Technikaffinität und E-Learning-Verhalten in der beruflichen Weiterbildung. Anforderungen an Qualifizierungsangebote für Medizinisch-technische-Assistenzberufe


Masterarbeit, 2012

99 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung
1.1 Zielsetzung der Arbeit

2. Theoretische Orientierung: Lernen in der Erwachsenenbildung
2.1 Einleitung zum Lernen
2.2 Andragogik als bedeutende Strömung für die Erwachsenenbildung
2.3 Erkenntnisse zum Lernen Erwachsener
2.3.1 Über das Lernen Erwachsener – Zwei differente Ansätze: Gen trifft Biographie
2.3.2 Weitere Dimensionen zum Lernen Erwachsener im Überblick
2.4 Technische Innovation und Lernen in der Erwachsenenbildung

3. Lernen mit Multimedia – Bildung aus dem World Wide Web
3.1 Grundlagen des E-Learning – der neue Weg ins mediale Zeitalter
3.1.1 E-Learning und Multimedia
3.1.2 Überblick über Formen des E-Learning
3.1.2.1 Teleteaching und Teletutoring
3.1.2.2 Blended Learning
3.1.3 Möglichkeiten, Grenzen und Interessenskonflikte
3.1.4 Einsatz und Bedeutung computerunterstützter Lernsysteme in der beruflichen Weiterbildung

4. Vorstellung der Zielgruppe: Medizinisch-technische Assistenzberufe

5. Qualitativer und Quantitativer Untersuchungsteil
5.1 Forschungsstand
5.2 Forschungshypothese der Arbeit und Vorgehensweise
5.3 Untersuchung I – Experteninterviews
5.3.1 Experteninterview und Expertengenerierung
5.3.2 Untersuchungsdesign, Instrumente und Auswertungsverfahren
5.3.3 Transkriptionsregeln und Analyseprogramm MAXQDA
5.3.4 Präsentation der Ergebnisse der Experteninterviews
5.4 Untersuchung II - Online-Umfrage
5.4.1 Untersuchungsdesign
5.4.2 Präsentation der Ergebnisse der Online-Umfrage
5.4.2.1 Demografische Daten
5.4.2.2 Teilnahme an Weiterbildungsformate als Spiegel von Vorerfahrungen
5.4.2.3 Bestimmung und Beschreibung der Technikgruppen
5.4.2.3.1 Zusammenfassende Gegenüberstellung der Technikgruppen
5.4.2.4 Vorstellung der E-Learning Gruppen
5.5 Bezug zur Ausgangshypothese und Interpretation der Ergebnisse
5.6 Thesengenerierung aus den Ergebnissen beider Untersuchungen
5.7 Auswertung und Kritik der Methoden

6. Empfehlungen für die Konzeption eines Bildungsangebotes für MTA-Berufe in der beruflichen Weiterbildung

7. Ausblick für ein Lebenslanges Lernen

8. Literaturverzeichnis

9. Anhangverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Neurobiologische Grundlagen zum Lernen

Abbildung 2: Wichtige Aspekte zum Lernen Erwachsener

Abbildung 3: Forschungsvorgehen im Überblick

Abbildung 4: Die Erfahrungen der Technikgruppen mit verschiedenen
Weiterbildungsformaten

Abbildung 5: Zuordnung der fünf Technikgruppen zu den E-Learning-Gruppen

Abbildung 6: Prozentualer Anteil gewünschter Online-Fortbildungen

Abbildung 7: Aufgeschlossenheit der fünf Technikgruppen gegenüber Online-
Fortbildung

Abbildung 8: Kursablauf im Blended Learning Ansatz

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Genannte Formen des E-Learning bzw. Formen des computergestützten
Lernens

Tabelle 2: Vorteile E-Learning basierter Lernformen mit Textbeispielen der
Experten/-innen

Tabelle 3: Nachteile E-Learning basierter Lernformen mit Textbeispielen der
Experten/-innen

Tabelle 4: Was sind Anreize, um die Zielgruppe MTA an E-Learning
heranzuführen?

Tabelle 5: Kreuztabelle – Verteilung der Fachrichtungen im Bezug zum Geschlecht

Tabelle 6: Einteilung und Häufigkeit der Technikgruppen

Tabelle 7: Durchschnittliche Alterswerte und prozentualer Anteil an Frauen und
Männern

Tabelle 8: Charakteristika der Technikgruppen: Technische Geräte und soziale
Netzwerke

Tabelle 9: Tägliches Nutzungsverhalten der aufgeführten Medien in Minuten

Tabelle 10: Einordnung der E-Learning-Gruppen und Häufigkeit der E-Learning-
Gruppen

Tabelle 11: Beschreibung der E-Learning-Gruppen

Tabelle 12: Verarbeitete Fälle

1. Einführung

Digitale Informations- und Kommunikationstechnologien sind in den westlichen Industrienationen als zentrale Kommunikationsinfrastruktur voll etabliert. Die Jahrtausendwende brachte uns mit MySpace, Wikipedia, facebook und StudiVZ eine mit dem Begriff „Web 2.0“ gefasste virtuelle Welt, die durch ihre „new architecture of communication“ (O´Reilly 2005) völlig neue soziale Qualitäten offenbart (O´Reilly 2005; Rheingold 2002). Allen voran zeichnet sich der Trend eines kontinuierlichen Ausbaus weltweiter Kommunikationsnetze ab, was sich auch in der steigenden Internetnutzung widerspiegelt: In Deutschland sind 75 Prozent aller Personen ab 10 Jahren online (2009:73%) (destatis 2011). Der internetnutzende Anteil von 65 Prozent in der Altersgruppe der 55- bis 64-jährigen bestätigt den Online-Trend (2009: 61%) (ebd.), der somit nicht ausschließlich für die jüngere Generation zutrifft, sondern auch im Alter hoch interessant ist. Auch der berufliche Alltag ist Web 2.0 gespickt: Teammeetings werden mit Video Conferencing kombiniert, ein Großteil des kommunikativen Geschehens wird per E-Mail abgewickelt und Wissen wird über Blogs und Wikis ausgetauscht (vgl. Kuhlmann & Sauter 2008, S.14). Begriffe wie E-Learning, Telelearning und Online-Lernen, die als neue web-basierte Möglichkeiten zur beruflichen Qualifizierung gelten, bieten neben den Vorteilen einer verbesserten Visualisierung von Lerneinheiten durch den Einsatz von Simulationen oder Videos sowie einer Flexibilisierung und Individualisierung beruflicher Weiterbildung auch einen Ausblick auf die Umsetzung der Strategie eines lebenslangen und zudem arbeitsplatznahen Lernens. Seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts rücken neue Lernformen, die das Lehren und Lernen durch Anwendung neuer multimedialer Technologien unterstützen, in den Fokus der Erwachsenenbildung. Es wird angenommen, dass Wissen sich ständig erneuert und ständig Neues gelernt werden kann. Die Halbwertszeit des Wissens fordert stetiges Neulernen, insbesondere um die eigene Expertise im Arbeitsleben auf einem aktuellen Stand zu halten. Die sich auf den gesamten Lebensbereich verbreitenden elektronischen Medien haben das erziehungswissenschaftliche Interesse geweckt und der These vom Internet als Bildungsraum Aufmerksamkeit eingeräumt (vgl. Pietraß 2006, S.5). Bei der sich abzeichnenden technologischen Revolution und einer neuen Mediatisierung stellt sich die Frage, inwiefern hierbei von einer verstärkten Nutzung neuer Technologien und mit einer Selbstverständlichkeit im Umgang mit diesen auszugehen ist. Medizinisch-technische Assistenten/-innen, deren berufliches Umfeld technisch ausgerichtet ist, wenn es zum Beispiel um die Funktionsweise und Bedienung neuer Geräte in der Radiologie oder im Labor geht, müssten keine Berührungsängste mit dieser „neuen technologisierten Welt“ haben. Der Vorteil des trainierten Umgangs mit neuen Technologien und neuen Medien kann von Bildungsinstitutionen genutzt werden, um neue Lernarrangements in das Weiterbildungsangebot wie zum Bespiel Online-Lernen aufzunehmen. Bisher gibt es keine Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen Technikaffinität und E-Learning-Aufgeschlossenheit am Beispiel der MTA-Berufe belegen beziehungsweise widersprechen. Zudem haben sich die beruflichen Anforderungen für medizinisch-technische Assistenzberufe und damit die Anforderungen an die Qualifizierung durch die berufliche Weiterbildung, unter anderem bedingt durch einen zunehmenden medizinisch-technischen Fortschritt und den gestiegenen Anforderungen im Service- und Dienstleistungsbereich, verändert. Der Einsatz von E-Learning bietet für die Weiterbildungslandschaft der Gesundheitsberufe viele Vorteile, insbesondere wenn es um Aktualisierbarkeit der Inhalte und ein schnelles Reagieren auf veränderte fachliche Anforderungen geht.

1.2 Zielsetzung der Arbeit

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Einsatz neuer Medien zu Lernzwecken im nichtärztlichen Gesundheitsbereich der Zielgruppe der Medizinisch-technischen Assistenzberufe. Zu diesen zählen die vier eigenständigen Ausbildungsberufe: Medizinisch-technische Assistenten/-innen in der Funktionsdiagnostik (MTAF) sowie in der Veterinärmedizin (VMTA), Medizinisch-technische Laboratoriumsassistenten/-innen (MTLA) und Medizinisch-technische Radiologieassistenten/-innen. Bei der Implementierung eines E-Learning-Angebots geht es nicht um die Entwicklung eines Universalproduktes mit der besten Lehr-Lernmethode für elektronisch basierte Bildung, die von nun an alle Probleme behebt, sondern vielmehr um die Berücksichtigung und Integration zielgruppenrelevanter Faktoren (z.B. Bedürfnisse und Vorerfahrungen der Teilnehmenden, Verfügbarkeit von Ressourcen) in die Gestaltung des Angebotes. In der Untersuchung geht es, um die Überprüfung aufgestellter Forschungshypothesen, die zugleich Bezug auf den Ist-Zustand der Zielgruppe im Umgang mit neuen Medien und der Aufgeschlossenheit gegenüber fachspezifischen E-Learning Angeboten nehmen. Neben der Darstellung des Mehrwertes, der sich dabei für die Zielgruppe ergibt, soll mit Hilfe von Experteninterviews sowohl ein Überblick über die möglichen Erfahrungen der Zielgruppe und E-Learning als auch eine generelle Experteneinschätzung, insbesondere wenn es um das Auftreten nicht bedachter Problemstellungen geht, gewonnen werden. Aus den Experteninterviews sollen Kategorien für die Konstruktion einer schriftlichen Befragung generiert werden. Folgende Fragen sind im Rahmen dieser Arbeit theoretisch zu beantworten:

1. Welche Aspekte sind beim Lernen Erwachsener in einer interdisziplinären Betrachtung zu beleuchten?
2. Wie gestaltet sich der aktuelle Einsatz von E-Learning Angeboten in der beruflichen Weiterbildung?

3. Wie kann der Einsatz neuer Medien zur Strategie lebenslanges Lernen beitragen?
Im empirischen Teil der Arbeit wird die Thematik des E-Learning bzw. computergestützten Lernens auf die Zielgruppe Medizinisch-technische(r) Assistent/-in (MTA) bezogen. Es wird untersucht,
4. inwiefern bei Medizinisch-technischen Assistenzberufen eine höhere Technikaffinität mit einer positiven Einstellung gegenüber computer- und internetgestützten Lernformen korreliert oder, ob hier kein Zusammenhang besteht.

Die Ergebnisse der qualitativen und quantitativen Untersuchungen sollen zur Beantwortung der Frage führen, ob eine auf E-Learning basierende Weiterbildungsveranstaltung für die Zielgruppe geeignet ist. Resultierend sollen erste Empfehlungen zur Gestaltung eines Angebotes in der beruflichen Weiterbildung für die Zielgruppe herausgearbeitet werden.

2. Theoretische Orientierung: Lernen in der Erwachsenenbildung

2.1 Einleitung zum Lernen

Historisch betrachtet, geht das Wort „Lernen“ auf die gotische Bezeichnung für „ich weiß“ (lais) und das indogermanische Wort für „gehen“ (lis) zurück (vgl. Wasserzieher 1974, zitiert in: Mielke 2001, S.11). Die Herkunft des Begriffes Lernen verweist folglich auf einen Lernprozess, bei dem ein Weg gegangen werden muss, um sich Wissen anzueignen (vgl. Mielke 2001, S.12). Zweifelsohne ist die Fähigkeit zum Lernen jedem Menschen gegeben, inwiefern dieses Lernpotential eine „vollständige“ Ausschöpfung erfährt, ist individuell verschieden (vgl. Hasselhorn & Gold 2009, S.33). Lernen drückt nicht ausschließlich das Erwerben von Kenntnissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten aus, sondern zudem, die in der Biografie eines Menschen verankerte Konstruktion, welche sich als eine für das Leben dienende Wirklichkeit realisiert (vgl. Siebert 2007, S.13). Lernen lässt sich nicht als Vorgang, der mit einem bloßen Datenspeichern und Auffüllen von Informationen einhergeht, beschreiben. „Vielmehr finden Lernvorgänge statt, um einen Einklang zwischen den Konstruktionen des Individuums und der es umgebenden Umwelt herzustellen“ (Arnold/Pätzold 2002, S.48). Lernen lässt sich als eine selbständige Tätigkeit, die nicht losgelöst von Biografie und Erfahrungen zu betrachten ist, umschreiben, die durch Lehrprozesse unterstützt, aber nicht gesteuert werden kann (vgl. Siebert 2008, S.125). Folglich wird Lernen durch Lehre allenfalls pertubiert, aber nicht instruiert (ebd. S.125). Die Aufgabe einer vollständigen Beschreibung von Lernvorgängen, Lernformen, Lernstrategien sowie die Diskussion über eine mögliche Bestimmung des Begriffes Lernen könnten unzählige Bibliotheksregale füllen. Lernen ist ein Schlüsselbegriff für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen z.B. für die Pädagogik, die Psychologie, die Soziologie, die Ökonomie und die Neurowissenschaften (vgl. Arnold et al. 2010, S.190). Diese Diversität an Lernansichten schließt jedoch eine Einigung darüber nicht aus, dass Lernen über die gesamte Lebensspanne eines Menschen stattfindet, auch wenn es sich oft um unbewusste und beiläufige (inzidentiell), weniger intentional ausgerichtete Lernprozesse handelt (vgl. Hasselhorn & Gold 2009, S.35). Lernen bleibt auch im zunehmenden Alter ständiger Wegbegleiter. Das Sprichwort „Man kann einem alten Hund keine neuen Kunststücke beibringen“ ist unzutreffend, denn mit dem Älterwerden geht die Fähigkeit zum Lernen nicht verloren (vgl. Faulstich & Tymister 2002, S.1).

2.2 Andragogik als bedeutende Strömung für die Erwachsenenbildung

Malcolm Knowles führte in den frühen 70er Jahren des 20. Jahrhunderts den Begriff der Andragogik in den USA und die damit verbundene neue Vorstellung eines differenzierten Lernens bei Erwachsenen und Kindern ein (vgl. Knowles et al. 2007, S.1). Andragogik ist die Wissenschaft der Bildung Erwachsener, die im europäischen Raum schon seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist und in verschiedenen Ansätzen als Theorie, Philosophie oder Richtlinie beschrieben wurde, was zugleich bezeichnend für die Vielfalt beachteter Aspekte des Lernens von Erwachsenen ist (ebd., S.1). Im Gegenzug zu einer Anleitung des Lerners durch systematische Unterrichtsplanungen, steht in der Andragogik der Lerner und die Selbststeuerung beim Lernen im Mittelpunkt (ebd., S.1f.). Brookfield (1986) schreibt der Andragogik[1], indem er diese für eine der populärsten Strömungen der Erwachsenenbildung hält, einen ganz besonderen Stellenwert für die Arbeit von Erwachsenenpädagogen zu. Durch die Kernprinzipien der Andragogik können so Lernprozesse besser auf die Zielgruppe Erwachsener angepasst werden (ebd., S.2). Als wichtige Prinzipien gelten Lernbereitschaft, Lernorientierung, Lernmotivation, Vorerfahrungen, Selbstkonzept und Wissensbedürfnis des Lernenden (ebd., S.3). Einer der schärfsten Kritiker der Andragogik ist Grace. Er kritisiert die zu starke Fokussierung auf das Individuum und die mangelnde Diskussion über wesentliche soziale Aspekte sowie die Beziehung zwischen Erwachsenenbildung und Gesellschaft (ebd., S.127).

Gerade für die Gesellschaft ist die Erwachsenenbildung im Zuge eines lebensbegleitenden Lernens, als eine wertvolle und unabdingbare Wirkungskraft zu werten. Das Lernen Erwachsener ist ein lebenslanger Prozess der Sozialisation, Enkulturation, Individuation und Identitätsfindung (vgl. Mandl et al. 2004, S.2). Die Entwicklung unserer Gesellschaft hinzu einer Informations- und Wissensgesellschaft, erhebt eine kontinuierliche Weiterbildung und Weiterqualifizierung des Individuums zur Notwendigkeit. Die gleichzeitig zunehmende Anerkennung und Wertschätzung persönlicher Entwicklungspotentiale und Lernmöglichkeiten spielen für die Aufwertung des Lernens im Erwachsenenalter eine wichtige Rolle (ebd., S.2). Arnold et. al betonten bereits 2000 im Forschungsmemorandum für die Erwachsenen- und Weiterbildung, dass die Erforschung des Lernens den herausfordernden Kern einer Erwachsenen- und Weiterbildungsforschung ausdrückt. Da Lernen keinen isolierten Forschungsgegenstand darstellt, sondern immer in Kombination mit anderen Fähigkeiten und Tätigkeiten steht, ist die Untersuchung von Lernanlässen, Lernbedingungen, Lernstrukturen sowie Lernwirkungen in differenten lebensweltlichen und institutionellen Kontexten konstitutiv für die Theorie und Praxis der Erwachsenenpädagogik (vgl. Arnold et. al 2000, S.6). Auch die Förderung des Lernens Erwachsener ist Interessensgebiet der Erwachsenenbildung, was unweigerlich mit der Frage nach den Grenzen und Möglichkeiten eines unterstützenden Lernens verbunden ist (vgl. Dohmen 2007, in: Koerrenz et al. 2007, S.2). Folglich hängt hiermit die Klärung der Rolle der Erwachsenenbildung bei der Realisierung des Leitziels der Bildungspolitik einer Förderung des lebenslangen Lernens für alle („lifelong learning for all“) zusammen (ebd., S.2).

2.3 Erkenntnisse zum Lernen Erwachsener

Lebenslanges Lernen betont Lernprozesse in allen Lebensphasen im Sinne einer lebensbegleitenden Aktivität (vgl. Siebert 2008, S.7). Lernen, das außerhalb von Institutionen stattfindet sowie selbstgesteuert und informell abläuft, wird aufgewertet (ebd., S.7). Das Konzept Lebenslangen Lernens trägt in sich auch ambivalente Strukturen, indem Lernen nicht allein als befreiendes Moment aufgefasst, sondern auch mit Zwang, Verpflichtung und Abhängigkeit assoziiert wird (ebd., S.11). Die Aneignung neuen Wissens trägt zur Orientierung und gleichsam zur Verunsicherung bei. Die Lernfähigkeit von erwachsenen Menschen ist veränderbar (vgl. Faulstich/Tymister 2002, S.5f.). Es sollte jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass bei Erwachsenen keine Lernwiderstände auftreten. Erwachsene könnten zum Beispiel dem Lernen müde geworden sein, was auch auf schulische Lernerfahrungen zurückgeführt werden kann oder im Lernen selbst keine Sinnhaftigkeit erkennen, wenn Lernbemühungen und Lernanstrengungen als intransparent wahrgenommen werden. Neben Erfahrungen aus schulischen und beruflichen Kontexten, können gefestigte Werte und Einstellungen negative Wirkungskraft auf zukünftiges Lernen haben, z.B. wenn diese weiterqualifizierenden Bestrebungen entgegenwirken (vgl. Seehagen-Marx 2009, S.28). Erwachsene haben in ihren individuellen, alltäglichen Lebenszusammenhängen ständigen Anlass zum Lernen. Hierbei treten verschiedenste Lernprobleme auf, so dass nicht vorprogrammiert ist, ob das Lernen gelingt oder scheitert (vgl. Faulstich/Tymister 2002, S.6). Das Lernen Erwachsener ist und wird durch eigene Erfahrungen geprägt. Dies kann soweit führen, dass Erwachsene durch die Vorerfahrungen natürliche Widerstandshaltungen gegenüber neuem Lernen entwickelt haben, die es zu überwinden gilt (Knowles et al. 2007, S.174). Lernängste, Lernprobleme und fehlende Motivation, die als Barrieren beim Lernen Erwachsener wirken, aber dennoch zur Lernbiographie eines Subjektes gehören, sind in der Gestaltung lebenslanger Lernprozesse zu berücksichtigen. Im Folgenden ist das Lernen Erwachsener aus zwei verschiedenen Perspektiven beschrieben. Der Ansatz der Neurowissenschaft wurde u.a. mit der Vertretung eines interdisziplinären Wissenschaftsvorgehens gewählt. Die biographieorientierte Perspektive wird oftmals in ihrer „Banalität im Verständnis“, im Sinne – es ist doch klar, dass unser Lernen von der Biographie geprägt ist, beschränkt und daher in ihrer eigentlichen Bedeutung beschnitten. Die Auswahl der zwei Ansätze soll jedoch die Bedeutsamkeit anderer Blickwinkel nicht absprechen. Diese seien daher auch erwähnt und in einer Übersicht zusammengefasst.

2.3.1 Über das Lernen Erwachsener – Zwei differente Ansätze: Gen trifft Biographie

Befunde zum Lernen aus der Gehirnforschung beziehen sich größtenteils auf die Rolle des Gedächtnisses (Langzeitpotenzierung als anhaltende verstärkende synaptische Signalübertragung z.B. der Glutamatausschüttung an der präsynaptischen Endigung für die langfristige Speicherungen von Gedächtnisinhalten), auf das limbische System (Hippocampus als Steuerzentrale des deklarativen Langzeitgedächtnisses und Amygdala als Schaltstelle der Emotionen), auf die Plastizität des Gehirns (die Umgestaltung synaptischer Verknüpfungen bis ins hohe Alter) (vgl. Kullmann & Seidel 2005, S.20f) oder auf die Funktionsteilung der beiden Hemisphären des Telencephalons (neurologische Untersuchungen von Sperry und Gazzaniga an Split-Brain-Patienten, denen der Corpus callosum durchtrennt wurde, lieferten Informationen über die Spezialisierung beider Hirnhälften) (vgl. Munk 2002, Kap. 6, S.11f.). Neurobiologische Ansätze beschreiben Lernen als „Veränderung der Plastizität neuronaler Strukturen […] (des) Gehirns, die durch den Auf- und Abbau von Neuronen sowie die Verstärkung bzw. Schwächung neuronaler Verschachtelungen bedingt wird“ (Brünner 2009, S.27). Entscheidend zur Informationsabspeicherung sind die Stärke und die Anzahl neuronaler Verbindungen und nicht die Neuronenanzahl (ebd., S.26). Neuronen sind in der Lage, sensorische Erfahrungen wie Hören, Fühlen, Bewegen, Sehen etc. zu deuten. Die Neurowissenschaft plädiert für ein ganzheitliches Lernen, indem möglichst viele dieser sensorischen Eingangskanäle angesprochen werden (ebd., S.27). Auf diesem neurologischen Befund basiert die Erforschung der Lerntypen, die z.B. in visuelle, auditive, audio-visuelle oder haptische Lerner unterschieden werden (ebd., S.28). Mit der Erforschung der Funktionsweise des Gehirns anhand moderner bildgebender Verfahren (MRT, CT, PET, SPECT) wird gleichsam versucht Lernprozesse „sichtbar“ und beschreibbar zu machen (ebd., S.25). Neurowissenschaftler/-innen wiesen nach, dass neuronale Repräsentationen im limbischen System, bei Entzug der Mutter im frühen Kinderalter, nicht oder nur unzureichend ausgebildet werden, was insbesondere die soziale Komponente beim Lernen hervorhebt (ebd. S.28). Soziale Umwelten und kommunikative Strukturen spielen also in der Entwicklung des Gehirns eine entscheidende Rolle. Weitere neurobiologische Grundlagen des Lernens sind nachfolgend in Kurzfassung dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Neurobiologische Grundlagen zum Lernen

(vgl. Brünner 2009, S.31ff, Temme & Tränkle 2006, Siebert 2007, S.125-127, Siebert 2008, S.65ff.; Clauss & Clauss 2007; Munk 2002)

Die wissenschaftliche Disziplin der Neurobiologie beschäftigt sich also damit, wie wir lernen und erkennen, aber weniger damit, was und warum wir lernen. Der biographieorientierte Ansatz betont hingegen ganz andere Aspekte, die für das Lernen Erwachsener bedeutungsvoll sind.

Biographie (gr.βιογραφία), etymologisch aus bios (Leben) und graphein (Schreiben) zusammengesetzt, wird als Lebensbeschreibung bezeichnet, was zugleich die dem Begriff immanenten aktiven und konstruktiven Momente verdeutlicht (vgl. Justen 2011, S.15). Biographien zeichnen sich durch eine Gestaltbarkeit und eine individuelle Konstruierbarkeit aus, denn sie werden aus eigenen subjektiv erlebten und erfahrenen Welten erzeugt (vgl. Brems 2002, S.22). Alheit und Dausien schreiben der Biographie eine Dialektik von Gesellschaft und Individuum zu, welche sich in konkreten historischen, sozialen und leiblich-lebendigen Formen ausdrückt (Alheit/Dausien 1990, S.8). Die erziehungswissenschaftliche Biographieforschung untersucht das Lernen in der Lebensspanne, um die Bedeutung biographischer Erfahrungsgestalten auf Prozesse des Lernens und der Bildung und, um den Einfluss von bildenden Prozessen auf Biographien zu verstehen (vgl. Justen 2011, S.19). Die Erwachsenenbildung wendet sich insbesondere seit den 1980er Jahren, gleichsam im Zuge einer „reflexiven Wende“ (Tietgens 1982), der zum Lernfeld gewordenen Biographie zu (ebd., S.19f.). Mit der Auflösung der Normalbiographie und dem damit steigendem Bedürfnis nach Sicherung der eigenen Identität und Selbstthematisierung, wird die Erwachsenenbildung von der traditionellen Bildungseinrichtung zu einem Ort psychosozialer Stabilisierung und normativer Orientierung erhoben (vgl. Siebert 1991, S.6). Aber es gibt nicht nur positive Stimmen, sondern auch Kritiker an biographieorientierten Ansätzen in der Erwachsenenbildung. So führt Alheit das Argument an, dass die „individualisierungsfixierten Erwachsenenpädagogen [...] an einer Pathologisierung ihrer Klientel interessiert [scheinen], nicht aber an der Herausarbeitung biographischer Ressourcen.“ (Alheit 1996, S.185). Für das Verständnis zum Lernen Erwachsener ist das Wissen um die innere Verarbeitungslogik der Subjekte, was Alheit als „Biografizität“ bezeichnet, wichtig. Biografizität wird einem persönlichen Code gleichgesetzt, mit dem jedes Individuum seine eigenen Erfahrungen erschließt. Folglich ist Lernen immer auch „biografisches Lernen“ (vgl. Alheit 2009, S.10ff.). Es gilt die persönlichen Bedeutsamkeiten des Subjektes zu beachten und anzuerkennen. Diese speisen sich aus existierenden lebensgeschichtlichen Erfahrungen und aus angeeigneten und individuell aufgebauten Mustern der Wahrnehmung und Deutung (vgl. Justen 2011, S.25f.). Biographie- und Lernforschung erweitern sich, indem z.B. der Frage nachgegangen wird, wie Lernen im Gesamtzusammenhang der menschlichen Entwicklung genutzt und erfahren wird oder welche biographischen Spielräume durch das Lernen geboten werden (vgl. Arnold et al. 2000, S.7). Lernen kann nicht losgelöst von der vorausliegenden Biografie eines Menschen und von den jeweils gegebenen Kontexten betrachtet werden und ist demnach sozial situiert und kontextbezogen (vgl. Faulstich & Tymister 2002, S.6). Arnold (1999) betont die Orientierung des Lernens an den Lebenswelten der Erwachsenen. Menschen haben innere Vorstellungen, an denen sie ihr Leben ausrichten. „Denn Lernen vollzieht sich in der Dimension der Auslegungen. Diese Auslegungen betreffen das zu Lernende ebenso wie die Hilfe, die dabei gegeben wird, und nicht zuletzt, wie der Lernende sich selbst sieht“ (Tietgens 1991, S.122). Biografisches Lernen und Deutung von Erfahrung stellt an dieser Stelle ein elementares Moment dar.

2.3.2 Weitere Dimensionen zum Lernen Erwachsener im Überblick

Nachfolgend sollen weitere Ansätze aufgegriffen und als zu berücksichtigende Dimensionen hinsichtlich des Lernens Erwachsener zusammengetragen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Wichtige Aspekte zum Lernen Erwachsener (vgl. Knowles, Holton, Swanson 2007; Brünner 2009; Reinmann-Rothmeier und Mandl 2001; Gieseke 2009; Reich-Claassen 2010; Seehagen-Marx 2009; Temme/Tränkle 1996; Brehm 2001)

2.4 Technische Innovation und Lernen in der Erwachsenenbildung

Die Anwendung und die zunehmende Integration neuer Technologien führen zu der Frage, welche Aufgaben und Problemstellungen sich daraus für die Weiterbildung ergeben.

Mit der „realistischen Wende“ (Tietgens, 1969) und der Hervorhebung des „lebenslangen Lernens“ (Knoll, 1974) wird seit den siebziger Jahren die berufliche Weiterbildung stärker in den Fokus der Erwachsenenbildung gerückt (vgl. Arnold 2001, S.55). Der Deutsche Bildungsrat fordert mit dem Verweis des technischen Fortschritts und sozialen Wandels der Industriegesellschaft eine „ständige Weiterbildung“, so dass die Menschen durch organisierte Weiterbildung neue Kenntnisse und Fähigkeiten erlangen, um gerade diesen neuen beruflichen Anforderungen gerecht zu werden (Deutscher Bildungsrat 1973, S.51). Bereits vor zehn Jahren wurde vorausgesagt, dass die neuen Informationstechnologien alle Lebensbereiche durchdringen und kein arbeitsfeldbezogenen Phänomen darstellen würde (vgl. Arnold 2001, S.58). Die Ausdehnung neuer Technologien produziert zugleich Unsicherheit, Orientierungsprobleme, Ängste und Identitätskrisen, was unweigerlich dazu führt, dass die „neuen Technologien […] von der Weiterbildung deshalb nicht nur „Anpassung von Qualifikation“, sondern auch „Wiedergewinnung von Identität“ [fordern]“ (Arnold 2001, S.59). Weiterbildung darf sich nicht auf Qualifikationslernen angesichts eines technischen Fortschritts verengen und eine auf die Karriere zugeschnittene Lebensplanung als oberstes Ziel für die Weiterbildung von Erwachsenen konzentrieren (vgl. Tietgens 1981, S.39). Für ein an Bildung orientiertes Lernen in der beruflichen Weiterbildung müssen „die konkreten sozial eingebundenen Individuen mit ihren Lebenserfahrungen und Kenntnissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten der positive Ausgangspunkt und die bleibende Grundlage der Lernbewegung“ (Kade 1983, S.873) sein. In diesem Sinne werden mit der in der Arbeit vorgestellten Untersuchung Bedürfnisse, Lernvoraussetzungen, Erfahrungen und Probleme der Teilnehmer/-innen (Teilnehmerorientierung) beleuchtet. Die stetige Entwicklung neuer Technologien hat aber nicht nur die Diskussion der Qualifikationsanpassung in der beruflichen Weiterbildung zur Folge, sondern auch die Überlegung wie gerade diese neuen Technologien für die Gestaltung von Bildungsangeboten zur Unterstützung von Lernprozessen zum Einsatz kommen können. Über den Einbezug von Medien (Computernutzung) in Lernkontexten wird seit über 40 Jahren diskutiert. „Diese Diskussion hat sich in Wellen abwechselnder Euphorie und Depression vollzogen“ (Kerres 1998, S.143). Vor über zehn Jahren wurde bereits von einer Explosion technischer Grundlagen der Mediennutzung für Weiterbildungsaktivitäten gesprochen, insbesondere durch die Etablierung multifähiger Rechnersysteme und Internetzugängen (vgl. Faulstich & Zeuner 1999, S.150). Doch die Wirklichkeit sah zu dieser Zeit anders aus, denn die reale Nutzung und Integration informationstechnischer Medien in Lernangebote der Erwachsenenbildung bleibt hinter dem Erwartungshorizont zurück (ebd. S.150f). Die Grundhaltung, dass die Medien nicht als ein Hauptaugenmerk für die Bildung Erwachsener seien, tragen wohl neben der unzureichenden Verfügbarkeit von Computern und Internetanschlüssen (1997 haben 30% aller Haushalte einen PC, 15% verfügen über ein Modem) (vgl. Dowling 1998, S.84), die hohen Anschaffungskosten und die Berührungsängsten dazu bei. Gegenwärtig sind bereits 73,3 Prozent der Bevölkerung (2010:69,4%) online. Die Zahl der Internetnutzer ab 14 Jahren in Deutschland liegt bei 51,7 Millionen Menschen (vgl. ard-zdf-onlinestudie 2011).

3. Lernen mit Multimedia – Bildung aus dem World Wide Web

„Multimedia ist keine Qualität an sich, sondern lediglich Hilfsmittel. Ebenso wie das Ersetzen der Schiefertafel durch ein Schreibheft keine direkte Verbesserung darstellt, bringt der Einsatz von Multimedia allein wenig Nutzen“ (Thissen – Vortrag auf der LEARNTEC 1997).Werden Medien sorgfältig ausgewählt und sinnvoll eingesetzt, so bieten diese die Chance, neue Lernstrategien zu integrieren und den Dozenten als Lehrperson zu unterstützen, aber keinesfalls zu ersetzen (vgl. Engel & Klein 1999, S.16). Werner Faulstich differenziert zwischen nicht-technischen und technischen Medien. Historisch betrachtet gäbe es vier Medien-Gruppen: die Primärmedien (erzählende Person, Theater), die Sekundärmedien (Schreib- und Druckmedien), Tertiärmedien bzw. elektronische Medien (Radio, Fax, Handy) sowie Quartärmedien oder digitale Medien (Computer, E-Mail, Chats) (vgl. Faulstich 2002, S.10f.). Diese Auffassung erfährt u.a. von Wagner Kritik, der Medien nicht ausschließlich als technische Mittel betrachtet, sondern Medien zudem in soziale Beziehungen eingebettet sieht (vgl. Wagner/Theunert 2006, S.49). Der Computer ist aufgrund seines technologischen Aufbaus in der Lage, alle bekannten Medien über den Bildschirm wiederzugeben, was ihn zu einem Universalmedium erhebt. Er übernimmt dennoch nicht die Kompetenz eines Dozenten oder gestaltet sich als Zauberkiste zur Lösung aktueller Probleme, mit denen die jeweilige Weiterbildungseinrichtung zu kämpfen hat. Neue Medien sind aber trotzdem schon seit langem Bestandteil gesellschaftlicher Wirklichkeit, indem sie zunehmend private sowie berufliche Lebenswelten durchdringen.

3.1 Grundlagen des E-Learning – der neue Weg ins mediale Zeitalter

E-Learning findet in verschiedenen Lehr-Lern-Formen statt und ist demnach keine homogene Unterrichtsform (ebd. S.49). Didaktisch wird E-Learning folglich in Computer Based Learning, Internet Based Learning oder Online Learning unterteilt (vgl. Ehlers 2004, S.36ff.). Computerbasiertes Lernen meint hier das Lernen mit Lernmitteln, die auf dem Computer über Lernsoftware oder CD-ROM zugänglich gemacht werden. Das internetbasierte Lernen bezieht hingegen für die Gestaltung des Lernprozesses zusätzlich verschiedene Internet-Technologien (Teleteaching, Telelearning, Teletutoring, Telecoaching) mit ein. Die Lerninhaltsvermittlung und die Kommunikation mit Lernenden und Lehrenden geschieht über internetbasierte Technologien wie E-Mail, Foren, Chats, Communities (vgl. Viererbe 2010, S.49). Beim Online Learning kann der Lerner auf die Lerninhalte nur online zugreifen, denn diese liegen auf einer Internetplattform und die Nutzung erfolgt online über einen Webbrowser (ebd. S.49).

3.1.1 E-Learning und Multimedia

E-Learning umschreibt Formen des computerunterstützten Lernens, die auf multimedial gestaltete Lernprogramme oder auf das Hinzufügen telekommunikativer Medien (z.B. E-Mail, Videokonferenz, Internet, Disskusionsforum) setzen. Demnach beschränkt sich E-Learning nicht allein auf internetgestützte Lernformen. Lernmedien wie Fernsehen, Videofilme oder Tonkassetten gehören nicht zum E-Learning (vgl. Schaper/Konradt 2011, S.1). Zentrales Kennzeichen ist die digitale Bereitstellung der Lerninhalte sowie die zusätzliche Integration begleitender Möglichkeiten zur Kommunikation und Interaktion (vgl. Arnold et al. 2010, S.72). Neben dem Begriff des E-Learning gibt es eine Reihe weiterer deckungsgleicher Bezeichnungen wie E-lernen, electronic learning oder eLearning (vgl. Rey 2009, S.15). Computerbasiertes Training, computerunterstütztes Lernen, Online Lernen, multimediales Lernen oder virtuelles Lernen werden bisweilen als synonyme Begriffe zum E-Learning benutzt. „Virtualität“ spielt hierbei auf simultane Applikationen mithilfe von Computer- und Internettechnologien an (vgl. Arnold et al. 2010, S.72f.). Aus der Beschreibung des E-Learning als Lehren und Lernen mittels unterschiedlicher elektronischer Medien (Multimedia), resultiert die Frage, was Lernen mit Multimedia bedeutet. Lernen mit Multimedia umfasst die Präsentation von unterschiedlichem, zeitabhängigen Lernmaterial, das heißt die Informationen werden nicht statisch, sondern dem Lerner in einem zeitlichen Verlauf dargestellt. Der Lerner kann diesen durch z.B. starten und anhalten von Videoclips beeinflussen (vgl. Zumbach 2010, S.17). Der eher irreführende Terminus Multimedia - der Computer ist nur ein Medium - erfährt in der Forschung Kritik (z.B. Weidemann 2002). Rey (2009) versucht dem entgegen zu wirken und schlägt eine Differenzierung multimedialen Lernens in drei Teilaspekte – Multimedialität, Multicodalität und Multimodalität – vor (ebd., S.16). Multimedialität drückt die Integration verschiedener Medien aus, so sind auch Kombinationen von „alten“ und neuen Medien denkbar, so dass unterschiedliche Symbolsysteme miteinander in Verknüpfung stehen (vgl. Reinmann-Rothmeier 2003, S.31). Es werden verschiedene Elemente z.B. gedruckte oder gesprochene Texte, Animationen, Bilder oder Videos integriert und in einem Lernprogramm auf einen Computer bearbeitet (vgl. Zumbach 2010, S.70). Multicodalität spielt auf eine Codierung an bzw. auf die Darbietungsart des zu vermittelnden Wissens. Informationen werden in Form von (Hyper-) Texten, Bildern, Animationen oder Simulationen aufgearbeitet und bereitgestellt (vgl. Rey 2009, S.19). Der Begriff Multimodalität betont die Wahrnehmung und Verarbeitung der dargebotenen Informationen aus der Perspektive des Lernens über mehrere Sinnesmodalitäten. Bild- und Textinformationen werden beim E-Learning meist visuell und auditiv aufgenommen während weitere Sinnesmodalitäten wie Geschmack- oder Tastsinn sowie das kinästhetische Lernen eine eher untergeordnete Position einnehmen (ebd., S.21). Die „Cognitive-Effective Theory of Learning with Media“ (CATLM) von Moreno und Mayer (2005; 2007) geht darüber hinaus auch taktile, olfaktorische und gustatorische Aufnahme und Verarbeitung von Informationen ein. Zudem ist der Aspekt der Interaktivität, aus „inter“ (lat.) (=zwischen) und „agere“ (lat.) (=handeln) zusammengesetzt, der auf die wechselseitige Einflussnahme von Mensch und Artefakt wie z.B. Computerprogramm deutet, beim multimedialen Lernen zu berücksichtigen (vgl. Zumbach 2010, S.45). In Auseinandersetzung mit Interaktivität in virtuellen Lernumgebungen und dem Ziel einer motivationalen Förderung, fordern Hesse und Mandl (2000, S.44), dass diese mit vielfältigen interaktiven Lernobjekten zu gestalten sei. Hesse und Mandl führen vier Interaktionsformen auf: „Grafische Navigation“, die sich auf das Auswählen (Mausklick) angebotener Lerninhalte oder ggf. alternativer Darstellungsformen und somit auf das Interagieren des Lerners mit der Benutzerschnittstelle und der Software beziehen (vgl. Staemmler 2006, S.118), „Clickables“, die intern ablaufende Prozesse der Kognition ausdrückt und die als aktive Exploration grafischer als auch tabellarischer Darstellungen zusammengefasst ist, „Simulationen“, die in Form kognitiver Tools beschreibbar sind, um dem Lerner ein besseres Verständnis schwieriger Themenbereiche in realitätsnaher Orientierung zu ermöglichen und zuletzt „Rückmeldungen“, die ein systemeigenes, möglichst individuelles Feedback bezogen auf den vom Lernen durchlaufenden Lernprozess betonen (ebd., S.118).

3.1.2 Überblick über Formen des E-Learning

In der Literatur finden sich für das E-Learning zwei differente Bezeichnungen: E-Learning 1.0 und E-Learning 2.0 (vgl. Bernhardt / Kirchner 2007, S.20f.). E-Learning 1.0 umschreibt den Inhalt, der vom Lehrenden für die Lernenden aufbereitet wird. Dieser Inhalt wird dann auf sogenannten „Inseln“ (Servern), den Lernplattformen zur Verfügung gestellt (ebd., S.21). Wenn jedoch unter dem Einsatz von Web 2.0-Medien bzw. Social Software wie Wikis oder Weblogs die Lernenden in kollaborativen Lernaktivitäten die Lerninhalte in selbständiger Weise für ihre Lernziele erstellen, dann wird von E-Learning 2.0 gesprochen. Hierbei kommt das hohe Maß an Selbständigkeit des Lernens beim Erwerb von Wissen zum Ausdruck (ebd., S.22). Darüber hinaus findet E-Learning in verschiedenen Szenarien statt, z.B. in Form von CD-ROM-Lernprogrammen, Onlinelernen oder kooperativen Lernarrangements. Der Lernende hat die Möglichkeit sich je nach Leistungsanspruch oder Lernvorliebe für differente E-Learning Grundformen wie dem Teleteaching, dem Teletutoring oder sich für Blended Learning Szenarien zu entscheiden. Die benannten Formen sollen im Folgenden in ihren zentralen Merkmalen vorgestellt werden.

3.1.2.1 Teleteaching und Teletutoring

Beim Teleteaching als eine der ältesten Formen webbasierten Lernens, steht die Wissensvermittlung durch einen/-r Dozenten/-in im Mittelpunkt und kommt daher traditionellen Lehr- und Lernarrangements im Face-to-Face-Unterricht sehr nahe (vgl. Seehagen-Marx 2009, S.55). Der Unterricht gestaltet sich als lehrerzentriert und die Lernenden selbst nehmen eine eher rezeptive Position ein. Die Vermittlung des Wissens kann synchron, wenn z.B. Präsentationen oder Onlinesymposien live übertragen werden, oder asynchron, wenn diese später zum Herunterladen bzw. Abruf bereitgestellt werden, erfolgen (ebd., S.55). Die Lernenden können zwar aktiv lernen und auch über Chatfunktionen in Kommunikation mit anderen Lernenden treten, aber das eigentliche Lernen ist auf die Dozenten/-innen ausgerichtet (ebd., S.55).
Das Teletutoring ist eine ort- und zeitgebundene Betreuungsform über das Internet oder Intranet (vgl. Viererbe 2010, S.61). Teletutoring ist zudem die fachliche und organisatorische Betreuung der Lerner in E-Learning-Systemen durch E-Mail, Chats, Foren, Telefon, Weblogs und Wikis, teilweise auch in Live Lessons und Präsensveranstaltungen und somit eine grundlegende Voraussetzung für erfolgreiche E-Learning Angebote (vgl. Kuhlmann & Sauter 2008, S.223). Die lehrende Person nimmt die Rolle einer Lernbegleitung ein, indem sie um das Lerngeschehen moderiert und interveniert. In der Aufgabe die einzelnen Lernaktivitäten von Lernenden zu unterstützen, spiegeln sich die hohen Erwartungen und Anforderung an den/-r Tutor/-in wider (vgl. Seehagen-Marx 2009, S.56). Den verschiedenen Rollen eines E-Tutors (Animateur, Organisator, Motivator, Inhalts- und Vermittlungsexperte) gleichzeitig gerecht zu werden, stellt sich als äußerst schwierig dar (vgl. Zumbach 2010, S.182). Rautenstrauch hält die folgenden fünf Basisqualifikationen für einen Tele-Tutor unabdingbar: Medien,- Kommunikations- und Moderationskompetenz, Wissen über selbstgesteuertes und kooperatives Lernen und didaktische Kompetenz (vgl. Rautenstrauch 2001, S.79). Die Lernmaterialien sind in selbständiger Arbeit zu erarbeiten. Die Kommunikation mit beim Tele-Tutoring verläuft über Newsgroups, Diskussionsforen oder Dokumentenpool und per E-Mail (vgl. Viererbe 2010, S.61). Synonym werden die Begriffe E-Coaching, E-Mentoring oder Online-Coaching verwendet. Das Ziel des Teletutorings ist in erster Linie die Entwicklung einer aktiven Lernpartnerschaft zwischen Lernenden und Tutoren (ebd. S.61f.).

3.1.2.2 Blended Learning

„Blended Learning“ (engl. to blend), oftmals als „vermischtes Lernen“ oder „hybrides Lernen“ übersetzt, kombiniert Phasen der Präsenz, Online-Lernen (betreutes E-Learning) und Phasen des Selbstlernens (vgl. Klimsa/Issing 2011, S.507). Der Blended Lerning Ansatz versucht eine Verbindung zwischen den Potentialen von E-Learning und den Potentialen traditioneller Lehrveranstaltungen zu schaffen (vgl. Mandl et al. 2004, S.58). Beim Blended Learning kann vor allem selbstgesteuertes, von einem Tutor begleitetes, kollaboratives Lernen zum Einsatz kommen, aber auch die Anwendung verschiedener Methoden und Medien während Präsenslernphasen machen das Konzept aus (vgl. Bernhardt/Kirchner 2007, S.35) Typisch ist zum Beispiel, dass zu Beginn eines Kurses eine Präsenzveranstaltung stattfindet, so dass die Teilnehmenden vorab die Möglichkeit zum gegenseitigen Kennenlernen haben und Fragen zur Handhabung der folgenden Online-Phasen geklärt werden können (vgl. Bendel/Hauske 2004, S.41). Der Anteil an Präsenz- und E-Learning-Anteilen kann hierbei variieren und hängt meist vom festgelegten Lernziel ab (vgl. Bernhardt/Kircher 2007, S.35). Trainer und Tutoren planen in solchen Blended-Learning-Systemen die verschiedenen Lern-Arrangements, moderieren die ablaufenden Präsensveranstaltungen und begleiten in unterstützender Weise die selbstgesteuerten Lernprozesse. Die Lehrenden wirken folglich als Entwicklungspartner der Lerner, wozu sie wiederum umfassende Handlungskompetenz als Moderator und Coach benötigen. Dieses umfasst zum Beispiel die Beherrschung verschiedenster Methoden zur Aktivierung der Lernenden, eine psychische Sicherheit und Risikobereitschaft im Umgang mit lernenden Gruppen sowie die Fähigkeit der aktiven Förderung einer Lernkultur (vgl. Kuhlmann/Sauter 2008, S.114). Aber auch die Anforderungen an die Lernenden sind nicht zu unterschätzen, denn diese müssen viele Funktionen, die bisher von Lehrenden gesteuert und überwacht wurden, selbst ergreifen (ebd., S.114). In der Weiterbildung finden Blended Learning Ansätze vermehrten Einsatz, z.B. das Weiterbildungsprogramm „Knowledge Master“ von Siemens Qualifizierung und Training (SQT) und der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) als netzbasiertes Angebot kombiniert mit Präsenzveranstaltung entwickelt, um z.B. Führungskräfte im Bereich des Wissensmanagements zu qualifizieren.

3.1.3 Möglichkeiten, Grenzen und Interessenskonflikte

E-Learning begriffen als eine historisch neue Lehr- und Lernkultur wird nur dann seine Durchsetzungskraft entfalten können, wenn E-Learning sich gegenüber traditionellen Lernszenarien durch didaktische und wirtschaftliche Vorteile behaupten kann. Für den Lernenden liegt der Mehrwert des E-Learning in (vgl. Wache 2003, S.3ff.; Seehagen-Marx 2009, S.62ff.; Ott 2011, S.155ff.)

- der Flexibilität der Organisation von Lernprozessen (Lernort, Lernzeiten, Lerndauer, Lernweg, Lerninhalte)
- einer differenzierten Darstellung schwer verständlicher Lerngegenstände durch Animationen, Simulationen oder weitere Visualisierungsmöglichkeiten
- in der Nutzungsmöglichkeit interaktiver Übungsumgebungen und umfangreicher Wissensressourcen durch Glossare, Bibliotheken, Linklisten, Literaturlisten, Lexika oder Wikis
- in der Förderung teamorientierten Lernens durch verschiedenste Kommunikations- und Kooperationsszenarien
- in der Synchronizität und damit im bedarfsspezifischen Informationsabruf zu jeder Zeit über das World Wide Web u. im direkten Korrigieren und Ergänzen von Online-Inhalten
- der Einsparung von Reisekosten und der Verringerung von Reisefahrten
- der zu jeder Zeit verfügbaren Lernressourcen ohne Bindung an Öffnungszeiten von Bibliotheken und ohne Teilnahmeunsicherheiten beim Eintragen auf Wartelisten bei Präsensseminaren.
- der Ortsunabhängigkeit, so können Vorlesungen live online verfolgt oder später über eingestellte Videoaufzeichnungen angesehen werden. Durch zusätzliche Handheld-Technologien können die Vorlesungen auch auf Mobiltelefone und portable Videoplayer übertragen werden.
- in der Globalität und damit in der Auflösung einer Begrenzung auf nur einen Kulturkreis. Dies eröffnet gleichzeitig die Chance einer Perspektivenvielfalt durch den Einblick z.B. in andere Lernkulturen über die nationale Grenze hinaus.

Für die Learning Provider, die diese Lernumgebungen organisieren, bietet E-Learning:

- eine schnelle, örtlich und zeitlich unbegrenzte Verteilung von Veranstaltungen
- die Möglichkeit einer ständigen Aktualisierung von Lerninhalten oder Veränderung bestimmter Veranstaltungsinformation (Ort, Zeit, Dozentenwechsel, Absage etc.) ohne zusätzliche Kosten
- eine gesteigerte Erreichbarkeit einer Vielzahl von Lernenden
- Reduzierung von Reisekosten und Dienstausfällen in der beruflichen Weiterbildung

Ein Hauptargument mit dem der Einsatz von E-Learning oftmals befürwortet wird, ist das Lernparadigma des Konstruktivismus. Der Lerner, der sein Wissen selbst konstruiert, soll dabei durch eine offene Lernumgebung unterstützt werden (vgl. Kreidl 2011, S.15). Diese konstruktivistische Lernumgebungen und Lerninhalte werden mit Hilfe von Hypertextsystemen (durch Links verbundene Seiten) unterstützt (ebd. S.16). Auch die freie Entscheidung darüber, welche Lerninhalte in welcher Reihenfolge bearbeitet werden und wie viele Wiederholungen bzw. verschiedene Übungen zu den einzelnen Themen gemacht werden wollen, verweist auf eine konstruktivistische Lernumgebung (ebd. S.16). „Im Einzelnen weisen die konstruktivistischen Ansätze zahlreiche Prinzipien aus, die eine starke Lernumgebung kennzeichnen sollen, wobei es sich zunächst primär um Kriterien für das Lehren und nur mittelbar um Vorstellungen über das Lernen handelt. So begründet beispielsweise die Subjektabhängigkeit in der Erschließung der Umwelt das Prinzip, Lernen in einen sozialen, kooperativen Kontext einzubetten. Der Aufbau von passenden und wirksamen Modellen der Welt erfordere ein Lernen von und mit anderen.“(Euler 2004, S.453). Diese Argumentation muss hingegen auch kritisch betrachtet werden, denn es soll nicht der Eindruck entstehen, dass konstruktivistische Lernumgebungen ohne den Einsatz von E-Learning nicht umsetzbar seien. Auch die Annahme, dass E-Learning per se die Lernmotivation steigere, wird weitreichend als Mythos bezeichnet, denn die anfängliche Lern- und Motivationserfolge ließen sich auf den Novitätseffekt zurückführen, sind in ihrer Wirkung aber eher kurzfristig (vgl. Schulmeister 2001, S.364; Ehlers 2005, S.17). Die Effektivität von E-Learning Einheiten hängt weitgehend von der Qualität z.B. eines Lernmoduls ab, aber auch vom Lerntyp des Lernenden, von den bereits gemachten Erfahrungen und von den Kenntnissen im Umgang mit web-basierten-Werkzeugen sowie Computertechnologien (vgl. Cook 2005, S.266ff.). Lernwirksamkeitsstudien in denen Online-Distance-Learning mit traditionellen Lehrveranstaltungen (Vorlesungen u.a.) verglichen wurden, ergaben, dass Studierende in beiden Varianten gleich gut lernten (vgl. Lindemann 2006, S.1f.) Daraus lässt sich schlussfolgern, dass Online-Distance Learning nicht automatisch mit einer verbesserten Lernqualität bzw. Lernerfolg in Verbindung zu bringen ist. Grotlüschen unterstellt zudem in der Brennglas-These, dass Lernen mit neuen Medien nicht per se besser bzw. schlechter als traditionelle Lernweisen ist. Die bei einem E-Learning Konzept integrierten didaktischen Elemente können sowohl positiv als auch negativ wie unter einem Brennglas in verstärkter Form hervortreten (vgl. Grotlüschen 2005, S.83). Die beim E-Learning festgestellten Mängel fallen stärker als bei klassischen Lernsituationen auf. „Auf der positiven Seite bedeutet das: Klassisch erfolgreiche Lernensembles erweisen sich bei medialer Inszenierung als noch reichhaltiger, denn es besteht eine höhere Chance auf Binnendifferenzierung und auf Selbstbestimmung“ (Grotlüschen 2005, S.3 zitiert nach Arens et al. 2006, S.160). Die positiven Effekte zeigen sich in E-Learning Kursen bei selbstbestimmten und selbstgesteuerten Lernern, die dadurch eine individuelle Förderung erfahren. Hingegen führen Probleme in der Selbstbestimmtheit und Selbststeuerung des Lernens zu brennenden Problemen (vgl. Arens et al. 2006 in: Eder et al., S.160). Der Einsatz von E-Learning bringt demnach nicht ausschließlich Vorteile mit sich. Auch strukturelle Nachteile, insbesondere vor dem Hintergrund einer fehlenden Präsenz von Lehrenden und Mitlernern und einer damit einhergehenden zwischenmenschlichen Wahrnehmung und Kommunikation, die sich auf das Verfassen und Lesen von Texten beschränkt, sind zu beachten (ebd., S.160f.). Zum einen werden der Lehrperson wesentliche Elemente zur Beeinflussung des Verhaltens der Lerngruppe und auf der anderen Seite dem Lerner motivierende Aufmerksamkeitssignale und anerkennende Gesten im Lernprozess entzogen. An dieser Stelle kommt der besondere Wert des sozialen Lernens zum Ausdruck.

3.1.4 Einsatz und Bedeutung computerunterstützter Lernsysteme in der beruflichen Weiterbildung

Im erwachsenenpädagogischen Diskurs ist das Thema um den Bildungswert neuer Medien bereits seit vielen Jahren hochaktuell. Marotzki (1998) beschreibt mit der von ihm betitelten Virtualitätsverlagerung, die von Menschen gestalteten und organisierten parallel verlaufenden offline und online Lebenswelten. Apel (1998) beschäftigt die Frage wie computerunterstütztes Telelehren in der Praxis aussieht und Hagedorn (1998) thematisiert den Einfluss neuer Informations- und Kommunikationsmedien auf die Organisationen und Institutionen der Erwachsenenbildung (vgl. Faulstich-Wieland 1998, DIE). Doch inwiefern spiegelt sich das bereits theoretisch diskutierte „Neue-Medien-Gerüst“ in der Praxis wieder? Die Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan postulierte zum 2007 anlaufenden Förderprogramm zum Einsatz digitaler Medien in der beruflichen Qualifizierung, dass zukünftig „das computer- und netzgestützte Lernen, das durch die Fortschritte in der Technik und durch ihre Ausbreitung immer größere Freiheitsgrade gewinnt, weiterentwickelt werden [muss]“ (BMBF Förderprogramm 2007, S.3).
In die Praxis integriert wurden Projekte wie „NET (T) LEARNING BAU“ zur Entwicklung eines internetbasierten, modularisierten Lernangebotes im Bereich der Bauwirtschaft (vgl. Website: Net (T) Learning Bau 2011), „Arbeiten und Lernen im Fachbereich ALF“ zur Entwicklung eines netzbasierten und arbeitsintegrierten Weiterbildungssystems für Mitarbeiter/-innen in der Automobilbranche in Unterstützung der DaimlerChrysler AG und IG Metall (vgl. Alf 2011), das von der Bundesärztekammer initiierte Projekt „LearnART“ zur Gestaltung internetbasierter Trainings für Arzthelfer/-innen und Medizinische Fachangestellte im Bereich Praxis- und Qualitätsmanagement oder Kommunikation (vgl. Bundesärztekammer 2007) oder das Netzwerk für TeleLearning zur lebensbegleitenden Qualifizierung in KMU im Handwerk, durch welches insgesamt 5000 Personen innerhalb von zwei Jahren an Online-Lehrgängen in handwerklichen Bildungsstätten teilnahmen (vgl. Netzwerk für TeleLearning 2003).

In Kürze soll die Zielgruppe MTA und der Weiterbildungsbedarf dieser, der gerade vor der Planung eines Bildungsangebotes abzubilden ist, vorgestellt werden. Es soll aufgezeigt werden, welche Chancen die Lernform des E-Learning für diese Zielgruppe und eines spezifischen Weiterbildungsbedarfs bietet.

4. Vorstellung der Zielgruppe: Medizinisch-technische Assistenzberufe

In der Arbeit mit Zielgruppen betont Mader (1979) das besondere Beziehungsverhältnis zwischen der weiterbildenden Institution und einer bestimmten Gruppe (vgl. Gieseke, in: Mader 1990, S.75). Die Zielgruppe in der vorliegenden Untersuchung sind die Medizinisch-technischen-Assistenten/-innen in den Fachrichtungen Labor, Radiologie, Funktionsdiagnostik und Veterinärmedizin. Der als Entwicklungsmotor wirkende gesundheitswissenschaftlich-technologische Fortschritt führt unweigerlich zu einem Wandel der Qualitätsanforderung an die Arbeitsleistung der MTA-Berufe. Für den radiologischen Bereich ist die seit Jahren an Bedeutung gewinnende Anwendung von Schnittbildverfahren im Rahmen einer konventionellen Röntgendiagnostik auffällig, was sich in der zunehmenden Anzahl an CT-Untersuchungen widerspiegelt (vgl. Kastner 2011, S.8). Diese nahmen im Zeitraum von 1996-2006 um etwa 50% zu (vgl. Bundesamt für Strahlenschutz 2008, S.244). Die neuen Anforderungen und Möglichkeiten in der modernen Diagnostik gehen mit veränderten Aufgaben an Medizinisch-technische Assistenten/-innen in der Radiologie (MT R A) einher, die von der notwendigen Aufklärung des Patienten, der eigenständigen intravenösen Kontrastmittelapplikation bis hin zur Indikationsverifikation der ärztlichen Überweisung reichen. Der Aufgabenbereich einer MT R A übersteigt somit den thematischen Gegenstand der Ausbildung (vgl. Kastner 2011; Rudolph 2007). Der Weiterbildungsbedarf ist nicht nur an neue Aufgabenprofile, sondern auch an einen Fachkräftemangel gekoppelt. Während die Entwicklung der Personalzahlen für MTA im Labor (MT L A) leicht rückläufig sind (2000: 23.900 Beschäftigte, 2007: 20.600), sind die Beschäftigungszahlen für MT R A seit Beginn des Jahrzehnts um 5 Prozent bis zum Jahr 2007 gestiegen (DKI 2007). Hinzu kommt, dass Prognosen Statistischer Ämter die demografische Entwicklung als maßgeblichen Einflussfaktor für einen zukünftigen Bedarf an MTA-Personal sehen. Es wird mit einer Zunahme von Krankenhausfällen gerechnet (vgl. Statistische Ämter 2008). Diese Entwicklung führt wiederum zu einem Stellenbesetzungsproblem mit qualifizierten Personal: Bundesweit werden zukünftig zum Beispiel 300 Vollkraftstellen für MT R A unbesetzt sein (DKI 2007). Das Forschungsprojekt im Auftrag der Hans Böckler Stiftung (2007) deckt zudem erhebliche Qualifikationsdefizite im Berufsbild der MTA-Berufe auf: Es werden fachübergreifendes Wissen, das Vorhandensein von Fachwissen sowie außerfachliche Fähigkeiten bemängelt (vgl. Heinze et al. 2007). Zuletzt spielt die steigende Nachfrage nach Medizintechnik, was zugleich qualifiziertes Fachpersonal erfordert, eine erhebliche Rolle. Die Zahl von MRT-Untersuchungen soll jährlich um 11 Prozent wachsen (vgl. BMBF 2005). Die steigende MRT-Nutzung bedeutet jedoch keinen Rückgang der CT-Untersuchungen (jährliche Steigungsrate von über 5%) (vgl. BARMER GEK Arztreport 2011). Eine prognostizierte Überalterung der deutschen Bevölkerung (der Anteil der unter 20 Jährigen soll bis 2050 von 18% auf 15% schrumpfen) (destatis 2006[2]) und die damit verbundenen strukturellen Änderungen in der Krankheitsstruktur führen zu einer höheren Nachfrage nach Medizintechnik (Ausgaben für Medizintechnik von €17,9 Mrd. im Jahr 2002 erhöhten sich 2010 auf €24,6 Mrd.) (BMBF 2005). Zusammenfassend ergibt sich ein Weiterbildungsbedarf für den Beruf der MTA als:

1. Resultat eines neuen Aufgabenprofils und damit einhergehende neue Anforderungen
2. Resultat eines zukünftigen Fachkräftemangels
3. Resultat von Qualifikationsdefiziten
4. Resultat einer steigenden Nachfrage nach Medizintechnik und Fachpersonal zur Bedienung.

Die Ergebnisse sind auch für das Jahr 2011 hochaktuell. Eine Studie zur Untersuchung der Handlungsaufgaben von MTRA offenbart, dass der bereits seit Jahren beschriebene Personalmangel noch nicht gelöst wurde. In der Untersuchung begründen die befragten MTRA die Nichtteilnahme an fachlicher Fortbildung z.B. zum Thema CT mit Zeitmangel, unpassenden Angeboten und Mangel an Personal in den einzelnen Abteilungen (vgl. Kastner 2011, S.51).

Kontinuierliche Fort- und Weiterbildung des Fachpersonals sind merklich unabdingbar, doch offenbart sich das Dilemma, dass die Bildungsanbieter die relevanten Hochtechnologien (MRT-, CT-Geräte) aufgrund zu hoher Anschaffungskosten (ca. 750 T€ pro Gerät) nicht selbst für Schulungsmaßnahmen erwerben können. Als weiteres Weiterbildungshindernis gestaltet sich die Ressourcenverfügbarkeit, denn die Geräte stehen aufgrund der hohen Auslastung in den klinischen Einrichtungen den Bildungsanbietern nur in begrenztem Maße durch die Kliniken zur Verfügung. Um diagnostisch relevante Informationen zu erhalten und kosteneffizient zu arbeiten, ist ein praxisorientiertes Aus-, Fort- und Weiterbilden unmittelbar an den hochmodernen Geräten erforderlich, da nur durch eine hohe fachliche Kompetenz des Anwenders eine gute Bildqualität zu erreichen ist. In Deutschland stehen ca. 2.600 CTs und mehr als 2.000 MRTs zur Verfügung (destatis 2010), die im ständigen Betrieb sind und für fachpraktische Fortbildungen nicht bereit stehen. Die Implementierung eines E-Learning Angebots bietet hier den Anreiz der Simulation der notwendigen Technologien mittels Einsatz entsprechender Applikationen. E-Learning bietet die Chance mit der Applikation zur Simulation verschiedene Situationen zu trainieren, die in der Realität z.B. aus Kostengründen nicht zu bewerkstelligen sind. MTRA z.B. könnten so an relevanten Geräten (CT, MRT), die für weiterbildende Zwecke nicht zur Verfügung stehen, mit Hilfe von Computertechnologien nachgebildete Trainings zur Einstellung und Strahlendosierung durchführen. Solche simulativen Trainings ermöglichen Gefahrensituationen gezielt durchzuführen ohne schwerwiegende Folgewirkungen für z.B. Patienten/-innen.

5. Qualitativer und quantitativer Untersuchungsteil

5.1 Forschungsstand

Wissensvermittlung über E-Learning ist zwar längst kein neues Thema mehr und wird in der Wissenschaft breitgefächert diskutiert, die praktische Anwendung jedoch befindet sich noch in den Kinderschuhen. Den ersten Internetkurs gab es erst im Jahr 1995 (vgl. Viererbe 2010, S.48). Zudem ist das Verständnis zum Begriff E-Learning sehr unterschiedlich. Mit diesem werden zum einen die Erstellung einfacher HTML-Seiten und zum anderen die Entwicklung komplexer virtueller multimedialer Lernumgebungen assoziiert. Kombinierte Untersuchungen zu E-Learning und Technikaffinität gibt es kaum. Es wird jedoch bei einigen Autoren die positive Motivationsauswirkung durch E-Learning beschrieben. So wird der Motivationseffekt in einem Ansprechen von technischer Affinität z.B. bei Studierenden vermutet. Durch das Einbinden von neuen Medien sind die Studierenden für das E-Learning motiviert (vgl. Hilzensauer 2008, S.103 f.; Paschke et al. 2003, S.7f.). Es existieren einige Untersuchungen zur Nutzung und zur Akzeptanz von E-Learning. So untersucht die Studie von Bürg, Rösch und Mandl (2005) Merkmale, die einen Einfluss auf die E-Learning Akzeptanz von Mitarbeitern eines Unternehmens haben könnten. 12 Mitarbeiter einer großen Pharmafirma, die zum ersten Mal eine Produktschulung in Form von E-Learning teilnahmen, wurden zu zwei Messzeitpunkten befragt (vor und nach der Bearbeitung des Lernprogramms). Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass die Verständlichkeit der Medien nicht signifikant mit der Einstellungsakzeptanz korrelierte. Darüber hinaus sprechen die Ergebnisse dafür, dass insbesondere der subjektive Lernerfolg und die intrinsische Motivation einer Person für die Akzeptanz eine erhebliche Rolle spielen (vgl. Bürg et al. 2005, S.133). Eine andere Studie der Universität Hildesheim, die im Rahmen des Seminars „Wissenschaftliche Praxis“ durchgeführt wurde, untersuchte in welchem Umfang, wie und mit welchen Vorzügen und Erwartungen die Befragten (281 Schulleiter/-innen) E-Learning nutzen, im Allgemeinen sowie auch als Fortbildungsmaßnahme. In der Studie wurde die Hypothese „Die Technikaffinität und die Nutzung von E-Learning sind voneinander abhängig“ bestätigt, wenn hierzu auch keine Kausalitätsaussagen getroffen werden konnten (vgl. Burghard et al. 2008, S.29ff.). Für die Medizinisch-technischen-Assistenten/-innen konnten hierzu keine Studien gefunden werden.

[...]


[1] Arnold, R. (2009): Andragogik? Zur Begründung einer Disziplin von der Erwachsenenbildung/Weiterbildung. Bd. 40, Schneider Verlag Hohengehren GmbH

[2] Statistisches Bundesamt (2006) (Hrsg.): Bevölkerung Deutschlands bis 2050, 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Presseexemplar, Wiesbaden.

Ende der Leseprobe aus 99 Seiten

Details

Titel
Technikaffinität und E-Learning-Verhalten in der beruflichen Weiterbildung. Anforderungen an Qualifizierungsangebote für Medizinisch-technische-Assistenzberufe
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
99
Katalognummer
V231681
ISBN (eBook)
9783656650515
ISBN (Buch)
9783656650508
Dateigröße
2512 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
technikaffinität, e-learning-verhalten, weiterbildung, anforderungen, qualifizierungsangebote, medizinisch-technische-assistenzberufe
Arbeit zitieren
M.A. Janine Romppel (Autor:in), 2012, Technikaffinität und E-Learning-Verhalten in der beruflichen Weiterbildung. Anforderungen an Qualifizierungsangebote für Medizinisch-technische-Assistenzberufe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231681

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