Im Mittelpunkt der Seminararbeit steht der Prozess des Staatszerfalls. Idealtypischer Ausgangspunkt ist dabei die Erläuterung moderner Staatlichkeit, die als Gegenpol zu einem zerfallenden Staat anhand dreier Kernfunktionen bzw. Kernaufgaben von Staatlichkeit beschrieben wird. Den Konnex zwischen Staatlichkeit und Staatszerfall bilden hierbei sogenannte Gaps im Gefüge des Staates die im Staatszerfallsprozess in den drei Kernfunktionen auftreten. Anhand einer Typologisierung von Staatlichkeit, die auf diesen Lücken in den staatlichen Kernfunktionen aufbaut, versuche ich die Stadien des Staatszerfalls von einem schwachen Staat zu einem kollabierten bzw. failed state nachzuverfolgen. Auf diesem theoretischen Gerüst aufbauend versuche ich des Weiteren Ursachen, Charakteristiken und Verlaufsformen von Staatszerfall zu bestimmen. Da seit den 1990er Jahren der afrikanische Kontinent und insbesondere Subsaharaafrika von der Geisel, der Staatszerfalls heimgesucht wurde, werde ich einen kurzen Überblick über die grundlegenden Charakteristika von Staatlichkeit in Afrika geben. Obgleich Afrika sicherlich nicht im Plural zu begreifen ist, versuche ich dennoch Gemeinsamkeiten der afrikanischen Staaten hinsichtlich derer staatlichen Mechanismen aufzuzeigen. Im Mittelpunkt steht hierbei der Begriff des Neopatrimonialismus, der stellvertretend für diese Gemeinsamkeit steht.Der zuvor theoretisch abgehandelte Prozess des Staatszerfalls soll abschließend an einem konkreten Fallbeispiel nachgezeichnet werden.Dieses Fallbeispiel zeigt hierbei die unterschiedlichen Stadien des Staatszerfallsprozesses in Ruanda in der Zeit zwischen 1973 und Juli 1994 dem Ausbruch des Völkermordes auf. Dabei soll auch auf die strukturellen, prozessualen und auslösenden Faktoren näher eingegangen werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die drei Kernfunktionen von moderner Staatlichkeit und deren Lücken
- Sicherheitsfunktion (security gap)
- Wohlfahrtsfunktion - capacity gap
- Legitimitäts-/ Rechtsstaatlichkeitsfunktion – legitimacy gap
- Typologie des Staatszerfalls - Von weak bis collapsed
- Typ 1 - Konsolidierte Staatlichkeit
- Typ 2 - Schwache Staatlichkeit (weak state)
- Typ 3 - Versagende Staatlichkeit (failing states)
- Typ 4 - Gescheiterte bzw. zerfallende Staatlichkeit (failed bzw. collapsed
- Ursachen von Staatszerfall
- Strukturfaktoren
- Prozessfaktoren
- Auslösefaktoren (triggers)
- Schwerpunkt - strukturelle und prozessuale Ursachen – cleavages und Politisierung ethnischer Differenzen
- Cleavages
- Politisierung ethnischer Differenzen
- Schwerpunkt - prozessuale Ursachen – Gewaltmärkte und „neue Kriege“
- Zusammenführung - Ursachen, Charakteristika und Verlauf von Staatszerfall
- Staatlichkeit in Afrika
- Afrika und der Kolonialismus
- Staat und Gesellschaft in Afrika
- Das neopatrimonale politische System in Afrika
- Fallbeispiel Ruanda - von weak bis failed
- Schwache Staatlichkeit - Ruanda 1973 – 1989
- Versagende Staatlichkeit - Ruanda 1990 – April 1994
- Gescheiterte Staatlichkeit - Ruanda April bis Juli 1994
- Strukturelle-prozessuale und auslösende Faktoren für den Staatszerfall in Ruanda
- Zusammenführung - Staatszerfallprozess in Ruanda
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Seminararbeit befasst sich mit dem Phänomen des Staatszerfalls, insbesondere dem Prozess, der von schwacher Staatlichkeit ausgeht und zu Staatszerfall oder Staatskollaps führen kann. Der Fokus liegt auf dem Staatszerfall in Afrika, da dieser Kontinent aufgrund seiner „spezifischen Art“ von Staatlichkeit als beispielhaft für die Nachvollziehbarkeit eines Staatszerfalls gilt.
- Die drei Kernfunktionen moderner Staatlichkeit (Sicherheit, Wohlfahrt, Legitimität/Rechtsstaatlichkeit)
- Die Rolle von Lücken (security, capacity, legitimacy gaps) im Prozess des Staatszerfalls
- Typologie des Staatszerfalls von schwacher über versagende zu gescheiterter Staatlichkeit
- Ursachen von Staatszerfall: Struktur-, Prozess- und Auslösefaktoren, mit Schwerpunkt auf ethnischen Differenzen und Gewaltmärkten
- Die Besonderheiten der Staatlichkeit in Afrika, insbesondere die Auswirkungen des Kolonialismus und das neopatrimoniale System
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit der Einführung der drei Kernfunktionen von moderner Staatlichkeit nach Ulrich Schneckener (Sicherheit, Wohlfahrt, Legitimität/Rechtsstaatlichkeit) und erklärt, wie diese Funktionen im Prozess des Staatszerfalls erodieren können. Kapitel 2 stellt eine Typologie von Staatlichkeit vor, die zwischen konsolidierten, schwachen, versagenden und gescheiterten bzw. zerfallenden Staaten unterscheidet. Kapitel 3 analysiert die Ursachen von Staatszerfall, einschließlich Struktur-, Prozess- und Auslösefaktoren, und legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Rolle ethnischer Differenzen und Gewaltmärkte. In Kapitel 4 wird die spezifische Situation in Afrika beleuchtet, wobei der Einfluss des Kolonialismus und die Entwicklung des neopatrimonalen Systems als prägende Faktoren für die fragilen Staatsstrukturen in vielen afrikanischen Ländern herausgestellt werden. Das abschließende Kapitel betrachtet den Staatszerfallsprozess in Ruanda als Fallbeispiel und zeigt, wie sich das Land von einem schwachen über einen zerfallenden zu einem gescheiterten Staat entwickelt hat.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Prozess des Staatszerfalls, insbesondere in Afrika, und untersucht die Rolle von Lücken in den Kernfunktionen moderner Staatlichkeit, sowie die verschiedenen Ursachen für Staatszerfall, darunter ethnische Differenzen, Gewaltmärkte, und der Einfluss des Kolonialismus auf das neopatrimoniale System in Afrika.
- Citation du texte
- Christian Dallinger (Auteur), 2013, Der Staatszerfallsprozess am Beispiel Ruandas. Von schwacher bis kollabierender Staatlichkeit., Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231563