Interventionsformen der Gruppendynamik und Kurzdarstellung einzelner Settings


Dossier / Travail de Séminaire, 2001

24 Pages, Note: 1


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung(Christoph Obermeier)

2. Das Gruppendynamische Laboratorium(Helke Höhne)
2.1 T- Gruppen und klassische Grundprinzipien der Gruppendynamik(Christoph Obermeier)
2.2 Skill Training(Helke Höhne)
2.3 Sensitivity Training, Selbsterfahrungsgruppen(Helke Höhne)
2.4 Marathon Training(Christoph Obermeier)
2.5 Kommunikations- und Interaktionstraining(Helke Höhne)
2.6 Encounter Gruppen(Christoph Obermeier)

3. Anwendungsbereiche
3.1 Erwachsenenbildung(Christoph Obermeier)
3.2 Lehrerbildung(Helke Höhne)

4. Schluss
4.1 Interventionsformen - Das Opium einer kranken Gesellschaft? (C. Obermeier)
4.2 Zur Diskussion(H. Höhne)

Literaturverzeichnis

1. Einleitung(C. Obermeier)

Wer im antiken Griechenland nach Delphi reiste, um dort das Orakel zu befragen, der konnte über dem Eingang zum Apollotempel die Inschrift lesen: „Erkenne Dich selbst!“. Dieser Imperativ von Thales ist meines Erachtens eine Aufforderung sich selbst, aber auch alle(s) andere(n) zu erfahren und zu reflektieren. Um diesem Anstoß zum Denken nachzukommen, bedienen sich mehr und mehr Menschen unter anderem psychologischen Wissens. Vor allem in Hinblick auf berufliche und soziale Weiterbildung können von Psychologen entwickelte Trainings, deren Spektrum vom Organisationstraining bis hin zu Selbsterfahrungsseminaren reicht, interessant sein. Bevor wir in die Materie einsteigen, möchte ich noch das u.U. missverständliche Thema unseres Referates erklären. „Interventionsformen der Gruppendynamik“ - Um was geht es hier? Als „Interventionsformen“ bezeichnet man bestimmte Trainingsformen, die mit Methoden der angewandten Gruppendynamik arbeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man darf jedoch diese Verfahren nicht mit psychotherapeutischen Verfahren verwechseln, die einen kurativen Anspruch haben. Die Grenzen sind jedoch nicht klar zu ziehen, so dass bei einigenSettings1 durchaus therapeutische Kompetenzen des Trainers erforderlich sein können. Ziele dieser Trainings können eine Umstrukturierung der Persönlichkeit, eine Neuorientierung der Zielvorstellungen, verbesserte soziale Kompetenzen oder auch Lernprozesse sein (vgl. Asanger/Wenninger 1999, S. 269). Unser Ziel in diesem Referat ist es, im ersten Teil einen gut strukturierten Überblick über die verschiedenen klassischen Interventionsformen der Gruppendynamik zu geben. Im zweiten Teil wollen wir die praktischen Anwendungen dieser Techniken am Beispiel der Erwachsenenbildung und der Lehrerfortbildung darstellen.

2. Das Gruppendynamische Laboratorium(H. Höhne)

Unter Laboratorium stellen wir uns im ersten Moment einen Raum, ein Labor, vor, in dem verschiedene Experimente, sei es mit Versuchspersonen oder Tieren, durchgeführt werden. Das GDL ist jedoch kein Labor in diesem Sinne. Der Begriff des Laboratoriums, kurz „lab“, bezieht sich auf den Werkstatt- und Experimentiercharakter der gruppendynamischen Arbeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das GDL ist keine eigenständige Trainingsform oder Methode, sondern eine Organisationsform, einepsychosoziale Lernsituation. Daher können wir es auch als Oberbegriff für einzelne Interventionsformen (= Trainingsform) verstehen.

(2.1) T- Gruppen und klassische Grundprinzipien der Gruppendynamik

(C. Obermeier)

Als T-Gruppen bezeichnet man Kleingruppen von 8 - 15 Teilnehmern in einer gruppendynamischen Veranstaltung. Bradford, Gibb und Benne definieren eine T-Gruppe als „eine heterogene Ansammlung von Individuen, die sich zusammenfinden, um die interpersonalen Beziehungen und die Gruppendynamik zu untersuchen, die sie selbst durch ihre Interaktionenerzeugen“ (1972, S. 337). Um die Bedeutung der T-Gruppen für gruppendynamische Prozesse besser verstehen zu können, schlage ich vor, dass wir uns zunächst mit deren Entwicklung beschäftigen.

Die Entwicklung der T-Gruppe(C. Obermeier)

Die Sozialpsychologen Lipitt und Lewin führten im Jahre 1937 eine „Führungsstiluntersuchung“ durch. Versuchspersonen waren zwei Gruppen von Jungen im Alter von 10 Jahren, denen verschiedene gleichlautende Fragen gestellt wurden. Die eine Gruppe war einem Gruppenleiter mitautoritärem Führungsstil unterworfen, während die andere Gruppedemokratischgeführt wurde. Man kam bei diesem Experiment zu folgenden wichtigen Ergebnissen (vgl. Rechtien S. 45 - 47):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Erfolg dieses Experimentes führte zu weiteren Gruppenprozess - Experimenten. Den unmittelbaren Anstoß zur Entwicklung der T-Gruppe gab ein Seminar in Connecticut, das im Zeichen derAktionsforschung2 stand. Die Teilnehmer an diesem Seminar kamen aus Lehrberufen und der Sozialarbeit. Sie arbeiteten in drei Kleingruppen zusammen, in denen je ein Beobachter war, der die ablaufenden Interaktionen aufzeichnete. Am Abend trafen sich die Beobachter und tauschten ihre Beobachtungen aus. Als eines Abends einige Gruppenteilnehmer außerplanmäßig an dieser Sitzung teilnahmen, entdeckte man den Effekt von „Feedback“ (vgl. Rechtien S. 48). Man erkannte die kommunikationsregulierende Wirkung des Feedbacks, durch die das funktionale Gruppenverhalten gestärkt wurde (vgl. Rechtien S. 205). Die Entdeckung des Feedbacks führte zu einer Reihe von weiteren Veranstaltungen, in denen „Feedback“ zielgerichtet eingesetzt wurde. Es entstanden die National Training Laboratories (NTL). Dort bildete man Gruppen, die innovative Konzepte und Fertigkeiten erlernen sollten, die sogenanntenBST-Groups (Basic Skill Training Groups). Diese Gruppen in den ersten GDL hatten dermaßen umfangreiche Lernzielkataloge, dass die Beteiligten völlig überfordert waren (vgl. Rechtien 1995, S. 50 -52). Man erkannte, dass man verschiedene Zielkomplexe abgrenzen musste und passte den Trainingsverlauf realen Ansprüchen an. Die Gruppen wurden fortanT-Gruppengenannt und man fokussierte nur noch das interpersonale Geschehen zwischen den Teilnehmern untereinander und zwischen Teilnehmern und Trainern.

Der Arbeitsgegenstand in den T-Gruppen bestand also in der Fokussierung des aktuellen Erlebens und Verhaltens („Hier & Jetzt“). Inhalte, die nicht aus dem „Hier & Jetzt“ des Gruppengeschehens stammten, wurden verboten. Dafür gab es triftige Gründe: Man wollte die Teilnehmer dazu bringen, das eigene Verhalten und das Verhalten der Gruppe zu thematisieren.

Dieses „offene Sprechen“ und „Feedback - geben“ ist jedoch mit meist Angst verbunden. Viele Individuen verzichten auf die Thematisierung des interpersonalen Geschehens und wenden sich lieber bequemeren, externen Themen zu.

Durch das Herauslösen dieser externen Themen versuchte man unnötige Komplikationen des Arbeitsprozesses zu vermindern (vgl. Rechtien 1995, S. 54). Die Leitung der T-Gruppen übernimmt in der Regel ein Trainer. Der Trainer übernimmt die Rolle eines Katalysators und Helfers. Er soll die Gruppe bzgl. der Zielfindung, Verhaltens- und Gruppenprozessanalyse unterstützen - jedochkeineFührungsfunktionen übernehmen.

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Ein weiteres, wichtiges Merkmal von T-Gruppen ist, dass sie nur wenig vorstrukturiert sind. Der Trainer hält sich bewusst zurück und weigert sich, die Führung der Gruppe zu übernehmen. Dadurch entsteht ein „soziales Vakuum“, das bei den Gruppenmitgliedern ein Bedürfnis erzeugt, diese Leere auszufüllen.

Um die Bedeutung der T-Gruppen-Entdeckung zu unterstreichen, möchte ich Carl Rogers zitieren, der 1968 in einem Ansturm von Begeisterung schrieb: „Die T-Gruppe ist die vielleicht bedeutsamste soziale Erfindung des Jahrhunderts (...)“ (zit. aus Rechtien S. 47). Wenden wir uns nun den eigentlichen Interventionsformen zu, in denen die T-Gruppen zum Einsatz kommen.

(2.2) Skill Training(H. Höhne)

Das Konzept des Skill-Trainings lässt sich auf die „Basic-Skill-Trainings- Groups“ des ersten GDL zurückführen (siehe dazu Kapitel 1.4.2.3. in Rechtien). Diese Interventionsform wirdspeziell für Angehörige sozialerund ausbildender Berufe durchgeführt. Sie ist nicht themenzentriert, sondern verfolgt vor allem folgende Ziele:

Ziele des Skill - Trainings

Herausbildung und Vertiefung von sozialen Förderung von kreativem Verhalten. Fähigkeiten (s. genauer unten).

Wichtige soziale Fähigkeiten sind dabei im Einzelnen (vgl. Rechtien, 1995, S. 120):

ƒ- Verhaltensdiagnose in sozialen Situationen
ƒ- einzelne Verhaltensbestandteile und deren Wirkung differenziert zu betrachten
ƒ- kooperative Führung von Arbeitseinheiten, vor allem unter Stressbedin- gungen (z. B. durch Zeit-/ Leistungsdruck, Konflikte u. ä.) ƒ Konfliktberatung in gesellschaftlichen oder betrieblichen Bereichen in Situationen, die durch Entscheidungsdruck o. besondere Konsequenzen gekennzeichnet sind
ƒ- Zusammenarbeit von Mitarbeitern mit unterschiedlichen Vorbedingungen initialisieren und unterstützen

Um diese Ziele erreichen zu können, muss nach Däumling et al. (in Rechtien 1995, S. 120) eine Gruppe zu Folgendem in der Lage sein:

ƒ- Lernziele und erwünschte Verhaltensweisen operationalisieren
ƒ- Aufmerksamkeit auf die aktuellen Beziehungen zwischen Individuen und Gruppen legen
ƒ- Einüben der angestrebten sozialen Fertigkeiten durch Rollenspiele u. ä.
ƒ- das Selbstbild in Bezug auf persönliche und gruppenbedingte Beson- derheiten präzisieren
ƒ- Übertragung des Erlernten in die Praxis

Das Skill-Training steht in engem Zusammenhang mit Interventionsformen, die eine Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen zum Ziel haben oder die Fertigkeiten in Bezug auf soziale Kompetenz in Organisationen ausbauen wollen.

(2.3) Sensitivity Training, Selbsterfahrungsgruppen(H. Höhne)

Begriffsbestimmung und Zielsetzung

Der Begriff Sensitivity - Training, auch Selbsterfahrungsgruppe, wird in der Literatur auf unterschiedliche Art u. Weise angewandt, z. B. als Oberbegriff für verschiedene Trainingsvarianten oder gleichgesetzt mit dem Encounter- und Verhaltenstraining. Rechtien u. a. sehen das Sensitivity - Training jedoch als „...eine konkrete, eng umschriebene Trainingsform mit eigenen Zielen und Vorgehensweisen, die neben anderen Trainingsverfahren steht“ (Rechtien, S. 89).

„Sensitivity“ ist die Fähigkeit, Kommunikationssignale angemessen aufzunehmen und somit die „Voraussetzung für höhere Effizienz der kommunikativen Bemühungen“ (Rechtien, S. 91). Sie erstreckt sich auf drei verschiedene Bereiche (vgl. Rechtien, 1995, S. 17 f.):

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Das Sensitivity - Training konzentriert sich auf die individuellen Erlebensund Verhaltensprozesse der Teilnehmer in der aktuellen Situation. Hauptanliegen ist dieEntwicklung der Persönlichkeit. Dazu gehören vor allem (vgl. Rechtien, 1995, S. 89f.):

ƒ- die ganzheitliche Stärkung des Individuums (Ich- Stärkung, Verbesse- rung des Selbstbildes),
ƒ- die Sensibilisierung für das eigene Funktionieren und das anderer.

[...]


1 Das Durchführen eines gruppendynamischen Trainings, diese konkrete Situation, an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit, unter den gegebenen Umständen bezeichnet man als Setting.

2 Aktionsforschung beinhaltete in den 40er und 50er Jahren die Erfolgskontrolle der Maßnamen zur Verhaltens- und Einstellungsveränderung von Institutionen. Die Forschung wurde mit sozialpsychologischen Standardmethoden durchgeführt; zudem wurde ein Praxisbezug hergestellt. Kennzeichnend für A. war der gemeinsame Versuch von Forschern und Untersuchten Lösungen für Praxisprobleme (insb. gesellschaftliche Probleme) zu finden (vgl. Schüler-Duden der Psychologie S. 156). Nach Rechtien (1995, S. 44) sollen die Betroffenen bei der Aktionsforschung nicht zu Objekten von Forschung und Veränderung, sondern so weit wie möglich zu Subjekten, d.h. Mitarbeitern (...) werden.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Interventionsformen der Gruppendynamik und Kurzdarstellung einzelner Settings
Université
Neisse University Görlitz  (Studiengang Kommunikationspsychologie)
Cours
Kleingruppenforschung und Gruppendynamik
Note
1
Auteurs
Année
2001
Pages
24
N° de catalogue
V23159
ISBN (ebook)
9783638263399
Taille d'un fichier
548 KB
Langue
allemand
Mots clés
Interventionsformen, Gruppendynamik, Kurzdarstellung, Settings, Kleingruppenforschung, Gruppendynamik
Citation du texte
Christoph Obermeier (Auteur)Helke Höhne (Auteur), 2001, Interventionsformen der Gruppendynamik und Kurzdarstellung einzelner Settings, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23159

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