Die Bürger von Güllen in Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame"


Epreuve d'examen, 2012

39 Pages, Note: 1,5


Extrait


Gliederung

1 Einleitung

2 Dürrenmatts Dramentheorie
2.1 Tragödie und Komödie
2.2 Das Groteske

3 Tektonik und Inhalt des Dramas

4 Die Personen im Drama
4.1 Charaktere und Typen
4.2 Die Protagonisten
4.2.1 Claire Zachanassian
4.2.2 Alfred Ill

5 Das Verhalten der Güllener Bürger als Kollektiv
5.1 Die Repräsentanten
5.2 Die Austauschbarkeit des Einzelnen
5.3 Die Bürger als Verräter
5.4 Die Uneinsichtigkeit der Bürger
5.5 Die Verführbarkeit der Bürger
5.6 Die Güllener Bürger als Mörder
5.7 Dürrenmatts Weltbild in der Darstellung des Personals Chor

6 Gerechtigkeit, Recht, Schuld und Strafe
6.1 Das antagonistische Verständnis von Gerechtigkeit
6.2 Die Schuldfähigkeit der Güllener Bürger/ Recht, Schuld und Strafe
6.2.1 Dürrenmatt
6.2.2 Das heutige Rechtssystem

7 Zeitgeschichtlicher Hintergrund: Die Konsumgesellschaft

8 Philosophische Deutungsansätze

9 Fazit

10 Literaturverzeichnis
10.1 Primärliteratur
10.2 Sekundärliteratur

1 Einleitung

Das Drama „Der Besuch der alten Dame" von Friedrich Dürrenmatt wurde 1956 im Schauspielhaus in Zürich uraufgeführt und erschien im gleichen Jahr erstmalig als Buchausgabe. Das Stück avancierte zum meistgespielten Werk zwischen 1956 und 1957 sowohl auf deutschen als auch auf internationalen Bühnen und begründet neben „Die Physiker"(1961/62) den Weltruhm Dürrenmatts. Im Mittelpunkt der Betrachtung von Dürrenmatts Drama steht das Verhältnis von Wohlstand und Moral. Diese Thematik bezieht sich nicht auf einen bestimmten Zeitabschnitt, sondern ist von grundsätzlicher Bedeutung, sie erklärt die fortwährende Aktualität des Stückes. Die vorliegende Wissenschaftliche Arbeit bezieht sich auf die Neufassung von 1980, die Dürrenmatt eigens für die Werkausgabe bei Diogenes geschrieben hat. Bei dieser Fassung ersetzte er den Untertitel „Komödie der Hochkonjunktur”, mit dem er auf die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zustände seiner Zeit aufmerksam machen wollte, durch „Eine tragische Komödie”, um die gattungsbezogenen und künstlerischen Aspekte des Stückes zu betonen.

Die zentralen Themen des Dramas sind unter anderem das Umdeuten von moralischen Vorstellungen für den eigenen Profit, der Einfluss von Geld auf die Gesellschaft, die Käuflichkeit des Menschen, das Verständnis von Gerechtigkeit, die Menschlichkeit und das Bewerten von Schuld und Unschuld.

Das Ziel dieser Arbeit ist es, das Verhalten der Güllener Bürger in ihrer Entwicklung als Kollektiv darzustellen, zu untersuchen und zu analysieren. Dies erfolgt unter Einbeziehung der Termini Schuld und Gerechtigkeit. Textchronologisch bezieht sich dies auf die Entwicklung des Verhaltens der Güllener Bürger nach dem Mordaufruf durch Claire Zachanassian bis zu der Ermordung der Hauptfigur Alfred Ill. Zu Beginn dieser Arbeit werden Dürrenmatts Dramentheorie über die Tragödie und Komödie sowie das Groteske, Erwähnung finden. Hierbei soll gezeigt werden, dass das groteske Verhalten der Bürger mit einem gesellschaftskritischen Anspruch verbunden ist. Weiterhin werden die Tektonik und der Inhalt des Stückes dargestellt. Hierbei reduziert sich die inhaltliche Darstellung des Werkes auf die essentiellen Aspekte hinsichtlich der Thematik der Arbeit. Weiterhin werden die Protagonisten des Dramas, Claire Zachanassian und Alfred Ill untersucht, da beide auf unterschiedliche Weise wichtige Faktoren für die Entstehung des Konfliktes und dessen Auswirkungen sind. An dieser Stelle wird untersucht, ob Dürrenmatts Darstellungsweise der Personen, Verweise auf ihr Verhalten liefert. Um das Verhalten der Bürger zu analysieren und um herauszufinden, worin ihre Schuld liegt, beziehungsweise ob überhaupt von Schuld gesprochen werden kann, muss nicht nur auf den Mord selbst eingegangen, sondern es muss auch die Entwicklung, die den Mord erst möglich gemacht hat, berücksichtigt werden. Des Weiteren wird in diesem Zusammenhang die Frage nach der Gerechtigkeit und deren antagonistischen Auslegungen durch die Personen in Dürrenmatts Werk diskutiert.

2 Dürrenmatts Dramentheorie

2.1 Tragödie und Komödie

Dürrenmatts Drama trägt den Untertitel „Eine tragische Komödie”. Daraus kann der Schluss gezogen werden, dass es sich hierbei nicht um eine Tragödie im klassischen Sinne handelt, sondern um eine Mischung von tragischen und komischen Elementen. Dürrenmatt selbst bezeichnet seine Stücke als Komödien oder Grotesken:

Die Tragödie setzt Schuld, Not, Maß, Übersicht, Verantwortung voraus. In der Wurstelei unseres Jahrhunderts, in diesem Kehraus der weißen Rasse, gibt es keine Schuldigen und auch keine Verantwortlichen mehr. Alle können nichts dafür und haben es nicht gewollt. Es geht wirklich ohne jeden. Alles wird mitgerissen und bleibt in irgendeinem Rechen hängen. Wir sind zu kollektiv schuldig, zu kollektiv gebettet in die Sünden unserer Väter (...) Schuld gibt es nur noch als persönliche Leistung, als religiöse Tat. Uns kommt nur noch die Komödie bei. Unsere Welt hat ebenso zur Groteske geführt wie zur Atombombe(...) Doch das Groteske ist nur ein sinnlicher Ausdruck, ein sinnliches Paradox, die Gestalt einer Ungestalt, das Gesicht einer gesichtslosen Welt, und genau so wie unser Denken ohne den Begriff des Paradoxen nicht mehr auszukommen scheint, so auch die Kunst, unsere Welt, die nur noch ist, weil die Atombombe existiert: aus Furcht vor ihr.[1]

Dürrenmatt zufolge ist die von der Macht geprägte Welt der Gegenwart in einem chaotischen Zustand. Da die Tragödie als strenge Kunstform eine gestaltete Welt zur Voraussetzung hat, kann sie diese Welt nicht wiedergegeben.[2] Demnach wird ersichtlich, dass die Komödie die einzige adäquate Möglichkeit für die heutige Zeit und ihre Darstellung ist, indem sie die Welt aus der Distanz betrachtet.[3] Aus diesem Grund ist für Dürrenmatt die Komödie die dramatische Gattung, die dem „Ungestalteten“ Gestalt geben kann. In „Der Besuch der alten Dame“ wird ein solches chaotisches Weltbild dargestellt.

Im Hinblick auf das Publikum rechtfertigt Dürrenmatt seine Hinwendung zur Komödie damit, dass sie durch ihre Lächerlichkeit eine Distanz schafft, die zum Nachdenken anregt. Die Tragödie, die auf das Mitleid des Zuschauers abzielt, schafft dies nicht. Dennoch ist es seiner Meinung nach nicht unmöglich das Tragische darzustellen; es kann in der Form des Grotesken erfolgen. Die Handlung in Dürrenmatts Drama „Der Besuch der alten Dame“ ist auf eine tragische Entwicklung angelegt, die von grotesken Momenten durchsetzt ist, und schließt mit einer Katastrophe ab, auf die ein glückliches Ende folgt.[4] Jedoch vollzieht sich dies nicht im traditionellen Sinn der Komödie. Während in den Tragödien von der Antike bis zur Weimarer Republik die Auffassung vertreten wird, dass der Held durch seinen Tod die Weltordnung wiederherstellen kann, bezweifelt Dürrenmatt diese Möglichkeit eines Helden mit autonomer Entscheidungsfreiheit.[5] Demnach ist der Mensch einer kollektiven Gesellschaft ausgeliefert, in der er nicht die Möglichkeit hat, seine Entscheidungen frei zu treffen. Wenn auch nach Dürrenmatt die reine Tragödie nicht mehr möglich ist, so kann dennoch das Tragische, als ein Element innerhalb der Komödie Anwendung finden. Dürrenmatt bezeichnet die Komödie als „Mausefalle” und zielt mit seinem Einfall und seiner Darstellung des Grotesken darauf ab, die Theaterbesucher zu verführen und zu überlisten.[6]

An dem Protagonisten Alfred Ill lässt sich die Unterscheidung von klassischer Tragödie und Dürrenmatts Komödien illustrieren. Durch Ills Einsicht und die daraus resultierende Anerkennung seiner Schuld, zeigt Dürrenmatt, dass er auch in der Moderne ein persönliches Heldentum nicht ausschließt. Durch sein Verhalten wird Alfred Ill zum „mutigen Menschen“, der die chaotische Weltordnung im Privaten wiederherstellt.

Der Einzelne hat demnach in einer uneinheitlichen, von wechselnden Werten bestimmten Welt nicht mehr die Möglichkeit frei zu handeln, sondern ist anonymen und kollektivistischen Kräften der Gesellschaft ausgeliefert. Dadurch, dass der Mensch keine Verantwortung mehr besitzt, trifft ihn auch keine Schuld.

2.2 Das Groteske

Das Groteske ist eine der großen Möglichkeiten, genau zu sein. Es kann nicht geleugnet werden, daß diese Kunst die Grausamkeit der Objektivität besitzt, doch ist sie nicht die Kunst der Nihilisten, sondern weit eher der Moralisten, nicht die des Moders, sondern des Salzes. Sie ist unbequem, aber nötig (...). Das Groteske ist eine äußere Stilisierung, ein plötzliches Bildhaftmachen und gerade darum fähig, Zeitfragen, mehr noch, die Gegenwart aufzunehmen ohne Tendenz oder Reportage zu sein.[7]

Dürrenmatt thematisiert das Groteske nicht als Gattung im engeren Sinne, sondern als Mittel um eine Distanz herzustellen, die nötig ist, um die Stücke vor der zeitgenössischen Szene, auf die sie bezogen sind, abspielen zu lassen.[8] Die Darstellung des Grotesken, die Vereinigung von Widersprüchlichem, verunsichert den Zuschauer in seinen Gefühlen, was eine Distanz zu dem Geschehen zur Folge hat. Demnach liegt Dürrenmatts Absicht nicht in der Nachahmung von Objekten oder Geschehnissen, sondern darin, die Zuschauer mit einem möglichst getreuen Abbild ihrer Zeit zu konfrontieren, in dem er abschreckende Darstellungen als Gegenbilder der Wirklichkeit entwirft. Weiterhin ist hieraus erkennbar, dass die Gestaltung des Grotesken mit einem moralisierenden Anspruch verbunden ist. Gesellschaftliche Missstände werden auf eine groteske Art und Weise sichtbar gemacht. Durch diese Darstellung zielt Dürrenmatt auf die Wirkung auf den Einzelnen im Publikum und dessen individuelle Veränderung, die die Menge verändert.[9]

Nach Dürrenmatt ist die Tragödie der Weimarer Klassik historisch geworden, nicht das Tragische[10]:

„Wir können das Tragische aus der Komödie heraus erzielen, hervorbringen als einen schrecklichen Moment, als einen sich öffnenden Abgrund, so sind ja schon viele Tragödien Shakespeares Komödien, aus den heraus das Tragische aufsteigt".[11]

Folglich tritt für Dürrenmatt das Groteske die Tradition des Tragischen an, das parodiert, entmythologisiert in vielen Varianten des Dramas weiterlebt.[12] Der schreckliche Moment hat einen mutigen Menschen, der das Kollektiv überwinden will, zur Voraussetzung. Die zerstörte Weltordnung wird in dieser Person wiederhergestellt. Die Vereinigung von Widersprüchlichem zeigt sich bereits am Untertitel des Dramas, eine „tragische Komödie“.

Die Verschuldung der Güllener Bürger, ihre Verdrängungstaktik, ihre Rechtfertigung eines bezahlten Mordes und die Widersprüchlichkeit zwischen ihren verbalen Äußerungen und ihrem Verhalten[13] stellen, neben zahlreichen weiteren Elementen, das Groteske in Dürrenmatts Drama dar. Dabei liegt sein Fokus nicht auf der Gesellschaftsstruktur, die den Mord möglich gemacht hat, sondern auf den Bewusstseinsdefekten der Bürger.

3 Tektonik und Inhalt des Dramas

Die dramatische Handlung des Dramas entfaltet sich in drei Akten. Im ersten Akt erhält der Leser die notwendigen Informationen zu dem Ort des Geschehens, den Figuren der Handlung, der Vorgeschichte der Personen und der Stadt Güllens. Demnach enthält der erste Akt die wichtigen Informationen, die für das Verständnis des Stücks von Bedeutung sind. Ihm kommt die Funktion der Exposition zu. Gleichzeitig werden hier bereits wesentliche Aspekte des Handlungsverlaufs sichtbar. Zum einen zeigt Claires Betätigung der Notbremse, dass verbindlichen Normen kein Bedeutung für sie haben, und zum anderen wird durch die Bezahlung des Zugführers für ihren Verstoß die Macht des Geldes illustriert. Weiterhin wirft das vorzeitige Eintreffen der alten Dame die Planungen der Bürger um, was als ein erstes Scheitern ihrer Strategie gedeutet werden kann. Der erste Akt schließt mit einer vorläufigen Ablehnung von Claires Angebot stellvertretend durch den Bürgermeister ab: „Ich lehne im Namen der Stadt Güllen das Angebot ab. Im Namen der Menschlichkeit. Lieber bleiben wir arm denn blutbefleckt".[14] Die spontane Ablehnung und die daraus erkennbare Empörung über die Unmenschlichkeit des Angebotes zeigen zugleich, dass die Bürger nicht vorhaben, gegen Claire tätig zu werden, sondern dem Geschehen ihren Lauf lassen, da sie sich in dieser Situation nicht bewusst darüber sind, welche Folgen die Negation haben kann. Mit den gleichen Prinzipien, mit denen sie an dieser Stelle Claires Vorschlag ablehnen, rechtfertigen sie später den bezahlten Mord.

Im Verlauf des zweiten Aktes beginnen die Güllener Bürger in Alfred Ills Laden luxuriöse Güter zu kaufen, die sie sich eigentlich nicht leisten können, und fangen an sich zu verschulden. Diese Tatsache deutet auf das allmähliche Erliegen der Verlockung des Konsums. Des Weiteren deutet die Verschuldung der Bürger auf eine aufkommende finanzielle Abhängigkeit von Claire Zachanassian. Wenn auch die Güllener gegenüber Ill ihre Unterstützung versichern, beginnt er sich seiner eigenen Gefahr bewusst zu werden. Als er sich entschließt, nach Australien zu fliehen, empfangen ihn die Bürger am Bahnhof, um ihn an der Flucht zu hindern, ohne ihn jedoch aktiv zu bedrängen, woraufhin Ill letztlich zusammenbricht. Zeitgleich jagen die Bürger den entlaufenen schwarzen Panther. Die Jagd nach dem schwarzen Panther kann mit der „Jagd” auf Alfred Ill verglichen werden. Während die Bürger den Panther suchen um ihn anschließend zu töten, verweigern sie gleichzeitig die Unterstützung Alfreds, verschulden sich weiter und verhindern seine Flucht: „Er beginnt zu rennen, erreicht den Bahnhof. Die anderen rücken gemächlich nach, umgeben ihn. Ill schaut sich ängstlich um, wie ein gehetztes Tier.”[15] Die Tötung des Panthers lässt auf Ills bevorstehendes Schicksal im dritten Akt schließen. Hierbei zeigt sich im Verhalten der Bürger, dass eine Ermordung Ills nicht mehr Undenkbar ist. Im zweiten Akt, der die Entwicklung des dramatischen Konflikts darstellt, wird demnach eine Doppelstruktur der Handlung ersichtlich, die sich bereits im ersten Akt abzeichnet: zum einen der Prozess der inneren Einsicht von Alfred Ill und zum anderen die allmähliche Entwicklung der Güllener zu einem moralisch verfallenden Kollektiv. Ills Aufruf am Ende des zweiten Akts: „Ich bin verloren”[16], stellt den Wendepunkt im Hinblick auf das Schicksal der Einzelfigur dar.[17]

Der dritte Akt beginnt mit Claires Bekanntmachung, dass sie sämtliche Wirtschaftszweige aufgekauft hat und somit für den Ruin der Stadt Güllen verantwortlich ist: „Die Welt machte mich zu einer Hure, nun mache ich sie zu einem Bordell. Wer nicht blechen kann muss mithalten, will er mittanzen. Ihr wollt mittanzen. Anständig ist nur, wer zahlt, und ich zahle. Güllen für einen Mord, Konjunktur für eine Leiche”.[18] Diese Tatsache schließt letztendlich die Möglichkeit einer moralischen Rettung der Stadt Güllen aus. Im weiteren Verlauf spitzt sich die Lage der Bürger zunehmend zu. Sie werden fortlaufend feindseliger gegenüber Ill und werfen ihm moralisches Fehlverhalten vor. Vor der anwesenden Presse jedoch, wird die Situation um Alfred Ill beschönigt. Dies deutet auf den Umstand hin, dass sich die Bürger über ihr moralisches Fehlverhalten bewusst sind und Angst vor einer Verurteilung der Öffentlichkeit haben. Der Lehrer, der sich als Vertreter der Humanität versteht, betrinkt sich in Ills Laden und versucht der Presse die Wahrheit über die tragische Lage in Güllen zu verkünden, wird jedoch von den Bürgern und Ill daran gehindert. Erkennbar ist an dieser Stelle, dass der Lehrer für seine Ideale scheinbar nur dann kämpfen kann, wenn er betrunken ist. Trotz seines hierin erkennbaren Bewusstseins über das moralisch verwerfliche Handeln der Gemeinde ist er im nüchternen Zustand nicht in der Lage, sich ihnen zu widersetzen. Schließlich erkennt Alfred seine Schuld an und leistet keinen Widerstand. Ill verkörpert das Tragische, da er „die verlorene Weltordnung in seiner Brust wiederherstellt."[19] Der Aufforderung des Bürgermeisters, sich selbst umzubringen und damit die Verantwortung den Bürgern abzunehmen und auf sich zu übertragen, lehnt er ab: „Ihr könnt mich töten, ich klage nicht, protestiere nicht, wehre mich nicht, aber euer Handeln kann ich euch nicht abnehmen”.[20] In der Bürgerversammlung verurteilen die Güllener Bürger Ill für sein moralisches Fehlverhalten, um ihr eigenes ethisch bedenkliches Verhalten zu rechtfertigen. Im Anschluss daran bringen sie ihn imKollektiv um. Wie der Mord im Detail vonstattengeht, ist nicht erkennbar. Der sich daran anschließende Chor zeigt auf groteske Weise die Konfrontation der Weisheit des griechischen Chors mit der Verblendung der Güllener Bürger. Der Mord an Ill wird hierbei nicht nur von den Güllenern gerechtfertigt, sondern auch noch gefeiert. Darin ist ebenso eine Kritik Dürrenmatts an dem Streben der Menschen nach materiellen Gütern ersichtlich.

4 Die Personen im Drama

Die handelnden Personen des Dramas werden von Dürrenmatt im Personenverzeichnis in zwei Gruppen unterteilt: zum einen in die Besucher, unter denen Claire Zachanassian die Hauptrolle einnimmt, und zum anderen in die Besuchten, deren Vertreter zu Beginn des Stücks Alfred Ill ist. Hierbei stehen sich, mit Ausnahme der beiden eben erwähnten Personen, zwei Kollektive gegenüber.[22] Im Verlauf der Handlung nehmen die Güllener Bürger und Alfred Ill jeweils eine eigene Stellung ein, indem sie sich durch ihr antagonistisches Verhalten voneinander abgrenzen. Diese Abgrenzung gründet auf der Doppelstruktur der Dramenhandlung.[21]

[...]


[1] Dürrenmatt, Friedrich: Theater, S.62.

[2] Haller, Horst: Friedrich Dürrenmatt:Besuch der alten Dame, S.141.

[3] Knopf, Jan: Friedrich Dürrenmatt, S.85.

[4] Winkler, Werner: Der Besuch der alten Dame, S.43.

[5] Ebd.,S.49.

[6] Dürrenmatt, Friedrich: Theater, S.64.

[7] Dürrenmatt, Friedrich: Theater, S.24.

[8] Knopf, Jan: Friedrich Dürrenmatt, S.84.

[9] Schulte, Vera: Das Gesicht einer gesichtslosen Welt, S. 102.

[10] Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, S.668.

[11] Dürrenmatt, Friedrich: Theater, S. 63.

[12] Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft, S.668.

[13] Gertner, Hannes: Das Komische im Werk Friedrich Dürrenmatts, S. 100.

[14] Winkler, Werner: Der Besuch der alten Dame, S.50.

[15] Dürrenmatt, Friedrich: Der Besuch der alten Dane, S.81.

[16] Ebd., S. 85.

[17] Winkler, Werner: Der Besuch der alten Dame, S.85.

[18] Dürrenmatt, Friedrich: Der Besuch der alten Dame, S.90.

[19] Dürrenmatt, Friedrich: Theater, S.?

[20] Dürrenmatt, Friedrich: Der Besuch der alten Dame, S.109.

[21] Weil die Güllener Bürger und deren Verhaltensweisen den Schwerpunkt dieser Arbeit bilden, werden sie in einem gesonderten Kapitel behandelt. Die Gruppe der „Sonstigen" und der „Lästigen” sowie Claires Begleiter werden hier, aufgrund ihrer fehlenden thematischen Relevanz, keine Erwähnung finden.

[22] Schulte, Vera: Das Gesicht einer gesichtslosen Welt, S. 67.

Fin de l'extrait de 39 pages

Résumé des informations

Titre
Die Bürger von Güllen in Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame"
Université
University of Stuttgart
Note
1,5
Auteur
Année
2012
Pages
39
N° de catalogue
V231895
ISBN (ebook)
9783656484134
ISBN (Livre)
9783656484363
Taille d'un fichier
542 KB
Langue
allemand
Mots clés
bürger, güllen, friedrich, dürrenmatts, besuch, dame
Citation du texte
Alexandra Weiß (Auteur), 2012, Die Bürger von Güllen in Friedrich Dürrenmatts "Der Besuch der alten Dame", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231895

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