Frauenüberschuss an der Grundschule?

Forderung nach mehr männlichem Lehrpersonal zur besseren Jungenförderung in der feminisierten Grundschule


Hausarbeit, 2012

19 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Feminisierung des Lehrerberufs
2.1 Historische Entwicklung ab dem 19. Jahrhundert
2.2 Aktueller Frauen- und Männeranteil an der Grundschule
2.3 Die Grundschule als weibliches Biotop

3 Forderung nach mehr männlichen Lehrkräften
3.1 Argumente, mit denen diese Forderung gestützt wird
3.2 Überprüfung durch empirische Studien

4 Fazit

5 Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Lange Zeit wurde der Beruf des Lehrers überwiegend von Männern ausgeübt. Gesellschaftlicher Wandel und wirtschaftlicher Aufstieg brachten in den letzten Jahrhunderten immer mehr Frauen in das Tätigkeitsfeld der Erziehung. Damit einhergehend ist immer wieder die Rede von der Feminisierung der Schule. Dieser Trend setzt sich, insbesondere in Kindergärten und Grundschulen, bis heute fort. Bereits zu Beginn der 90er Jahre lässt sich an den Grundschulen ein Lehrerinnenanteil von 82% verzeichnen, was bedeutet, dass „die Grundschulen […] fast durchgängig in weiblicher Hand [liegen]“[1] Spätestens seit den ersten Ergebnissen der PISA-Studie geriet außerdem immer mehr das Problem der Benachteiligung von Jungen in unserem Schulsystem in den Fokus bildungspolitischer Diskussionen. Neben dem zunehmenden Bildungserfolg von Mädchen, welcher sich durch bessere Schulnoten und letztendlich durch höhere Übergangsquoten auf das Gymnasium abzeichnet, betrachtet man demzufolge auch den zunehmenden Bildungsmisserfolg von Jungen. Seit einigen Jahren stellt man sich deshalb die Frage, in welchem Zusammenhang der hohe Frauenanteil an Schulen mit dem schulischen Erfolg der Mädchen zu sehen ist. Durchaus kamen Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass mit der Zunahme weiblicher Lehrkräfte auch der Anteil an Abiturientinnen stieg.[2] Wirkt sich dieser Trend eventuell negativ auf den Schulerfolg von Jungen aus? Fehlt es zunehmend an männlichem Lehrpersonal, welche die Schüler in ihrer Entwicklung unterstützen müssten? Die Forderung nach mehr Männern in der Grundschule findet viele Argumentationen, welche es durch die Forschung zu beweisen gilt. In meiner Hausarbeit möchte ich mich damit beschäftigen, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Pädagoginnen und Pädagogen diese Forderung begründen und vor allem, ob sich durch empirische Studien belegen lässt, dass die Notwendigkeit der Erhöhung des Männeranteils in der Grundschule zur besseren Jungenförderung wirklich besteht. Zuvor möchte ich jedoch darauf eingehen, wie sich der Beruf des Lehrers im Laufe der letzten Jahrhunderte immer mehr zu einem Frauenberuf entwickelt hat. Folgend soll die Grundschule als ein weibliches Biotop betrachtet werden. An diese Ausführungen schließt dann der Hauptteil meiner Arbeit an, welcher sich mit der zentralen Frage beschäftigt: Werden mehr männliche Lehrkräfte an den Grundschulen benötigt, um dem Bildungsmisserfolg der Jungen entgegenzuwirken? In einem abschließenden Fazit werde ich die jeweiligen Schlüsse aus den Ergebnissen ziehen.

2 Feminisierung des Lehrerberufs

2.1 Historische Entwicklung ab dem 19. Jahrhundert

Lange Zeit war der Beruf des Lehrers männlich dominiert. Während des 19. Jahrhunderts kam es zu tiefgreifenden Veränderungen von wirtschaftlichen Verhältnissen, wobei insbesondere die Industrialisierung und auch sozialisatorische Prozesse dafür sorgen, dass die ersten Grundpfeiler der Feminisierung des Lehrerberufs gesetzt wurden.[3] Frauen begannen während dieser Zeit, auch außerhalb des Haushaltes erwerbstätig zu werden. Dies war in erster Linie nötig, weil die wirtschaftliche Situation innerhalb der Familie durch den männlichen Alleinverdiener nicht immer vollständig gesichert werden konnte.[4] Während der Zeit der Aufklärung war die Schulausbildung der Mädchen aus bürgerlichen Familien jedoch unzulänglich, was eine Erwerbstätigkeit erschwerte. Im Rahmen der Frauenbewegung, welche bis ins 20. Jahrhundert hineinreichte, setzte sich die Gesellschaft zunehmend für die Rechte der Frauen ein. Dies sollte für eine Gerechtigkeit beider Geschlechter sorgen und den Frauen unter anderem eine angemessene Ausbildung im Schul- und Hochschulbereich sowie auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen.[5] Wenn auch sehr zögerlich, wurden berufstätige Mütter im Laufe des 20. Jahrhunderts immer mehr geduldet. Es zogen somit nun auch mehr Frauen in den noch immer eher männlich dominierten Beruf des Lehrers ein. Der Anteil der Lehrerinnen erhöhte sich aber hauptsächlich im Volksschulbereich. Während der Frauenanteil zur Zeit der Weimarer Republik an Volksschulen sowie an Gymnasien bei 25% lag, verdoppelte sich dieser Wert bis 1980 an den Volksschulen. Am Gymnasium nahm der Anteil an Frauen nur um 10% zu.[6] Doch aus welchem Grund kam es im Bereich der Bildung insbesondere in der Volks- bzw. Grundschule zu solch einem Anstieg des Frauenanteils? Eine Erklärung bietet zunächst der Mangel an qualifizierten Lehrkräften, welcher vielen Frauen die Möglichkeit des Berufseinstiegs bot. Doch vor allem wurde der Lehrerberuf durch die Möglichkeit der Teilzeitarbeit immer familienfreundlicher, sodass sich immer mehr Mütter dieser Tätigkeit zuwandten.[7]

Bis in die 1990er Jahre hinein kam es aufgrund wachsender gesellschaftlicher Ungleichheiten zu neuen Anforderungen im Lehrerberuf. Dies erforderte vor allem ein hohes Maß an pädagogischem und sozialem Engagement, um diesen Ungleichheiten entgegenwirken zu können.[8] Aufgrund der gewachsenen Herausforderungen gewann der Beruf des Grundschullehrers und der Grundschullehrerin immer mehr an Bedeutung. Diese zunehmende Anerkennung in dem Berufszweig und die damit zusammenhängenden guten Karrieremöglichkeiten ließ den Frauenanteil weiter ansteigen.[9]

Neben der Rolle des Lehrers/ der Lehrerin veränderte sich aber auch die Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft. Sie haben sich nun zu emanzipierten, selbstbewussten und dem Mann gleichgestellten Individuen entwickelt. Infolgedessen hatten immer mehr Frauen die Möglichkeit ergriffen, über die Rolle der Hausfrau und Mutter hinauszugehen.[10] Die Bevölkerung zeigte sich zunehmend als eine pluralistische Gesellschaft, in der jeder Mensch dazu befähigt ist, seine eigenen Interessen und Ansichten zu vertreten. Das hatte zur Folge, dass sich Frauen immer mehr in der Berufswelt beteiligen wollten.[11] Denn dies sorgte vor allem für Unabhängigkeit in der Lebensplanung und für eine finanzielle Absicherung. Besonders im Lehrerberuf lässt sich eine Kombination aus Familie und Beruf gut vereinbaren, was für Frauen diesen Tätigkeitsbereich weiterhin attraktiv machte. Jacobi verdeutlicht in einer Tabelle, wie sich der Frauenanteil von 1960 bis 1993 kontinuierlich erhöht hat. Während 1960 41% der Lehrkräfte an Grund- und Hauptschulen weiblich waren, waren es 1993 bereits 69%.[12] Differenziert man zwischen dem Lehrerinnenanteil an Grund- und Hauptschulen noch einmal, so ergibt sich für den Primarbereich sogar ein Wert von 82% weiblicher Lehrkräfte. Auch in der universitären Lehrerausbildung zeigt sich dieser Anstieg deutlich. 2/3 der Absolventinnen und Absolventen waren 1990 weiblich. Hier zeigt sich ebenfalls, dass der Lehrerberuf von deutlich mehr Frauen ausgeübt werden möchte.[13]

Seit Beginn der Feminisierung im 19. Jahrhundert lässt sich ein deutlicher Anstieg des Frauenanteils im Bereich Schule und vor allem in der Grundschule verzeichnen.

2.2 Aktueller Frauen- und Männeranteil in der Grundschule

Aktuelle Zahlen zum Frauen- und Männeranteil an den Grundschulen gehen zum einen aus dem Projekt „Dynamik der Geschlechterkonstellation“ der Interdisziplinären Forschungsgruppe der Technischen Universität Dortmund hervor. Diese untersuchte die Geschlechterverhältnisse in pädagogischen Berufen und fand unter anderem heraus, dass der Frauenanteil an Grundschulen im Jahr 2000 bei 83% lag und somit noch immer eine große Unterrepräsentanz männlicher Lehrkräfte zu verzeichnen war. Von 1990 bis 2000 kam es laut dieser empirischen Untersuchung zu einem Anstieg um 8,7% weiblicher Lehrkräfte.[14]

Auch das Statistische Bundesamt veröffentlichte 2011 aktuelle Zahlen zum Frauen- und Männeranteil an Grundschulen. Bundesweit sind hiernach 68.382 Lehrkräfte an den Grundschulen in Voll- und Teilzeit beschäftigt. Davon sind lediglich 6.054 männlich, was einen Anteil von nur 8,86% der gesamten Grundschullehrerschaft ausmacht. 91,1% der Lehrkräfte an Grundschulen sind also im Schuljahr 2010/2011 weiblich, was eine Überrepräsentanz an Lehrerinnen weiter aufrecht erhält.[15]

2.3 Die Grundschule als weibliches Biotop

In den vorigen Abschnitten wurde nun dargelegt, wie sich der Beruf des Lehrers immer mehr zum Beruf der Lehrerin entwickelt hat, obwohl heutzutage beide Geschlechter gute Einstiegschancen haben. Dennoch scheinen Frauen den Beruf der Lehrerin häufiger zu ergreifen als Männer es tun. Dies liegt vor allem daran, dass sich hier gute und vor allem familienfreundliche Arbeitsbedingungen bieten. Außerdem übernehmen Frauen im Bildungsbereich eher pädagogische und erzieherische Aufgaben, was den hohen Frauenanteil an Grundschulen und den im Vergleich dazu höher liegenden Anteil an männlichen Lehrkräften an den Gymnasien erklärt, denn dort steht Wissensvermittlung vor pädagogischen Aufgaben.

[...]


[1] Enzelberger 2001, S. 297.

[2] Vgl. Neugebauer 2011, S. 236.

[3] Vgl. Enzelberger 2001: S. 81.

[4] Vgl. ebd.

[5] Vgl. ebd., S. 82.

[6] Vgl. ebd., S. 327.

[7] Vgl. ebd.

[8] Vgl. ebd., S. 328.

[9] Vgl. ebd., S. 333.

[10] Vgl. ebd., S. 291.

[11] Vgl. ebd., S. 289.

[12] Vgl. Jacobi 1997, S. 944, zit. nach Enzelberger 2001, S. 296.

[13] Vgl. Enzelberger 2001, S. 297.

[14] Vgl. http://www.geschlechterdynamik.tu-dortmund.de/proj_5.htm (letzter Zugriff: 15.08.2012).

[15] Vgl. Statistisches Bundesamt 2011, S. 421.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Frauenüberschuss an der Grundschule?
Untertitel
Forderung nach mehr männlichem Lehrpersonal zur besseren Jungenförderung in der feminisierten Grundschule
Hochschule
Universität Osnabrück  (Erziehungs- und Kulturwissenschaften)
Veranstaltung
Geschlecht und Geschlechterverhältnisse aus fachdidaktischer Perspektive
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
19
Katalognummer
V232517
ISBN (eBook)
9783656490043
ISBN (Buch)
9783656492306
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sachkunde, Sachunterricht, Grundschule, Grundschuldidaktik, Geschlecht, männliche Lehrer, Lehrkräfte, weibliches Biotop, Geschlechterverhältnisse, Frauenüberschuss, Feminisierung
Arbeit zitieren
Josephin Kraatz (Autor:in), 2012, Frauenüberschuss an der Grundschule?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232517

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