Freundschaft, Liebe und Sexualität sind untrennbar mit dem Menschsein verbunden. Gerade der Sexualität kommt im Zuge der sexuellen Liberalisierung der letzten Jahrzehnte ein gewichtiger Anteil bei der ganzheitlichen Erfassung des Menschen zu. Diese Ganzheitlichkeit muss auch für Menschen mit geistiger Behinderung von Gültigkeit sein. Dennoch ist es eine Tatsache, dass diesen Personen sowohl von Laien als auch vielfach noch von Professionellen unterstellt wird, das geistige Handicap bewirke stets eine behinderungsspezifische Modifikation des Sexualverhaltens, welches deshalb am besten gar nicht erst zu Tage treten sollte. Diese Haltung vehement kritisierend betont FEUSER dagegen, die Sexualität eines geistig behinderten Menschen und seine daran orientierten Wünsche seien "[...] so wirklich wie die unsrigen. Sie ihm derart abzusprechen ist in gleicher Weise ein Schritt seiner Entmündigung wie seiner Entmenschlichung." 1 Schon hier wird deutlich, dass wir Menschen ohne geistige Behinderung es sind, welche die Geschlechtlichkeit von und zwischen geistig behinderten Erwachsenen als problematisch ansehen. In dieser Arbeit möchte ich aufzeigen, dass die Schwierigkeiten bezüglich der Sexualität dieser Personengruppe nicht primär in der Behinderung selbst liegen, sondern ihre Ursachen in den alltäglichen Einschränkungen, Abhängigkeiten und fremdbestimmten Lebensbedingungen dieser Menschen haben. Diese allgemeine Einschränkung der selbstbestimmten Lebensführung erhält oft noch eine zusätzliche Steigerung, wenn der Betreffende in einer stationären Großeinrichtung untergebracht ist. Im Hauptteil dieser Arbeit möchte ich deshalb insbesondere die institutionellen Einschränkungen des partnerschaftlichen und sexuellen Lebens der Bewohner solcher Einrichtungen diskutieren.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Begriffsbestimmungen
- 2.1 Definition von Freundschaft
- 2.2 Definition von Sexualität
- 2.3 Definition von geistiger Behinderung
- 3. Die Entwicklung der menschlichen Sexualität
- 3.1 Sexuelle Entwicklung im Kindesalter
- 3.2 Entwicklung während der Pubertät
- 3.2.1 Allgemeiner Teil
- 3.2.1 Aspekte der psychosozialen Pubertätsentwicklung
- 3.2.2 Behinderungsspezifische Probleme während der Pubertät
- 4. Bedeutung von Freundschaft und Sexualität für Menschen mit geistiger Behinderung
- 4.1 Bedeutung von Freundschaft
- 4.2 Bedeutung von Sexualität
- 5 Sexualität und sexuelle Partnerschaft bei erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung
- 5.1 Sexualverhalten geistig behinderter Menschen
- 5.1.1 Sexualität als Kommunikationsmittel und im sogenannten Mittelbereich
- 5.1.2 Genitalsexualität
- 5.2 Störungen im Sexualbereich
- 5.4 Exkurs: Sexuelle Ausdrucksformen geistig schwerstbehinderter Menschen
- 5.1 Sexualverhalten geistig behinderter Menschen
- 6. Kinderwunsch und Elternschaft geistig behinderter Menschen
- 6.1 Allgemeiner Teil
- 6.2 Rechtliche und persönliche Lage von Eltern mit geistiger Behinderung
- 7. Empfängnisverhütung
- 7.1 Allgemeiner Teil
- 7.2 Reversible Methoden der Empfängnisverhütung
- 7.3 Sterilisation
- 7.3.1 Allgemeiner Teil
- 7.3.2 Historische Dimension der Sterilisation
- 7.3.3 Sterilisation nach dem Betreuungsgesetz von 1992
- 8. Institutionelle Einschränkungen der Sexualität geistig behinderter Menschen
- 8.1 Rechtlicher und konzeptioneller Anspruch auf ein normalisiertes (Sexual)Leben der Bewohner
- 8.2 Diskrepanz zwischen diesen Ansprüchen und der Heimrealität
- 8.2.1 Einschränkungen durch institutionelle Rahmenbedingungen
- 8.2.2 Einschränkungen durch das Verhalten der Mitarbeiter
- 8.2.3 Auswirkungen auf die Bewohner
- 9. Sexueller Mißbrauch in Einrichtungen der Behindertenhilfe
- 9.1 Allgemeiner Teil
- 9.2 Ursachen des erhöhten Mißbrauchsrisikos geistig behinderter Menschen in Großeinrichtungen
- 9.3 Präventions- und Interventionsmöglichkeiten
- 10. Exkurs: AIDS
- 11. Interventionsmöglichkeiten im Hinblick auf die Entwicklung eines selbstbestimmten Sexuallebens geistig behinderter Menschen
- 11.1 Ansatzpunkte bei den institutionellen Rahmenbedingungen
- 11.2 Ansatzpunkte bei den Mitarbeitern
- 11.3 Ansatzpunkte bei den Bewohnern
- 12. Mitarbeiterbefragung in einer Großeinrichtung zu dem Thema "Freundschaft und Sexualität geistig behinderter Menschen in einer Großeinrichtung."
- 13. Schlußbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit der komplexen Beziehung zwischen Freundschaft und Sexualität bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung, insbesondere unter den Bedingungen einer Großeinrichtung. Sie strebt an, die besonderen Herausforderungen und Bedürfnisse dieser Personengruppe im Hinblick auf ihre sexuelle Entwicklung und Lebensgestaltung aufzuzeigen. Die Arbeit beleuchtet unter anderem folgende Themen: * Die Definition von Freundschaft und Sexualität im Kontext geistiger Behinderung * Die Entwicklung der menschlichen Sexualität im Allgemeinen und die Besonderheiten bei Menschen mit geistiger Behinderung * Die Bedeutung von Freundschaft und Sexualität für die Lebensqualität von Menschen mit geistiger Behinderung * Die Herausforderungen der sexuellen Selbstbestimmung in institutionellen Rahmenbedingungen * Die Problematik von sexuellem Missbrauch in Einrichtungen der Behindertenhilfe * Interventionsmöglichkeiten zur Förderung eines selbstbestimmten Sexuallebens von Menschen mit geistiger BehinderungZusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Einleitung: Die Einleitung stellt das Thema der Diplomarbeit vor und beleuchtet die Problematik der sexuellen Entmündigung von Menschen mit geistiger Behinderung, insbesondere in Großeinrichtungen. Die Autorin schildert ihre Motivation, sich mit dem Thema zu beschäftigen, basierend auf persönlichen Erfahrungen während ihrer Hospitation in einer Wohngruppe.
- Kapitel 2: Begriffsbestimmungen: In diesem Kapitel werden die zentralen Begriffe "Freundschaft", "Sexualität" und "geistige Behinderung" definiert und in ihrem Kontext erläutert.
- Kapitel 3: Die Entwicklung der menschlichen Sexualität: Dieses Kapitel befasst sich mit der sexuellen Entwicklung im Kindesalter und während der Pubertät, wobei auch die besonderen Herausforderungen für Menschen mit geistiger Behinderung während der Pubertät beleuchtet werden.
- Kapitel 4: Bedeutung von Freundschaft und Sexualität für Menschen mit geistiger Behinderung: In diesem Kapitel wird die Bedeutung von Freundschaft und Sexualität für die Lebensqualität und das Wohlbefinden von Menschen mit geistiger Behinderung hervorgehoben.
- Kapitel 5: Sexualität und sexuelle Partnerschaft bei erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung: Dieses Kapitel behandelt verschiedene Aspekte des Sexualverhaltens von Menschen mit geistiger Behinderung, darunter die Bedeutung von Sexualität als Kommunikationsmittel und die Herausforderungen im Zusammenhang mit Genitalsexualität.
- Kapitel 6: Kinderwunsch und Elternschaft geistig behinderter Menschen: In diesem Kapitel wird die Frage nach dem Kinderwunsch und der Elternschaft von Menschen mit geistiger Behinderung beleuchtet, wobei die rechtlichen und persönlichen Aspekte im Fokus stehen.
- Kapitel 7: Empfängnisverhütung: Dieses Kapitel bietet einen Überblick über verschiedene Methoden der Empfängnisverhütung, darunter reversible Methoden und Sterilisation. Besonderes Augenmerk liegt auf der historischen Dimension und der aktuellen rechtlichen Situation der Sterilisation im Kontext geistiger Behinderung.
- Kapitel 8: Institutionelle Einschränkungen der Sexualität geistig behinderter Menschen: Dieses Kapitel analysiert die institutionellen Einschränkungen der Sexualität von Menschen mit geistiger Behinderung in stationären Großeinrichtungen, wobei sowohl rechtliche und konzeptionelle Ansprüche als auch die tatsächliche Heimrealität beleuchtet werden.
- Kapitel 9: Sexueller Mißbrauch in Einrichtungen der Behindertenhilfe: In diesem Kapitel werden die Ursachen des erhöhten Mißbrauchsrisikos geistig behinderter Menschen in Großeinrichtungen sowie Präventions- und Interventionsmöglichkeiten diskutiert.
- Kapitel 10: Exkurs: AIDS: Dieser Exkurs behandelt die Problematik von HIV/AIDS im Zusammenhang mit Menschen mit geistiger Behinderung.
- Kapitel 11: Interventionsmöglichkeiten im Hinblick auf die Entwicklung eines selbstbestimmten Sexuallebens geistig behinderter Menschen: Dieses Kapitel widmet sich verschiedenen Interventionsmöglichkeiten, um die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung zu fördern. Dabei werden Ansatzpunkte auf institutioneller Ebene, auf der Ebene der Mitarbeiter und der Bewohner selbst beleuchtet.
- Kapitel 12: Mitarbeiterbefragung in einer Großeinrichtung zu dem Thema "Freundschaft und Sexualität geistig behinderter Menschen in einer Großeinrichtung.": Dieses Kapitel präsentiert die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung in einer Großeinrichtung, die sich mit der Thematik von Freundschaft und Sexualität geistig behinderter Menschen beschäftigt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Bereiche der Sexualität und Freundschaft im Kontext von geistiger Behinderung, wobei sie insbesondere die institutionellen Rahmenbedingungen, die Auswirkungen auf das selbstbestimmte Leben und die Problematik von sexuellem Missbrauch in Einrichtungen der Behindertenhilfe beleuchtet. Wichtige Schlüsselwörter sind daher: geistige Behinderung, Sexualität, Freundschaft, Selbstbestimmung, Großeinrichtung, Institution, Missbrauch, Prävention, Intervention.- Citation du texte
- Julja Hufeisen (Auteur), 2003, Freundschaft und Sexualität bei Erwachsenen mit geistiger Behinderung unter den Bedingungen einer Großeinrichtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23242