Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Über die Abgrenzung von Islam und Orient
2.1 Die„Anderen“ und der Orientalismusdiskurs
3. Postkolonialer Feminismus und die Unterdrückung der Frau
3.1 Der Westliche postkoloniale Feminismus als Erbe der Kolonialherren
3.2 Das System Kopftuch als sexuelle Barriere
4. Fazit
Quellenverzeichnis
Bücher:
Magazine:
Internet:
1. Einleitung
Die während der Kolonialzeit entstandenen hegemonialen Herrschaftsstrukturen prägten zur damaligen Zeit nicht nur die Menschen in den besetzten Gebieten, sondern veränderten ebenso auch das Denken der Bürgerinnen und Bürger in den Mutterländern der Kolonialmächte. Die so entstandenen Ideologien hatten weitreichende Folgen auf die kulturelle Entwicklung und veränderten das Weltbild verschiedener Menschengruppen nachhaltig, sodass dieser Einfluss bis heute zum Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen gemacht wird.
Bei Diskussionen um den Islam in Deutschland lässt sich beispielsweise einerseits beobachten, dass besonders islamkritisch auftretende Persönlichkeiten oder Gruppen meist keine theologische oder islamwissenschaftliche Qualifikation besitzen oder sich in ähnlich wissenschaftlicher Form hervorgetan haben. Im Gegenteil scheinen diese bestehende Stereotype und in der Gesellschaft vorherrschende Ängste gegenüber dem „Fremden“ lediglich zu reproduzieren.[1] Andererseits sind es vornehmlich zwei Gruppen von Argumenten, die gegen den Islam als Religion und Kultur gleichermaßen hervorgebracht werden.
Die erste Kategorie betrifft den Islam als nicht mit deutschen Werten und Normen vereinbar. Dabei werden häufig „Bedrohungszenarios“ kreiert, indem Muslime als kulturell fremd und integrationsunwillig[2] dargestellt werden und der Islam als „ein anonymes, nicht greifbares, aber stets präsentes Monstrum, das die Welt zu verschlingen droht“.[3] Die zweite Gruppe von Argumenten ist eigentlich ein Teil der ersten Gruppe und bezieht sich auf die Rolle der Frau im Islam. Seitens der Islamkritiker sei die Frau im Islam als „minderwertig“ gegenüber dem Mann anzusehen, was sich auch z.B. durch das Tragen des Kopftuchs als „Symbol der Unterdrückung“[4] äußert.
Im Rahmen der Hausarbeit wird zunächst beiden Gruppen von Argumenten eine postkoloniale Theorie der Politikwissenschaft gegenübergestellt. Dabei wird untersucht, ob die jeweilige Theorie hier praktisch zur Anwendung kommt und welche Schlussfolgerungen entsprechend daraus zu ziehen sind, bzw. welche Bedeutung diese Erkenntnisse für die Islam- und/oder Kopftuchdebatten in Deutschland haben und welche Schritte zur Befriedigung man seitens der zuständigen Institutionen ergreifen sollte. Damit soll die Frage beantwortet werden, ob heutige Argumente von Islamfeindlichkeit auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse während der Kolonialzeit zurückzuführen sind.
2. Über die Abgrenzung von Islam und Orient
Der Islam wird seitens seiner Gegnerschaft als „nicht mit der deutschen Gesellschaftsordnung vereinbar“ bezeichnet.[5] Dies lässt natürlich die Frage aufkommen, welche Werte und Normen dies denn seien, die den Islam als nicht vereinbar mit der deutschen Gesellschaftsordnung erscheinen lassen und woher diese Erkenntnis kommt, die auch in weiten Teilen der deutschen Bevölkerung Zustimmung findet.[6] Die Antworten hierauf sind sehr unterschiedlich und wenig konkret. Häufig genannt und somit „geradezu zum Wesenskern der islamischen Religion“ erklärt werden: die Unterdrückung der Frau (siehe Kapitel 3), Intoleranz, Fanatismus und Radikalität.[7] Erst im Gegensatz dazu kann auch die „deutsche Gesellschaftsordnung“ definiert werden, nämlich als die Rechte der Frau fördernd, tolerant und weltoffen, obwohl „auch“ Deutsche (ihre) Frauen misshandeln und unterdrücken[8], sowie intolerant, fanatisch[9] und radikal sein können.
Dadurch, dass der Islam oder die muslimische Gemeinschaft hier als homogen in diesen Eigenschaften kategorisiert wird und indem diese Merkmale als wesentlich definiert werden, wird das „Andere“ nach „außen verlagert, ausgegrenzt und bekämpft“, um nach innen auf das Eigene Ideal zu verpflichten. Diese Abgrenzung dient somit der eigenen „Normverdeutlichung und -durchsetzung“.[10]
2.1 Die „Anderen“ und der Orientalismusdiskurs
Ein solcher Umgang mit Orient und Islam ist jedoch nicht neu, sondern findet sich bereits in Edward Saids „Orientalismus“. In seinem Buch beschreibt Said den Prozess, mit dem der Westen den Orient seit der Kolonialzeit „orientalisiert“ und durch den er sich selbst als Gegenbild definiert und abgegrenzt hat. Aus verschiedenen geographisch und kulturell keineswegs einheitlichen Regionen, Völkern und Individuen des Mittleren Ostens wurde ein homogenes Konstrukt geformt, welches die damals vorherrschenden hegemonialen Macht- und Herrschaftsverhältnisse bis heute widerspiegelt.[11]
Dadurch, dass sämtliche Beobachtungen gegenüber dem „Orient“ in diesem Herrschaftsverhältnis und aus westlicher Sicht gedacht und betrachtet wurden und werden, findet eine entsprechende Wertung der Unterschiede nach westlichen Maßstäben statt: „...in der Tat könnte man argumentieren, dass gerade das nach innen und außen wirksame Leitmotiv des Hegemonialen das Hauptmerkmal der europäischen Kultur bildet: Die Vorstellung einer allen anderen Völkern und Kulturen überlegenen europäischen Identität. In dieses Bild passen auch die hegemonialen europäischen Vorstellungen vom Orient, die ihrerseits dessen Rückständigkeit und die eigene Überlegenheit bekräftigen, gewöhnlich ohne zu beachten, dass ein unabhängiger oder skeptischer Beobachter die Sache ganz anders sehen könnte.“[12]
Dieses als Othering bekannt gewordene Verhalten beschreibt die Abgrenzung der eigenen sozialen Gruppe von einer anderen, indem gezielt einige der natürlich vorhandenen Unterschiede besonders herausgestellt und mit bestimmten (eigenen) Vorstellungen verbunden werden. Während man sich somit selbst als „normal“ in seinen Eigenschaften, Ansichten und Merkmalen definiert, wird der Andere dadurch als „fremd“ und „andersartig“ stigmatisiert. In der postkolonialen Theorie ist der Begriff geprägt von der Vorstellung eigener Überlegenheit aufgrund der Machtposition der Kolonialherren (der Westen) gegenüber den unterlegenen kolonialisierten Völkern (der Osten). Denn letztlich ist es diese Machtposition die beeinflusst, was man sieht, wie man es sieht und ebenso, was man nicht sieht. [13]
[...]
[1] Vgl. Schneiders, Th. G., Die Schattenseite der Islamkritik, Wiesbaden, 2009, S. 403
[2] Vgl. Wagner, F., „Die passen sich nicht an“, Wiesbaden, 2009, S. 323
[3] Schneiders, Th. G., Die Schattenseite der Islamkritik, Wiesbaden, 2009, S. 410
[4] Vgl. Badinter, E., Das Kopftuch ist ein Symbol, auf: www.emma.de, Abruf am 03.03.2011
[5] Vgl. Rommelspacher, B., Islamkritik und antimuslimische Positionen, Wiesbaden, 2009, S. 438
[6] Vgl. www.sueddeutsche.de, Deutschland wird islamfeindlich, Abruf am: 04.03.2011
[7] Vgl. Naumann, Th., Feindbild Islam, Wiesbaden, 2009, S. 19
[8] Vgl. www.BMFSFJ.de, Gewalt gegen Frauen im häuslichen Bereich, Abruf am 08.03.2011
[9] Vgl. www.spiegel.de, Fanatismus auf dem Vormarsch, Abruf am 04.03.2011
[10] Vgl. Attia, I., Kulturrassismus und Gesellschaftskritik, Münster, 2007, S. 11
[11] Vgl. Said, E., Orientalismus, Frankfurtam Main, 1978/2009, S. 13-14
[12] Vgl. Said, E., Orientalismus, Frankfurtam Main, 1978/2009, S. 16
[13] Vgl. Hall, St., Rassismus und kulturelle Identität, Hamburg, 1994, S. 154