In den drei Schweizer Gemeinden Langenthal, Wangen bei Olten und Wil in St. Gallen erhob sich um den Beginn des Jahres 2006 Widerstand gegen von muslimischen Gemeinden eingereichte Baugesuche für die Erweiterung bereits bestehender Moscheen um Minarette. Diese lokalen Konflikte wurden von Anfang an stark medial beleuchtet und politisiert, bis am 1. Mai 2007 eine eidgenössische Volksinitiative (‚Gegen den Bau von Minaretten‘) gestartet wurde, um eine Verfassungsänderung auf Bundesebene mit Hilfe eines Volksentscheids durchzusetzen. Der Bau von Minaretten sollte so für die gesamte Schweiz durch die Verfassung verboten werden. Interessant an dem Konflikt ist einerseits, dass er in einer Reihe steht mit ähnlichen Konflikten in anderen europäischen Ländern, „[…]such as the hijab affair in France, the Danish cartoon controversy, […] [etc.]“ (Green 2010: 620), die ebenfalls oft von einem islamophoben und populistisch geführten Diskurs rund um religiöse Symbole begleitet wurden. Insbesondere ist beim vorliegenden Schweizer Fall die Rolle der Schweizerischen Volkspartei (SVP) auffällig, die die Anti-Minarett-Initiativen sowohl auf lokaler als auch auf eidgenössischer Ebene befeuerte. Da in vorherigen Arbeiten mein Interesse für Integrationspolitik und rechtspopulistische europäische Parteien wie die Dänische Volkspartei oder die deutsche Kleinpartei ‚Pro NRW‘ Ausdruck fand, ist es folglich nur logisch nun auch einen Schweizer Konflikt zu betrachten, der sowohl in der Eidgenossenschaft selbst, als auch international, hohes Aufsehen erregte. Der Minarett-Konflikt steht dabei exemplarisch für das Sichtbarwerden eines latent in Teilen der schweizerischen und europäischen Bevölkerung verankerten Konflikts, der von einer Angst vor ‚Islamisierung‘ geprägt ist.
In der vorliegenden Arbeit soll zunächst das Konfliktgeschehen zusammengefasst werden, um daraufhin die Konfliktparteien deutlicher analysieren und die Konfliktgegenstände klarer identifizieren zu können. Anschließen sollen die Austragungsform des Konflikts und ihr Wandel ebenso unter die Lupe genommen werden wie die Konfliktregulierungsinstitutionen, die von den Konfliktparteien genutzt wurden oder zumindest genutzt werden hätten können. Aufgrund der tragenden Rolle der SVP wird ihre Teilhabe als Konfliktakteur in dieser Arbeit in einem eigenen - aber kurzen - Kapitel behandelt werden.
Inhaltsverzeichnis
- A Der Schweizer Minarettstreit – Plastische Ausprägung eines latenten Konflikts
- I. Beschreibung des Konfliktgeschehens
- I.1 Muslimisches Leben in der Schweiz
- I.2 Konfliktgeschichte und Transformationsphase
- I.3 Ende des Konflikts
- I.4 Quellenlage
- II. Analyse der Konfliktparteien
- II.1 Konfliktparteien auf lokaler Ebene (Langenthal)
- II.2 Konfliktparteien auf nationaler Ebene
- III. Identifikation der Konfliktgegenstände
- III.1 Lokale Ebene
- III.2 Nationale Ebene
- III.3 Zwischenfazit: Symbolischer Stellvertreterkonflikt um Werte und Identität
- IV. Analyse der Austragungsform
- V. Institutionen der Konfliktbearbeitung
- V.1 Lokale Ebene
- V.2 Nationale Ebene
- V.2.1 Einschub: Das politische System der Schweiz
- V.2.2 Fazit zur nationalen Ebene
- VI. Die SVP als ein zentraler Konfliktakteur
- B Fazit, Ausblick und Reflexion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert den Schweizer Minarettstreit von 2006 bis 2009, um das konfliktreiche Spannungsfeld zwischen muslimischer und christlich geprägter Schweizer Kultur zu beleuchten. Sie untersucht, wie ein lokaler Konflikt um den Bau von Minaretten zu einer nationalen Debatte um Integration, Werte und Identität eskalierte und wie die Konfliktparteien - insbesondere die Schweizerische Volkspartei (SVP) - ihre jeweiligen Positionen im öffentlichen Diskurs durchsetzten.
- Die Rolle der SVP als Akteur im Minarettstreit und ihre Positionierung als rechtspopulistische Partei
- Die Transformation des Konflikts von der lokalen Ebene auf die nationale Ebene und die Nutzung direktdemokratischer Möglichkeiten in der Schweiz
- Die Konstruktion des Minaretts als Symbol für einen latenten Konflikt um kulturelle Identität und Integration
- Die Analyse der Konfliktparteien und ihrer unterschiedlichen Strategien zur Durchsetzung ihrer Interessen
- Die Rolle von Institutionen der Konfliktbearbeitung auf lokaler und nationaler Ebene
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel A beschreibt das Konfliktgeschehen und skizziert den historischen Hintergrund des Minarettstreits. Es analysiert die Konfliktparteien auf lokaler und nationaler Ebene, identifiziert die Konfliktgegenstände und untersucht die Austragungsform des Konflikts. Kapitel B beleuchtet die Rolle der SVP als wichtiger Konfliktakteur, der in der Anti-Minarett-Kampagne eine zentrale Rolle einnahm.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Schweizer Minarettstreit, Rechtspopulismus, Integration, Multikulturalismus, Islam, Schweizerisches Politisches System, Direkte Demokratie, Volksinitiative, Wertekonflikt, Identitätskonflikt, Stellvertreterkonflikt.
- Arbeit zitieren
- Sebastian Kuschel (Autor:in), 2013, Keine Minarette in der Schweiz?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/230781