Bestimmungsgründe der Zinsstruktur: eine finanzwirtschaftliche und makroökonomische Perspektive


Mémoire (de fin d'études), 2010

112 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1. Einleitung

2. Zins und Zinsdeterminierung
2.1. Nominaler und Realer Zins
2.2. Determination des Zinssatzes
2.2.1. Die Loanable Funds - Theorie
2.2.2. Die Liquidity Preference - Theorie
2.2.3. Ein gemeinsamer Ansatz aus LFT und LPT

3. Die Zinsstrukturkurve
3.1. Die Berechnung des Zinssatzes
3.1.1. Anleihen und Anleihemärkte
3.1.2. Bepreisung von Vermögenswerten
3.1.3. Spot Rates
3.1.4. Rendite bis zur Fälligkeit (Yield to Maturity)
3.1.5. Rendite für eine gehaltene Periode (Holding Period Return) und Forward Rates
3.2. Erklärung der Zinsstrukturkurve
3.2.1. Die Erwartungshypothese
3.2.2. Die Liquiditätshypothese
3.2.3. Die Marktsegmentierungs-Hypothese
3.3. Die erweiterte Erwartungshypothese im ökonometrischen Test
3.3.1. Unterschiedliche ökonometrische Methoden
3.3.1.1. Single-Equation Tests
3.3.1.2. Vektor-Autoregressiver-Ansatz
3.3.2. Tests und Ergebnisse der erweiterten Erwartungshypothese
3.3.2.1. Modell von Cochrane/Piazessi

4. Moderne Ansätze der Zinsstrukturkurve: arbitragefreie Faktoren-Modelle und empirische Makro-Modelle
4.1. Finanzwirtschaftliche Ansätze
4.1.1. Arbitrage und die Arbitragefreie Bepreisungs-Theorie (APT)
4.1.2. Faktoren-Modelle
4.1.2.1. Affine Zins-Modelle
4.1.2.2. Ein-Faktoren Modelle
4.1.2.3. Zwei-Faktoren Modelle
4.2. Empirische Makro-Modelle
4.2.1. Geldpolitische Wirkung auf den Zins

5. Ein Modell der arbitragefreien Zinsstruktur mit makroökonomischen Erklärungsfaktoren
5.1. Die Symbiose aus finanzwirtschaftlicher und makroökonomischer Perspektive
5.1.1. Nicht-technische Zusammenfassung
5.1.2. Die formale Darstellung des Affinen Zinsstrukturmodells
5.1.2.1. Der Marktpreis des Risikos (market price of risk)
5.1.2.2. Der stochastische Diskontfaktor
5.1.2.3. Die Makro-Faktoren
5.1.2.4. Verbindung zur Bepreisung der Anleihe
5.2. Daten und Datenaufbereitung
5.2.1. Zins -und Zinsstrukturdaten
5.2.2. Makroökonomische Daten
5.2.2.1. Zeitreihenanalyse
5.2.3. Daten für das Makro-Modell: Inflation
5.2.4. Daten für das Makro-Modell: Reale Aktivität
5.3. Das Schätzverfahren und Modellspezifikationen
5.4. Ergebnisse und Einordnung in die Literatur

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Anhang
8.1. Abbildungen
8.2. Ökonometrischer Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 – Schätzergebnisse der 2-stufigen Regression

Tabelle 2 – Die erweiterte Erwartungshypothese im Überblick

Tabelle 3 – Statistische Merkmale der deutschen Zinsstruktur

Tabelle 4 – ADF-Test auf Stationarität der Wachstumsrate des VPI

Tabelle 5 – ADF-Test auf Stationarität der Wachstumsrate des IPI

Tabelle 6 – ADF-Test auf Stationarität der differenzierten Wachstumsrate des IPI

Tabelle 7 - Zinsstrukturschätzung (Arbitragefreies Modell)

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 – Ein typischer Zinsstrukturverlauf

Abbildung 2 – Ein affines Zinsstruktur-Modell und makroökonomische Erklärungsfaktoren

Abbildung 3 – Die deutsche Zinsstrukturkurve von 1979 bis 1998

Abbildung 4 – Der VPI und eine lineare Trendlinie.

Abbildung 5 – VPI und IPI

Abbildung 6 – IAF (Fendel)

Abbildung 7 – IAF (Deutsche Bundesbank)

Symbolverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Der Einfluss von Zinsen, auf das alltägliche Leben, ist in der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Dieser Einfluss durchläuft nicht nur die mikroökonomische Entscheidungsebene (was determiniert den Hypotheken-Zins für einen Hausbau?), sondern auch die makroökonomische Handlungsstufe (was verändert den Zinssatz von Staatsanleihen?). Diese Arbeit vereint sowohl mikroökonomische Erklärungen bezüglich der Zinsdefinition und Zinsdeterminierung, als auch (darauf aufbauend) Erklärungen der makroökonomischen Sicht mit Blick auf die Zinsstruktur.

Insbesondere Märkte für Staatsanleihen beinhalten interessante Informationen. Zum einen zeigen sie Wirkung auf makroökonomische Veränderungen (bspw. eine Rezession) und zum anderen können sie der Ausgangspunkt der Wirkung sein (bspw. Investitionstätigkeit). Aus diesem Grund wird hier der Zusammenhang von Laufzeiten und Zinsen anhand Deutscher Staatsanleihen betrachtet – der Deutschen Zinsstrukturkurve.

Nach der Untersuchung mehrerer Erklärungen für Zinsstrukturen erhält man eine Theorie, welche den zu erklärenden Zusammenhang anhand von erwarteter Inflationsrate und Laufzeitrisiko erklärt: der erweiterten Erwartungshypothese. Die Prominenz dieser Theorie wird jedoch durch widersprüchliche empirische Ergebnisse nicht bestätigt.

An diesem Punkt setzt der, in dieser Arbeit, in Detail betrachtete Ansatz aus finanzwirtschaftlicher und makroökonomischer Perspektive an und beantwortet Fragen wie: Was sind die Faktoren für die zu beobachtende Zinsstrukturkurve? Kann man bestimmten Laufzeiten einzelne Erklärungsfaktoren zuweisen? Ist ein Laufzeitrisiko eher konstant oder variiert es mit der Zeit?

Modelle mit derartigem Ansatz setzen sich aus drei Bausteinen zusammen: der Annahme der Arbitragefreiheit, der affinen Multifaktorstruktur und der Faktorerklärung durch makroökonomische Variablen.

Aufgrund der Arbitragefreiheit ist es dem Ansatz möglich unterschiedliche Laufzeiten miteinander zu verknüpfen. Es ist demnach nicht möglich durch eine Handelsstrategie Arbitrage zu betreiben. Die affine Form erlaubt es die, durch Arbitragefreiheit, verbundenen Zinsen als Linearkombination der erklärenden Faktoren aufzustellen. Und schließlich können makroökonmische Variablen, wie bspw. Inflation und Reale Aktivität, als Faktoren definiert werden.

Dieses System ist in der Lage Bewegungen an der Zinsstrukturkurve zu messen und ein exaktes Laufzeitrisiko auszuweisen.

Neben einer intensiven modelltheoretischen Analyse dieser Kombination aus den drei Bausteinen, steht die Datendiskussion im Mittelpunkt. Diese widmet sich der Erklärung und Aufbereitung makroökonomischer Faktoren zur Erklärung der Zinsstrukturkurve. Desweiteren wird ein exemplarisches empirisches Beispiel in Bezug auf die Literatur erläutert.

Die Arbeit ist folgendendermaßen aufgebaut: Kapitel 2 erläutert Grundlagen des Zinses. Kapitel 3 stellt Theorien der Zinsstrukturkurve vor. Kapitel 4 stellt die drei Bausteine vor. Kapitel 5 fasst diese als Kombination zu einem Modell zusammen, erläutert die Daten dafür und zeigt die empirischen Ergebnisse. Kapitel 6 schließt und gibt ein Fazit.

2. Zins und Zinsdeterminierung

Im folgenden Kapitel werden grundlegende Elemente des Zinses definiert. Eine exakte Formulierung ist nicht nur im Bezug auf die Problemstellung dieser Arbeit sinnvoll, sondern erleichtert auch das Verständnis für die technischen und ökonometrischen Kapitel. Neben der Definition von nominalen und realen Zinsen wird die Theorie der Zinsdeterminierung dargestellt.

2.1. Nominaler und Realer Zins

In vielen wissenschaftlichen Arbeiten ist von einem Zins die Rede (bspw. Fisher – The Theory of Interest). Da Fisher‘s Theorie Marktakteure anhand dieses einen Zinses Entscheidungen treffen lässt, stellt sich natürlich die Frage: Welcher Zins ist damit wirklich gemeint? Eine präzise Antwort ist darauf jedoch nicht zu finden. Es gibt sehr viele und vollkommen unterschiedliche Zinsen: einmonatige Anleihenszinsen, Zentralbankzinsen, Interbankenzinsen, etc (vgl. Bain/Howells 2008, S.214). Viele werden kontextbezogen als der eine Zins betrachtet und können nicht als allgemeingültig betitelt werden. Die grundlegende Gemeinsamkeit aller Zinsen jedoch verteidigt die Aussage eines einzigen Zinses: alle Arten von Zinsen setzen einen Handel zwischen heutigen und zukünftigen Geldmitteln[1] in Relation und der Zins wird dabei als Preis des Geldes betrachtet (siehe Fisher 1930, S. 13). „If $100 today will exchange for $105 to be received one year hence, the premium on present money in terms of future money is $5 and this, as a percentage of the $100, or the rate of interest, is five per cent” (siehe ebd.). Demgemäß ist der Zins eine Kompensation für die Anlage des Geldes, welches innerhalb dieser Zeitperiode nicht zugänglich ist. Der Austausch zwischen der Gegenwart und der Zukunft, der Zinssatz[2], ist womöglich die wichtigste Variable in der Ökonomie (vgl. Mishkin 2008, S.67). Dieser erzielt nicht nur Wirkung auf die Investitionen von Pensionsfonds und Hedgefonds, der Finanzierung von Industrieprojekten oder der Refinanzierung von Banken, sondern ebenfalls auf die Entscheidung jedes einzelnen Individuums ein Haus zu bauen, das Geld zu sparen oder einen einfachen Kredit zu beziehen. An letzterem Beispiel kann anschaulich gezeigt werden, welche Interessengruppen sich gegenüberstehen. Bei einfachen Kreditgeschäften wird der Kreditgeber durch die Zahlung des Zinses bezüglich der entgangenen Verfügbarkeit und eines gewissen Risikos kompensiert. Der Kreditnehmer dagegen zahlt den Zins als Preis für das aufgenommene Geld, um Konsum oder Investition zu finanzieren. Geht man einen Schritt zurück und beantwortet die Frage wieso Individuen daran interessiert sind Geld zu leihen, anstatt zu warten, und dadurch einen Zinssatz kreieren, erlangt man ein klareres Verständnis für die komplexeren Vorgänge in der heutigen Zinsstrukur. Aufbauend auf Smith’s „Individual Marginal Rates of Time Preference“ (1759) diskutieren insbesondere Fisher (1930), Rae (1834) und Böhm-Bawerk (1889) über Individuen und deren marginale Präferenz von heutigen gegenüber zukünftigen Gütern. In Ihren Arbeiten sprechen diese von „Time Preference“ oder auch „Human Impatience“ des Menschen. Dabei handelt es sich um den simplen Fakt, dass Menschen im sofortigen Vergnügen einen höheren Nutzen sehen als im späteren. Anders ausgedrückt ist für ein Individuum ein Euro heute wertvoller als ein Euro in der Zukunft. Diese Ungeduld kann unterschiedlich dargestellt werden: als präferierter Hauskauf heute, sofortiger Kauf von Konsumgütern oder aber als die Sicherheit des Jetzt im Gegensatz zur Unsicherheit der Zukunft (vgl. Fisher 1930 Kapitel 4).[3] Geht man nun wieder einen Schritt nach vorne und betrachtet das Beispiel am Kreditgeschäft erneut, entdeckt man eine Erklärung für das Verhalten der Akteure. Beide handeln unter der Bedingung der Ungeduld: anstatt zu warten, zieht der Kreditnehmer es vor, heute Geld zu haben, der Kreditgeber gibt einen Teil seines Geldes ab und lässt sich dies durch einen Zins bezahlen. Im Gleichgewicht treffen, wie immer, Nachfrager und Anbieter auf einander und definieren den Preis: den Zins bzw. den nominalen Zins.

„Nominal interest rates are the rates of interest that are actually paid, in money form” (siehe Bain/Howells 2008, S. 197). Von diesem Begriff lässt sich der reale Zins abgrenzen. Ökonomen sprechen hauptsächlich vom realen Zins, als den um die erwartete Inflationsrate adjustierten Zins (vgl. Mishkin 2008, S. 87). Dieser reale Zins ist weitaus elementarer bezüglich des Treffens von ökonomischen Entscheidungen. Es handelt sich um den kurzfristigen Zins, den ein Geldgeber fordert, auch wenn die erwartete Preisvariable bzw. Inflationsvariable konstant bleibt. Dieses wird in Gleichung (2.1) ersichtlich:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei dieser sogenannten Fisher Gleichung[4] stellt den nominalen Zins dar, den realen Zins und die Preisentwicklungsvariable. Schreibt man Gleichung (2.1) um, erhält man die Beziehung zwischen einer positiven Preisentwicklung und eines daraus resultierenden reduzierten realen Zinses:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Sicht auf ausschließlich nominale Werte kann den wahren Wert verschleiern. Beispielsweise erhält man bei einer erwarteten Inflationsrate von 2 % und einem nominalen Zins von 4 % einen realen Zinssatz von 2 %. Gerechtfertigt wird diese Differenzierung durch den Umstand, dass man aus dem erhaltenen Ertrag (nominalen Zins) nicht die gleiche Menge an Güter erwerben kann, sondern tatsächlich einen um 2 % höheren Preis zahlen muss – deshalb auch der Name: realer Zins.

2.2. Determination des Zinssatzes

In Kapitel 2.1 wird der Einfachheit halber ein Zusammentreffen von Kreditgebern und Kreditnehmern als Begründung für einen Zinssatz angenommen. Diese Annahme wird nun endogenisiert. Das dadurch entstehende Gleichgewicht und die daraus resultierende Höhe des Marktzinses wird durch zwei gegensetzliche Theorien erklärt: zum einen durch die Loanable Funds - Theorie (LFT) und zum anderen durch die Liquidity Preference – Theorie (LPT). Die LFT der Klassiker[5] basiert auf einer mikroökonomischen Erklärungsebene, wogegen die LPT von John Maynard Keynes (1936) stammt und eine makroökonomisch orientierte Erklärung liefert.

2.2.1. Die Loanable Funds - Theorie

Die LFT baut auf den theoretischen Grundlagen Ricardos (1821) auf und wird vor allem von Robertson (1937), Lerner (1938) und Haberler (1955) geprägt.

Demnach determiniert die Entscheidung zwischen Investition und Sparen den Zins. Der Wunsch eine Investition zu tätigen, findet im Ertrag auf Kapitalgüter ihre Begründung.

Das Verlangen nach Sparen besteht darin Vermögen zu akkumulieren und von Investoren einen Zins zu erhalten. Diese beiden Entscheidungen allein determinieren den Zins und führen zu einem ständigen Gleichgewicht, in dem eine Entscheidung zu sparen immer auf eine Entscheidung zu investieren trifft (vgl. Bain/Howells 2008, S.198 ff). Entscheidet sich ein Sparer mehr zu sparen, senkt das Spar-Überangebot den Zins und erhöht die Investition bis erneut ein Gleichgewischt zwischen Investition und Sparen besteht. Weiter hängt der Wunsch zu investieren von der Produktivität des Kapitals ab und wie viel Investoren bereit sind zu zahlen. Außerdem ist die Sparsamkeit der Individuen entscheidend, also der Anteil, den die Sparer sparen. Den Ansatzpunkt für die Kritik, vor allem von Keynes, sind folgende Annahmen: die Ökonomie befindet sich in Vollbeschäftigung, Preise sind konstant, es gibt ein fixiertes Geldangebot und es herrscht perfekte Information. Diese haben zur Folge, dass es keine Volatilität im Einkommen gibt (da Vollbeschäftigung herrscht und daduch der Output fixiert wird) und daraus ein konstantes Sparangebot resultiert. Auch die Nachfrage nach Geldanlagen untersteht keinen Schwankungen, da erstens kein neues Geld geschaffen wird und zweitens keine Unsicherheit besteht. Dies führt zu einer Ökonomie in einem langfristigen Gleichgewicht.

2.2.2. Die Liquidity Preference - Theorie

Keynes Theorie setzt genau an der Annahmen-Kritik der klassischen Theorie an. „The rate of interest is not the ‘price` which brings into equilibrium the demand for resources to invest with the readiness to abstain from present consumption. It is the ‘price’ which equilibrates the desire to hold wealth in the form of cash with the available quantity of cash; […]” (Keynes 1936, Kap. 13, II). Keynes zeigt, dass es sich nicht um das Gleichgewicht zwischen Investitionen und Sparen handelt, sondern um das Angebot und die Nachfrage nach Geld. Da das Angebot nach Geld von der Notenbank fixiert wird, betrachtet man nur die fallende Nachfragekurve, die durch Opportunitätskosten erklärt werden kann. Bei hohen Zinsen besteht eine geringe Nachfrage an Geld (ohne Zinszahlung) oder um es deutlicher zu machen, Bargeld. Bei hohen Zinsen sind andere Opportunitäten, bspw. Vermögensgüter mit Zinszahlungen, relativ attraktiv. Sind Zinsen momentan hoch, bestimmen Erwartungen der Marktakteure, dass sie bald sinken werden. Bei sinkenden Zinsen steigt der Wert von Vermögensgütern (dieser Zusammenhang wird im nächsten Kapitel genaustens erläutert) und demnach sinkt die Nachfrage nach sicherem Geld (vgl. ebd.). Die Lage der Nachfragekurve hängt von der Nachfrage nach Geld ab und verändert sich mit dem Preisniveau, dem Output bzw. dem Einkommen und dem Gedanken an Geld als „Sicherer Hafen“.

Durch das Einfügen von Unsicherheit und Erwartungen kommt Keynes Theorie zwar näher an die Realität heran, jedoch führt eine unbeständige Unsicherheit der Akteure zu schwankender Nachfrage nach Geld und deshalb zu schwankenden Zinsen.

2.2.3. Ein gemeinsamer Ansatz aus LFT und LPT

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entbrannte ein regelrechter Streit zwischen den beiden ökonomischen Ansätzen der Klassiker und der Keynesianer. Vor allem Robertson und Keynes selbst lieferten sich in einigen wissenschaftlichen Aufsätzen[6] eine weitreichende Debatte über die jeweils bessere Theorie. Wie in den vorangegangen Abschnitten argumentiert, stehen beiden Theorien jeweils fundamentale Kritiken gegenüber, die man durch einen synthetischen Ansatz beider Argumente eliminieren kann (vgl. Bain/Howells 2008, S.204f). Wie Egon Shomen es ausdrückt „Wir erkennen nun, dass die Liquiditätspräferenz- und die ,,Loanable Funds"-Theorie des Zinses dasselbe Phänomen von zwei verschiedenen Seiten betrachten und dass sie notwendigerweise zu denselben Schlußfolgerungen kommen müssen, denn ein gesteigertes Angebot an inaktivem Geld ist identisch mit einer Erhöhung der Nachfrage nach verzinslichen Forderungen in demselben Umfang.“ (Shomen 1956, S. 19).

Diese Kombination aus LFT und LPT ergibt eine sinnvolle Erklärung für die Zinsdeterminierung und ist bei Bain/Howells (2008, S.204f) im Detail beschrieben. Die Idee ist, durch das Hinzufügen zweier zusätzlicher Elemente, die Gleichung Sparen gleich Investition zu verändern. Dazu wird „Neues Geld“ als eine zusätzliche Geldmittelquelle betrachtet und das „Horten“ von Geld als weitere Nachfrage. Das erste Element wird durch die Zentralbank bereitgestellt, die resultierenden höheren Depositen der Geschäftsbanken führen zu weiteren Geldmitteln für die Geldleiher. Das zweite Element birgt die Idee, dass Sparer nicht alles verleihen, sondern einen gewissen Teil davon als Barmittel „horten“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese Modifizierung entkräftet zum einen die Annahme der LFT, dass ein Zins ausschließlich zum Anreiz des Sparens gezahlt wird, viel mehr wird er für das Verleihen von Geld begeben. Sparer müssen ihr Gespartes verleihen um einen Zins zu bekommen. Außerdem sind Fluktuationen in der Nachfrage nach sicherem Geld (oder eben das Horten von Geld) wegen Unsicherheit und Erwartungen rational sinnvoll. Zum anderen sind Banken, als zusätzlicher Geldmittelgeber, ein Schritt in Richtung Realität.

3. Die Zinsstrukturkurve

3.1. Die Berechnung des Zinssatzes

Nach der Definiton des nominalen, sowie des realen Zinssatzes und der Determination dessen, fehlt eine zufriedenstellende Erklärung für unterschiedliche Zinssätze bezüglich der Zeit. Betrachtet man zwei Kredite, bei denen sich nur die Laufzeit unterscheidet, entdeckt man meist einen höheren Zins bei dem längerlaufenden Kontrakt. Dies ist nicht nur allgemeines Verständnis in der Gesellschaft, sondern ebenfalls empirisch sehr häufig zu belegen, jedoch nicht immer. Um eine allgemeingültige Begründung erarbeiten zu können, benötigt man zunächst einen Blick auf Anleihen, ein paar Grundlagen der Bepreisung von Vermögenswerten und die Grundsätze der Diskontierung.

3.1.1. Anleihen und Anleihemärkte

Die Zinsstrukturkurve stellt meist die Zinsstruktur von Staatsanleihen dar. Da es sich in dieser Arbeit ausschließlich um derartige Schuldtitel von Staaten handelt, werden Staatsanleihen als Anleihen bezeichnet und werden in Anleihemärkten gehandelt. Bei Anleihen handelt es sich um Vermögensgüter, die von Staaten emittiert werden. Wie bei allen Vermögensgütern bestimmt den Preis das Angebot und die Nachfrage. Ist die Nachfrage demnach hoch, wird ein niedriger Preis ausgewiesen und vice versa. In dieser Arbeit ist die Deutsche Zinsstrukturkurve und daher die Bundesanleihen der zu analysierende Anleihemarkt.[7] Deshalb geht man auf die von Deutschland emittierten Anleihen ein. Deutschland begibt eine ganze Reihe von Anleihen unterschiedlicher Laufzeiten (von 6 Monaten bis über 30 Jahren), also vom kurzen bis zum langen Ende. Die Zinsstruktur wird täglich von der Deutschen Bundesbank berechnet und veröffentlicht (siehe Deutsche Bundesbank 2006, S.16). Dabei weisen sie allerdings Null-Kupon-Anleihen aus, also Anleihen die während der Laufzeit keine Kuponzahlungen begeben, sondern einen geringeren Kaufpreis zu dem fixierten Rückzahlungsbetrag aufweisen. Jedoch handelt es sich bei den meisten Anleihen um Kupon-Anleihen, die während der Laufzeit einen vereinbarten Kupon auszahlen. „Da sich jede solche Kupon-Anleihe prinzipiell als Portfolio von Null-Kupon-Anleihen ausdrücken lässt, kann jedoch aus der Zinsstruktur von Null-Kupon-Anleihen der Preis jeder Kupon-Anleihe berechnet werden“ (siehe ebd.).

Anleihemärkte sind meist sehr liquide und großvolumig. Der Deutsche Anleihemarkt zählt, auch in turbulenten Jahren (wie den zwei vergangenen), zu relativ sicheren Anlagemöglichkeiten. Dass Anleihemärkte allerdings zu risikolosen Vermögensgüter zählen, kann man an einigen aktuellen Beispielen, wie Griechenland oder Irland, widerlegen.

3.1.2. Bepreisung von Vermögenswerten

Zuerst führt man zwei fundamentale Begriffe ein: den Cashflow und den Present Value. Als Cashflow wird der Zahlungsstrom bezeichnet, der durch eine Anlage generiert wird. Das Present Value (PV) Konzept besagt, ein ausbezahlter Euro morgen ist weniger Wert als ein Euro heute. Denn einen Euro heute könnte man gewinnbringend anlegen und würde morgen mehr als einen Euro bekommen (vgl. Mishkin 2008, S. 67f). Formal erhält man:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dieser einfache Zusammenhang erlaubt es den heutigen Preis eines Schuldtitels zu bestimmen, in dem man simpel die zukünftigen Auszahlungen aneinander reiht.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der in Gleichung (3.2) dargestellte Net Present Value (NPV) geht einen Schritt weiter und schließt nicht nur investitionstheoretisch die ausbezahlten Cash Flows in die Überlegung mit ein, sondern ebenfalls den für den Vermögenswert bezahlten Preis. Anhand dieser Formel kann man abwägen, ob eine Investition sinnvoll ist. Erst bei einem NPV ≥ 0 sind Investoren bereit, Vermögenswerte zu erwerben.

Der vierte zentrale Begriff ist der Diskontfaktor. In Gleichung (3.1) und (3.2) besteht dieser aus dem Nenner (1 + i) t. Dadurch versucht man die Zukunft bzw. die zukünftigen Zahlungsströme in heutigen Werten darzustellen. Unter der Annahme, dass sich der Zins i über die Zeit nicht ändert, kann man bspw. bei einem Zahlungsstrom der m‘ten Periode für t = m den Cash Flow für diese Periode abdiskontieren. „A discount factor dt [8] is equivalent to the present value of $1 to be received t years in the future […]” (Sharp et. al 1998, S. 92).

Die letzte und wichtigste Variable ist der Zins i selbst. In den meisten Fällen wählt man für i den Marktzins, also genau den Zins, zu dem man seinen Euro heute anlegen kann. Oft wird dieser auch als eine alternative risikoadequate Anlagemöglichkeit betrachtet.[9] Der Vergleich mit einer derartigen Anlage ist intuitiv richtig, da man zu diesem Marktzins jederzeit Investitionen tätigen kann. Hat man sich für einen Marktzins entschieden, besteht die Möglichkeit unterschiedliche Vermögenswerte mit verschiedenen Laufzeiten zu vergleichen und zu bewerten. „Once the market discount function has been determined, it is fairly straightforward to find the present value of any Treasury security […]” (siehe ebd.).

3.1.3. Spot Rates

Unter einer Spot Rate versteht man einen Zins oder eine Rendite über einen gewissen Zeithorizont. Anders als bei Gleichung (3.1) und (3.2) steht hier der Zins im Diskontfaktor im Mittelpunkt. Um diesen zu ermitteln, ist es hilfreich mit einem konkreten Beispiel fortzufahren:

Man nimmt einer Anleihe mit einer Laufzeit von 5 Jahren. Der Present Value ergibt sich aus dem Preis der Anleihe und für den Cash Flow wird eine regelmäßige jährliche Kuponzahlung in gleicher Höhe angenommen. An bezeichnet den Rückzahlungswert der Anleihe. Aus Gleichung (3.1) wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Insgesamt kann man fünf verschiedene Spot Rates berechnen n = 1, .. ,5. Die erste Spot Rate reicht von Periode t = 0 bis t = 1. Die zweite von Periode t = 0 bis t = 2, usw. Aus der heutigen Sicht sind die beiden Spot Rates fest an ihre Laufzeit gebunden, demnach kann man bei der zweiten Spot Rate von einem festen Zinskontrakt bis Periode 2 sprechen. „In principle, a sequence of spot rates can be calculated from observed market price of pure discount bonds of different maturities” (siehe Cuthbertson/Nitzsche 2004, S. 491). Möchte man allerdings einen einheitlichen Zins dieser fünfjährigen Anleihe ausweisen, wie in wissenschaftlichen Aufsätzen, in der Finanzpresse sowie in den täglichen Nachrichten beobachtet, benötigt man ein anderes Instrument, den Anleihezins zu bestimmen.

3.1.4. Rendite bis zur Fälligkeit (Yield to Maturity)

Wie am oberen Beispiel gezeigt, wird der Anleihepreis , auch „fair value“ genannt, der sich aus den Kuponzahlungen C, der Laufzeit n, dem Zins s sowie dem Rückzahlungswert A bestimmt. Ohne Beschränkung der Allgemeinheit ist dieses spezielle Beispiel auch auf andere Vermögenswerte anwendbar. Es spielt demnach keine Rolle ob nun der Staat oder ein Unternehmen diesee Anleihe begibt oder es sich um einen anderen Vermögenswert handelt, das Prinzip ist dasselbe. Das im vorherigen Kapitel genannte Problem der Spot Rates kann mit der „Rendite bis zu Endfälligkeit“ - Methode gelöst werden, „[b]ecause the concept behind the calculation of the yield to maturity makes good economic sense, economists consider it the most accurate measure of interest rates” (Mishkin 2008, S. 71). Gleichung (3.3) wird verallgemeinert und folgt Nelson (1972, S.4):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es werden hier, anders als in Gleichung (3.3), nicht einzelne Spot Rates gekennzeichnet, sondern es wird ein einheitliches Maß gewählt. Die Rendite bis zur Fälligkeit, das Q, wird errechnet. „[...] and for a bond, is referred to as the yield to maturity or redemption yield on the (n -period) bond.” (siehe Cuthbertson/Nitzsche 2004, S. 493). Zur Berechnung ist zu beachten, dass die Rendite von den Variablen (Pt, C, An, n) abgeleitet wird, sie den Preis aber nicht determiniert. Der Anleihepreis Pt wird von den Spot Rates st+i determiniert und danach mit Hilfe von Gleichung (3.3) in die dazugehörige Rendite überführt (vgl. ebd.). Der Vorteil besteht darin, einen Zins für jede Anleihe mit unterschiedlicher Laufzeit zu generieren.

Einige Merkmale sollten noch aufgezeigt werden. Zum einen sind bei Anleihen mit gleicher Laufzeit unterschiedliche Renditen bis zur Endfälligkeit festzustellen, wenn unterschiedliche Kuponzahlungen vorliegen (vgl. Nelson 1972, S.4). Zum anderen stellt Mishkin (2008, S. 75) drei Merkmale fest, die für alle Kupon-Anleihen zutreffen: Erstens, wenn Anleihen zu einem Ausgabepreis von 100 % „face value“ bepreist werden, entspricht die Rendite der Kuponzahlung. Zweitens und am Bedeutensten, der Preis einer Kupon-Anleihe steht in negativer Beziehung zur Rendite – wenn auf der einen Seite die Rendite steigt, sinkt auf der anderen Seite der Preis der Anleihe. Drittens: Die Rendite ist größer als die Kuponzahlung, wenn der Anleihepreis kleiner als 100 % ist. Der zweite Fakt ist entscheidend: die negative Korrelation zwischen Preis und Rendite. Betrachtet man Gleichung (3.4) ist dieser Zusammenhang ersichtlich. Ein Steigen der Rendite in einem oder in allen Nennern bewirkt ein Sinken des Anleihepreises, da sich somit der gesamte Term verkleinert.

3.1.5. Rendite für eine gehaltene Periode (Holding Period Return) und Forward Rates

Für die Erklärung der Zinsstrukturkurve (siehe Kapitel 3.3.) werden zwei weitere elementare Begriffe benötigt.

Die Rendite für eine gehaltene Periode einer Kupon-Anleihe errechnet sich aus dem Kapitalgewinn, entstanden durch Preisveränderungen, und die entsprechenden Kuponzahlungen. Bei einer Null-Kupon-Anleihe (ohne laufende Verzinsung), ausschließlich den Kapitalgewinn. Gleichung (3.) zeigt die Rendite für eine gehaltene Periode formal:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dabei stellt den besagten Kapitalgewinn dar und den Zufluss aus den Kupons. Dieses wird durch den Preis in der Periode dividiert, um den Zuwachs an Kapitalgewinn und oder den Kuponzahlungen zu ermitteln. Siehe Cochrane (2001, S.321f) für eine ausführliche Erläuterung.

Die Forward Rate „[...] is defined as the rate which you can contract today to borrow or lend money starting at period , to be paid back at period ” (siehe ebd.). Sie kann in unserem Beispiel daher als Zins von Periode 1 nach Periode 2 gesehen werden. Demnach ist sie der Abzinsungsfaktor für eine Anleihe in Periode 1 bei Erhaltung des Zinses in Periode 2 (vgl. Sharp1998, S. 93). Formal ausgedrückt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ist Ft die Forward Rate die von Morgen ( ) nach Übermorgen ( ) reicht. Im Sinne von Verträgen wird ein Vertrag heute geschlossen, morgen etwas zu bekommen, das allerdings erst übermorgen gezahlt wird. Und hier den Term darstellt (siehe Cochrane 2001, S.323).

Das Interessante an Forward Rates, für den Zusammenhang der Zinsstrukturkurve, ist ihre Eigenschaft, dass Present Values von Anleihepreisen immer in Forward Rates ausgedrückt werden können. Darstellung folgt Cochrane (siehe ebd):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2. Erklärung der Zinsstrukturkurve

Die Zinsstrukturkurve verbindet die Laufzeit einer Anleihe mit ihrer jeweiligen Verzinsung. Man spricht von einem Kurvenverlauf, da es sich um den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Laufzeiten handelt. Diese Vielzahl an Laufzeiten wird durch die Emission mehrerer Staatsanleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten erklärt (siehe Kapitel 3.1.). Aus diesem Grund nehmen die in Abbildung 1.1. dargestellten fünf Anleihen (ein bis fünfjähriger Laufzeit) eine im Durchschnitt verlaufende Form wie in Abbildung 1.2. an. Man betrachtet eine ansteigende Kurve, wobei der durchschnittliche Zins der einjährigen Laufzeit am Niedrigsten und der fünfjährigen am Höchsten ist. Ein derartiger Verlauf ist zwar häufig zu beobachten, allerdings nicht immer.

Abbildung 1 – Ein typischer Zinsstrukturverlauf

Am Beispiel der deutschen Zinsstruktur – Verlauf und Ø

Abb. 1.1.: Anleihen mit Laufzeiten von ein bis fünf Jahren. Zeitraum: 1973 - 2009

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.2.: Die durchschnittliche Zinsstrukturkurve (identische Laufzeiten)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

* Notiz: Eigene Darstellung. Die genauen Spezifikationen zu den Daten findet sich in Kapitel 3.4.2.1.

Quelle: Deutsche Bundesbank.

Geht man von zwei Laufzeiten aus, welche man als Spot Rates kennzeichnet. Kann eine Zinsstrukturkurve anhand einer Spot Rate der Laufzeit ( ) zu einer Spot Rate der Laufzeit ( ) entweder steigend ( < ) wie in Abbildung 1.2., sinkend ( > ) oder flach ( = ) verlaufen.

Nimmt man eine ansteigende Zinsstrukturkurve wie in Abbildung 1.2. an, hat man den Fakt, dass niedrigere Laufzeiten im Durchschnitt einen geringeren Zins ausweisen zwar festgestellt, erklärt hat man diesen allerdings noch nicht. Daher wendet man sich einer Erklärung zu, welche Zinsen unterschiedlicher Laufzeit miteinander verbindet.

Die folgenden drei Hypothesen versuchen dies zu lösen. Die Erwartungs-Hypothese erklärt Zinszusammenhänge mit zukünftigen Erwartungen bezüglich der Inflation. Die Liquiditätshypothese dagegen besagt, dass Investoren kurzfristige Verträge präferieren und es zu Liquiditäts/Risiko-Aufschlägen kommt, sofern es sich um längerfristige Kontrakte handelt. Die Marktsegmentierungs-Hypothese unterteilt wiederum unterschiedliche Laufzeiten in von einander getrennte Märkte. Anschließend werden alle Hypothesen näher betrachtet und sollten dabei drei empirische Fakten aus historischen Zinsstrukturverläufen von Anleihemärkten erklären können (siehe Mishkin 2008, S. 135): Erstens verlaufen Anleihezinsen unterschiedlicher Laufzeiten gemeinsam mit der Zeit. Zweitens hat die Zinsstruktur meist eine ansteigende Kurve, wenn kurzfristige Zinsen niedrig sind und eine sinkende Kurve, wenn kurzfristige Zinsen hoch sind. Drittens ist die Zinsstrukturkurve fast immer aufwärts gerichtet.

Eine Theorie oder eine Hypothese sollte allen drei empirischen Fakten gerecht werden.

3.2.1. Die Erwartungshypothese

Die Erwartungshypothese setzt implizit die Annahme voraus, dass Käufer von Anleihen indifferent hinsichtlich der Laufzeit von Anleihen sind, solange sie den selben erwarteten Ertrag aufweisen. Aufbauend auf diesem Grundsatz wird mit dem oben genannten Beispiel fortgefahren. Mishkin (2008, S.136) erörtert wie folgt: Auf der einen Seite kauft man eine Anleihe mit einjähriger Laufzeit, nach einem Jahr erwirbt man eine weitere Anleihe mit einjähriger Laufzeit, es wird eine sogenannte „rollover“ Strategie ausgeführt (siehe Sharp 1998, S. 103). Auf der anderen Seite erwirbt man eine Anleihe mit zweijähriger Laufzeit. Laut Annahme generiert man, egal welche Strategie gewählt wird, denselben erwarteten Ertrag. Dies bedeutet, dass man mit einer zweijährigen Anleihe den gleichen Ertrag erhält, wie mit den durchschnittlichen Erträgen der zwei einjährigen Anleihen. Die Annahme ist nicht nur für die ein -und zweijährige Laufzeit gültig, sondern für alle Laufzeiten. Sollte die Zinsstrukturkurve aufwärts gerichtet sein, besagt die Erwartungs-Hypothese einen zukünftig erwarteten steigenden kurzfristigen Zins voraus. Und daraus ergeben sich höhere langfristige Zinsen, da die durchschnittlichen kurzfristigen Erträge sich erhöhen werden. Die Frage aus welchem Grund sich Zinsen überhaupt verändern, beantwortet Sharp (1998, S. 103) mit der Aufmerksamkeit von Marktakteuren bezüglich nominaler Zinssätze, also realer Teil plus erwarteter Inflation. Demnach können Veränderungen dadurch zu Stande kommen, dass sich die erwartete Inflationsrate ändert. „Since expected future short rates are influenced by expectations of inflation (i.e. Fisher Effect[10] ), the yield curve is likely to be upward sloping when inflation is expected to increase in the future […]” (Cuthbertson/Nitzsche 2004, S. 500). Im Kontext des Beispiels weiter oben, bedeutet dies einen höheren Zins für zweijährige Anleihen als für einjährige. Die Spot Rate ( ) ist kleiner als die Spot Rate ( ) und deshalb beobachtet man eine steigende Zinsstrukturkurve. Eine detaillierte Diskussion über Erwartungshypothesen findet sich bei Wood (1983).

Der erste empirische Fakt wird durch die Erwartungs-Theorie gänzlich erklärt. Wenn die Marktakteure eine Erhöhung der kurzfristigen Zinsen erwarten, führt dies ebenfalls zu einer Erhöhung der langfristigen Zinsen, da sich der langfristige Zins aus den durchschnittlichen kurzfristigen Zinsen ableiten lässt. Demnach ist ein Gleichlauf der Zinsen unterschiedlicher Laufzeiten ohne weiteren Beweis ersichtlich.

Desweiteren wird das zweite Faktum vollständig erklärt. Bei niedrigen kurzfristigen Zinsen beobachtet man eine ansteigende Zinsstrukturkurve, bei hohen kurzfristigen Zinsen sinkt diese ab. Sind kurzfristige Zinsen niedrig, erwarten Marktakteure einen Anstieg auf ein normales Niveau in der Zukunft. Der Durchschnitt der zukünftigen kurzfristigen Zinsen ist relativ höher, als die aktuellen kurzfristigen Zinsen (vgl. Mishkin 2008, S. 139). Dies hat einen höheren langfristigen Zins und eine ansteigende Kurve zur Folge. Im Gegenzug erwarten Marktakteure, bei hohen kurzfristigen Zinsen, ein baldiges Sinken. Langfristige sinken unter die kurzfristigen Zinsen, da die erwarteten durchschnittlichen kurzfristigen Erträge geringer sind als die aktuellen (siehe ebd.). Folglich betrachtet man eine sinkende bzw. inverse Zinsstrukturkurve.

Die Erwartungshypothese kann die ersten zwei Fakten gründlich und ersichtlich erklären. Den Fakt, dass Zinsstrukturkurven meist steigen, jedoch nicht. In Bezug darauf müsste eine flache Zinsstrukturkurve beobachtet werden, denn kurzfristige Zinsen steigen genauso wie sie sinken.

3.2.2. Die Liquiditätshypothese

Die Liquiditätshypothese ist nicht nur eine Erweiterung der Erwartungshypothese, sondern auch der LFT (siehe 2.2.2.). Vor allem die grundlegende Arbeit von Hicks (1946) prägt die moderne Liquiditätshypothese. Durch das Konzept von Hicks können unsichere Erwartungen von Marktakteuren, bezüglich zukünftiger Spot Rates, in das Modell der Erwartungshypothese integriert werden. Der Theorie zur Folge ist das Verhalten von Geldnehmern langfristig ausgerichtet, da zum einen Projekte eine langfristige Form annehmen und zum anderen sie sich gegen Zinsänderungen absichern. Gegensätzlich richten sich Geldgeber nach kurzen Fristen. Somit kann das Risiko, die vergebenen Mittel spontan selbst zu benötigen, minimiert werden (siehe Hicks 1946, S. 144ff). Folgende Erklärung muss gelten „[t]he assumption of the liquidity […] theory imply that lenders must be paid a liquidity premium over expected future short-term rates and that this premium rises monotonically with term” (siehe Nelson 1972, S.20). Daraus folgt ein Zinsaufschlag für den Geldnehmer für jede zusätzliche Periode, die dieser länger Geld leihen möchte, als die vom Geldgeber präferierte kurzfristige Periode. Folglich ist eine Spot Rate für eine einjährige Anleihe ( ) geringer, als für eine zweijährige Spot Rate ( ). Die letztere besteht aus der Spot Rate der einjährigen Anleihe (mit der Annahme die zukünftigen Zinsen ändern sich nicht) und einem zusätzlichen Liqudititätsaufschlag, der aus dem oben argumentierten Abweichen der kurzen Frist folgt und daher > .

Geht man auf die von Mishkin (siehe oben) dargestellten empirische Fakten ein, lautet Fakt eins – ein über die Zeit gleichlaufender Zins, unterschiedlicher Laufzeiten, muss erklärt werden. Ein Anstieg der kurzfristigen Zinsen, impliziert einen im Durchschnitt erhöhten kurzfristigen Zins in der Zukunft und demnach einen ebenfalls höheren langfristigen Zins (vgl. Mishkin 2008, S.142). Dieses Argument findet man ebenfalls bei der Erwartungshypothese.

Der zweite Fakt, die Erklärung für eine ansteigende Zinsstrukturkurve bei niedrigen kurzfristigen Zinsen und vice versa bei hohen Zinsen ist: „Because investors generally expect short-term rates to rise to some normal level when they are low [...] the additional boost of a positive liquidity premium, long term interest rates will be substantially higher than current short-term rates, and the yield curve will then have a steep upward slope” (siehe ebd.). Bei hohen Zinsen verhält es sich umgekehrt. Trotz positivem Liquiditätsaufschlag ist eine sinkende Zinsstrukturkurve zu beobachten.

Den dritten Fakt, den die Erwartungshypothese nicht erklären kann, beweist die Liquiditätshypothese folgendermaßen: Durch den monotonen Anstieg des Liquiditätsaufschlages, über die Laufzeit, verlaufen langfristige Zinsen „natürlicherweise“ oberhalb kurzfristiger. Eben auch dann, wenn konstante Zinsen erwartet werden. Dadurch ist eine typische Zinsstrukturkurve aufsteigend.

3.2.3. Die Marktsegmentierungs-Hypothese

Der Marktsegmentierungs-Hypothese nach sind Anleihen mit unterschiedlichen Laufzeiten, in unterschiedliche Märkte unterteilbar. Diese Hypothese geht auf die Arbeit von Culbertson (1957) zurück. Dabei sind sie komplett von einander getrennt und der jeweilige Zins wird ausschließlich von der Nachfrage und dem Angebot desjenigen bestimmt, ohne den Einfluss auf andere Anleihen mit anderen Laufzeiten. Die wichtigste Annahme dieser, von Culbertson (1957) aufgestellten, Hypothese: Anleihen, unterschiedlicher Laufzeit, werden nicht als Substitute behandelt. Demnach spielt das Halten einer Anleihe keine Rolle für das Halten eines anderen. Im Gegensatz zur Erwartungshypothese, bei der Anleihen als perfekte Substitute angenommen werden (vgl. Mishkin 2008, S.139). „The argument for why bonds of different maturities are not substitutes is that investors have strong preferences for bonds of one maturity but not for another […]” (siehe ebd.).

Investoren haben dabei eine bestimmte Halte-Periode (nach Gleichung 3.5) im Sinn, die ihren Präferenzen entspricht. So haben beispielsweise Lebensversicherer einen sehr langen Anlage-Horizont, da die Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen ebenfalls sehr langfristiger Natur sind (Asset-Liability-Management).

Mit Blick auf die Annahmen kann man einen gemeinsamen Verlauf, von Zinsen mit verschiedener Laufzeit, nicht erklären und somit wird der erste Fakt von der Marktsegmentierungs-Hypothese verworfen. Dies ist ebenfalls der Grund für die Ablehnung des zweiten Faktes. Es kann nicht erklärt werden, wieso die Zinsstrukturkurve aufwärts gerichtet sein soll, wenn kurzfristige Zinsen niedrig sind. Denn es besteht auch hier kein Zusammenhang zwischen kurz- und langfristigen Anleihen.

Nur der dritte Fakt kann ausführlich begründet werden. Investoren präferieren weiterhin kurzfristige Anleihen. Denn in den sich aufteilenden Anleihemärkten ist dort das geringste Risiko vorhanden. Folglich ist die Nachfrage nach langfristigen Anleihen relativ geringer als nach kurzfristigen. Preise für langfristige Papiere sind demnach relativ niedrig und wie in den vorherigen Kapiteln bewiesen, Zinsen relativ hoch. Dies hat eine typisch ansteigende Zinsstrukturkurve zur Folge (vgl. Mishkin 2008, S. 139f).

3.3. Die erweiterte Erwartungshypothese im ökonometrischen Test

In den vorherigen Kapiteln werden Theorien zur Zinsstrukturkurve anhand von empirischen Fakten untersucht. Die Liquiditätshypothese kann alle drei Fakten erklären und liefert deshalb eine kompakte Erklärung für eine Zinsstrukturtheorie. Geht man erneut auf die Beweisführung ein, stellt man fest, dass bei Fakt eins und zwei dieselbe Argumentation, wie bei der Erwartungshypothese, als auch bei der Liquditätshypothese, verwendet wird. Jedoch nur Fakt drei kann durch die Liquiditätshypothese plausibel gerechtfertigt werden.[11] In der Literatur wird häufig eine Erwartungshypothese erwähnt, die sich aus der von uns dargestellten Erwartungshypothese und einer Laufzeitprämie beschreiben lässt (vgl. Deutsche Bundesbank 2006, S.18). Cuthbertson/Nitzsche vereinfacht: „Because the PEH, EH and the LPH are so similar, we may often refer to them simply as the EH” (siehe Cuthbertson/Nitzsche 2004, S. 497).[12] Um Verwechslungen vorzubeugen wird diese Theorie als erweiterte Erwartungshypothese bezeichnet.

Die Theorie gibt nicht nur intuitiv Sinn, sondern bestätigt die von Mishkin aufgestellten empirischen Fakten und ist in der Literatur eine weit verbreitete Erklärung für den Zusammenhang von kurz- und langfristigen Zinsen. Doch Theorien können erst dann richtig erfasst werden, wenn Daten ökonometrisch getestet werden und man danach von Signifikanz reden kann. Man folgt Cuthbertson/Nitzsche (2004, S.501ff) für eine übersichtliche Zusammenfassung der ökonometrischen Tests und Ergebnisse.

3.3.1. Unterschiedliche ökonometrische Methoden

Die nachfolgenden ökonometrischen Methoden versuchen den Zusammenhang der erweiterten Erwartungshypothese zu klären. Ihr zur Folge stehen sich Anleihen mit unterschiedlicher Laufzeit als perfekte Substitute gegenüber. Dies bedeutet, eine einjährige Anleihe darf nicht weniger Rendite generieren als eine zehnjährige Anleihe, obwohl der aktuelle langfristige Zins über dem kurzfristigen liegt. Die Überschussrendite ist gleich null.

3.3.1.1. Single-Equation Tests

Die Untersuchung des beschriebenen Zusammenhangs wird anhand einer linearen Relation innerhalb einer Gleichung getestet.

Neben vielen anderen Verbindungen innerhalb der erweiterten Erwartungshypothese, kann bspw. getestet werden, ob die Rendite einer gehaltenen Periode dem Einperiodenzins mit einer Laufzeitprämie entspricht. Man erweitert die Rendite für eine gehaltene Periode aus Gleichung (3.5). Umgeschrieben erhält man:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

eine um Erwartungen erweiterte Halteperiode einer Null-Kupon-Anleihe (da t = 0) in logarithmierter Form. Die um einen Risiko- bzw. Laufzeitaufschlag erweitert wird.

Aus Gleichung (3.8) wird eine Regressionsgleichung formuliert:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wobei die durchschnittlich erwarteten Änderungen des Einperiodenzinses angibt, die aktuelle Rendite einer gehaltenen Periode (oder anders ausgedrückt, die Zinsspanne zwischen den Anleihen mit Laufzeiten ( ) und ( )) angibt, der Vektor für bekannte Variablen im Zeitpunkt steht und den gewichteten Durchschnitt der rationalen Erwartungsfehler der kurzfristigen Zinsen darstellt. Testet man anhand der Regressionsgleichung (2.11), die von der Theorie vorgeschlagene Verbindung zwischen den Laufzeiten, erwartet man für die erweiterte Erwartungshypothese ein und ein . Die Renditen müssen sich entsprechen. Es gibt keine Überschussrenditen. Konkretere Ausführungen der Gleichungen und exaktere Umformulierungen findet sich bei Cuthbertson/Nitzsche (2004, S.502ff).

3.3.1.2. Vektor-Autoregressiver-Ansatz

Der Vektor-Autoregressive-Ansatz, meist nur als VAR bekannt, ist nicht nur in der ökonometrischen, sondern auch in der makroökonomischen Literatur sehr verbreitet und gibt einen relativ simplen Ansatz für komplexe Strukturen. Bei dem von Sims (1980) entwickelten Modell handelt es sich um eine univariate Autoregression in einer einzigen Gleichung. Ein lineares Modell mit nur einer Variablen, deren aktueller Wert von ihren eigenen zeitversetzten Werten erklärt wird (vgl. Stock/Watson 2001, S.2). Allgemeiner „A VAR is an n -equation, n -variable linear model in which each variable is in turn explained by its own lagged values, plus current and past values of the remaining variables” (siehe ebd.). Bspw. werden VAR-Ansätze nach Campbell/Shiller (1987, 1988a und 1988b) und einem konstanten Laufzeitaufschlag anhand eines Wald-Tests oder eines Liklihood Ratio Tests bezüglich der erweiterten Erwartungshypothese getestet. Der Wald-Test geht dabei auf die Varianz-Kovarianz Matrix des Systems ein. Ein exemplarisches Vorgehen findet sich bei Dolado/Lütkepohl (1996). Der Likelihood Ratio Test dagegen vergleicht ein restriktives VAR-System mit einem nicht restriktiven (vgl.Cuthbertson/Nitzsche 2004, S.507f).

Eine weitere Möglichkeit ist der Test von VAR-Systemen mit variierendem Laufzeitaufschlag.

3.3.2. Tests und Ergebnisse der erweiterten Erwartungshypothese

Die vorgestellten Zusammenhänge und die daraus resultierenden Tests versuchen die folgende Literatur zu kategorisieren und die unterschiedlichen Ergebnisse zu formulieren. Anhand eines eigen gewählten Modells wird versucht, einen beispielhaften Test der erweiterten Erwartungshypothese aufzuzeigen und diesen in den Kontext der bekannten Literatur zu stellen. Die vorhandene Literatur könnte gegensetzlicher nicht sein. Die Auswertung der unterschiedlichen Methoden und Datensätze ergibt, dass die erweiterte Erwartungshypothese ungefähr genauso häufig bestätigt wie abgelehnt wird. Die nachfolgende Zusammenfassung folgt erneut Cuthbertson/Nitzsche (2004, S.515ff). Es werden zuerst Tests einfacher linearer Modelle veranschaulicht, zu welchen auch der eigens gewählte Test zählt, des Weiteren werden VAR-Ansätze und die daraus resultierenden komplexeren VAR-Ansätze mit variierendem Laufzeitrisiko dargestellt.

3.3.2.1. Modell von Cochrane/Piazessi

Aufbauend auf den ersten und grundlegenden Regressionen von Fama/Bliss (1987) und Campbell/Shiller (1991) auf US-Daten wird ein Modell von Cochrane/Piazessi (2005) getestet. In diesem Single-Equation Modell wird der Zusammenhang zwischen Spot Rates und Forward Rates untersucht (vgl. Cochrane/Piazessi 2005, S.138).

Man testet die erweiterte Erwartungshypothese anhand Deutscher-Daten. Dazu verwendet man, die von der Deutschen Bundesbank (Bundesbank-Zinsberechnung 1997) verwendete Svensson-Methode (1994) zur Zinsberechnung von hypothetischen Null-Kupon-Anleihen mit ein- bis fünfjähriger Laufzeit.[13] Man wählt dazu monatliche Daten von 1973 bis 2009.[14] Diese sind in Abbildung 1 grafisch dargestellt.

Die aus Gleichung (3.6) und (3.7) dargestellte Formulierung zwischen Anleihepreisen und Forward Rates in logarithmierter Form:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

wird umgeschrieben und stellt die von der erweiterten Erwartungshypothese gefoderten Verbindung zwischen Spot Rates und Forward Rates dar:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eine Forward Rate (linke Seite) wird durch die Spot Rate (rechten Seite) vollkommen erklärt. Anders ausgedrückt liefert eine Forward Rate der Laufzeit , eine perfekte Prognose einer Spot Rate der Laufzeit .

Cochrane/Piazessi (2005) liefern in ihrem Modell einen Gegenbeweis: Forward Rates werden von Überschussrenditen erklärt. Akzeptiert man daher die Nullhypothese wird die erweiterte Erwartungshypothese abgelehnt und Forward Rates können anhand von Überschussrenditen erklärt werden.

Dazu verwendet man die Rendite einer gehaltenen Periode aus Gleichung (3.5) und subtrahiert davon den Einperiodenzins (hier den Einjahreszins) und erhält eine Definition für eine Überschussrendite:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Überschussrendite wird anschließend auf die Forward Rates regressiert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Durch die Eigenschaft, dass jede Forward Rate, die Überschussrendite prognostizieren kann, kann man alle Überschussrenditen aller Perioden in nur einem Faktor darstellen. (siehe Cochrane/Piazessi 2001, S. 142).

Durch eine zweistufige Regression[15] erhält man die in Tabelle 1 dargestellten Ergebnisse.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1 – Schätzergebnisse der 2-stufigen Regression

Die Schätzungen ergeben für alle Forward Rates signifikante Werte (p-Wert bei 0.06) mit geringen Standardfehlern (SF). Dieser Feststellung nach, müsste man die erweiterte Erwartungshypothese ablehnen. Es sollte allerdings kritisch angemerkt werden: Ein niedriges mit 0.11, sowie das Zustimmen der Hypothese bei einem kritischen Wert von 5% und 1 % sind Merkmale, die die Ablehnung der erweiterten Erwartungstheorie abschwächen. Dahlquist/Hasseltoft (2010, S.9) präsentieren analoge Ergebnisse für einen ähnlichen Zeitraum (1975 bis 2009). Dass die Ergebnisse eher einer Zustimmung der erweiterten Erwartungstheorie gleichen wird von der Literatur für Deutsche Daten bestätigt – siehe Cuthbertson et. al (1998, 2000), Kugler (1988), Brüggemann/Lütkepohl (2005) und Gerlach/Smets (1995).

Widersprüchlich dazu kommen die Autoren Cochrane/Piazessi, des ursprünglichen Papiers, auf signifikante Forward Rates mit hohem von 0.35 und hohem von 105.2 (vgl. Cochrane/Piazessi 2005, S.143f) und deshalb „[u]nder the expectation hypothesis, yes, the -year forward rate is an optimal forecast of the one-year spot rate years from now, so no other variable should enter that forecast. But the expectation hypothesis is false, and we’re forecasting one-year excess returns, and not spot rates” (siehe Cochrane/Piazessi 2005, S.140).

Der Datensatz von Piazessi/Cochrane reicht von 1964 bis 2003 und besteht aus monatlichen Null-Kupon-Zinsen der ursprünglichen Fama/Bliss (1987) Datenbank. Die Ergebnisse bezüglich der Ablehnung der erweiterten Erwartungshypothese gleichen der Literatur von US-Daten (vgl. Fama/Bliss (1987), Campbell/Shiller (1991)). Im Gegensatz dazu zeigen Cuthbertson/Nitzsche (2004) sowie Bekaert, Hodrick und Marshall (1997), dass die erweiterte Erwartungshypothese erfüllt wird. Zwar ist sie für längere Laufzeiten (ab n = 15) nicht signifikant, jedoch von n = 2 .. 10 ist sie durchaus exakt erklärt und wird durch geringe Standardabweichungen unterstützt. Allerdings werden dazu Daten aus dem Vereinigten Königreich (UK) und nicht aus den USA verwendet.

Wendet man sich den VAR-Analysen mit konstantem Laufzeitaufschlag zu, entdeckt man auch hier sehr kontroverse Ergebnisse. Zum einen bestätigen Untersuchungen an UK Spot Rates von Cuthbertson (1996), Cuthbertson et. al (1998,2001) für Deutsche-Daten und Cuthbertson/Bredin (2000,2001) für Irische-Daten die Existenz der erweiterten Erwartungshypothese. Zum anderen zeigt Taylor (1992), ebenfalls an UK-Daten, das längere Laufzeiten (5, 10 und 15 Jahren) eine Ablehnung der besagten Theorie fordern. Der Wald Tests generiert Werte größer gleich 1,4 und dadurch eine Ablehnung der restriktiven p-Werte von 0,000. Desweiteren findet der VAR-Ansatz von Campbell/Shiller (1991) und Bekaert et. al (1997) keine Zustimmung für die erweiterte Erwartungshypothese. Anders als Taylor (1992) verwenden diese kurzfristige Horizonte.

Eine breite Literatur findet sich bei dem Versuch die erweiterte Erwartungshypothese mit variierender Laufzeitprämie zu überprüfen.

Kugler (1988) kann anhand von ein– und dreimonatigen Depositzinsen die erweiterte Erwartungshypothese nur für Deutsche-Daten bestätigen. US-Daten und Schweizer-Daten erzielen keine signifikanten Werte. Ähnlich wie Engsted/Tanggard (1995) und Engsted (1994) für Dänische-Daten, kann die Zustimmung der erweiterten Erwartungshypothese durch das von Mankiw/Marlon (1986) beschriebene Phänomen erklärt werden. In ihrer Veröffentlichung argumentieren diese, eine bessere Erklärung der erweiterten Erwartungstheorie finde sich eher unter einem geldpolitischen Regime, das dem Zins ein Ziel zuweist. Eine analoge Erklärung präsentiert auch Rudebusch (1995). Weitere Zustimmung findet die Theorie bei Tzavalis/Wickens (1997) anhand von drei-, sechs- und zwölfmonatigen „Treasury Bills“.[16] Ähnlich wie Longstaff (2000), Driffell/Sola (1994) und Hamilton (1988) kann man der erweiterten Erwartungshypothese nur zustimmen, wenn die Periode zwischen 1979 und 1982, bezüglich sehr volatiler US-Zinsen, ausgelassen wird. Gerlach (2003) erläutert dieses Problem anhand von Daten aus Hongkong.

Beweis gegen die erweiterte Erwartungstheorie, wegen eines variierenden Laufzeitaufschlags, findet sich bei Engle et. al (1987), Hall et. al (1992) und Tzavalis/Wickens (1995).

Die anschließende Tabelle zeigt die dargestellte, sehr kontroverse Literatur auf einen Blick. Eine detaillierte Beschreibung liefert Cuthbertson/Nitzsche (2004, S.532 ff.).

Tabelle 2 – Die erweiterte Erwartungshypothese im Überblick

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Cuthbertson/Nitzsche (2004)

Die erweiterte Erwartungshypothese liefert einen Zinsstrukturzusammenhang, der den relativen Zinsunterschied zwischen verschiedenen Laufzeiten anhand von zukünftigen Erwartungen bezüglich der Zinsstruktur und Laufzeitaufschlägen erklärt.

[...]


[1] Anders als bei Fisher (1930) wird hier ausschließlich Zins in Form von Geld dargestellt.

[2] Fisher (1930) grenzt Zins von Zinssatz ab. Hier wird es als Synonym betrachtet.

[3] Für eine ausführliche Diskussion.

[4] Nach Irving Fisher benannt.

[5] Bezeichnung der Ökonomen des 19. bzw. Anfang des 20. Jahrhunderts.

[6] Bspw. in Aufsätzen wie “Mr. Keynes and ’Finance’” von D. Robertson (1938) oder auch “ Mr. Keynes and the Rate of Interest“ (siehe ebd 1946). Dagegen Keynes „The General Theory of Employment, Interest and Money” (1936).

[7] Obwohl dies bei vielen Staaten ähnlich ist.

[8] Hier: (1 + i)t

[9] Dazu werden häufig Staatsanleihen von stabilen Staaten herangezogen, welche mehr oder weniger ein geringes Risiko beinhalten.

[10] In Bezug auf die Fisher-Gleichung (2.1) geht man beim Fisher-Effekt von einer proportionalen Relation zwischen den Veränderungen von nominalem Zinssatz und erwarteter Inflationsrate aus. Mathematisch bedeutet dies: .

[11] Die Marktsegmentierungs-Hypothese wird außen vor gelassen.

[12] Die Autoren unterscheiden in Pure Expectation Hypothesis (PEH) und Expectation Hypothesis (EH). Wobei die PEH einen Laufzeitaufschlag von null animmt, geht die EH von einer konstanten Prämie aus. LPH steht für Liquidity Preference Hypothesis.

[13] Eine ausführliche Diskussion über Verwendung und Anwendung von Datensätzen, siehe Kapitel 4.

[14] Die von der Deutschen Bundesbank öffentlich bereitgestellten Null-Kupon Zinsen (siehe Deutsche Bundesbank Zinsen 2010) werden mit der Formel mit n = 1,2, ... ,5 in Bond-Preise transformiert. Das ausführende Programm ist Excel. Der von Cochrane/Piazessi (2005) öffentlich bereitgestellte Matlab-Code (siehe http://www.stanford.edu/~piazzesi/) wird den Daten gemäß angepasst und deshalb leicht modifiziert.

[15] Zuerst werden die durchschnittlichen Überschussrenditen (über die Laufzeit) auf die Forward Rates regressiert und der Parameter generiert, in einer anschließenden Ordinary Least Squares (OLS) Regression wird der „single-factor“bn ermittelt.

[16] Die Bezeichung für kurzfristige Bonds des US-amerikanischen Schatzamtes (Treasury).

Fin de l'extrait de 112 pages

Résumé des informations

Titre
Bestimmungsgründe der Zinsstruktur: eine finanzwirtschaftliche und makroökonomische Perspektive
Université
University of Freiburg  (Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät)
Note
1,7
Auteur
Année
2010
Pages
112
N° de catalogue
V232315
ISBN (ebook)
9783656483380
ISBN (Livre)
9783656483434
Taille d'un fichier
1449 KB
Langue
allemand
Annotations
Mots clés
bestimmungsgründe, zinsstruktur, perspektive
Citation du texte
Claus Rominger (Auteur), 2010, Bestimmungsgründe der Zinsstruktur: eine finanzwirtschaftliche und makroökonomische Perspektive, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232315

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