Das Jahr 1994 zeichnet ein düsteres Kapitel in der Geschichte der Menschheit. Es markiert ein blutiges Ereignis, welches in so einem Umfang und mit so einer Schnelligkeit nur selten oder gar noch nie zuvor von statten gegangen ist. Gemeint ist der Genozid in Ruanda. Zwischen April und Juni, kamen dort schätzungsweise bis zu einer Mio. Menschen auf brutalste Weise ums Leben, mehrere Millionen flüchteten und leben zum Teil bis heute noch im Exil. Alleine in Kigali der Hauptstadt, wurden 60.000 Leichen gezählt (Harding 1998: 139). Im Gegensatz zu anderen Kriegsverbrechen, wie beispielsweise dem Holocaust, wurde der Völkermord in Ruanda -was ihn so makaber und einzigartig zugleich macht, dank dem gezielten Einwirken des Staates, von der eigenen Bevölkerung begangen. Dabei handelt es sich um einen historisch verwurzelten ethnischen Konflikt zwischen Hutus und Tutsis – zwei ehemals homogene Volksgruppen, die seit geraumer Zeit gemeinsam in Einklang miteinander lebten. Das Fundament für die spätere Spaltung der Gesellschaft wurde im Zuge der europäischen Kolonialisierung gelegt, welche die Minderheit der Tutsi, basierend auf rassistischen Vorstellungen, zur Herrschaftsklasse erhob, worauf hin sich ein Zugehörigkeitsbewusstsein innerhalb beider Gruppen herauskristallisierte. Das Blatt wendete sich, als die benachteiligten Hutus die Macht an sich rissen und so die Kontrolle im Land übernahmen. Dies war der Anfang einer langen und systematischen Propagandaschlacht seitens der Hutu-Regierung, die nun zu politischen Zwecken hartnäckig daran arbeitete, die Tutsi in jeglicher Hinsicht zu degradieren und die komplette Bevölkerung auf eine äußerst manipulative Weise zu dichotomisieren.
Diese Arbeit soll Aufschluss darüber geben, welche strategischen Mittel zur Durchführung des anstehenden Massenmordes genutzt und implementiert wurden. Um die tatsächlichen Ursprünge und Entwicklungen des ruandischen Konfliktes zu verstehen, wird es zunächst unabdinglich sein, in die Vergangenheit zu schauen und sich mit einem Phänomen zu befassen, das all dem zugrunde liegt - der Ethnisierungsprozess. Der Völkermord, setzte nämlich voraus, dass es im Bewusstsein der Menschen ethnisch definierte Gruppen gab (Harding 1998: 37). Das Konzept der Ethnizität ist hierbei als „Prozess der ethnischen Abgrenzung von Bevölkerungsgruppen in Form der Selbst- und Fremdzuschreibung“ zu verstehen (Orywal / Hackstein 1993: 597)...
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorgeschichte
- Soziale Entwicklung in der Vorkolonialzeit
- Ethnische Konstruktion unter der europäischen Kolonialherrschaft
- Sozio-politische Kehrtwende im Dekolonisationsprozess
- Mechanismen der politischen Propaganda
- Anfänge der gesellschaftlichen Indoktrinierung und die Jugendpropaganda
- 'Peasant Romanticism' und der Vorbürgerkrieg
- Angriff der RPF und der Bürgerkrieg
- Öffentliche Hetzreden der MRND
- Kangura und die „10 Gebote der Bahutu"
- Radio-Télévlsion Libre des Mille Collines
- Rolle RTLMs vor dem Genozid
- Rolle RTLMs während des Genozids
- Schlusswort
- Literaturverzeichnis
- Intemetquellen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die Rolle der Propaganda im Völkermord in Ruanda von 1994. Ziel ist es, die strategischen Mittel aufzuzeigen, die zur Durchfiihrung des Massenmordes eingesetzt wurden. Die Arbeit beleuchtet den historischen Kontext, insbesondere den Prozess der Ethnisierung, der durch die europäische Kolonialisierung begünstigt wurde und die Grundlage für den späteren Konflikt zwischen Hutus und Tutsis schuf.
- Der Einfluss der europäischen Kolonialisierung auf die ethnische Konstruktion in Ruanda
- Die Rolle der Kriegskommunikation im Ruandakonflikt
- Die strategischen Mechanismen der politischen Propaganda, insbesondere die Verbreitung von Feindbildern und die Indoktrinierung der Bevölkerung
- Die Bedeutung von Massenmedien, wie Kangura und RTLM, bei der Verbreitung von Hasspropaganda und der Vorbereitung des Genozids
- Die Normalisierung des Völkermords durch die Medien und die Rolle der Tiefenkultur bei der Entstehung von Gewaltbereitschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in das Thema des ruandischen Völkermords ein und skizziert die Zielsetzung der Arbeit. Das Kapitel „Vorgeschichte" beleuchtet die soziale Entwicklung Ruandas in der Vorkolonialzeit, die Entstehung der ethnischen Kategorien Hutu und Tutsi unter europäischer Kolonialherrschaft sowie die sozio-politischen Veränderungen im Dekolonisationsprozess. Das Kapitel „Mechanismen der politischen Propaganda" analysiert die psychologischen Mechanismen, die zur Verbreitung von Feindbildern und zur Indoktrinierung der Bevölkerung genutzt wurden. Das Kapitel „Anfänge der gesellschaftlichen Indoktrinierung und die Jugendpropaganda" untersucht die Rolle der Schul- und Jugendpropaganda in der Verbreitung von anti-Tutsi-Mythen und Stereotypen. Das Kapitel 'Peasant Romanticism' und der Vorbürgerkrieg" behandelt die Propagandastrategie des Präsidenten Habyarimana, die auf die wirtschaftliche und demographische Situation Ruandas fokussiert und die Tutsi als Verursacher aller Übel darstellt. Das Kapitel „Angriff der RPF und der Bürgerkrieg" analysiert die Eskalation des Konflikts nach dem Angriff der Tutsi-Befreiungsarmee (RPF) und die Rolle der öffentlichen Hetzreden der MRND. Das Kapitel „Kangura und die „10 Gebote der Bahutu" untersucht die Bedeutung der extremistischen Zeitschrift Kangura bei der Verbreitung von Hasspropaganda und die Rolle der „10 Gebote der Bahutu" als Leitfaden für die ethnische Diskriminierung. Das Kapitel „Radio-Télévlsion Libre des Mille Collines" analysiert die Rolle des Hasssenders RTLM bei der Vorbereitung und Durchführung des Genozids. Das Kapitel „Schlusswort" fasst die wichtigsten Erkenntnisse der Arbeit zusammen und reflektiert die Ursachen und Folgen des Völkermords in Ruanda.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Völkermord in Ruanda, die Ethnisierung, die Propaganda, die Kriegskommunikation, die Feindbilder, die Indoktrinierung, die Tiefenkultur, die Massenmedien, Kangura, RTLM, die „10 Gebote der Bahutu", die Hutu-Revolution, die Tutsi-Befreiungsarmee (RPF) und die Interahamwe.
- Citation du texte
- Zaneta Nowak (Auteur), 2011, Die Macht der Propaganda am Beispiel des Völkermords in Ruanda von 1994, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231744