Der französische Diskursanalytiker, Philosoph und Psychologe Michel Foucault wuchs in dem mit den Nationalsozialisten kollaborierenden Vichy-Frankreich der Weltkriegszeit auf und daher sei es nach Meinung Ulrika Martenssons nicht verwunderlich, dass sich Foucault Zeit seines Lebens mit Strukturen und Instrumenten der Machtausübung beschäftigt habe. Doch was genau versteht Michel Foucault – dessen theoretische Ansätze sich alles andere als einheitlich darstellen – unter dem Machtbegriff, der neben dem Begriff des Diskurses und dem Prinzip der Dynamik bzw. Transformation der Welt und deren Gesellschaftsformationen zusammen mit der Wahrheitsthematik zu den wichtigsten Konstanten des foucaultschen Denkens der 1970er Jahre gehört? Zunächst erscheint der Machtbegriff bei Foucault im Allgemeinen nicht als negativ konnotiert, vielmehr wirke Macht als ein Netz sowohl auf Subjekte als auch auf Dinge konstruktiv und produktiv – Macht schaffe Anreize, bringe Lust hervor, forme Wissen, weise Dingen Bedeutungen zu oder tabuisiere diese und produziere Dinge in ihrer Materialität, um damit Wirklichkeit und gesellschaftlich wirksame Sozialfaktoren zu schaffen. Foucault distanziert sich in seinen Schriften von der naiven Vorstellung, dass Macht ausschließlich in exklusiven Zirkeln weniger Mächtiger zentral verwaltet werde und zirkuliere; vielmehr durchströme Macht den gesamten Gesellschaftskörper, reguliere denselben und sehe sich nicht dazu gezwungen, ausschließlich als Sanktionsinstanz mittels Ge- und Verboten zu agieren. Im Allgemeinen fasst Foucault den Machtbegriff als eine Analysekategorie auf. Auf der Makroebene beschreibt Foucault Macht als den „[…] Name[n], den man einer komplexen strategischen Situation gibt.“ In diesem Sinne also als eine bestimmte Anordnung zu einer gewissen Zeit. Auf der Mikroebene setzt es sich Foucault zum Ziel, „[…] die zu untersuchenden Gegenstände in ihrer Dynamik und ihrem [verborgenen bzw. verstellten] Gewordensein zu betrachten.“ Jedem Gegenstand hafte eine Prozessualität an, die sowohl den Gegenstand selbst definiere als auch denselben in ein System von Bedeutungen einordne. Bedeutungszuweisung rekurriere wiederum auf die Schaffung von Wirklichkeit. Aber wer genau schafft oder erfindet Wirklichkeit durch Bedeutungszuweisung?
Inhaltsverzeichnis
1) Einleitende Worte in Verbindung mit Foucaults diskursivem Begriff der Macht und Heranführung an den historisch-kritischen und literaturwissen- schaftlichen Zugang zum Koran
1.1 Foucaults Begriff der Macht und der Dispositiv in Verbindung mit dem Diskurs
1.2 Hans Küng über die Bedeutung des Koran
1.3 Angelika Neuwirths auf Abu Zaids fußender historisch-kritischer und literatur- wissenschaftlicher Zugang zum Koran
2) Der Koran als diskursive Interaktion zwischen koranischer Gemeinschaft und Verkünder
2.1 Die Sure als diskursive Interaktion und die Mündlichkeit des Koran
2.2 Das koranische Kommunikationsmodell und die Persuasio der Rhetorik
3) Prozessualität und Intertextualität: Koranische Verhandlungen von spätantiken Traditionen, altarabischer Poesie und Seherrede sowie lokalen Beobachtungen im Spiegel der frühmekkanischen Suren
3.1 Die Erweiterung der foucaultschen Diskurstheorie durch Leontjews Tätigkeitstheorie als Materialisation des Diskurse
3.2 Verdichtung des eschatologischen Diskurses in Gestalt der Straflegenden und der
djahiliya -Konstruktion: Auseinandersetzungen mit der altarabischen Poesie und
der Seherrede
3.2.1 Die djahiliya-Konstruktion und das neue Zeitbild
3.2.2 Die Straflegenden, die Seherrede und der altarabische Dichter
3.3 Intertextuelle Aspekte zwischen den frühmekkanischen Suren und dem biblischen Psalter
4) Der Koran als statischer Gegenstand: Erloschene Diskursivität
5.) Zusammenfassung der Ergebnisse
6) Literaturverzeichnis
6.1 Quellen
6.2 Hilfsmittel und Nachschlagewerke
6.3 Darstellungen
- Arbeit zitieren
- Nils Marvin Schulz (Autor:in), 2013, Foucaults Diskurstheorie im Spiegel der frühmekkanischen Suren des Koran, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231683
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