf seinen Tod und den Weg nach Walhall vorzubereiten. Da er jedoch nicht bereit dazu ist, ohne seine Schwester zu gehen, widersetzt sich Brünhilde, von ihren Gefühlen für Siegmund umgestimmt, dem Willen ihres Vaters und schwört Siegmund ihm beizustehen. Schon naht Hunding und nimmt den Kampf mit Siegmund auf, während Sieglinde von schweren, fast schon visionären Alpträumen heimgesucht erwacht. Brünhilde versucht ihrem Bruder zur Seite zu stehen, wird jedoch von Wotan zur Raison gerufen, der nun selbst Siegmunds Schwert Nothung zerschlägt und seinen Sohn so dem Tode preisgibt. Und während Wotan noch diesen Tod betrauert, nimmt er Hunding voller Ekel das Leben. Brünhilde nimmt geistesgegenwärtig das Schwert und Sieglinde an sich, um ihre Schwester dem Zorn Wotans zu entziehen. Dieser nimmt die Verfolgung Brünhildes auf, um sie zu bestrafen

3. Akt: Während immer noch das Gewitter tobt, welches sich während des Zweikampfes entzündet hatte, suchen Brünhilde und Sieglinde Zuflucht bei den Walküren.[30]

Die völlig am Boden zerstörte Sieglinde sieht nach dem Tod ihres Bruders keinen Sinn mehr in ihrem Leben. Einzig Brünhilde weiß ihr davon zu berichten, dass sie von ihrem Bruder schwanger geworden sei. Sie werde Mutter eines Sohnes werden, welcher Siegfried heißen solle. Dadurch schöpft Sieglinde neue Hoffnung und neuen Mut.[31] Sie flieht in einen Wald mit dem Schwert, das Siegfried einst zusammenschmieden soll. Wotan erscheint und zieht voller Zorn seine Tochter Brünhilde zur Verantwortung für ihren Regelverstoß. Sie soll aus dem Kreis der Walküren ausgestoßen werden, was gleichzeitig ihre Menschwerdung und Sterblichkeit bedeutet. Dem aber nicht genug: schlafend auf einer Wiese soll sie dem ersten x- beliebigen Mann, der sie findet, als Frau dienen. Das jedoch kann Brunhilde nicht ertragen, und sie bittet ihren Vater zumindest darum, um sie herum ein Feuer zu entzünden, damit eben nicht jeder, sondern nur der tapferste es ist, der sie findet und heiratet. Beide nehmen für immer voneinander Abschied, bevor Wotan seine Tochter in den Schlaf küsst und Loge dazu unter Vertrag nimmt, ein Feuer um sie zu entbrennen.

[...]


[1] Udo Bermbach, „Deutschlands Wahnfried – Über Richard Wagner und die SPD“, FAZ, 05.02.1999.

[2] An die einzelnen Abhandlungen sind für die Interessenten CD- und DVD-Empfehlungen angefügt. Es sei darauf hingewiesen, dass DVD auch Video meint. Es könnte also sein, dass unter dem Stichwort DVD Aufzeichnungen genannt sein können, die bisher möglicherweise nur als Videos erschienen sind.

[3] Siehe dazu: Guido Adler, „Richard Wagner. Vorlesungen gehalten an der Universität Wien”, 1923.

[4] siehe dazu: Heinrich Heine „Deutschland – ein Wintermärchen“, 1844/1979.

[5] Hervorragend in dieser Aufnahme sind vor allem das Dirigat Karl Böhms, sowie die beiden unschlagbaren Stimmen von Thomas Stewart und Karl Ridderbusch. Die prototypische Aufnahme schlechthin. Einzig die sehr schwierige Stimme von Gwyneth Jones ist sehr gewöhnungsbedürftig.

[6] Eine durchweg brillante Besetzung mit erstklassigen Stimmen. Einzig das Orchester bleibt an einigen Stellen hinter der Dramatik der Musik zurück.

[7] Die wohl beste und überzeugenste Aufnahme, in der vor allem Falk Struckmann glänzt.

[8] Eine hochanständige Besetzung mischt sich in dieser Videoeinspielung mit der legendären Kupfer-Inszenierung aus Bayreuth, die erstmals die Geschichte des Holländers als einen Traum, eine Utopie Sentas ausdeutet und somit die tiefenpsychologische Dimension dieses Werkes betont. In dieser Weise ist diese Inszenierung revolutionär und nach wie vor hochaktuell, zumal sie mit Simon Estes als farbigen Holländer, welcher vor seinem Gang an Land, gleich einem Sklaven, seine Ketten ablegen muss, die Frage nach der Intoleranz einer Gesellschaft gegenüber andersartigen Menschen aufwirft.

[9] Charles Baudelaire, „Richard Wagner und der Tannhäuser in Paris“, 1861; in: Jürgen Kolbe (Hrsg.) „Wagners Welten“, Münchner Stadtmuseum, 2003.

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[10] Ein überragendes Dirigat mischt sich hier mit genialen Chören, einer Grace Bumbry als süffisante, farbige Venus und einer unübertroffenen, damals 22-jährigen Anja Silja als Elisabeth. Wolfgang Windgassen brilliert als Tannhäuser.

[11] Große Stimmen, die allesamt berühren. Einzig der Chor artikuliert sich nicht sehr gut. Agnes Baltsas Textverständlichkeit lässt einiges zu wünschen übrig. Placido Domingo zeigt sich als perfekter Wagner-Sänger.

[12] Der Wolfram Dietrich Fischer-Dieskaus ist bis heute unübertroffen und gerade die beiden Frauenstimmen berühren den Hörer. Selbst Lisa Otto als Hirte meistert ihren kurzen, aber schwierigen Part mit Perfektion. Einzig Hans Hopf ist mit der Hauptpartie merklich überfordert. Das Dirigat wirkt an vielen Stellen zu flatterhaft.

[13] Diese Interpretation ließe sich beispielsweise aus der Tatsache ableiten, dass Wagner den „Lohengrin“ als große Romantische Oper in drei Akten bezeichnete.

[14] In diesem Punkt befindet sich Wagner sehr nah an der politischen Theorie Max Webers, welcher 1919 in seiner Schrift „Politik als Beruf“ von den drei wichtigen Qualitäten spricht, welche Politiker sich aneignen müssen, nämlich Leidenschaft, Verantwortungsgefühl und Augenmaß. Dies ist eine sehr pessimistische Sichtweise, zumal sie unterstellt, dass Einjeder, der mit Politik bzw. dem politischen Tagesgeschäft in Berührung kommt, Gefahr läuft, diese Qualitäten zu verlieren.

[15] Bei König Heinrich dürfte es sich historisch um den Großvater Kaiser Heinrichs II. handeln, der im Jahre 1002 zum deutschen Kaiser gekürt wurde und unweit Bayreuths im Bamberger Dom begraben liegt.

[16] Eigentlich befand sich an dieser Stelle noch die zweite Gralserzählung, in welcher Lohengrin dem König Heinrich den Sieg über die Hunnen verhieß. Aufgrund der Tatsache aber, dass kaum ein Tenor zu der Zeit dazu imstande war, diese Erzählung noch bewältigen zu können, musste Wagner auf sie verzichten und den inhaltlichen Bogen so dramaturgisch unvollendet lassen.

[17] Die Claudio Abbado-Aufnahme überzeugt vor allem durch ein großartiges Sänger-Ensemble, das durch die fulminant singende Waltraud Meier geprägt ist. Andreas Schmidt rundet das Ensemble grandios ab. Selbst Siegfried Jerusalem hält sich sehr gut, während Claudio Abbado ein wunderbar lyrisches Dirigat abgibt.

[18] Vor allem empfehlenswert wegen Christa Ludwig, die zweifelsfrei die beste Ortrud aller Zeit ist, und ihrem genialen Gegenpart Dietrich Fischer-Dieskau. Eine der wenigen Aufnahmen mit guter Textverständlichkeit.

[19] Wunderschöne und märchenhafte Inszenierung Werner Herzogs mit einem mehr als anständigen Sängerensemble, allen voran Gabriele Schnaut als Ortrud, und den herrlichen Bayreuther Chören.

[20] Eine sehr schöne, wenn auch sehr konventionelle Wolfgang Weber-Inszenierung aus Wien mit einem überraschend-guten Lohengrin von Placido Domingo und einer großartigen Cheryl Studer als Elsa.

[21] „Die Walküre“, 2. Akt, fünfte Szene, Hunding.

[22] Erwähnt sei an dieser Stelle nur, dass der erste Zyklus fast ausgefallen wäre, da der für den „Siegfried“ benötigte Drachenkopf, der in England hergestellt wurde, in Beirut im Libanon geliefert wurde, da in England niemandem das fränkische Nest Bayreuth ein Begriff gewesen ist. Diese Anekdote beschreibt nach der künstlerischen Faszination Bayreuths, die überall in die Welt hinausstrahlt, den eigentlichen Charme dieser Kulturinstitution. Die Tatsache, dass Wagner seine Mammutfestspiele in der fränkischen Provinz stattfinden ließ, bewirkte, dass sich die Leute in der Zeit des Festspielbesuches einzig auf dieses Kulturereignis zu konzentrieren vermochten, da sie nicht durch andere Reize oder Freizeitaktivitäten abgelenkt werden konnten und können. Zum anderen hat es auch einen gewissen Charme, wenn eine unter dem Jahr fast unbeachtete Kleinstadt für die drei Monate des Festspielzeit (Juni bis August, die Proben eingerechnet) auf einmal aus seinem Dornröschenschlaf erwacht, und zu einem internationalen Treffpunkt von Kulturliebhabern aus aller Welt wird.

[23] Auffällig bei den „Buddenbrooks“ ist, dass sie, genau wie Wagners „Ring“, über elf Teile verfügen, die sich in Wagners Werk aus dem „Rheingold“, den jeweils drei Akten von „Walküre“ und „Siegfried“ sowie dem Vorspiel und den drei Akten der „Götterdämmerung“ zusammensetzen. Während die Literaturwissenschaft sich schon ausgiebig mit der auf Wagner beruhenden Leitmotivtechnik in den „Buddenbrooks“ beschäftigte, gab es bisher leider noch keine Anstrengungen dahingehend zu untersuchen, ob Thomas Mann die elf Teile der „Buddenbrooks“ auch inhaltlich an Wagners „Ring“ angelehnt hat.

[24] Ein erstaunlicher Querverweis zum Zwiegespräch zwischen Thales und Diogenes im 2. Akt des Faust II von Johann Wolfgang v. Goethe, in welchem sich beide darüber streiten, ob die Erde aus Wasser oder aus Feuer entstanden ist. Und Wagner reagiert auf diesen Streit, indem er die Erde durch das Wasser zu Beginn des „Ringes“ entstehen lässt und am Ende seiner Tetralogie durch das Feuer wieder neu erstehen lässt.

[25] „Das Rheingold“, drittes Bild, Alberich.

[26] Es überzeugt vor allem das wunderbare Dirigat sowie der herrlich-lyrische S. Jerusalem als Loge.

[27] Der erste Studio-Ring mit dem über 70-jährigen George London als Wotan und Kirsten Flagstad als Fricka.

[28] Der „Jahrhundert-Ring“ in Bayreuth mit der großen Umdeutung Wagners in die Neuzeit.

[29] Eine wunderbare konventionelle Inszenierung mit der guten Besetzung der CD.

[30] Es sei hier nur bemerkt, dass der sog. Walküren-Ritt kein Reiterstück ist, sondern ein Gewitterstück. Solche Gewitter dienen im „Ring“ immer zur Ankündigung nahenden Unheils. Auch der Einzug der Götter in Walhall am Ende des „Rheingold“ kündigt im Endeffekt bei aller musikalischen Schönheit das nahende Unheil an.

[31] Es ist bemerkenswert, dass die Paraphrase, die Sieglinde bei diesem Hoffnungsschimmer singt, nur noch ein einziges Mal im ganzen Ring vorkommt, nämlich am Ende des „Ring“. Da es sich bei dieser Szene um das Schöpfen neuer Hoffnung handelt, ist daraus zu schließen, dass das Motiv gen Ende der „Götterdämmerung“ nicht, wie so oft fälschlicherweise, als Erlösungs-Motiv zu bezeichnen ist, sondern als Hoffnungs-Motiv. Siehe dazu 5.5.1.

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Detalles

Título
Richard Wagner. Seine Werke, Förderer und Kritiker
Autores
Año
2013
Páginas
192
No. de catálogo
V230226
ISBN (Ebook)
9783656453628
ISBN (Libro)
9783956870156
ISBN (Libro)
9783656455905
Tamaño de fichero
1178 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
richard, wagner, seine, werke, förderer, kritiker
Citar trabajo
Friedrich Bielfeldt (Autor)Marie-Christin Heene (Autor)Florian Widmann (Autor), 2013, Richard Wagner. Seine Werke, Förderer und Kritiker, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230226

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