Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Lernausgangslage – Analyse der Lehr- und Lernbedingungen
1.1 Organisatorische Rahmenbedingungen
1.2 Bild und Stand der Lerngruppe
2. Kompetenzbegriff, Schreibprozess und Schreibkompetenz
3. Schreibmotivation
4. Didaktische Lösungsansätze – theoretische Vorüberlegungen zur Förderung der Schreibmotivation und Schreibkompetenz
4.1 Motivationale Grundlage für die Förderung der Schreibkompetenz
4.2 Sequenzierung des Schreibprozesses
4.3 Schreiben nach Kriterien
5. Hypothesen zur Untersuchung
6. Die Unterrichtseinheit „Das schreibende Klassenzimmer“ zur Förderung der Schreibmotivation und –kompetenz in der Jahrgangsstufe sieben
6.1 Didaktische Überlegungen zur Unterrichtseinheit
6.1.1 Curriculare Vorgaben
6.1.2 Kompetenzen
6.1.3 Methodische Überlegungen zur Unterrichtseinheit
6.2 Schematischer Verlauf der Einheit
6.3 Durchführung und Reflexion zweier ausgewählter Stunden
6.3.1 Stunde 9: „Der richtige Tatort“
6.3.2 Didaktisch-methodische Überlegungen
6.3.2 Reflexion der 9. Stunde „Der richtige Tatort“
6.4 Didaktisch-methodische Überlegung der 21. Stunde „Unter die Lupe nehmen“
6.4.1. Reflexion der 21. Stunde
7. Evaluation der Unterrichtseinheit
7.1 Evaluation der Schreibmotivation
7.2 Evaluation der Strukturierungs- und Formulierungskompetenz
7.3 Evaluation der Revisionskompetenz
7.4 Reflexion der Unterrichtseinheit „Das schreibende Klassenzimmer“
8. Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
1. Lernausgangslage – Analyse der Lehr- und Lernbedingungen
1.1 Organisatorische Rahmenbedingungen
Die Klasse 7e unterrichte ich eigenverantwortlich mit einem Stundendeputat von sechs Wochenstunden seit Beginn des Schuljahres 2012/13 in den Fächern Deutsch und PoWi. Der Deutschunterricht findet mittwochs in den ersten beiden sowie freitags in der fünften und sechsten Stunde statt. Der Klassenraum befindet sich im Hauptgebäude der Schule, ist ausreichend groß und mit Tafel sowie Overhead-Projektor ausgestattet. Die Tische sind, falls keine Gruppenarbeiten angesetzt sind, in „U-Form“ gestellt. Die Sitzordnung wird wöchentlich in der Klassenlehrerstunde gelost.
Die Lerngruppe besteht aus 12 Jungen und 13 Mädchen. Der Klassenverband wurde am Anfang des Schuljahres aus Schüler/innen verschiedener Klassen sowie der Förderstufe zusammengesetzt.
1.2 Bild und Stand der Lerngruppe
Das Leistungsniveau der Gruppe ist heterogen. Es gibt nur wenige leistungsstarke Schüler/innen. Die Mehrheit der Schüler/innen bewegt sich im mittleren Leistungsspektrum. Sechs Schüler/innen zähle ich zu den leistungsschwächeren Schüler/innen. Vor allem die Schülerinnen sind am Fach Deutsch interessiert und sehr bemüht, sich in das Unterrichtsgeschehen einzubringen. Das Interesse der Schüler ist tagesform- sowie aufgabenabhängig[1]. Das Sozialverhalten der Schüler/innen ist während des Unterrichtsgesprächs sowie in Einzel- und Partnerarbeiten unproblematisch. In den Gruppenphasen, mit denen bisher wenige Schüler/innen Erfahrungen sammeln konnten, verhielten sich die Schüler zu Beginn unruhig sowie teilweise unkonzentriert. Hierbei spielt die Zusammensetzung der Gruppen eine Rolle[2].
Bereits in der ersten Deutschstunde ist mir die Schreibunlust der Schüler/innen aufgefallen. So sollten sie nach einer kurzen interaktiven Abfrage einen Aufsatz zu ihren Ferienerlebnissen verfassen. Die Schüler/innen protestierten dagegen und äußerten den Wunsch, ihre Ferienerlebnisse mündlich wiederzugeben. Auf meine Nachfrage, warum sie ungern schrieben, habe ich folgende Antworten erhalten: Schreiben mache keinen Spaß; es wäre langweilig und wird nicht gebraucht. Die Schreibunlust konnte ich auch in den darauf folgenden Deutschstunden und auch im Fach PoWi beobachten. So musste ich häufig insbesondere Schüler zum Schreiben motivieren, auch wenn es sich um das Abschreiben von der Tafel oder Folie handelte.
Die Leistungen der Schüler/innen hinsichtlich der Schreibkompetenz habe ich anhand der Aufsätze aus der ersten Stunde sowie der ersten Klassenarbeit zum Thema „Inhaltsangabe“ untersucht. Dabei lagen die Schwerpunkte auf dem sachlichen Gehalt der Texte, Textkohärenz, sprachliche sowie grammatikalische Richtigkeit.
Die Mehrheit der Klasse hat Schwierigkeiten, vor dem Schreiben eine Textstruktur zu finden und ihren Text abwechslungsreich zu formulieren.
Insgesamt handelt es sich um eine aufgeschlossene und interessierte Klasse, in der eine angenehme Arbeitsatmosphäre herrscht.
Um meine Beobachtungen hinsichtlich der fehlenden Schreibmotivation zu untermauern, führte ich eine Umfrage zu Schreibinteresse und -kompetenz durch. Der anonyme Fragebogen enthielt Fragen zu Schreibeinstellung und Teilprozessen des Schreibprozesses (vgl. Anhang). Die Mehrheit der Schüler/innen gab an, das Schreiben bereite ihnen keinen Spaß. Weiterhin erfuhr ich, dass ca. die Hälfte der Befragten Schwierigkeiten beim Formulieren von Ideen hat und ca. ein Drittel der Schüler/innen ihre Schreibprodukte nicht überarbeitet.
Aus der Analyse der Lerngruppe und der Auswertung der Fragebögen geht hervor, dass die Mehrheit der Schüler/innen nicht gern schreibt und Schwierigkeiten hat, einen Text zu strukturieren und zu formulieren. In der Textüberarbeitung lässt sich ein besonderer Förderbedarf feststellen, da laut der Fragebögen nur ein Drittel der Lerngruppe ihre Schreibprodukte überarbeitet und sich eine Rückmeldung geben lässt. Daraus lässt sich ein Förderbedarf in Bezug auf Schreibmotivation sowie Schreibkompetenz ableiten. Einen besonderen Schwerpunkt der Einheit soll die Textrevision bilden, da diese ein wichtiger Baustein bzw. Teilprozess des Schreibprozesses ist, eine konsequente Übung erfordert und die Lerngruppe bisher kaum Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt hat.
2. Kompetenzbegriff, Schreibprozess und Schreibkompetenz
Je nach Wissenschaftsdisziplin findet man unterschiedliche Definitionen des Kompetenzbegriffs. In der Pädagogik wird der Begriff auf das Kompetenzmodell von Klafki zurückgeführt und umfasst Fähigkeiten, die Personen benötigen, um bestimmte Probleme bzw. Aufgaben zu lösen (vgl. Gudjons 2006, S.235). Weinert definiert Kompetenzen als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemstellung in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert 2001, S. 27). Individuelle Kompetenzen bestehen aus zusammenwirkenden Aspekten wie Wissen, Fähigkeit, Verstehen, Können, Handeln und Erfahrung.
Um den Begriff „Schreibkompetenz“ zu definieren, möchte ich zunächst auf den prozessualen Charakter des Schreibens eingehen. In den 80er Jahren entstanden mehrere Modelle, die den Prozesscharakter des Schreibens beschreiben. In dieser Arbeit greife ich auf das älteste und wohl bekannteste Schreibmodell von Hayes und Flower zurück. Hayes und Flower unterteilen den Schreibprozess in drei Teilprozesse: Planen („ planning “), Satzgenerieren („ translating “) und Überarbeiten („ reviewing “) (vgl. Hayes/Flower 1980, S. 369). Sie sind rekursiv und können sich gegenseitig beeinflussen. Die Phasen werden vom Aufgabenumfeld und Langzeitgedächtnis des Schreibers beeinflusst und determiniert. Diese wiederum beeinflussen und determinieren ihrerseits das Langzeitgedächtnis und die bisher geschriebenen Textteile („ text produced so far “). Das Langzeitgedächtnis beinhaltet die Kenntnisse des Autors über das Thema („ knowledge of topic “), über die antizipierten Adressaten („ knowledge of audience “) und die bereits in vorherigen Schreibprozessen erworbenen Schreibpläne („ stored writing plans “). Das Aufgabenumfeld setzt sich zunächst aus externen Motivationsanreizen („ motivating cues “), dem Schreibanlass („ writing assignment “), den Adressaten („ audience “), dem Thema des zu schreibenden Textes („ topic “) und den bisher geschriebenen Textteilen („ text produced so far “) zusammen. In der Planungsphase setzen die Schreiber den Schwerpunkt auf die hauptsächlichen Ziele des Schreibvorhabens. Die Anforderungen der Aufgabenstellung werden mit dem im Langzeitgedächtnis vorhandenen Wissen abgeglichen („ generating “). In diesem Zusammenhang entwickeln die Schreiber zunächst hierarchisch organisierte Ziele („ goal setting “), die den Schreibprozess als übergeordnete Strukturen zielgerichtet determinieren. Anschließend versuchen die Schreibenden Handlungspläne, sogenannte Schreibpläne („ writing plans “), zu entwickeln, um die sich selbst gesetzten Ziele bzw. Zwischenziele zu erreichen. Dazu wird die Struktur des Textes gedanklich imaginiert, die Ideen ausgewertet und letztendlich zu einem Schreibplan zusammengefasst („ organizing “), welcher auf das Erreichen der Ziele des Schreibvorhabens abzielt. In der Formulierungsphase wird das Gedachte unter Berücksichtigung der Schreibpläne schriftlich festgehalten. Die Überarbeitungsphase dient der Verbesserung und der Entwicklung des Langzeitgedächtnisses. In ihrem Rahmen wird der Text gemäß den Zielvorstellungen überprüft und korrigiert. Die Schreibstrategien („ monitor “) des Schreibers fungieren als Steuerungs- und Kontrollinstanzen. Diese ermöglichen das Vor- und Zurückgreifen der einzelnen Prozesse aufeinander und den Aufbau von neuem Wissen im Langzeitgedächtnis. Die Schreiber bewerten und kontrollieren während und nach dem Schreibprozess die eigenen Handlungen. So kann bereits die Bewertung von unvollständigen Textteilen zum Überdenken der Zielvorstellungen und Schreibpläne führen. Dabei kann das Schreibprodukt während des Schreibprozesses korrigiert bzw. angepasst werden (vgl. Hayes/Flower, S. 374).
Ein weiteres Prozessmodell wurde von Becker-Mrotzek und Böttcher im Jahr 2005 entwickelt. Sie vertreten ebenfalls die Ansicht, dass der Schreibprozess aus drei Phasen, Planungs-, Formulierungs- und Überarbeitungsphase, besteht (vgl. Becker-Mrotzek, Böttcher 2006, S. 59). Hier wird die Formulierungskompetenz mit der Satzgenerierungskompetenz aus dem Modell von Hayes und Flower gleichgesetzt. Allerdings werden in diesem Ansatz das Aufgabenumfeld sowie das Langzeitgedächtnis des Schreibers nicht berücksichtigt.
Um den Schreibprozess erfolgreich bewältigen zu können, benötigen die Schreiber eine Vielzahl von Kenntnissen und Kompetenzen. Hierzu zählen die Zielsetzungskompetenz (Setzen eines oder mehrerer Ziele anhand der Analyse von Schreibfunktion und Schreibsituation), inhaltliche Kompetenz (Aktivierung des Vorwissens, Rezipieren des neuen Wissens, Semantik), Strukturierungskompetenz (Finden einer sinnvollen, kohärenten Textstruktur, Realisieren des Textmusters), Formulierungskompetenz (operationales Sachwissen, bis hin zur motorischen Umsetzung: Syntax, Lexik, Morphologie, Orthographie) sowie Revisionskompetenz (Problemdiagnosefähigkeit, Überarbeitungsverfahren) (vgl. Fix 2006, S. 33). Hayes und Flower ergänzen die geforderten Kompetenzen um das strategische Wissen, das in ihrem Modell zur Realisierung von Schreibplänen benötigt wird. In der Definition von Becker-Mrotzek und Böttcher findet man ergänzend die Abstraktionskompetenz, die zur kognitiven Vorstellung des Schreibprodukts benötigt wird.
Weiterhin sind allgemeine Fähigkeiten wie Sach-, Methoden- und Sozialkompetenz für den Erwerb der Schreibkompetenz erforderlich. Die Sachkompetenz beinhaltet Textsortenwissen sowie Kenntnisse über die stilistischen Standards. Die Methodenkompetenz in diesem Fall umfasst die Fähigkeit, einen Text strukturieren und organisieren zu können. Durch die Sozialkompetenz wird der Schreiber befähigt, sich einem sozialen Kontext anzupassen und die kommunikative Funktion eines Textes zu begreifen (vgl. Becker-Mrotzek, Böttcher 2006, S. 59).
Der Schreibprozess und die dafür benötigten Kompetenzen werden im Allgemeinen zu dem Begriff „Schreibkompetenz“ zusammengefasst. Der Begriff wird je nach Autor unterschiedlich definiert. Becker-Mrotzek und Böttcher verstehen unter Schreibkompetenz die Fähigkeit zur Produktion von Texten, die sich aus verschiedenen Teilkompetenzen, die von dem Schreiber sukzessive entwickelt, ausgebaut oder in eine bestehende Kompetenz integriert werden, zusammensetzt (vgl. Becker-Mrotzek, Böttcher 2006, S. 57). Fix definiert diese als Fähigkeit „pragmatisches Wissen, inhaltliches (Welt- und bereichsspezifisches) Wissen, Textstruktur und Sprachwissen in einem Prozess anzuwenden, dass das Produkt den Anforderungen einer (selbst- und fremdbestimmten) Schreibfunktion (z. B. Anleiten, Erklären, Unterhalten usw.) gerecht wird“ (Fix 2008, S.33). Abraham und Baurmann erweitern das prozessorientierte Modell der Schreibkompetenz um die produktorientierte Perspektive. Diese beinhaltet Ausdruckskompetenz, Kontextualisierungskompetenz, Antizipationskompetenz und Textualisierungskompetenz (Abraham, Baurmann 2010, S. 5).
Die Komplexität der Schreibkompetenz, die alle Definitionen beinhalten, zeigt deutlich, mit welchen kognitiven Anforderungen deren Erwerb verbunden ist. Daher verläuft die Entwicklung der einzelnen Teilkompetenzen individuell und somit qualitativ und quantitativ unterschiedlich.
Der prozessorientierte Ansatz von Hayes und Flower liegt meiner Arbeit zugrunde, da deren Modell ganzheitlich ist und die externen Einflüsse berücksichtigt. Die von Abraham und Baurmann vertretene Produktorientierung werde ich bei der Förderung der Schreibkompetenz nicht einbeziehen, da es sich bei meiner Unterrichtseinheit um einen kompetenzorientierten Unterricht handelt, in dem der Schwerpunkt auf Förderung und Erweiterung der Kompetenzen und nicht auf der Bewertung des Schreibprodukts liegt.
3. Schreibmotivation
Um ein Schreibprodukt zu erstellen, benötigen die Schreiber Motivation bzw. eine motivationale Basis (vgl. Beisbart, Marenbach 2010, S. 23). Daher ist eine der wichtigsten Aufgaben der Deutschlehrer/innen, die Schüler/innen zum Lesen und Schreiben möglichst nachhaltig zu motivieren.
Der Begriff „Motivation“ stammt von dem lateinischen Wort „motus“ ab und bedeutet übersetzt „Antrieb“. In der Motivationsforschung wird Motivation zunächst als „das engagierte und ausdauernde Verfolgen eines Ziels definiert“ (Rheinberg, Krug 1993, S. 3). Heckhausen definiert Motivation „als einen Prozess, der zwischen verschiedenen Handlungsmöglichkeiten auswählt, das Handeln steuert, auf die Erreichung motiv-spezifischer Zustände richtet und das Handeln auf den Weg dahin in Gang hält“ (Heckhausen 1980, S. 25). Diesen Prozess hat Heckhausen in seinem kognitiven Motivationsmodell dargestellt. Das Modell beruht auf vier Grundbausteinen: die wahrgenommene Situation, eine mögliche Handlung, das Ergebnis dieser Handlung und die Folgen, die aus dieser Handlung mit bestimmter Wahrscheinlichkeit resultieren (vgl. Abb.1). Dabei werden folgende Formen der Erwartung unterschieden: Situations-Ergebnis-Erwartung, Handlungs-Ergebnis-Erwartung sowie Ergebnis-Folge-Erwartung. Bei den beschriebenen Erwartungen handelt es sich um rein subjektive Erwartungen eines Individuums, die nicht zwangsläufig einer realistischen oder objektiven Einschätzung der Situation entsprechen müssen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Das erweiterte kognitive Motivationsmodell (Heckhausen, Rheinberg 1980, S. 16)
I. Die Situations-Ergebnis-Erwartung (SèE) bezeichnet den Abwägungsprozess eines Individuums, wie sich eine Situation ohne und mit seinem Eingreifen entwickeln wird. Wenn die Situation im Sinne der Person verändert oder beeinflusst werden kann, wird diese eine Handlungsbereitschaft entwickeln.
II. Die Handlungs-Ergebnis-Erwartung (HèE) ist die angenommene Wahrscheinlichkeit, mit der die Situation durch das eigene Handeln verändert werden kann. Nimmt die Person an, durch das eigene Handeln, also den Einsatz seiner Fähigkeiten und Handlungsbefugnisse, das angestrebte Ergebnis beeinflussen zu können, erwägt sie aktiv zu werden.
III. Die Ergebnis-Folge-Erwartung (EèF) stellt die Einschätzung einer Person dar, dass das mögliche Ergebnis auch die für das Individuum erhofften relevanten Folgen nach sich ziehen wird. Wenn die Folgen des Ergebnisses über einen hohen Anreizwert verfügen und mit hoher Wahrscheinlichkeit eintreten, ist die Person motiviert zu handeln und wird aktiv.
Das kognitive Motivationsmodell kann das „Handeln“ einer Person und „Nicht-Handeln“ voraussagen. Folgenden Fragekatalog kann man aus dem oben beschriebenen Modell ableiten:
1. Erscheint mir das Ergebnis durch die Situation bereits festgelegt? => Nein, das Ergebnis der Situation ist beeinflussbar, deshalb bin ich bereit zu handeln.
2. Kann ich das Ergebnis durch eigenes Handeln beeinflussen? => Ja, ich kann mit meinen Fähigkeiten und Befugnissen das Ergebnis beeinflussen, also bin ich bereit etwas zu tun, um das gewünschte Ergebnis zu erreichen.
3. Sind mir die möglichen Folgen des Ergebnisses wichtig genug? => Ja, die Folgen sind erstrebenswert, deshalb bin ich bereit Energie zu investieren.
4. Zieht das Ergebnis auch die gewünschten Folgen nach sich? => Ja, die Wahrscheinlichkeit, dass durch das Ergebnis die gewünschten Folgen eintreten, ist hoch genug. Ich handle!
In der Psychologie wird außerdem zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation unterschieden. Die Motivation, sich einer Tätigkeit um ihrer selbst willen zu widmen, wie z.B. das Verfolgen eines Ziels aus eigenem Interesse oder das Bewältigen von selbst bestimmten Herausforderungen, wird intrinsische Motivation genannt. Die extrinsische Motivation dagegen meint die Motivation, die entsteht, wenn einer Tätigkeit aufgrund von erwarteten Konsequenzen, wie z.B. Belohnung oder Bestrafung, nachgegangen wird (vgl. Zimbardo, 1995, S. 439).
Weitere Aspekte, die die Schreibmotivation beeinflussen können, sind Bewertungen und Einstellungen der Schreiber zum Erfolg und Misserfolg (vgl. Baurmann, Müller 1998, S. 18). So kann man schlussfolgern, dass die Erwartung, bewertet zu werden, die Motivation beeinflusst und während einer Leistungsüberprüfung deutlich geringer sein kann als während des beurteilungsfreien Schreibens.
4. Didaktische Lösungsansätze – theoretische Vorüberlegungen zur Förderung der Schreibmotivation und Schreibkompetenz
4.1 Motivationale Grundlage für die Förderung der Schreibkompetenz
Bei der Schreibkompetenz handelt es sich um einen komplexen und lebenslangen Prozess, der für die Schreiber Herausforderungen darstellen kann. Hierbei ist eine motivationale Grundlage von hoher Bedeutung. Diese beeinflusst die Qualität und Quantität des Schreibprodukts und ist in jeder Phase des Schreibprozesses notwendig. Anhand des Modells von Hayes und Flower kann man schlussfolgern, dass der Schreibprozess unter anderem von der Motivation der Schreiber abhängt. Baurmann und Müller stellen in ihren Beobachtungen fest, dass das Schreiben „nicht zuletzt von Gefühlen, innerem Antrieb, ein bestimmtes Ziel zu erreichen oder eine bestimmte Tätigkeit auszuführen, und vom Willen, sich anzustrengen – also von emotionalen, motivationalen und volitiven Faktoren“ abhängt (Baurmann, Müller 1998, S. 16). Damit sind, anders als bei Hayes und Flower, die ausschließlich extrinsische Motivationsanreize berücksichtigen, intrinsische Motivationsfaktoren gemeint.
Nach dem kognitiven Motivationsmodell von Heckhausen sind die Schreiber/innen zur Bearbeitung einer Schreibaufgabe motiviert, wenn die Folgen des Schreibanlasses bekannt und für sie erstrebenswert sind. Demzufolge muss die Situation und der Schreibanlass transparent gestaltet werden, damit die Schreiber einerseits die Zielsetzung des Schreibanlasses nachvollziehen und andererseits die möglichen Folgen für sich selbst abschätzen und bewerten können. Gerade auch die Bewertung der erwarteten Folgen spielt im Schreibprozess eine zentrale Rolle für den Schreibenden und dessen Schreibmotivation, weswegen die Bewertung der Folgen von dem Lehrenden moderierend geleitet werden sollte. Darüber hinaus ist das Fördern von Vertrauen des Schreibenden in seine Fähigkeiten, erfolgreiche Schreibprodukte zu erstellen, für die Schreibmotivation von großer Bedeutung. Dies kann durch individuelle positive Rückmeldung von außen, während und nach dem Schreibprozess, erfolgen.
Neben der Auswahl des Themas und sinnvoll gestellten Schreibaufgaben, schlägt Steets vor, die Schreibaufgabe ohne jegliche Normen zu formulieren. Diese Freigabe von Normen soll vor allem auf leistungsschwächere Schüler/innen motivierend wirken, da sie für das Schreiben kein pragmatisches und inhaltliches Wissen benötigen (vgl. Steets 2011, S. 54).
Lust und Einsatz beim Schreiben sind von den Bewertungen und den Einstellungen zu Erfolg und Misserfolg abhängig (vgl. Baurmann, Müller 1998, S. 18). Hierbei ist es wichtig, die unterschiedlichen Typen der Schreibenden festzustellen und diese dementsprechend zu fördern. Die Schreibenden können sich hinsichtlich der bereits vorhandenen Schreibfähigkeiten und Schreiberfahrungen, lernstrategischen Orientierung sowie Wissensbasis zu bestimmten Schreibaufgaben unterscheiden.
Ebenfalls existieren „zwar nicht stark ausgeprägt, aber immerhin vorhandene“geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Einstellung zum Schreiben (Baurmann, Müller 1998, S. 19). Mädchen stellen sich zu Hause selbst Schreibaufgaben, können aus diesem Grund mit zunehmendem Alter flüssiger schreiben und bekommen dafür Anerkennung und Lob. Für Jungen erscheint das Schreiben weniger verlockend. Sie schreiben weniger als Mädchen, was zu geringer Schreiberfahrung und zu größeren Unsicherheiten in der Erfolgseinschätzung führen kann. Die unterschiedlichen Befähigungen und Wissensstände der Schreiber, Abweichungen hinsichtlich der Lernorientierung sowie geschlechtsspezifische Differenzen erfordern vielfältige und differenzierte Schreibaufgaben, zu deren Bearbeitung genügend Zeit sowie Hilfsmittel, z.B. zur Recherche, zur Verfügung gestellt werden. Außerdem benötigen die Schreibenden während des langwierigen Schreibprozesses positive Verstärkung, Ermutigungen sowie Unterstützung, wenn sie nicht intrinsisch motiviert sind. Neben der extrinsischen soll ebenfalls nach und nach auch die intrinsische Motivation gefördert werden. Diese ermöglicht das Aufrechterhalten von Schreibmotivation ohne externe Motivationsverstärkung.
An mangelnder Motivation kann der gesamte Schreibprozess und somit der Aufbau von Schreibkompetenz scheitern. Motivierte Schreiber/innen streben den Umständen entsprechend maximale Qualität und Quantität an und sind dabei bemüht, sich das fehlende Wissen und Kompetenzen anzueignen. Das Schreibinteresse zu wecken, aufrechtzuerhalten und zu fördern, sollte daher das wichtigste didaktische Teilziel des Schreibunterrichts sein.
4.2 Sequenzierung des Schreibprozesses
Der Ansatz der prozessorientierten Schreibdidaktik geht vom Schreiben als Prozess aus. Dieser wird in die drei Phasen Planen, Formulieren und Überarbeiten unterteilt. Die Planungs- bzw. Vorbereitungsphase dient der Ideensammlung und dem Wissensaufbau. In dieser Phase entsteht der Text zunächst gedanklich. In der Formulierungsphase wird ein Textentwurf verfasst. Die Überarbeitungsphase dient der Korrektur. Dabei wird der Text(entwurf) korrigiert und ggf. inhaltlich und/oder sprachlich sowie/oder strukturell verändert. „Ziel des Überarbeitens ist es (..), einen Text einem Schreibziel angemessener zu gestalten. Überarbeitungen können sowohl die Kohärenz des ganzen Textes als auch lokale sprachliche Mittel betreffen“ (Fix 2000, S. 4). Diese Phase wird auch in der von mir geplanten Unterrichtseinheit „Das schreibende Klassenzimmer“ eine große Rolle spielen, da dieser Teilprozess in meiner Lerngruppe kaum gefördert wurde.
[...]
[1] Zu Beginn der Einheit konnten die Schüler/innen angeben, welche bisher im Deutschunterricht behandelten Themen ihnen gefallen haben. Die Mehrheit der Schüler/innen gab an, gern spannende Geschichten gelesen zu haben und bloß nicht zu schreiben. In den ersten Wochen des Schulhalbjahres konnte ich beobachten, dass viele Schüler lieber kurze Grammatikaufgaben lösen, statt zu schreiben. Vor jeder, insbesondere freien Textaufgabe, gab es lange Diskussionen.
[2] In den von mir zusammengesetzten heterogenen Gruppen sind vermehrt Unruhe sowie Konzentrationsschwierigkeiten aufgetreten.