Das Konzept des Multigrade Clinical Reasoning


Presentation (Elaboration), 2013

26 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Clinical Reasoning: Theoretische Grundlagen
2.1 Begriffserläuterung
2.2 Zweck und Stellenwert
2.2 Bestandteile, Vorgehensweisen, Techniken
2.2.1 Grundelemente
2.2.1.1 Kognition
2.2.1.2 Wissen
2.2.1.2 Metakognition
2.2.2 Zusätzliche Elemente
2.2.2 Strategien
2.2.2.1 Hypothetisch-deduktives Denken
2.2.2.2 Mustererkennung, Denken in Krankheitsscripts
2.2.4 Formen

3 Multigrade Clinical Reasoning
3.1 Begriffserläuterung
3.2 Zweck, Stellenwert und Vorgehen
3.3 Auswirkungen auf die Gesundheitsfachberufe, Ausblick

4 Zusammenfassung

5 Literaturverzeichnis
5.1 Internetquellen
5.2 Gedruckte Quellen

6 Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

Obwohl seit 1990 beruflich im Gesundheitswesen tätig, kam ich mit dem Begriff Clinical Reasoning (CR) erstmals überhaupt im Dezember 2011 in Berührung, als ich mich im Internet über ein berufsbegleitendes Studium Bachelor für Medi­zinalfachberufe informierte. Aus einer Informationsbroschüre der DIPLOMA Hochschule ging hervor, dass CR zwei Semester lang Bestandteil dieses Stu­diengangs ist und mit insgesamt drei Modulen sowohl inhaltlich als auch zeitlich einen vergleichsweise hohen Stellenwert einnimmt[1]. Der daraufhin unternom­mene erste Versuch einer näheren Begriffsklärung mit Hilfe von Internetsuch­maschinen ergab ein recht unscharfes Bild, aber immerhin eine vorläufige Ori­entie­rung, worum es sich beim Clinical Reasoning wohl handeln könnte.

Diese Arbeit nun ist die schriftliche Grundlage für das Prüfungsreferat des Mo­duls CR II innerhalb des 4. Studiensemesters. Im Rahmen der Vorlesungen und in den Studienheften werden aus meiner Sicht leider nur Ausschnitte und Schwerpunkte dieses hochkomplexen Themas behandelt. Ein innerer Zusammenhang, ein geistiges Gesamtgefüge wird zunächst nicht so recht deutlich. Deshalb setzt der erste Schritt dieser Arbeit durch eine komprimierte Darstellung der allgemeinen theoretischen Grundlagen des CR einen Rahmen und soll ein orientierendes Verständnis für das Fachgebiet wecken, um die bisher im Studium bereits behandelten Ausschnitte und Schwerpunkte zu ergänzen und ihre Einordnung zu erleichtern. Erst im zweiten Schritt wird das spezielle Konzept des Multigrade Clinical Reasoning (MCR) vor diesem Hin­tergrund eingeordnet, erläutert und gewichtet. Als Quellen dienen die DIPLOMA-Studienhefte für das Fach Clinical Reasoning, deutsch- und eng­lischsprachige Fachbücher und -zeitschriften sowie im In­ternet verfügbare Arti­kel und Ausschnitte.

Auf eine ausführliche Darstellung der Geschichte des CR und des aktuellen Standes der Forschung sowie auf praktische Beispiele wird aus Gründen des von vornherein begrenzten Um­fangs der Arbeit verzichtet, sie sind für das inhaltliche Ver­ständnis der theoretischen Grundlagen entbehrlich.

2 Clinical Reasoning: Theoretische Grundlagen

Der Terminus Clinical Reasoning hat sich in der aktuellen Fachliteratur mittlerweile fest etabliert[2]. Bis in die 1980er Jahre hinein wurden mehrere Begriffe parallel verwendet (z.B. critical thinking, clinical decision making, clinical problem solving, clinical judgment etc.), von denen sich Clinical Reasoning nach und nach abgrenzte[3],[4]. Je länger sich die Entwick­lung der noch relativ jungen Fachdisziplin CR vollzieht, desto schwieriger wird es, den Begriff selbst möglichst allgemein und umfassend zu beschreiben. Zum einen wurden und werden bei der Beschäftigung mit dem vielschichtigen Thema CR immer mehr Details und Facetten aufgedeckt, zum an­deren wurde und wird CR durch die vielen Fachrichtungen, Berufsgruppen und Nachbarwis­senschaften der Medizin aufgegriffen, inhaltlich adaptiert und im Zuge dessen auch begrifflich spezifiziert. Sprachlich erschwerend kommt hinzu, dass sich CR aus dem englischen Sprachraum heraus verbreitete. So sind viele CR-Fach­termini zuerst inhaltlich korrekt ins Deutsche zu übersetzen, danach aber auch semantisch treffend zu fassen, was nicht immer nur mit Hilfe des Wörterbuchs gelingt, sondern mitunter abhängig vom individuellen "Sprachge­fühl" ist. Gerade im Zeitalter der dominierenden wissenschaftlichen Anglizismen sollte dieser Aspekt bei der Erschließung neuer Wissensgebiete durch nicht­-englische Mut­tersprachler nicht unterschätzt werden.

2.1 Begriffserläuterung

In der verwendeten deutschsprachigen Literatur wird der Begriff Clinical Reaso­ning fast ausnahmslos wörterbuchgetreu mit "klinische Beweisführung, Schlussfolgerung, Argumentation" eingeführt. Als deutschsprachige Analogie wird in dieser Arbeit "klinisches Ergründen" verwendet, weil diese Formulierung den CR-Prozess mindestens ebenso treffend widerspiegelt. Die bedeutungs­mäßige Verwandtschaft zwi­schen dem englischen Substantiv "reason" (= "Grund, Ursache" aber auch "Vernunft, Verstand, Einsicht"[5] ) und dem deut­schen Verb "ergründen" (= "auf den Grund gehen") liegt auf der Hand. Sämtli­che vom Duden für das Verb "er­gründen" aufgelisteten Synonyme haben zu­dem als Methoden des Erwerbens von Wissen und Informationen in den unter­schiedlichen Formen des CR ihren Platz: "auf den Grund gehen, auf der Spur sein/bleiben, ausforschen, auskund­schaften, ausspionieren, austesten, durch­forschen, eindringen, erforschen, er­kunden, nachforschen, nachgehen, prüfen, recherchieren, studieren, untersu­chen; (schweizerisch) forschen; (gehoben) nachspüren; (bildungssprachlich) analysieren, eruieren, sondieren; (Fachspra­che) explorieren".[6] Das Adjektiv "kli­nisch" hat sich in Ermangelung deutschspra­chiger Alternativen etabliert, auch wenn ein Großteil aller in medizinischen Beru­fen Beschäftigten nicht in Kliniken tätig sind.

Gegenstand des CR sind Denk- und Entscheidungsprozesse in der Medizin, die sich in der Interaktion zwischen Behandelndem (z.B. Arzt, Therapeut, Pflege­kraft) und Behandeltem (z.B. Patient, Klient, Kunde)[7] vollziehen. Es geht darum darzustellen, wie medizinische Entscheidungen im Einzelnen zustande kom­men, welche Denk­vorgänge ihnen vorausgehen und welche Faktoren in wel­chem Ausmaß das Denken, Ergründen und Entscheiden beeinflussen. In der en­geren Defini­tion steht das Denken im Mittelpunkt, wird CR beschrieben als Denkmodell, das "als theoretisches Konstrukt dient"[8] oder als Prozess, bei dem die Behandeln­den "an vieles denken, über vielerlei nachdenken und unterschiedli­che Stand­punkte mit einbeziehen"[9]. Ein Beispiel für ein solches ein­faches Denkmodell ist der "Clinical Reasoning Cycle" (Abb. 1)[10]. Andere Auto­ren erweitern diese Sicht­weise. Klemme und Siegmann fassen zusammen, dass CR "ein sehr kom­plexer und vielfältiger Prozess [ist], der sich zudem nicht nur auf das Denken be­zieht, sondern auch die Aufnahme von Informationen mit einschließt. ... Es be­zieht sich auf sämtliche Aspekte, die die therapeutische Situ­ation bestimmen oder beeinflussen."[11] Pohl beschreibt CR als " ein Werk­zeug, um therapeuti­schem Handeln eine Struktur zu geben und inter- und multidisziplinär mit der gleichen wissenschaftlichen Systematik vorzugehen."[12]. Am weitesten dehnen Higgs und Jones die eigene Perspektive aus, von der ur­sprünglichen Be­trachtung des reinen CR-Prozesses auf sämtliche Entschei­dungsebenen und -räume, die das Gesundheitssysten bietet ("We expand our in­terpretation of clini­cal reasoning from a process view, to explore clinical reaso­ning as a contextualized phenomenon ... ."[13] ). Ihrer Ansicht nach ist klinisches Ergründen zugleich einfach und komplex, je nachdem, ob der Begriff enger oder weiter ver­standen wird. Einerseits ist CR schlicht die Summe aller Denk- und Entschei­dungsprozesse im Zusammenhang mit klinischer Praxis. Anderer­seits ist es aufgrund seines Stellenwerts als unverzichtbare, grundlegende, jegli­ches klinische Praktizieren durchdringende Fertigkeit mehr "... ein gelebtes Wunder, eine Erfahrung, eine Art des [beruflichen] Daseins und ein gewähltes Leitbild des Praktizierens, als einfach nur ein Prozess."[14]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 : CR-Cycle (Levett-Jones et al. 2009)

2.2 Zweck und Stellenwert

Das Motiv, sich intensiv mit dem klinischen Ergründen zu befassen, liegt in sei­ner elementaren Bedeutung für jegliches medizinische Handeln, wie dies im letzten Satz schon anklang. Es stellt eine fundamentale berufliche Fertigkeit dar, deren Ausprägung unmittelbaren Einfluss auf die Qualität und das Ergebnis jeder medizinischen Behandlung nimmt. "Die gewissenhafte und reflektierte Anwendung von Denk- und Entscheidungsprozessen ermöglicht es dem Klini­ker erst, die klinischen Maßnahmen auf den Patienten/Klienten ... abzustimmen, sie begründet zum Einsatz zu bringen und kritisch zu reflektieren. Zentrales Ziel ist dabei, ... die für den Behandlungserfolg günstigste ... Maßnahme zu bestim­men."[15] Dabei steht der hier von Klemme und Siegmann gewählte Terminus "Kli­niker" synonym für ärztliche wie für nichtärztliche Gesundheitsberufe. Ge­mäß Burtchen sollte jede Medizinalfachkraft Clinical Reasoning anwenden, weil sie zwar in Deutschland per Gesetz manche (z.B. Ärzten vorbehaltene) Aufga­ben nicht ausführen darf, es aber dennoch erwartet wird, dass sie mit den ver­schiedenartigsten Patienten angemessen umgehen kann. Nach reichlicher Pra­xisübung und kritischer Reflexion der gesammelten Erfahrungen seien die viel­fältigen CR-Formen verinnerlicht und würden intuitiv angewandt.[16] Jones argu­mentiert, dass "ohne fundiertes Clinical Reasoning [...] die klinische Praxis zu einem technischen Verfahren [wird], [... in dem] die Anweisungen von Entschei­dungsträgern ohne kritische Hinterfragung blind befolgt [werden].".[17] Aiken et al. zeigten, dass in Krankenhäusern, in denen ein hoher Anteil der Pflegekräfte ei­nen Bachelor-Abschluss besaßen, chirurgische Patienten eine niedrigere Mor­talität aufwiesen als in Krankenhäusern mit geringerer Bachelor-Quote des Pflegepersonals, was auf besser ausgebildete "clinical judgment" -Fähigkeiten zurückgeführt wurde.[18]

[...]


[1] Vgl. DIPLOMA Hochschule (Hrsg.), Studienangebote mit den Abschlüssen Bachelor und Master, Juli 2011, 5. Auflage, S.58.

[2] Vgl. Klemme, B., Siegmann, G., Clinical Reasoning. Therapeutische Denkprozesse lernen. Georg Thieme Verlag Stuttgart 2006, S. 7.

[3] Vgl. Kolb, H., Clinical Reasoning in der Altenpflege. GRIN Verlag 2012, S. 1.

[4] Vgl. Jones, M.A., Clinical Reasoning in Manual Therapy. PHYS THER. 1992; 72: S. 876.

[5] Http://translate.google.de/?hl=de&tab=wT#en/de/reason, 14.01.2013.

[6] Http://www.duden.de/rechtschreibung/ergruenden, 14.01.2013.

[7] In dieser Arbeit wird auf die Nennung beider Geschlechter verzichtet, um den Text besser lesbar zu gestalten. Die männliche Form meint beide Geschlechter. Die Leserinnen bitte ich dafür um Verständnis.

[8] Kolb, H. (FN 3), S. 1.

[9] Feiler, M. (Hrsg.) Klinisches Reasoning in der Ergotherapie. Springer-Verlag 2002, S. 2.

[10] Vgl. Levett-Jones, T. et al. Clinical Reasoning. Instructor Resources. University of Newcastle, Faculty of Health, School of Nursing and Midwifery 2009, S. 5, http://www.newcastle.edu.au/Resources/Projects/Nursing%20and%20Midwifery%20Projects/Clinical%20Reasoning, 18.12.2012.

[11] Klemme, B., Siegmann, G. (FN 2), S.8.

[12] Pohl, M. Konzept zur Einbindung des Clinical Reasoning in die Ausbildung von Diätassistenten. Bachelor-Thesis Bad Sooden-Allendorf 2011, S. 16.

[13] Higgs, J., Jones, M. Clinical decision making and multiple problem spaces. In: Higgs, J., Jones, M. (eds.) Clinical reasoning in the health professions. 3rd ed., Oxford: Elsevier Ltd.; 2008, S. 3.

[14] Vgl. Higgs, J., Jones, M. (FN 13), S. 4.

[15] Klemme, B., Siegmann, G. (FN 2), S. 9.

[16] Vgl. Burtchen, I. et al. Clinical Reasoning III. Studienheft Nr. 172 i. d. F. v. 05.04.2010. DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen, Bad Sooden-Allendorf, S. 20-21.

[17] Jones, MA. Clinical Reasoning. Fundament der klinischen Praxis und Brücke zwischen den Ansätzen der Manuellen Therapie. Teil 1. Manuelle Therapie.1997; 1: S.3-9; zit. in Klemme, B., Siegmann, G. (FN 2), S. 3.

[18] Aiken, L.H. et al (2003) Educational levels of hospital nurses and surgical patient mortality. JAMA. 290 (12), 1617–1623.

Excerpt out of 26 pages

Details

Title
Das Konzept des Multigrade Clinical Reasoning
College
University of Applied Sciences North Hesse; Bad Sooden-Allendorf
Course
Clinical Reasoning II
Grade
1,0
Author
Year
2013
Pages
26
Catalog Number
V231456
ISBN (eBook)
9783656478591
ISBN (Book)
9783656479185
File size
660 KB
Language
German
Notes
Die "ganz vereinzelte[n] geringe[n] Abweichungen von [formalen] Vorgaben" wurden nicht korrigiert.
Keywords
Clinical Reasoning, Multigrade
Quote paper
Jan Sulik (Author), 2013, Das Konzept des Multigrade Clinical Reasoning, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231456

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