World of Warcraft: Mein Online-Ich und ich

Wissenschaftliche Betrachtungen zum erfolgreichsten Online-Rollenspiel der Welt


Textbook, 2013

200 Pages


Excerpt


Inhalt

David Füleki: Im Zocken vereint. Über die Entstehung der neuen Gemeinschaft der Computerspieler
Einleitung
Kategorisierung von Computerspielen
Soziologie des Online Gamings
Online Gaming – Die Revolution der Netz-Community: Wir bauen uns eine eigene Welt
Deutsch – Computerspiele / Computerspiele – Deutsch
Schlussbemerkung
Quellen

Markus Kammermeier: Formen der Kollaboration in einem MMORPG am Beispiel World of Warcraft
Abkürzungsverzeichnis
Management Summary
Einleitung
Überblick über die Arbeit
Zielbeschreibung
Begriffsklärung
Massive Multiplayer Online Role Playing Game
MMORPG als CSCW am Beispiel World of Warcraft
World of Warcraft als MMORPG
Werkzeuge der Kollaboration / WOW als CSCW
Aspekte der Kollaboration außerhalb von WOW
Ergebnisse und Perspektiven
Literaturverzeichnis

Anne Andraschko: Virtualität, Identität und Geschlecht im frühen Erwachsenen-alter – am Beispiel des Online-Rollenspiels World of Warcraft
1. Einleitung
2. Theoretische Begriffsbestimmungselemente
3. Geschlechtsspezifische Identitätsressourcen des Online-Rollenspiel World of Warcraft
4. Fazit
Literaturverzeichnis

Sophia Zwigart: Beeinflussen Online-Rollenspiele die Identitätsentwicklung Jugendlicher? – Untersucht am Beispiel des Spiels World of Warcraft
2008
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Computerspiele und Computerspielsucht
3. Computerspielsucht
4. Theorien der Identitätsfindung Jugendlicher
5. Einfluss von Online-Rollenspielen auf die Identitätsentwicklung Jugendlicher
6. Zusammenfassung
7. Eigene Erfahrungen und Schlussbetrachtung
8. Quellenverzeichnis
9. Anhang

Katharina Giers: „Klappstuhlkommando“ und andere sprachlich-wunderliche Phänomene in der MMORPG-Welt. Kulturelles und semantisches Wissen am Beispiel des Computerspielbestsellers World of Warcraft.
Vorwort
Theoretische Grundlagen kognitiver Wissenssysteme nach Sebastian Löbner
Kategorisierung
Vorstellung eines MMORPGs: „World of Warcraft“
Sprachliche Phänomene in “World of Warcraft”
Wissenskomplexe am Beispiel „World of Warcraft“
Die Namen innerhalb der „World of Warcraft“-Welt
Fazit
Literaturverzeichnis

David Füleki:
Im Zocken vereint. Über die Entstehung der neuen Gemeinschaft der Computerspieler

2007

Einleitung

Mal nebenbei ein bisschen Zocken, das ist in Deutschland mittlerweile eine der beliebtesten Freizeitbeschäftigungen – unabhängig von Alter oder sozialem Stand (vgl. Klimmt, 2004, S. 696). Während es Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts das schwierige und komplexe Programmieren ein häufigerer Verwendungszweck des Personal Computers war, als das Spielen (Eckert, 1991), boomt die Industrie heute in ungeahnten Ausmaßen. Im Zuge der Ausstattung jedes vierten Deutschen (Klimmt, 2004) mit einer Videospiel-konsole und/oder einem PC, der primär dem Spielen dient, wuchs auch das Interesse der Wissenschaften am Unterhaltungsmedium.

In dieser Arbeit möchte ich insbesondere darauf eingehen, wie sich durch den Einfluss des Computerspiels, dem ich alle digitalen Spielformen unterordnen werde, eine völlig neue Form der Gemeinschaft gebildet hat, die sich vor allem im virtuellen Raum etabliert. Zum Einstieg ins Thema werde ich einige Möglichkeiten anführen, wie man Spiele kategorisieren kann, wodurch die Fragen nach den verschiedenen Genrearten, der Quintessenz eines Computer-spiels und dem Unterschied zwischen alleinigem und gruppengebundenem Spielen beantwortet werden sollen. Der Hauptteil ist zuerst dem Phänomen der virtuellen Gemeinschaft an sich gewidmet und wird später klären, inwiefern sich dieses speziell unter Computerspielern widerspiegelt. Dabei soll besonderes Augenmerk auf den sich immer weiter entwickelnden Kommunikations-prozessen unter miteinander vernetzten Spielern liegen.

Aufgrund des Zugzwangs der Wissenschaft (und damit verbunden der Fachliteratur), die sich noch schwer damit tut, dem – sich im ständigen Wechsel befindlichen – Medium und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft die nötige Aufmerksamkeit und differenzierte Betrachtung zu zollen, werde ich mich in meinen Ausführungen häufig auf meine eigene, über 16 Jahre hinweg gereifte Erfahrung auf dem Gebiet berufen.

Kategorisierung von Computerspielen

Der Genre-Schmelztiegel

Als das auf digitalen Daten basierende Spiel mit dem von Atari 1972 entwickelten Pong seinen Eroberungsmarsch antrat (Masuyama, 2002), konnte niemand ahnen, wie es sich innerhalb der folgenden 35 Jahre entwickeln würde. Während es bei Pong noch ausreichte mit jeweils einer Taste für Nach-oben sowie Nach-unten einen weißen Balken (auch Tischtennisschläger genannt) auf schwarzem Grund so zu bewegen, dass er das hin und her springende weiße Quadrat (der Tischtennisball) trifft und es somit daran hindert, den Bildschirm auf der eigenen Spielfeldseite zu verlassen, was einen Punkt für den Gegner bedeuten würde, simulieren moderne Computerspiele ganze Realitäten. Computerspiele sind nicht mehr einfach nur Daddelgelegenheiten in Form von überdimensionalen Arcade-Automaten in öffentlichen Spielhallen, sondern ein fester Teil unserer Kultur, auf den mittlerweile, vor allem durch Handheldkonsolen wie den Game Boy oder durch das Handy, praktisch jederzeit und an jedem Ort zugegriffen werden kann.

Die Genrevielfalt des Computerspiels war bis Anfang der 90er-Jahre noch relativ überschaubar. Fast jedes Spiel konnte viel umfassenden Überkategorien wie dem Jump’n Run, dem Adventure oder dem Strategiespiel zugeordnet werden. Wer sich heute jedoch an einer derartigen Kategorisierung versucht, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Komplexität moderner Spiele zerbrechen. Einst begann es als kleiner Gag der überwiegend japanischen Spieleentwickler, kleine Elemente aus völlig unverwandten Genres in ein Spiel einzubauen, das im Prinzip klar einem Genre einzuordnen war. Als Beispiel soll hier die Final Fantasy -Reihe genannt werden. Die wohl bekannteste und erfolgreichste Serie der Rollenspielgeschichte[1] ist bekannt für ihre Ausflüge in fremde typologische Welten.

Schon im ersten Teil der Reihe konnte der Spieler mittels geheimer Tastenkombination ein Puzzlespiel freischalten, das weder dem Verbessern des eigenen Spielstands noch dem Vorankommen der Story diente. In den vielen Teilen der Serie, die noch folgten und noch folgen werden, ließen und lassen sich die Entwickler immer wieder neue so genannte „Mini-Games“ einfallen, deren primärer Zweck darin besteht, den Spieler länger in den Bann des Produkts zu ziehen. So war es bei Final Fantasy VIII beispielsweise der Fall, dass man die meisten Figuren, die einem in der fiktiven Spielwelt begegneten, zu Duellen mittels eines speziell entwickelten Sammelkartenspiels herausfordern konnte. Wer alle Karten besitzen wollte, musste lange Reisen und unzählige Regelmodifikationen in Kauf nehmen und gegen starke Gegner antreten, um von ihnen einzigartige Karten zu bekommen. So war es letztlich für den strebsamen Sammler nicht verwunderlich, dass er weitaus mehr Zeit in das vermeintliche Mini-Game investierte (über 50 Stunden waren nicht unüblich) als in das ohnehin schon zeitaufwändige Durchspielen der eigentlichen Geschichte. Oft wurde es auch unabdingbar, den kompletten Spielstand zu löschen, weil man eine einzige Karte verpasst hat.

Was alle Spiele vereint

Die sechs Punkte der Celia Pearce

Die bereits angesprochene Schwierigkeit, moderne Spiele klar einem Genre unterzuordnen, hat die Frage aufgeworfen, welche Elemente ein Computerspiel besitzen muss, um als solches zu gelten – ungeachtet all der genretypischen Merkmale. Das Problem der alten Genreeinteilung war, dass sie dazu verleitete, Forschungen zu stark auf eine bestimmte Gattung zu fixieren[2]. Eine allumfassende medienpsychologische und -wissenschaftliche Forschung im Bereich der Computerspiele sollte jedoch alle Spiele abdecken können (vgl. Klimmt, 2004, S. 698). Worauf kommt es letztlich also wirklich an, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzt?

2002 wagte Celia Pearce, die bereits erkannte, dass eine antiquierte Unterteilung der Computerspiele in verschiedene Genre nach semiotischen Gesichtspunkten nicht mehr funktionierte, eine völlig neue Kategorisierung, die sich darauf bezog, auf welchen Grundlagen Spiele entwickelt werden. Nach dem Studieren Dutzender Spiele (Pearce, 2002, S.113) fand sie sechs Punkte, die jedes der untersuchten Spiele aufweisen konnte:

- Punkt eins: Jedes Spiel hat ein Ziel und mehrere Unterziele.

Beispiel: Ein Spiel hat das Ziel, den letzten Gegner zu besiegen (das Hauptziel), dazu müssen jedoch erst alle Level, also Zwischenabschnitte des Spiels, durchgespielt werden. Das Bewältigen jeden Levels gilt als Erreichen eines Unterziels.

- Punkt zwei: Hindernisse, die einen davon abhalten wollen, das Ziel zu erreichen.

Beispiel: feindliche Kreaturen, ablaufende Spielzeit oder Rätsel.

- Punkt drei: Ressourcen oder Hilfsmittel, durch die man das Ziel erreichen kann.

Beispiel: Waffen, um Gegner zu bekämpfen, Gegenstände, um Hindernisse zu überwinden oder bei Spielen wie Pong einfach nur der weiße Balken, mit dem man das weiße Quadrat zurückschießen muss.

- Punkt vier: Belohnungen, um das Spiel voranzutreiben.

Beispiel: Stärkere Waffen, um stärkere Gegner zu besiegen oder bei Spielen wie Tetris der Erhalt von höheren Punktzahlen unter erschwerten Bedingungen.

- Punkt fünf: Bestrafungen für Misserfolge.

Beispiel: Der Verlust von Ressourcen, Punkten oder im schlimmsten Fall das Löschen des gesamten Spielstandes.

- Punkt sechs: Informationen in allen erdenklichen Formen.

Beispiele: Die Information, wie viele Punkte man im Spiel bereits erreicht hat, Informationen, welche Aufgabe als nächstes erledigt werden muss oder Informationen, wie ein bestimmtes Ziel erreicht werden kann.

Die drei Dimensionen des Christoph Klimmt

Zwei Jahre nach Celia Pearce stellte sich Christoph Klimmt die Frage, welche Punkte essenziell seien für eine explizit medienpsychologische Forschung im Bereich der Computerspiele. Er erkannte, dass die zuvor oft forschungsgebundene Betrachtung der Spieltechnologie, worunter u.a. genutzte Software und Hardware fallen, völlig irrelevant sei. Der entscheidende Aspekt, so Klimmt, sei der Nutzen des Spielens für den Konsumenten. Hier spielen wiederum drei Komponenten die entscheidenden Rollen, da sie – vergleichbar mit den sechs Punkten der Celia Pearce – für jeden einzelnen Titel Gültigkeit haben und somit die optimale Basis zur Charakterisierung eines Spiels bilden. Erst die sinnvolle Symbiose der im Folgenden erläuterten Dimensionen macht ein Spiel spielenswert und somit auch interessant für wissenschaftliche Betrachtungen (Klimmt, 2004, S.698 ff).

- Die erste Dimension: Der narrative Kontext.

Der narrative Kontext liefert sämtliche Informationen, die den Spieler tiefer in die Welt des Spiels eintauchen lassen. Wie bei anderen narrativen Medien, etwa Film, Hörspiel oder Belletristik, sind hier die Ausprägungsmöglichkeiten unbegrenzt. Die denkbar profanste Information, die ein Spieler erhalten kann, wäre im Sinne von Pong, dass er sich in einem Tischtennisspiel befindet und sein Ziel das Bezwingen des Gegners ist. Moderne Spieltitel durchbrechen jedoch sämtliche bekannten narrativen Dimensionen, da sie aufgrund ihrer komplexen Erzählstränge praktisch unendlich viele Möglichkeiten bieten, sich seine eigene individuelle Geschichte zu schaffen[3].

- Die zweite Dimension: Die Art der Aufgaben.

Die Aufgaben, die ein Spiel stellt, können in verschiedenste Richtungen gehen, lassen sich aber, so Klimmt, in zwei elementare Bereiche einteilen: Zeitdruck und Komplexität. Während Ersteres dem Spieler vorwiegend Geschick und eine gute Augen-Hand-Koordination abverlangt, fordert und fördert die Komplexität die Analysefähigkeit. Man ist oft gezwungen, zahlreiche Faktoren gleichzeitig zu beachten, um schwierige Rätsel zu lösen, oder ausgeklügelte Strategien zu entwickeln. Die beiden Faktoren können bei einer Aufgabe auch zusammen auftreten.

- Die dritte Dimension: Die Darstellungsform.

Die letzte Dimension beschäftigt sich mit der visuellen Betrachtung des Spielgeschehens von Seiten des Rezipienten und dessen Zeitwahrnehmung des Spiels. Während ältere Titel fast ausschließlich in realitätsferner, zweidimensionaler Form (entweder in der Seitenansicht oder aus der Vogelperspektive) präsentiert wurden, ist mittlerweile Dreidimensionalität Standard, wobei sich die Programmierer auf konventionalisierte, alltägliche Betrachtungsformen der Spieler stützen. Auch der Trend in Sachen Spielzeit geht immer mehr in Richtung Echtzeit, was bedeutet, dass Spielgeschehen und Wirklichkeit im selben Takt verlaufen. Durch derartige Möglichkeiten in Verbindung mit extrem detaillierten grafischen Ausgaben moderner Hardware ist ein sehr hohes Realitätsgefühl beim Computerspielen keine Seltenheit mehr. Extreme Brüche mit Raum- und Zeitbetrachtungskonventionen tauchen jedoch – meist bewusst eingesetzt – auch bei modernen Titeln noch sehr häufig auf[4].

Singleplayer versus Multiplayer

Das Schlimmste für einen erfahrenen Zocker an einem Spiel ist, wenn es nur dazu da ist, es durchzuspielen. Die einstigen Zeiten, in denen jedes Computerspiel einen derart hohen Schwierigkeitsgrad hatte, dass es nur den Besten vergönnt war, die End-Credits (vergleichbar mit dem Nachspann eines Spielfilms o.ä.) zu Gesicht zu bekommen, sind längst vorbei. Um der zunehmenden Frustration der Konsumenten, die viel Geld für ein Spiel bezahlten, bei dem sie schon viel zu früh scheiterten, entgegenzuwirken, fing die Spieleindustrie im Laufe der letzten zehn Jahre an, die Schwierigkeitsgrade drastisch zu senken. Mittlerweile kann selbst ein Anfänger bereits beim Kauf eines Spiels davon ausgehen, dass er es früher oder später durchgespielt haben wird – heute eine Selbstverständlichkeit, die einst undenkbar war. Doch gerade die Hardcore-Zocker von einst und Dauer-Gamer, die schnell über jedes Spiel hinauswachsen, empfanden den Verlust der Herausforderung durch den Computer als äußerst unbefriedigend. Ihnen ging es nun mal nicht primär darum, irgendeine Geschichte abzuschließen, sondern vielmehr um das zur Probestellen der eigenen gemeisterten Fähigkeiten. Da die Entwickler nicht einfach eine Zielgruppe gegen eine andere eintauschen wollten, entschloss man sich, in beinahe jedes Spiel Möglichkeiten einzubinden, die den Experten gewährleisten, sich außerhalb des eigentlichen Spielgeschehens extrem schweren Aufgaben zu stellen.

Ein Begriff, der hier eine besonders wichtige Rolle spielt, ist der der Sidequest bzw. Nebenquest. Wie ihr Name schon andeutet, behandelt diese mehr oder weniger komplexe, mehr oder weniger storyrelevante Spielabschnitte, deren erfolgreiches Bestreiten zwar rein optional ist. Dem Spieler bringen Sidequests aber einen Vorteil, da er tiefer in die Spielwelt oder ihre Geschichte vordringen kann und dabei beispielsweise einzigartige Gegenstände oder Waffen als Belohnung erhält, mit denen er seine Figur verstärken kann. Derartige Nebensächlichkeiten sind heutzutage fundamentale Anforderungen an ein Spiel, da sie noch viele Stunden Spielspaß auch nach dem Durchspielen garantieren.

Als besonderen Anreiz für erfahrene Spieler bauen viele Entwickler von Rollenspielen und Adventures oft als Ergänzung zum eigentlichen Spiel optionale Bosse, also übermächtige Gegner, ein, die entweder Teil einer Sidequest sind oder selbst eine eigene Sidequest bilden. Diese Bosse sind derartig stark, dass allein die Vorbereitung auf einen solchen Kampf durchaus mehr als 50 Spielstunden in Anspruch nehmen kann. Daher ist ein Spiel für die meisten Cracks, also Experten, erst beendet, wenn der stärkste Gegner besiegt ist. Und in eben diesem Sachverhalt verbirgt sich das Erfolgsgeheimnis der sogenannten Multiplayer-Games, also Spielen, die – über Internet oder Intranet – mehreren Menschen gleichzeitig zugängig sind.

„Menschliche Mitspieler/innen verhalten sich oftmals anders als der Computer, der mit einer begrenzten ‚Intelligenz’ ausgestattet ist und seine partielle Autonomie nur eingeschränkt nutzen kann. Mit zunehmender Expertise der Spieler/innen werden computergesteuerte Spielakteur/inn/e/n daher immer berechenbarer.

Gerade für sehr erfahrene Spieler/innen bieten menschliche Mit- beziehungsweise Gegenspieler/innen neue Herausforderungen, weil sie ihre Handlungsmöglichkeiten kreativer und in weniger gut prognostizierbarer Weise einsetzen (können).“ (Klimmt, 2004, S. 705).

Die Möglichkeit bis zu viert oder in besonderen Fällen gar bis zu acht an einem Spiel teilzunehmen[5] oder im direkten Duell über PC oder Konsole gegeneinander anzutreten, ist beinahe so alt wie das Computerspiel selbst. Doch diese Art des Gegen- bzw. Miteinanderspielens war stets daran gebunden, dass alle Teilnehmer direkten Zugang auf ein und dieselbe Hardware hatten. Zwar ist dieses System auch heute noch für einige Gattungen wie Sportspiele das Maß der Dinge, doch für Computerspiele im Allgemeinen ist die Möglichkeit des Zockens über das Internet mit und gegen Menschen aus aller Welt das Fundament für hochwertige Unterhaltung. Hier findet man die Ursprünge in den Multi User Dungeons, kurz MUDs, die bereits Ende der 70er/ Anfang der 80er im jungen Internet ihre ersten Auftritte hatten (Vogelgesang, 2000)[6]. Proportional zum Erfolg des Internets erfreuten sich auch MUDs immer größerer Beliebtheit, doch von Konkurrenz für die damals bereits beeindruckenden Grafikleistungen der Offline-Spiele konnte man nicht einmal annähernd sprechen. Erst durch die Verbreitung hochleistungsfähiger Internetzugänge für Jedermann wurden Spiele, die an die höhere Gewalt der Bandbreite gebunden sind, attraktiver. Was einst schon bei einfachen Bildfolgen ruckelte und vor allem mit langen Ladezeiten glänzte, obwohl die Grafik noch weit unterdurchschnittlich war, kann heute durchaus mit den Grafik- und Rechenleistungen von Konsolen- und PC-Games mithalten.

Mit dem Boom der Multiplayer-Games veränderte sich auch maßgeblich die Spielekultur. Der Unterschied, ob man nur für sich vor dem PC oder der Konsole sitzt oder in einer Gemeinschaft Aufgaben bewältigt, ist – speziell vom sozialen Standpunkt aus betrachtet – so enorm, dass man Computerspiele heutzutage durchaus einfach nur noch in Single- und Multiplayer-Games unterscheiden kann.

Soziologie des Online Gamings

Virtuelle Kommune Netz: Das Leben nach dem Alltag

Die Zeiten, in denen Multiplayer-Games entweder dazu dienten, Experten, die längst über die computergesteuerten Gegner hinausgewachsen waren, eine Plattform zur Selbstbestätigung oder Pen-and-Paper -Rollenspielfreunden eine Spielwiese auf einfachem medialen, aber dennoch interaktivem Niveau zu bieten, sind vorbei (Gunzenhäuser, 2003). Das heutige Schlagwort ist Community. Man findet sie überall im Netz, vorwiegend in Foren, Chats, Newsgroups und ähnlichen Einrichtungen. Wer ein Hobby hat, das aufgrund seiner Exklusivität schwer bis gar nicht mit Freunden, der Familie oder Bekannten zu teilen ist, wird mit großer Wahrscheinlichkeit eine passende Webseite finden, die sein Verlangen nach Austausch und Zumausdruckbringen seiner Interessen stillen kann.

Wer sich einen Account auf einer Seite zugelegt hat, kann sich frei auf dieser entfalten (vgl. Höflich, 2004, S. 154 ff). Unter dem Deckmantel der Anonymität bleibt kein Thema unberührt. Pikante Gedanken können geteilt werden und man findet früher oder später Schicksalskameraden. Aus Forendiskussionen oder Chat-Smalltalk können so feste Bindungen entstehen. Pärchen oder Gruppen bilden sich, die bald nicht mehr nur durch eine anfängliche Interessenüberlappung oberflächlich miteinander verbunden sind, sondern freundschaftliche Beziehungen pflegen. Man beginnt, seine Online-Mituser zu kennen – oft besser als man die meisten seiner Offline-Mitmenschen kennt.

Mein Online-Ich und ich

Ein großer Vorteil, aber auch eine große Gefahr des Online-Daseins ist die Anonymität. Erst dadurch, dass die meisten Internetseiten darauf verzichten, private Nutzerinformationen abzufragen und gleichzeitig die Möglichkeit bieten, eigene Nutzerprofile zu erstellen, die, da sie in der Regel keiner Überprüfung unterzogen werden, mit frei aus der Luft gegriffenen Daten gefüllt werden könnten, wird die freie, unbeschwerte Netzkommunikation, wie wir sie heute kennen, möglich (Vogelgesang, 2000). Wer würde schon gern in einem Forum zum Thema Inkontinenz seine Leiden mit anderen teilen, wenn neben seinen Einträgen ein persönliches Passbild und der Name zur Schau gestellt werden? Im Prinzip sollte das nicht problematisch sein, wenn man davon ausgehen könnte, dass die unterbreiteten Informationen die Seite nicht verlassen und nur auf dieser Plattform entsprechend ihrer Brisanz besprochen werden. Das Problem ist jedoch, dass die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem im Netz zu schwammig sind, als dass man davon ausgehen könnte, dass pikante Informationen nicht in falsche Hände geraten und Schindluder mit ihnen betrieben wird.

Für den durchschnittlichen Surfer dürfte allerdings nicht die Gefahr bestehen, dass er aufgrund seiner Äußerungen im Netz gleich Probleme bekommt, wenn festgestellt werden würde, wer sich hinter seinem Account verbirgt. Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, dass User von sich aus viel Privates preisgeben. Ein solcher Zug festigt Vertrauen und erweckt den Anschein von Aufgeschlossenheit. Sollen Netzbeziehungen besonders gefestigt werden, entschließen sich befreundete User einer Seite oft auch, den Rahmen der reinen Virtualität zu verlassen und sich in einem Realitäts-Treffen face-to-face gegenüberzustehen. Für Netzpessimisten allerdings muss dieser Sachverhalt noch lange nicht bedeuten, dass somit die Anonymität durchbrochen wird, denn an dieser können an den verschiedensten Stellen Modifikationen vorgenommen werden, die einzig und allein der Täuschung dienen (vgl. Höflich, 2004, S. 154 ff).

Der hier entscheidende Begriff ist der der „Inszenierung“, ursprünglich aus dem Bereich des Theaters stammend, abgeleitet vom französischen mettre en scène, wobei scéne hierbei als „Schauplatz bzw. Ort, an dem sich etwas des Zeigens Würdiges ereignet“ (Fischer-Lichte, 2000, Seite 14), verstanden wird. Es ist noch nicht lange her, da sprach man in erster Linie vom Regisseur von Unterhaltungsangeboten wie Theaterstücken oder Spielfilmen als Inszenator, während man sich als Rezipient lediglich von dessen Werk berieseln lies. Heute gibt man sich nicht mehr mir der passiven Rolle zufrieden. Das Internet bietet umfassende Möglichkeiten, seine eigenen Stücke zu schreiben. Inszenierung ist nicht mehr nur Mittel zum Zweck, anderthalb Stunden Programm zu füllen, sondern für viele eine Lebensaufgabe. Man setzt sich in Szene, um auf sich aufmerksam zu machen und sich von potenzieller Konkurrenz abzuheben. Auf vielen Seiten ist eine derartige Strategie essenziell, um nicht unter hunderten anderer User unterzugehen und zu einer allgemeinen Smalltalk-Partie degradiert zu werden. Um es mit den Worten von Waldemar Vogelgesang (2000, Seite 247) zu sagen: „(…), wo die Relevanz von Rollen und Traditionen abnimmt, wächst die Bedeutung von situationalen Selbstdarstellungen.“

Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen ihre Berufung darin sehen – sei es aus Unzufriedenheit mit dem realen Leben, dem Drang, sich auszudrücken oder einfach nur Langeweile –, sich selbst zu inszenieren, indem sie sich ein komplett der Imagination entsprungenes Online-Ich erstellen, aufbauen und entwickeln, bilden einen entscheidenden Faktor in Sachen Internetgefahr. Fälle, in denen sich Fünftklässlerinnen in Foren für Pferdeliebhaber mit vermeintlich gleichaltrigen Freundinnen zum Real Life-Treffen verabredeten, um dann festzustellen, dass die elfjährige Mandy ein fünfundvierzigjähriger Wolfgang war, häufen sich leider zunehmend. Doch auf die gesamte Netz-Community bezogen, sind solche extremen Fälle mit kriminellen Hintergedanken glücklicherweise noch Ausnahmen. Allerdings sollte die potenzielle Gefahr einer solchen Täuschung nie außer Betracht gelassen werden.

Die harmlosere, weil nicht auf böswillige Täuschung mit krimineller Anschlusstat abzielende, Variante der komplett inszenierten Online-Person findet man mittlerweile auf fast jeder Seite mit interaktiven Angeboten. Fluide Darstellungen der Personenmerkmale dienen vielen als Refugium. Falsche Angaben von Name, Geschlecht, Alter, Staatsangehörigkeit, politischer Gesinnung, Konfession oder gar Religion, Beruf oder ganz nebensächlichen Dingen wie Musikgeschmack oder Lieblingsmannschaft beim Fußball sind zu einer Art Eskapismus für viele Surfer geworden (Vogelgesang, 2000). Wer sich im Offline-Leben schwer damit tut, sich in fremde Milieus hineinzuversetzen, kann im Netz Rollen annehmen, mit denen es leichter wird, besagte Gruppen zu infiltrieren. Wer als Mann beispielsweise gewisse Frauenprobleme besser verstehen lernen will, kann sich als Frau ausgeben und sich an Frauengesprächsrunden beteiligen. Umgekehrt gilt dies natürlich auch für Frauen, die einen Einblick in die Männerwelt gewinnen wollen. Wer als Erwachsener eine Passion hat, die einem vielleicht peinlich ist oder die man zumindest aus Angst vor Zurückweisung nicht unbedingt mit gleichaltrigen Freunden teilen möchte (Sammeln von Pokémon -Aufklebern oder Ähnliches), kann sich einfach virtuell verjüngen und munter seiner Leidenschaft frönen, ohne den erhobenen Zeigefinger fürchten zu müssen. Die meist genutzte Funktion bleibt jedoch vorerst die der Partnersuche. Auch hier bleibt viel Freiraum für Fantasie, der im realen Leben undenkbar wäre. Wer in seiner Fleisch-und-Blut-Form äußerlich nicht allzu viel her macht, aber vielleicht einen ganz annehmbaren Charakter hat, wird potenzielle Partner in Real-Life-Singletreffs wahrscheinlich schon vor dem ersten „Hallo“ vergraulen. Im Netz kann man dem Stempel der Unattraktivität vorerst durch falsche Fotos vorbeugen und dann durch anregende Gespräche das Eis brechen, um eventuell früher oder später rein physische Defizite zu neutralisieren. Man sieht, die Möglichkeiten sind praktisch grenzenlos.

Online Gaming – Die Revolution der Netz-Community: Wir bauen uns eine eigene Welt

Ich baue mir einen Avatar

Die beiden vorherigen Abschnitte haben ihre Gültigkeit im gesamten Netz. Community und Selbstinszenierung haben ihre Ursprünge im reinen Textformat. Sogenannte Postings, also Beiträge in Foren, Chats etc., konnten lange Zeit lediglich durch gewitzten Schreibstil glänzen. Durch Innovationen wie Akronyme (im Sinne des Internets Buchstabenfolgen, die primär Tätigkeiten ausdrücken), Emoticons (ASCII-Code basierte Zeichenfolgen, die – abhängig vom Betrachtungswinkel – Bilder ergeben; bevorzugt um 90° gekippte Smileys) oder Inflektive (beschreiben Emotionen oder Tätigkeiten; erinnern an Regieanweisungen in klassischen Dramen) konnte sich die Netzgemeinschaft bereits eine weitgehend homogene Identität schaffen und durch die Verwendung von Avataren, in Form von realen Fotos, Illustrationen oder einfachen Animationen, konnte erstmals auf äußerst primitiver Ebene der Schein der Face-to-face-Kommunikation tangiert werden. Im Vergleich zum heute üblichen Kommunikationsmittelrepertoire der modernen Online Games mag dies als lachhaft gering gesehen werden.

Im Folgenden soll der Betracht besonders auf Online-Rollenspielen wie World of Warcraft (kurz WoW), Der Herr der Ringe Online oder Final Fantasy XI und Online-Simulationsspielen wie Second Life liegen. Bei anderen populären Online-Angeboten wie Ego-Shootern á la Counter Strike oder Strategiespielen wie Society stehen für folgende Betrachtungen eher unrelevante Aspekte im Vordergrund.

In Sachen Selbstinszenierung bieten heutige Massive Multiplayer Online Games, kurz MMOGs, viel mehr als die profane Möglichkeit, die Steckbriefangaben ein bisschen zu tunen. Wer sich hier einen Account anlegt, wird erst einmal mit einer Unzahl von möglichen Optionen der Avatargestaltung überhäuft, wobei zu erwähnen ist, dass hier bei Avataren nicht mehr die Rede von bloßen Bildchen ist, die Textnachrichten zieren. Avatare in MMOGs sind multifunktional: Sie repräsentieren den Spieler, dienen dem Erforschen der virtuellen Welt und der Kommunikation (vor allem der nonverbalen, da sie in der Regel fähig sind, zu winken oder bestimmte Gesichtsausdrücke anzunehmen) und sie sind das Spielgerät, müssen also Aufgaben erledigen, Monster bekämpfen, Hindernisse überwinden, etc. Wer sich einen solchen Avatar anlegt, kann selbst nicht einfach nur dessen Äußeres gestalten, sondern wird in der Regel auch noch vor die Wahl gestellt, welcher Rasse, Klasse, Organisation u.ä. er angehören soll. Abhängig von diesen Entscheidungen entstehen die unterschiedlichsten Charaktere, die die verschiedensten Entwicklungen durchlaufen können. Man entscheidet sich somit oft auch für eine bestimmte Seite, was impliziert, dass man sich mindestens eine andere Seite zum Feind macht – auch das ist eine interessante Grundlage für einst unvorstellbare Konfliktsituationen, war es doch zu MUD-Zeiten noch üblich, dass man sich gemeinsam gegen computergesteuerte Feinde verbündet. Bekannt geworden ist dieses Prinzip der verfeindeten Fronten durch WoW mit dem Kampf der guten Allianz gegen die böse Horde.

Ist der Avatar erstellt, wird noch stärker differenziert: Man ordnet sich Spielergruppen unter – der durch WoW geprägte Begriff der Gilde ist hier besonders verbreitet. Diese Gruppen scheinen zwar oft eine Zweckgemeinschaft zum Bewältigen von schweren Aufgaben zu sein, doch Fakt ist, dass sie soziale Institutionen mit gefestigten Normen und internen Gesetzen sind, deren Nichtberücksichtigung Sanktionen nach sich ziehen kann, die den Genuss eines unbeschwerten Spielspaßes stark beeinträchtigen können. Während man in Singleplayer-Games bei einem einschneidenden Fauxpas nichts Erschütterndes befürchten musste, da man das Spiel neu starten und zum letzten Speicherpunkt zurückkehren konnte, sind Fehler in MMOGs wie Fehler im richtigen Leben – unumkehrbar. Der Druck steigt also und die meisten User versuchen neben dem ursprünglichen Sinn der Spiele, einfach nur Spaß zu haben, Pflichten nachzugehen, die sie netzgesellschaftlich etablieren. So kann man u.a. in den virtuellen Welten Berufe erlernen und Waren produzieren, die anderen Spielern dienlich sind oder Mitspielern in verschiedensten Situationen hilfreich zur Seite stehen.

Je mehr man sich engagiert, desto mehr wird man zum wichtigen Teil der neuen Gesellschaft und desto höher steigt der eigene Rang. Für viele ist dieser Aspekt zum eigentlichen Sinn der MMOGs geworden.

Der Reiz der potenziellen Unendlichkeit und der Verlust ursprünglicher Spielintentionen

Waren es in den Singleplayer-Games in der Regel die Geschichten, die auf ein bestimmtes Ende hinauslaufen sollten, und die mehr oder weniger stark von den Programmierern vorgeschriebenen Charakterentwicklungen, welche Dreh- und Angelpunkte der Spiele darstellten, entschloss man sich, bei Multiplayer-Games Nebensächlichkeiten wie die in den Abschnitten 2.1 und 2.3 angesprochenen Mini-Games und Sidequests in den Vordergrund zu stellen beziehungsweise sie zum Hauptinhalt des eigentlichen Spiels zu machen. Storytechnische Tiefgründigkeiten wie sie in Singleplayer-Games vorkommen, sind somit nicht mehr möglich, doch hierauf liegt auch nicht das Hauptaugenmerk. MMOGs sollen keinen Plot von Anfang bis Ende durchlaufen, sondern vielmehr eine unendliche Geschichte bilden – eben so, wie das Leben ist.

„Die Stringenz der Erzählung wird zugunsten der situationsbezogenen Kommunikation mit anderen zurückgedrängt. Es kommt zur stärkeren Typisierung wiederholter Handlungsabläufe. Die Handlung besteht oft aus eher lose zusammenhängenden Einzelszenen ohne gesamterzählerischen Zusammenhang, sie unterliegt vielmehr einer operativen Logik – es geht etwa darum, einen Kampf zu gewinnen und so die eigene Figur charakterlich immer weiter aufzubauen.“ (Gunzenhäuser, 2003, Seite 90).

Und damit der Eindruck des echten Lebens in der Virtualität noch verstärkt wird, lassen sich die Entwickler immer wieder neue besondere Nebensächlichkeiten einfallen. So ist es mittlerweile Usus, dass in den virtuellen Welten dieselben Feiertage wie im richtigen Leben gefeiert werden und neue datumsabhängige Festlichkeiten[7] eingeführt werden. Außerdem ist es möglich, den eigenen Avatar mit dem eines Mitspielers zu verheiraten, sich Haustiere zu halten, belanglose Hauswirtschaft zu treiben, Unternehmen aufzubauen, und, und, und. Zynisch betrachtet, wird das reale Leben ersetzt und somit nutzlos.

Selbst wirtschaftliche Erfolge sind beim Spielen nicht mehr auszuschließen. Während es anfangs noch als revolutionär angesehen wurde, auf Online-Aktionshäusern seine Errungenschaften und mehr oder weniger perfektionierte Spielstände zum Verkauf an den Höchstbietenden anzubieten, was anschließend von den Spielebetreibern nicht mehr geduldet und sanktioniert wurde, kann man heutzutage ganz legal ein Vermögen mit Spielen machen.

Das Paradebeispiel hierfür ist Second Life, welches seine eigene Währung besitzt, die man über den Betreiber Linden Labs sogar in echtes Geld umtauschen kann. Seitdem die Hessin Ailin Gräf mit ihrem Avatar Anshe Chung zur ersten Person geworden ist, die tatsächlich ein Vermögen mit dem Spiel gemacht hat (Hüsing, 2007), folgen ihr immer mehr Spieler.

„Anshe Chung hat die Welt verändert. Plötzlich ist klar geworden: In den virtuellen Paralleluniversen des Internets lässt sich Geld verdienen. Anshe Chung, die Online-Figur der in Deutschland lebenden Chinesin Ailin Gräf, hat sich in Second Life ein Immobilienimperium aufgebaut und damit die erste Million gemacht. Rechnerisch zumindest, denn noch liegt das Geld nur in virtuellen Dollar vor.“ (sueddeutsche.de, 2007).

Wem der strategische Aufbau eines kleinen MMOG-Unternehmens zu mühselig ist, der kann auch durch seine Fähigkeiten im Wettbewerb Mann-gegen-Mann beziehungsweise Team-gegen-Team glänzen. Hier gibt es eine wachsende Anzahl von Möglichkeiten, sich ein paar Euro nebenbei zu verdienen. Ob man nun die eigene Gilde bei WoW von großen Unternehmen sponsern lässt und Werbung auf der Gilden-Homepage veröffentlicht oder einfach professioneller E-Gamer[8] wird und Prämien bei Wettbewerben abgreift, ist egal – das Ergebnis sind Kontostände, die ehrlich arbeitende Menschen zur Weißglut bringen.

Deutsch – Computerspiele / Computerspiele – Deutsch

Die Geburt einer neuen Sprache

„Covern, dass ich die Whiner atten kann. Den bratz ich weg!“

„Bäm Headshot!! Facial!! Die sind ditched!“

„Feine RoF, aber jetzt messern und gibben!“

„W00t!“

„RR?“

Ob man es glaubt oder nicht – dieses Gespräch ist der deutschen Sprache unterzuordnen.

Jede Community braucht etwas, um sich von Nichtmitgliedern abzugrenzen. Bei Computerspielern fängt das bereits bei der Vorliebe zum bestimmten Spiel an. Um sich stärker von anderen vergleichbaren Phänomenen wie Foren-Communities abzugrenzen, gibt es verschiedenste Rituale und Routinen; einige habe ich in vorangegangenen Abschnitten bereits angesprochen. Was aber wäre eine Gemeinschaft oder gar eine ganze Untergesellschaft ohne ihre spezifische Sprache? So wie der Programmierer mit seinen Kollegen in einer Fachprache spricht oder so wie der Hip-Hopper in seinem Gefilde gern den Ghetto Slang auspackt, so bedient sich auch der Zocker einer völlig eigenen Lexik in dafür angemessenen Kreisen. Das Ergebnis ist, dass – wie die oben angeführten Beispiele vermuten lassen – der Laie kein Wort eines Gesprächs unter Experten versteht (Runkehl, 1998).

Die Anfänge der Computerspiel-Fachsprache liegen bereits in der Geburtsphase des digitalen Spiels. Die Innovationen, die das neue Medium mit sich brachten, brachte beispielsweise einen neuen Begriff wie Joystick hervor, der ganz einfach ein Objekt bezeichnete, das es vorher noch nicht gab. Andere Wörter wie Cursor oder Arcade existierten zwar bereits, wurden aber durch ihre spezielle Verwendungsweise zu Polysemen. Im Zuge der raschen Weiterentwicklung der verschiedenen Genre und der wachsenden Möglichkeiten wurden immer mehr langlebige Begriffe geprägt. Doch erst durch die Multiplayer-Revolution und des damit verbundenen Aufstiegs des E-Sports hat sich die Sprache (beziehungsweise die Sprachen, da genrebedingte signifikante Unterschiede existieren) entwickelt, wie man sie heute auf jeder LAN-Party und in jedem MMOG antrifft.

Wodurch zeichnet sich speziell der Gamer-Jargon aus?

Man kann hauptsächlich in zwei Formen des Auftretens der neuen Sprachform beim vernetzten Spielen unterscheiden: Der klassische geschriebene Text, der ähnlich dem typischen Chat-System in Erscheinung tritt, und Teamspeak. Letzteres ist vergleichbar mit einfachem Telefonieren. Über spezielle Headsets können die Spieler direkt miteinander sprechen. Was die beiden Formen vereint, ist, dass sie dem Vorankommen der – in der Regel in Teams agierenden – Spieler dienen müssen.

Sei es nun bei der Taktikbesprechung vor einer nahenden Konfliktsituation oder während einer Mission, mitten im Gefecht – was zählt, sind oft Bruchteile einer Sekunde. Besonders beim professionellen Spielen kann eine reibungslose, schnelle Kommunikation über Sieg und Niederlage entscheiden. Daher sollte jede auf dem eigenen Ausgabemedium wahrgenommene Information sofort verarbeitet und an die Teamkameraden weitergegeben werden können. Ganz nach dem ökonomischen Grundsatz des Zockens darf daher kein Wort zu viel in den Kommunikationsfluss einfließen. Sehr gern gesehen, sind ganze Sätze, die nur aus Kürzungen wie Akronymen oder Buchstabenketten bestehen. Hinzu kommt, dass nahezu jede im jeweiligen Spiel vorkommende spezifische Situation einen eigenen Fachausdruck hat.[9]

Zu all den vorwiegend taktischen Begriffen gesellen sich diverse geflügelte Wörter und Phrasen[10] aus der Computerspielgeschichte sowie unzählige Bezeichnungen für Rassen, Welten, Waffen, Gegenstände und so weiter, deren Kenntnis Grundvoraussetzung ist für die Teilnahme an themengebundener Kommunikation.

Schlussbemerkung

Ich hoffe, es ist mir einerseits gelungen, einen Einblick darin zu vermitteln, welche Möglichkeiten das Computerspielen für die Bildung von neuen Gesellschafts- und Kommunikationsformen bietet und andererseits zu verdeutlichen, dass es sich hier um ein Medium handelt, welches an Wichtigkeit und gesellschaftlichem Einfluss zwangsläufig noch zunehmen und sich ständig weiterentwickeln wird. Allerdings sollte man beachten, dass der Inhalt dieser Arbeit nur einen verschwindend geringen Teil der möglichen Forschungsfelder im Bereich des Computerspiels an sich umfasst.

Vor allem in Anbetracht des Einflusses des Mediums auf unsere heutige Gesellschaft wäre es von enormer Wichtigkeit von Seiten der entsprechenden Wissenschaften (Psychologie, Soziologie, Pädagogik, etc.) sämtliche Aspekte des Computerspielens aufzugreifen und zu einem festen Forschungsschwerpunkt zu machen.

Ich selbst, als langjähriger Spieler, würde mich freuen, wenn sich schon bald eine Forschung etabliert, die es schafft, ohne erhobenen Zeigefinger und ohne zu starken Fokus auf die stets polarisierende Gewaltfrage, sich dem Thema mit derselben Leidenschaft zu widmen, mit der sich die Zocker dem Computerspiel widmen.

Quellen

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Markus Kammermeier:
Formen der Kollaboration in einem MMORPG am Beispiel World of Warcraft

2009

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Management Summary

In dieser Arbeit wird das Online-Computerrollenspiel „World of Warcraft“ als Software für die Kollaboration (Groupware) beschrieben. Basis für die Einordnung des Spiels als Groupware ist das Modell der Fachgruppe CSCW der Gesellschaft für Informatik. Anhand des Modells wird gezeigt, dass das Spiel alle Anforderungen, die auch an eine Businessapplikation gestellt werden, abdeckt.

Im Hauptteil der Arbeit werden die Werkzeuge zur Zusammenarbeit der Spieler in „World of Warcraft“ beschrieben und in den verschiedenen Klassen zur Unterstützung der Kollaboration zugeordnet. Ferner wird die Motivation der Spieler in „World of Warcraft“ untersucht und auf die Motivation bei der Benutzung von Kollaborationswerkzeugen im Geschäftsleben übertragen.

Ziel der Arbeit ist die Übertragung der Beobachtungen auf Businessapplikationen. Dabei können zum einen Ideen für die bessere Integration verschiedener Werkzeuge in einer Oberfläche gewonnen werden. Zum anderen kann die Spielerfahrung helfen, Anwender bei der Nutzung von Software zur Kollaboration zu motivieren.

Einleitung

Motivation

Das Computerspiel World of Warcraft (kurz WOW) ist seit seinem Erscheinen 2004 das erfolgreichste Massive Multiplayer Online Roleplaying Game (kurz MMORPG):

- Aktuell spielen mehr als 11,5 Millionen Spieler weltweit [Bli08]
- Zu Spitzenzeiten spielen mehr als 1 Million Spieler gleichzeitig
- Mehr als 4 Millionen verkaufte Exemplare der letzten Erweiterung [Bli08]
- Die Firma Activision Blizzard Inc. hatte in 2008 einen Umsatz von 3 Milliarden US-Dollar
- 58% Marktanteil in Europa und Nordamerika
- Ein durchschnittlicher Spieler investiert 23 Stunden pro Woche [Hag09]
- Eine Suche nach „World of Warcraft“ bei Google liefert mehr als 65 Millionen Treffer

Die Spieler in WOW treten miteinander den Kampf gegen andere Spieler oder computergesteuerte Monster in einer virtuellen Welt an. Dabei werden kurzfristig Gruppen mit 40 Spielern und mehr gebildet. Gleichzeitig organisieren sich die Spieler in Gilden und bilden dort soziale Systeme, die an die Organisation in Unternehmen erinnern. Dabei werden täglich Tausende Güter und Waren gehandelt.

Offensichtlich besteht für die Spieler eine hohe Motivation, sich zu organisieren und gemeinsam an der Erreichung ihrer Ziele zu arbeiten. Der Hersteller Blizzard stellt hierfür ausgereifte Werkzeuge zur Kommunikation und Kollaboration in und außerhalb der virtuellen Welt bereit.

Neben der Frage, wie das Spiel die Akteure zur Zusammenarbeit motiviert, verdient auch die Bereitstellung der verschiedenen Kollaborationswerkzeuge unsere Aufmerksamkeit. Können sich Unternehmen von World of Warcraft als Plattform zur Kollaboration inspirieren lassen?

Überblick über die Arbeit

Im ersten Teil der Arbeit werden grundlegende Begriffe aus dem Fachgebiet Computer Supported Collaborative Work (kurz CSCW) und MMORPG erläutert. Im Anschluss wird das Computerspiel World of Warcraft (kurz WOW) mithilfe des Klassifikationsmodells der Gesellschaft für Informatik (kurz GI) als System zur Zusammenarbeit – Groupware – eingeordnet.

In den folgenden beiden Kapiteln werden Hintergründe zur Welt von WOW dargestellt und die einzelnen Werkzeuge zur Kollaboration und Kommunikation detailliert beschrieben.

Abschließend wird versucht, die Erkenntnisse auf die Zusammenarbeit im Geschäftsleben zu übertragen.

Zielbeschreibung

Das erste Ziel dieser Arbeit ist die Einordnung von WOW als Software für die Zusammenarbeit – kurz Groupware. Ferner soll kurz auf die verschiedenen Aspekte der Motivation der Spieler eingegangen werden. Hierfür werden die Kollaborationswerkzeuge innerhalb der virtuellen Welt von WOW beschrieben und klassifiziert. Als Ergebnis dieser Betrachtung sollen Anstöße für die Zusammenarbeit im Unternehmen aufgezeigt werden.

Begriffsklärung

Grundlegende Konzepte

Die Klärung der grundlegenden Konzepte der CSCW basiert auf Zitaten der [Fac09] und [Gro07].

Computer Supported Cooperative Work

Unter „Computer-Supported Cooperative Work“ (kurz CSCW) versteht man das (relativ junge) Forschungsgebiet hinter dem Einsatz von Software zur Unterstützung von Zusammenarbeit (Collaboration), das Einflüsse aus den Forschungsgebieten Organisations- und Führungslehre, Psychologie, Informatik, Soziologie, u.a. zusammenfasst. Es wird untersucht, wie Personen in Arbeitsgruppen oder Teams zusammenarbeiten und wie sie dabei durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie unterstützt werden können.

Kollaboration

In der Fachliteratur und in diversen Publikationen existiert eine Vielzahl an Begriffsdefinitionen, was es schwierig macht, eine einheitliche Diskussionsgrundlage zu finden.

In dieser Arbeit verstehen wir unter Kollaboration die Zusammenarbeit von mehreren Personen in einer Gruppe mit einem gemeinsamen Ziel. Von einer Gruppe spricht man, wenn zwei oder mehrere Personen interagieren und dabei eine gegenseitige Beeinflussung stattfindet.

Groupware

In dieser Arbeit ist Groupware definiert als Software zur Unterstützung der Zusammenarbeit von Teams mit einem gemeinsamen Ziel.

Eine Groupware setzt sich dabei in der Regel aus vielen verschiedenen Werkzeugen zusammen und kombiniert diese unter einer einheitlichen Oberfläche.

Communities

Außerdem definieren wir hier eine Community als eine Gruppe von Personen mit gemeinsamen Interessen und Zielen.

Massive Multiplayer Online Role Playing Game

Definition

Die folgende Definition eines Massive Multiplayer Online Role Playing Game (kurz MMORPG) ist angelehnt an [Wik09] und [Fil03]: Ein MMORPG ist ein ausschließlich über das Internet spielbares Computer-Rollenspiel, bei dem gleichzeitig mehrere Tausend Spieler eine persistente virtuelle Welt bevölkern können. Die eigentliche Spielwelt und die „Avatar“ genannten Spielfiguren der Spieler werden auf Servern verwaltet. Der Spieler verbindet sich typischerweise über ein Clientprogramm mit dem Server. Der Client enthält üblicherweise nur die Daten zur Darstellung der Spielwelt (Grafik, Objekte, Musik, …), während die Spielmechanik auf dem Server verwaltet und verarbeitet wird.

Nach [Sei06] ist eine persistente Spielwelt durch zwei Eigenschaften gekennzeichnet:

- Die Zeit im Spiel läuft auch nach dem Verlassen weiter und
- Die Handlungen haben nachhaltige Auswirkungen und können nicht zurückgenommen werden.

Prominente Vertreter dieses Genre sind „Everquest“ (von Sony Online Entertainment), „Dark Age of Camelot“ (von Mythic) und „World of Warcraft“ (von Activision Blizzard).

Geschichte

MMORPG haben ihren Ursprung Ende der 70er Jahre in Form der „Multi User Dungeons“ (kurz MUD). Bei diesen Spielen wurde die Welt und Geschichte via Text über eine Terminalanwendung vermittelt. Die einzelnen Spieler konnten sich auf einem zentralen Rechner anmelden und über Tastaturkommandos Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen.

In den 90er Jahren erschienen die ersten grafischen MMOPRGs, bei denen mehrere Hundert Spieler miteinander interagieren konnten. Dabei markierte 1997 „Ultima Online“ den Prototyp für heutige Spiele dieser Art.

Um die Jahrtausendwende erschienen mit „Everquest“ und „Asherons Call“ die ersten modernen Titel, die vollständig auf eine dreidimensionale, animierte Darstellung aufbauten. Moderne Grafikhardware und die Verbreitung von schnellen Internetzugängen ermöglichten es, dass die Grafikpracht von Onlinespielen immer mehr den Offlinespielen ähnelte.

Mit dem Erscheinen von „Dark Age of Camelot“ in 2001 wurde das Genre endgültig massentauglich. Über mehrere Jahre hielt sich die Zahl der Abonnenten bei fast 250.000 [MMO09].

Die aktuelle Generation wurde 2004 durch das Erscheinen von „Everquest II“ und „World of Warcraft“ eingeläutet. Diese Spiele brachten weitere Verbesserungen im Bereich Grafik, Komplexität und Spielspaß.

Heute dominiert die Firma Activision-Blizzard mit „World of Warcraft“ und 11,5 Millionen Abonnenten den Markt. Der Umfang und das Geschäftsmodell der verschiedenen Titel näheren sich allerdings immer weiter an.

MMORPG als CSCW am Beispiel World of Warcraft

Im Folgenden wird die Klassifizierung des MMORPG World of Warcraft als Software für die computergestützte Zusammenarbeit anhand des Modells von [Gro07] (siehe Darst. 0-1) vorgenommen. Dabei werden den verschiedenen Konzepten von oben nach unten Spielelemente von WOW zugeordnet. Der Fokus in dieser Arbeit liegt auf den verschiedenen Werkzeugen für die Kollaboration in der untersten Ebene (siehe Kapitel 0).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darst. 0 - 1 : CSCW-Klassifizierung[11]

Soziale Entitäten

„Soziale Entitäten sind Konstellationen, welche sich zwischen Benutzerinnen und Benutzern ergeben können“ [Gro07]. Je nach Größe, Zweck und Organisationsform finden wir in WOW Entsprechungen für die verschiedenen Ausprägungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darst. 0 - 2 : Soziale Entitäten[12]

Darst. 0-2 zeigt uns, dass wir auch bei einem MMORPG alle Akteure einer CSCW-Lösung im klassischen Sinne wiederfinden.

Soziale Interaktion

Bei der Interaktion sind Kommunikation, Koordination, Kooperation und Koexistenz zu betrachten. Die Kommunikation spielt dabei eine zentrale Rolle, da andere Interaktionen von ihr abhängig sind. Sie ist Vorbedingung für Koordination und Kooperation. In jedem CSCW-System – ebenso in einem MMORPG – spielt die Unterstützung der Kommunikation eine zentrale Rolle. Dabei kann Kommunikation auf vielfältige Weise geschehen: schriftliche Kommunikation (asynchron durch E-Mails oder synchron durch Chats), mündliche Kommunikation (VoiceChat) oder die Beobachtung des Verhaltens. WOW bietet Unterstützung für all diese Kommunikationsformen. Dabei wird sowohl die kurzfristige und spontane Koordination in Gruppen, als auch die langfristige Koordination in Organisationen (Gilden) unterstützt. Die entsprechenden Werkzeuge werden in Kapitel 0 ausführlich behandelt.

Grundlage für die Kommunikation ist die Koexistenz und die gegenseitige Wahrnehmung der anderen Akteure. Im Bereich der CSCS-Forschung spricht man in diesem Zusammenhang von Awareness: „Unter Awareness versteht man die gegenseitige Information für Akteure übereinander“ [Gro07]. In einem MMORPG wie World of Warcraft ist dieser Punkt von entscheidender Bedeutung: Die Akteure bewegen sich in einer virtuellen, grafisch dargestellten Welt. Es ist somit Aufgabe der grafischen Darstellung, den einzelnen Akteuren ein Bild von ihrer Umgebung und anderen Teilnehmern zu generieren. Gleichzeitig muss der Server die verschiedenen Aktionen der Akteure verarbeiten und die Wahrnehmung jedes einzelnen Teilnehmers aktualisieren. Darüber hinaus vermittelt die Oberfläche dem Spieler Detailinformationen über den Gegenüber, wie z.B. Statusinformationen über den Avatar. Konkrete Werkzeuge für die Unterstützung der Awareness werden in Kapitel 0 beschrieben.

CSCW-Unterstützung

Werkzeuge für die CSCW-Unterstützung können in verschiedene Typen einsortiert werden. Die Klassifizierung aus Darst. 0-1 bildet in dieser Arbeit die Grundlage für die Analyse der verschiedenen Werkzeuge in WOW.

In diesem Kapitel wurde dargestellt, wie ein MMORPG wie World of Warcraft alle Aspekte einer CSCW-Lösung erfüllt. Da es sich beim Spielen nicht um Arbeit im eigentlichen Sinne handelt, könnte man diese Art von Software auch als Computer Supported Collaborative Play (kurz CSCP) bezeichnen (siehe auch [Pot07]). Der Begriff verdeutlicht den Zusammenhang von klassischen CSCW-Lösungen für das Geschäftsleben und Onlinespielen für die Unterhaltung.

Zur Einordnung von MMORPGs als Forschungsgegenstand der CSCW sei auch auf folgende Quellen verwiesen:

„Multiversen – Hype or Hope for CSCW?“ [Oli08]

„CSCW at play: ‘There’ as a collaborative virtual environment“ [Bro09]

World of Warcraft als MMORPG

Welt und Akteure

World of Warcraft spielt in der Fantasywelt „Azeroth“, die auch schon Schauplatz für frühere Spiele der Warcraft-Serie war. Die Welt Azeroth ist aufgeteilt in die Kontinente „Nordend“, „Kalimdor“ und „Östliche Königreiche“ (siehe Darst. 0-3). Auf Azeroth liefern sich die beiden Fraktionen „Allianz“ und „Horde“ einen erbitterten Kampf um die Vorherrschaft. Die Fraktion der Allianz wird aus den Völkern der Menschen, Zwergen, Gnome, Nachtelfen und Draenei gebildet. Auf der Seite der Horde kämpfen Orcs, Untote, Tauren, Trolle und Blutelfen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darst. 0 - 3 : Die Welt von World of Warcraft[13]

Zu Beginn muss sich der Spieler für ein Volk und eine Klasse entscheiden. Die Klasse eines Spielers legt die grundlegenden Fähigkeiten, das Aussehen und die mögliche Weiterentwicklung seines Avatars fest. Die Wahl der Klasse ist abhängig von der Entscheidung für eine Fraktion und ein Volk. Mögliche Klassen sind z.B. Krieger, Magier, Jäger, Schurke, etc.

Durch die Wahl der Klasse und die spätere Entwicklung des Charakters werden drei grundlegende Charaktertypen für das Gruppenspiel ausgeprägt:

- Tank: Charakter mit viel Lebenskraft und hoher Schadensresistenz
- Damage Dealer: Charakter mit hohem Angriffswert und meist geringer Lebenskraft
- Healer: Charakter mit der Fähigkeit andere Gruppenmitglieder zu heilen

Das Zusammenspiel der einzelnen Typen wird in Kapitel 0 genauer beschrieben.

Die Spieler nehmen die Welt und die anderen Akteure durch eine grafische Oberfläche wahr, die direkten (Drucktasten oder Menüs) oder indirekten (Benutzung von Spielelementen) Zugang zu allen Funktionen gewährt (siehe Darst. 0-4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darst. 0 - 4 : Interface von WOW[14]

Die Akteure der virtuellen und persistenten Welt sind entweder die Charaktere menschlicher Spieler oder computergesteuerte Charaktere (Nicht-Spieler-Charakter, kurz NPC). NPCs treten in Form von freundlichen (z.B. Händler) oder feindlichen Charakteren (z.B. Wildtiere) auf.

Technik

WOW basiert wie die meisten heutigen MMORPGs auf der Client-Server-Technologie. Das heißt die Daten für die grafische Darstellung der Spielwelt und Charaktere liegen auf dem Rechner des Anwenders. Führt der Spieler eine Aktion aus, werden diese Informationen an den Server übermittelt. Der Server sendet das Resultat der Aktion an den Spieler und übermittelt die Änderungen der virtuellen Welt auch an andere Akteure in seinem Umfeld.

Die Serverlandschaft gliedert sich in spezialisierte Server für bestimmte Aufgaben (z.B. Anmeldeserver) und „Realms“. Ein Realm ist eine eigenständige Instanz der Spielwelt, wobei Spieler eines Realms nicht mehr mit Spielern eines anderen Realm in Kontakt treten können. Ein Realm wird physikalisch wieder auf mehrere Server verteilt. Dabei ist jeweils ein Server für einen bestimmten Teil der Welt zuständig.

Details zur technischen Realisierung werden durch den Hersteller streng gehütet.

Das Hosting der Server erfolgt durch Partner, die einen hohen Aufwand in die entsprechende Hardware investieren: Der Hoster „The9“ verwendet hierfür 10 Supercomputer aus der Liste der Top500 [Com08].

Zur automatischen Aktualisierung der Clientsoftware verwendet der Hersteller die Peer-to-Peer-Technologie. Das heißt jeder Anwender, der gerade ein Update herunterlädt, stellt gleichzeitig die Aktualisierung für andere Anwender bereit.

Spielziel

Bei jedem Spiel stellt sich die Frage nach dem Ziel des Spiels; Oder anders formuliert „welche Motivation haben die Spieler von Word of Warcraft?“. Im Gegensatz zu klassischen Brettspielen oder Einzelspielercomputerspielen gibt es in WOW kein definiertes Ende. Es ist im Sinne des Betreibers, die Spieler möglichst lange an das Spiel zu binden, da jeder Spieler für die Nutzung der Server (in Europa als Abonnement monatlich) zahlt. Der Betreiber ist daher bemüht, das Spiel ständig durch neue Inhalte zu erweitern und die Spieler somit an sich zu binden.

Die Motivation der Spieler ist vielfältig und ändert sich im Laufe der Spielerfahrung (siehe auch [Sei06]):

Neugier:
Erforschung der Welt, Fähigkeiten des eigenen Charakters, ...

Gemeinschaft / Community:
Engagement in einer Gilde, Austausch von Erfahrungen, Freunde, ...

Wettkampf / Competition:
Messen mit anderen Spielern (1:1 oder n:m)

Kooperation / Cooperation:
Handel, gemeinsame Abenteuer, ...

Eine ähnliche Darstellung liefert auch der Bartle-Test, der Spieler nach einer Reihe von Fragestellungen in vier Archetypen klassifiziert: Archiever, Explorer, Socialiser und Killer. Der Test hat sich zu einem Standard bei der Klassifizierung von Onlinerollenspielern etabliert.

Grundvoraussetzung für die Spielteilnahme ist die souveräne Bedienung der Oberfläche (siehe oben). Die Grundlage für viele Aktionen ist jedoch die Weiterentwicklung des eigenen Charakters durch Erfahrungspunkte bzw. Stufenaufstieg und neue Gegenstände bzw. Gold. So muss der Charakter bei der Erforschung neuer Gebiete über bestimmte Fähigkeiten verfügen, die Charakterstufe steigert den Stand in der Gilde und im Wettkampf können bessere Ergebnisse erzielt werden.

Das Sammeln von Erfahrungspunkten erfolgt hauptsächlich durch das Erfüllen von Aufgaben und den Kampf Spieler gegen Spieler (Player vs Player, kurz PvP). Neue Gegenstände erhält man ebenfalls durch das Erfüllen von Aufgaben, den Handel oder der eigene Herstellung („Crafting“).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Darst. 0-5 gibt eine Übersicht die Charakterentwicklung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Darst. 0 - 5 : Charakterentwicklung[15]

Förderung der Kollaboration

Wie oben beschrieben, fördert World of Warcraft die Zusammenarbeit der Spieler zur Erreichung der individuellen Ziele. Dies geschieht vorwiegend durch zwei Spielkonzepte:

Verschiedene Klassen

Die Charaktere lassen sich grundsätzlich in drei Typen einordnen: Kämpfer (Tank), Schaden (Damage Dealer) und Heiler (Healer oder Supporter). In einer erfolgreichen Gruppe sollten alle drei Typen vertreten sein:

Der Kämpfer konzentriert die Angriffe der Feinde auf sich und versucht somit seine Kameraden zu schützen. Der Schaden-Macher kämpft aus der zweiten Reihe. Der Heiler überwacht das Geschehen und heilt seine Gruppenmitglieder wenn nötig.

Um die verschiedenen Aktionen kurzfristig in einem hektischen Kampf koordinieren zu können, ist schnelle und direkte Kommunikation nötig. Außerdem müssen die Spieler den Status ihrer Gruppenmitglieder überwachen (Awareness).

Verschiedene Berufe

Jeder Charakter in World of Warcraft kann eine begrenzte Anzahl von Berufen erlernen. Die einzelnen Berufe ergänzen sich gegenseitig: Spieler sammeln Kräuter und andere brauen daraus Tränke, andere Spieler sammeln Pelze für Gerber und die anschließende Rüstungserstellung.

Die einzelnen Berufszweige sind aufeinander angewiesen und fördern somit den Handel. Zur Erfassung von Angebot und Nachfrage bietet die Oberfläche verschiedene Werkzeuge, wie spezielle Chat-Kanäle oder ein Auktionshaus.

[...]


[1] Die japanische Reihe gilt als wohl einflussreichste der gesamten Computerspielgeschichte und wird nicht nur von Kritikern und Konsumenten hoch geschätzt, sondern auch an vielen Universitäten (inklusive Stanford) als Unterrichtsbasis genutzt (Siong Low, 2001). Final Fantasy VII, der erfolgreichste Teil der Serie, gilt zudem als Wegbereiter des enormen Rollenspielerfolgs in westlichen Ländern und kann somit auch als ein Grundstein im Siegeszug von World of Warcraft gesehen werden. In vielen Umfragen innerhalb der letzten zehn Jahre, welches das beste Spiel aller Zeiten sei, landeten Titel der Serie auf Platz eins. In einer der aktuellsten Umfragen, durchgeführt vom japanischen Magazin Famitsu, befanden sich unter den acht beliebtesten Titeln aller Zeiten gleich vier Final Fantasys, von denen sich wiederum zwei auf den ersten beiden Plätzen befanden (Campbell, 2006).

[2] Als prägnantes Beispiel soll hier nur die inflationäre Betrachtung der so genannten Killerspiele sein (vgl. Fromm, 2002 / Hüsing, 2007 / Morris, 2002 / Thompson, 2002), also Spiele, die in erster Linie Gattungen wie dem Shoot ’em up, dem Ego-Shooter oder dem Third-Person-Shooter zuzuordnen sind. Besonders nach Gewaltakten jugendlicher Gamer neigt die Forschung dazu, stark zu polarisieren und die Betrachtung der Spiele zu stark in eine Richtung zu drängen, die den mit Abstand größeren Teil der verschiedenen Genre und eigentliche Spielinhalte völlig außer Acht lässt.

[3] Als Beispiel soll hier das Rollenspiel Radiata Stories genannt werden. Entgegen der Konvention, dass ein Singleplayer-RPG (also ein Rollenspiel für nur einen Spieler) durchschnittlich sechs bis acht spielbare Hauptcharaktere mit mehr oder weniger ausgefeilten individuellen Geschichten, die mehr oder weniger stark in den Hauptplot eingebunden werden, bietet, wartet dieses Spiel für die Playstation 2 mit maximal mög-lichen 177 (!) spielbaren Charaktere auf, von denen jeder einzelne seine eigene Hintergrundgeschichte und Auswirkung auf den Spielverlauf hat. Spiele wie Radiata Stories und vergleichbare Titel, die in der Regel dem Rollenspiel-Genre zuzuordnen sind, können vor allem durch massenweise Sidequests (siehe Abschnitt 2.3) die Gesamtspielzeit auf mehrere hundert Stunden anheben.

[4] Als Beispiel für räumliche Brüche soll hier Super Paper Mario genannt werden, das auf der aktuellsten Nintendo -Konsole Wii erschienen ist. Hier kann der Spieler an fast jedem Punkt des Spiels die gewohnte zweidimensionale Super Mario -Ansicht gegen die dreidimensionale Ansicht tauschen, wodurch sich ein völlig neues Bild des jeweiligen Levels ergibt.
Als Beispiel für zeitliche Brüche soll Prince of Persia: Rival Swords, das ebenfalls auf der Wii erschienen ist, genannt werden. Hier ist es dem Spieler vergönnt, bei einer missglückten Aktion, die eventuell zum Tod des Charakters führt oder geführt hat, die Zeit zu manipulieren und bis zum letzten sicheren Punkt zurückzu-spulen, um das Schicksal beim nächsten Versuch zu ändern.

[5] Das Rennspiel Micro Machines 2: Turbo Tournament von 1994 auf der Sega Mega Drive -Konsole gilt hier als Bahn brechender Titel (Narang, 2002), da hier die Möglichkeit bestand zusätzliche Controller direkt an die Spielkassette anzuschließen, wodurch eine vorher nie da gewesene Zahl an Spielern an einem einzigen Konsolenspiel teilnehmen konnte.

[6] Der Grundstein der MUDs, ein rein textbasiertes Adventure für nur einen Spieler, wurde 1972 von Will Crowther entwickelt. Was anfangs nur als eine virtuelle Karte eines Tropfsteinhöhlensystems in Kentucky gedacht war, wurde bis 1975 zu einem waschechten Abenteuerspiel ausgebaut (Montfort, 2003). Roy Trubshaw und Richard Bartle von der Universität in Essex, England entwickelten die Idee 1979 weiter und erstellten das erste Mehrspieler-Adventure. Aus diesem bildeten sich in der Folgezeit zahllose Ableger, die vor allem von der Thematik her dem Fantasy oder dem Science-Fiction-Genre zugeordnet werden konnten. Bis in die frühen 90er haben sich diese Onlineportale so stark weiterentwickelt, dass sie als Grundlage für komplexe Kommunikationsprozesse genutzt werden konnten (Vogelgesang, 2000) und somit keine rein ludische Funktion mehr besaßen.

[7] Bei WoW ist es beispielsweise Usus, jeden größeren Feiertag der westlichen Gesellschaft (wie beispielsweise Weihnachten oder Ostern) auch in der Virtualität zu feiern; dazu kommen noch speziell fürs Spiel erfundene alljährliche Feste.

[8] E-Gamer bezeichnet man Spieler, die E-Sports betreiben. E-Sports, bei denen sich Spieler in bestimmten Spielen miteinander messen – sei es bei Turnieren oder innerhalb von Ligen –, werden mittlerweile weitestgehend als offizielle Sportart anerkannt. In Deutschland sind vor allem Titel wie Counter Strike, Warcraft III und FIFA viel gespielte E-Sportarten.

[9] Um auf das am Anfang des Abschnitts angeführte Beispiel zurückzukommen: Das Gespräch könnte sich auf eine Situation beziehen, die typisch für den LAN-Klassiker Counter Strike ist. Mit wenigen Worten gibt ein Spieler seinen Teamkollegen wichtige Anweisungen, wie sie im Folgenden agieren sollen und gibt seinen nächsten Zug bekannt. Im Folgenden wird die Aktion von Spieler eins von Spieler zwei genau kommentiert und Spieler drei gibt Wünsche preis, wie im Weiteren mit den Gegnern verfahren werden sollte. Es folgt in der vierten wörtlichen Rede ein Ausdruck von Freude (W00t = We owned the other team) und zum Schluss schließlich die Frage, ob Lust auf eine weitere Runde besteht.

[10] Einige beliebte Beispiele hierfür gehen auf falsche, teilweise grammatisch sehr unbeholfen wirkende Übersetzungen vom Japanischen ins Englische aus den späten 80ern und frühen 90ern zurück. Das wohl bekannteste Phänomen war die miserable Übersetzung des Intros von Zero Wing, welches 1989 auf dem Sega Mega Drive erschien. Unter den vor Fehlern strotzenden einleitenden Texten stach besonders die Zeile „All your base are belong to us“ heraus (Benner, 2001), was so viel bedeutet wie „All ihre Stützpunkt sind gehören zu uns“. Der Satz bekam seine eigenen Kürzungen (AYBABTU und AYB) und gelangte zu großer Berühmtheit, als das zugehörige Video im Internet auftauchte und sich Webkünstler daran machten, das Zitat in Fotos einzuarbeiten und somit eine Art Verschwörungstheorie in Gang zu setzen (unter http://allyourbase.planettribes.gamespy.com//index.shtml findet man die gesammelten Werke).

[11] Quelle: [Gro07]

[12] Quelle: eigene Darstellung

[13] Quelle: [Act09]

[14] Quelle: [Act09]

[15] Quelle: eigene Darstellung

Excerpt out of 200 pages

Details

Title
World of Warcraft: Mein Online-Ich und ich
Subtitle
Wissenschaftliche Betrachtungen zum erfolgreichsten Online-Rollenspiel der Welt
Authors
Year
2013
Pages
200
Catalog Number
V231412
ISBN (eBook)
9783656470441
ISBN (Book)
9783956870507
File size
2856 KB
Language
German
Keywords
world, warcraft, mein, online-ich, wissenschaftliche, betrachtungen, online-rollenspiel, welt, worldofwarcraft
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David Füleki (Author)Markus Kammermeier (Author)Katharina Giers (Author)Anne Andraschko (Author)Sophia Zwigart (Author), 2013, World of Warcraft: Mein Online-Ich und ich, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231412

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Title: World of Warcraft: Mein Online-Ich und ich



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