Voraussetzungen für erfolgreiche Demokratisierung von Außen


Bachelorarbeit, 2008

40 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

1. Zwangsdemokratisierung: Eine gemischte Bilanz
1.1. Forschungsstand
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Auf der Suche nach den Vorbedingungen der Demokratie
2.1. Staatliches Gewaltmonopol
2.2. Wirtschaftlicher Entwicklungsstand
2.3. Sozioökonomische Bedingungen und politische Kultur
2.4. Die internationale Einbettung

3. Empirische Analyse der Demokratisierungsvoraussetzungen
3.1. Westdeutschland
3.1.1. Gewaltmonopol
3.1.2. Wirtschaftliche Lage
3.1.3. Sozioökonomie und politische Kultur
3.1.4. Internationale Einbettung
3.1.5. Fazit: Voraussetzungen für Demokratie in Westdeutschland nach 1945
3.2. Japan
3.2.1. Gewaltmonopol
3.2.2. Wirtschaftliche Entwicklung
3.2.3. Sozioökonomische und politisch-kulturelle Entwicklung
3.2.4. Internationale Einflüsse auf Japans Demokratisierungsprozess
3.2.5. Fazit: Voraussetzungen für Demokratie in Japan nach 1945
3.3. Afghanistan
3.3.1. Machtverhältnisse und Gewaltmonopol
3.3.2. Ökonomischer Entwicklungstand
3.3.3. Sozioökonomische und politisch kulturelle Verhältnisse
3.3.4. Internationale Einflüsse auf die Demokratiefähigkeit
3.3.5. Fazit: Bedingungen für Demokratie in Afghanistan
3.4. Irak
3.4.1. Gewaltmonopol und Sicherheitslage
3.4.2. Wirtschaftlicher Entwicklungsstand
3.4.3. Sozioökonomische Faktoren und politische Kultur
3.4.4. Externe Einflüsse auf den Irak
3.4.5. Fazit: Voraussetzungen für Demokratisierung im Irak

4. Schlussbetrachtung: Was hat Demokratie am nötigsten?

5. Literaturverzeichnis
5.1. Literatur
5.2. Internetquellen

1. Zwangsdemokratisierung: Eine gemischte Bilanz

“The world must be made safe for democracy.“[1]

–Woodrow Wilson, 2. April 1917

Seit langer Zeit ist es Ziel US-amerikanischer Außenpolitik, Freiheit und Demokratie in der Welt zu verbreiten. Mehrfach haben die Vereinigten Staaten in der Vergangenheit nach militärischen Siegen gegen autoritäre oder totalitäre Regime den Versuch unternommen demokratische Regierungssysteme zu etablieren. Prominente Beispiele für erfolgreiche Demokratisierungen sind etwa Deutschland und Japan, die nach ihren Niederlagen im Zweiten Weltkrieg zu stabilen Demokratien wurden. Mit dem Voranschreiten der Globalisierung gewann das Problem sogenannter failed states und Schurkenstaaten massiv an Bedeutung. International agierende Terroristen stellen eine völlig neue Art der Bedrohung für die internationale Sicherheit dar. Staaten, deren Machthaber nicht willens oder fähig sind, diesen Terroristen Einhalt zu gebieten oder im Verdacht stehen, sie gar zu unterstützen – im schlimmsten Fall durch die Weitergabe von Atomwaffen – wurden und werden zu Zielen militärischer Interventionen durch externe Akteure. In der Folge der verheerenden Anschläge, die das islamistisch-fundamentalistische Netzwerk Al-Qaida 2001 auf das World Trade Center in New York verübte, wurden die Gewalt-Regime Afghanistans und des Irak im Zuge des amerikanischen Strebens nach der Verbreitung der Demokratie zur Wahrung der internationalen Sicherheit beseitigt. Bislang stellt sich jedoch weder in Afghanistan noch im Irak der gewünschte Erfolg ein. In beiden Staaten ist es den Besatzern nicht gelungen, eine Konsolidierung der neu geschaffenen demokratischen Strukturen zu erreichen. Sowohl der Irak als auch Afghanistan sind heute im Scheitern begriffene Staaten.

Es gibt also offenbar bestimmte Faktoren, die neben möglichen Fehlern der Entscheidungsträger der intervenierenden Akteure über Erfolg oder Misserfolg solcher Demokratisierungsversuche mitentscheiden. Dieser Befund wirft die Frage nach den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, sozioökonomischen und kulturellen Bedingungen auf, die der Demokratisierung nach einer externen Intervention förderlich sind oder ihr im Wege stehen. Die vorliegende Arbeit soll einen Beitrag zur Identifizierung der Verhältnisse leisten, unter denen eine gewaltsame Demokratisierung von außen erfolgreich sein kann, sowie eine Gewichtung der Relevanz der einzelnen Faktoren für die erfolgreiche Konsolidierung von Zwangsdemokratien vornehmen. Die Kenntnis dieser Faktoren kann helfen, die richtige Strategie zu wählen oder die angesprochenen Fehler zu vermeiden.

1.1. Forschungsstand

Die politikwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich seit langem mit der Frage, unter welchen Umständen sich die Liberalisierung und Demokratisierung von Gesellschaften unter autoritärer oder totalitärer Herrschaft vollzieht. Innerhalb der Demokratisierungs- und Transformationsforschung existieren vielfältige Theorien und Theorieansätze auf der Makro- wie der Mikroebene, die sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen und unterschiedliche Aspekte in den Vordergrund stellen. Die überwiegende Anzahl der Theorien geht von der Prämisse aus, dass die Transition zur Demokratie ein Prozess ist, der von der Gesellschaft des betreffenden Landes selbst oder ihren Eliten angestoßen und vorangetrieben wird. So geht die von Seymour Martin Lipset begründete Modernisierungstheorie davon aus, dass materieller Wohlstand infolge der Modernisierung und deren Effekte auf die Gesellschaft die zentralen Voraussetzungen für die Erfolgschancen der Demokratisierung sind.[2] Weiterhin gibt es Akteurstheorien in verschiedenen Strömungen, deren Fokus die ständig neu erfolgende Definition von Präferenzen, Strategien und Handlungsoptionen auf der Mikroebene der relevanten gesellschaftlichen Akteure und Regime-Eliten ist.[3] Da diese Arbeit von außen erzwungene Demokratisierungsprozesse analysiert, versprechen solche Ansätze keinen Erkenntnis-gewinn. Zudem gibt es kulturalistische Theorieansätze, die den – in vielen Fällen religiös beeinflussten – Werten und der politischen Kultur der Menschen die größte Bedeutung beimessen. Huntingtons These, die einigen Religionen größere Demokratiefähigkeit einräumt und anderen die Anerkennung dieser Eignung schlicht verweigert, gehört in diese Kategorie[4], ebenso wie Robert Putnams Konzept des “sozialen Kapitals“, das sich aus gesellschaftlichen Traditionen und Erfahrungen in einem historischen Lernprozess generierende Werte in den Mittelpunkt stellt.[5] Strukturalistische Theorien gehen auf Barrington Moore zurück und analysieren Demokratisierung als Ergebnis langfristiger Veränderungen gesellschaftlicher Machstrukturen wie etwa dem Aufkommen einer starken bürgerlichen Klasse.[6] Ähnlich argumentiert Tatu Vanhanen, auf den der Machtressourcen-Ansatz zurückgeht. Hier wird mittels des Index of Power Ressources aus zahlreichen Variablen die Machtdispersion innerhalb von Gesellschaften gemessen. Gute Demokrati-sierungschancen bestehen, je breiter die Machtressourcen gestreut sind.[7] Mangels Vergleichswerten für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist auch dieser Ansatz im Kontext dieser Arbeit nicht verwendbar.

Zur Messung der Bedingungen sind vielfältige weitere Verfahren entwickelt worden, die die gesellschaftlichen Verhältnisse in aussagekräftigen Indices reflektieren. So enthält der Human Development Index der Vereinten Nationen beispielsweise viele Faktoren, die Aussagen über die Modernität einer Gesellschaft treffen, der Freedom House Index misst bürgerliche Freiheiten und politische Rechte. Auch hier mangelt es an Vergleichswerten.

1.2. Aufbau der Arbeit

Zur Bewertung verschiedener Einflussfaktoren, soll zunächst ein mehrdimensionaler theoretischer Bezugsrahmen in Form eines Kriterienkataloges erarbeitet werden, der von einem multikausalen Ursachengefüge für Gelingen oder Scheitern militärisch erzwungener Demokratisierungsprozesse ausgeht und verschiedene Funktionsbereiche in die Betrachtung einbezieht. Darauf folgt die empirische Überprüfung dieser Kriterien an den Beispielen Deutschland und Japan für erfolgreiche, sowie Afghanistan und Irak für im Scheitern begriffene Demokratisierungen. Auf Grundlage der aus dieser Analyse gewonnenen Erkenntnisse soll schließlich eine Bewertung der theoretisch erarbeiteten Kriterien hinsichtlich ihrer Relevanz für die Konsolidierung von extern oktroyierten Demokratien die Ausgangsfrage beantworten.

2. Auf der Suche nach den Vorbedingungen der Demokratie

Die Geschichte hat gezeigt, dass die demokratische Öffnung eines Regimes generell überall und unter annähernd jeglichen Voraussetzungen erfolgen kann. Jedoch gibt es durchaus Vorbedingungen, die der Etablierung einer konsolidierten Demokratie förderlich sind.[8] Die Theorien identifizieren günstige Bedingungen und Konstellationen im gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Bereich[9]. Diese kommen insbesondere zum Tragen, wenn es nach der erzwungenen Institutionalisierung demokratischer Strukturen durch eine Intervention eines externen Akteurs diese zu konsolidieren gilt. Die relevanten Bedingungen sollen im folgenden Kapitel unter Rückgriff auf Modernisierungstheorie, strukturalistische und kulturalistische Theorien bestimmt werden.

2.1. Staatliches Gewaltmonopol

Zu den grundlegenden und wichtigsten Aufgaben eines Staates gehört die Bereitstellung von Sicherheit für seine Bürger nach innen und außen. Dies gilt unabhängig von der Herrschaftsform des Staates und trägt wesentlich zur Legitimität des Staatsapparates bei. Neuere Studien knüpfen Staatlichkeit, beziehungsweise Fragilität, an den Grad, zu dem die Staatsgewalt diese Sicherheitsfunktion erfüllen kann.[10] Die Fähigkeit zur Monopolisierung der legitimen Gewaltausübung wird somit zur Voraussetzung für Stabilität, ohne die Entstehung und Erhalt demokratisch legitimierter Institutionen nicht möglich sind. Auch Rechtsstaatlichkeit ist angesichts von Gewaltanwendung nicht-staatlicher Akteure unmöglich. Für das Gelingen eines Demokratisierungsprozesses ist eine effektive zivile Kontrolle von polizeilicher und militärischer Macht und damit die Zähmung der Exekutivgewalt zwingende und grundlegende Bedingung und gehört nach Hans Vorländer zu den vier essentiellen Funktionsvoraussetzungen der Demokratie.[11]

Steht beim state-building durch militärische Intervention von außen dieser Aspekt im Vor-dergrund, verfolgen die externen Akteure eine durch die realistische Schule geprägte Security-First -Strategie[12]. Die Kernthese lautet: „Ohne Sicherheit keine Entwicklung“[13]. Die Entwaffnung nicht-staatlicher Gewaltakteure, Aufbau oder Stärkung des Sicherheitssektors, Beseitigung von Gewaltökonomien und Bekämpfung von Kriminalität sind die primären Aufgaben für den intervenierenden Akteur.[14] Anzahl und Stärke nicht-staatlicher Gewaltakteure können Aufschluss darüber geben, ob eine dauerhafte Monopolisierung der Gewaltkompetenz durch den Staat in absehbarer Zeit möglich ist.

2.2. Wirtschaftlicher Entwicklungsstand

Seymour Martin Lipset formulierte schon 1959 in einem Aufsatz die fundamentale Erfolgsbedingung aussichtsreicher Demokratisierung:

„The more well-to-do a nation, the greater the chances that it will sustain democracy. From Aristotle down to the present, men have argued, that only in a wealthy society in which relatively few citizens lived at the level of real poverty could there be a situation in which the mass of the population intelligently participate in politics and develop the self-restraint necessary to avoid succumbing to the appeals of irresponsible demagogues.”[15]

Die Beseitigung von Elend und Armut ist aus Sicht der Modernisierungstheoretiker die zentrale Voraussetzung für die Demokratiefähigkeit einer Gesellschaft. Dieser Zusammenhang ist seit der Aufstellung der These durch zahlreiche empirische Studien untermauert worden. Diese zeigen, dass das „wirtschaftliche Entwicklungsniveau (gemessen am BIP/capita) als die wichtigste einzelne Variable zur Erklärung des Demokratisierungsgrades eines Landes […] gesehen werden muss.“[16] Das bedeutet, je wohlhabender ein Land ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Verfassung demokratisch ist oder wird und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass dort ein nicht-demokratisches Regime entstehen oder aufrechterhalten werden kann.[17]

Samuel P. Huntington prägte an diesen Zusammenhang anknüpfend den Begriff der “Transitionszone“. Gemessen am BIP per capita vollziehen hauptsächlich Gesellschaften mit einem mittleren Wohlstand den Wandel zur Demokratie, da dieser bei armen Gesellschaften unwahrscheinlich und bei reichen Gesellschaften längst erfolgt ist. Für die dritte Demokratisierungswelle berechnete Huntington einen Wert von 1000 – 3000 US$ als Grenzen für die Transitionszone.[18] Weder besteht hier allerdings ein Determinismus, der eine Demokratisierung bei Erreichen der Transitionszone einleitet, noch ist ein geringeres BIP per capita ein unüberwindliches Hindernis für die Demokratie, wie Saudi-Arabien auf der einen und Indien auf der anderen Seite zeigen. Es handelt sich jedoch um eine hochgradig signifikante Tendenz, die bei der Bewertung der Gründe für Erfolg oder Scheitern bei der Demokratisierung einer Gesellschaft hilfreich sein kann.[19] Da die gewählten Beispiele dieser Arbeit nicht in diese (umstrittene) Welle fallen, bieten diese Werte nur eine ungefähre Orientierung zur Bewertung der wirtschaftlichen Bedingungen.

Die Liberalization-First -Strategie, basierend auf der liberalen Theorie der internationalen Beziehungen, stellt – neben der Einführung demokratischer Strukturen – die Marktwirtschaft als Motor wirtschaftlicher Entwicklung in den Vordergrund des state-building. Sie folgt dabei der Annahme, dass marktwirtschaftliche Demokratien sowohl nach innen als auch nach außen Stabilität und Sicherheit am besten gewährleisten können.[20] Wirtschaftlicher Wohlstand soll vor allem jene gesellschaftlichen Schichten und politischen Tugenden hervorbringen, die für eine funktionierende demokratische Ordnung unerlässlich sind. Diese werden im folgenden Abschnitt beleuchtet.

2.3. Sozioökonomische Bedingungen und politische Kultur

Hinter dem so aussagekräftigen ökonomischen Indikator BIP per capita verbergen sich soziale Umstände, die der Entwicklung einer demokratischen politischen Kultur förderlich sind und als Folge der Modernisierung gelten. Dazu gehört unter anderem ein ausreichender Bildungsstand, der zur Entwicklung eines relativ egalitären Systems von Werten führt. Die Zunahme toleranter, gemäßigter und rationaler Werte und Verhaltensweisen führt zu einer positiven Einstellung gegenüber der Demokratie als Regierungsform.[21] Diese bedarf für ihr Überleben der Unterstützung einer Mehrheit ihrer Bürger, besonders, wenn in der Konsolidierungsphase Effizienzprobleme auftreten und ihr soziale und ökonomische Probleme Legitimitätseinbußen bescheren.[22]

Modernisierung wird häufig als Überbegriff für die ineinandergreifenden sozialen Prozesse Industrialisierung, Urbanisierung und Alphabetisierung verwendet, deren Fortschreiten Hinweise auf den Stand der Modernisierung geben.

Bei gesellschaftlichen Demokratisierungsprozessen gilt, dass die politische Mäßigung durch das ebenfalls von der ökonomischen Modernisierung verursachte Aufkommen einer großen oder schnell wachsenden Mittelschicht verstärkt wird, die befreit von existenzieller Unsicherheit im Bewusstsein ihrer gestiegenen wirtschaftlichen Bedeutung nach politischer Partizipation verlangt. Dies zieht eine wachsende Bereitschaft der Bürger nach sich, sich in unabhängigen, intermediären Verbänden und Assoziationen zu vereinigen und ihre Interessen gegenüber dem Staat zu vertreten.[23] Die klassische Funktion der Zivilgesellschaft ist es, die Staatsmacht zu begrenzen und dem tyrannischen Missbrauch der Macht entgegenzuwirken. Zur Civil Society zählen alle Organisationen, die im Unterschied zu politischen Parteien nicht versuchen, die Kontrolle über die Staatsgewalt zu erlangen um ihre Ziele und Forderungen zu verwirklichen. Nach der Institutionalisierung der Demokratie spielt die Zivilgesellschaft eine entscheidende Rolle bei deren Konsolidierung[24], da eine aktive bürgerliche Gesellschaft nicht nur zusätzliche Möglichkeiten politischer Partizipation ermöglicht, sondern auch demokratische Werte vermittelt und neue politische Eliten hervorbringt.[25] Diese politische Streitkultur kann durch eine ethnische oder gesellschaftliche Heterogenität durchaus gefördert werden, da der Pluralismus integraler Bestandteil der Demokratie ist. Stehen sich aber Teilkulturen gegenüber, die aufgrund ihrer Unterschiede nicht mehr zu integrieren sind und sich mit dem Staat nicht identifizieren, können diese Antagonismen die Demokratie gefährden.[26]

Der Civil-Society-First -Ansatz stellt diese Aspekte in den Vordergrund. Dieser Ansatz – der als einziger in erster Linie auf Bottom-Up -Prozessen aufbaut – unterstreicht, dass Demokratien von der Gesellschaft getragen werden müssen. Jedoch stellt sich die Frage, ob bei extern erzwungenen Demokratisierungen die Civil Society Vorbedingung ist, oder auch als Folge des Prozesses entstehen kann.

Einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die politische Kultur hat auch die Religion. Generell gibt es unter den acht von Huntington identifizierten religiösen Kulturen einige, in denen Hierarchie, Autorität und Intoleranz eine starke Rolle spielen und somit der Demokratie weniger förderlich sind. So stehen Huntington zufolge lediglich die konfuzianische Kultur, die die Gruppe über das Individuum und Autorität über Freiheit setzt, sowie der Islam in klarem Gegensatz zur Demokratie.[27] Besonders der gegenwärtige fundamentalistische Islamismus steht in diametralem Widerspruch zur westlichen Regierungsform, da es „in dem Maße, wie politische Legitimität aus religiösen Prinzipien begründet, die konkrete Politik nicht demokratisch wandelbaren Präferenzen, sondern überzeitlich geltenden Dogmen verpflichtet ist und von islamischen Geistlichen kontrolliert wird, keine Versöhnungsmöglichkeit mit der Demokratie [gibt]“[28]. Zwar ist auch der Islam dem Wandel unterworfen, aber solange „religiös-kulturelle Faktoren […] den Vorrang vermeintlichen göttlichen Rechts über demokratisch konstituierte rechts-staatliche Ordnungen reklamieren“[29], werden sie der Demokratisierung entgegenwirken. Säkularisierung und Trennung von Kirche und Staat hingegen stellen günstige Voraussetzungen dar.[30]

2.4. Die internationale Einbettung

Als letzter Punkt soll an dieser Stelle die internationale Lage als demokratiefördernder oder -hemmender Faktor untersucht werden. Abhängigkeit von demokratiefeindlichen Mächten, wie die Satellitenstaaten der Sowjetunion im Kalten Krieg, eine periphere Weltmarktposition und nicht-demokratische Nachbarn zählen zu den demokratie-abträglichen internationalen Bestimmungsfaktoren. Ist ein Land jedoch von einem mächtigen demokratischen Staat abhängig, hat die internationale Gemeinschaft ein Interesse über diplomatische und ökonomische Sanktionen auf die demokratische Öffnung des Staates hinzuarbeiten, oder kommt es zu einer regionalen Demokratisierungswelle, kann die internationale Einbettung durchaus der Demokratie zuträglich sein.[31] Die in Aussicht gestellte Aufnahme in ein militärisches oder ökonomisches Bündnis kann ebenfalls demokratieförderlich sein.[32] Externe, militärische Interventionen können zwar die Möglichkeit für eine liberale Öffnung herstellen, haben aber nur begrenztes Potential zu demokratisieren. Dabei spielt es eine Rolle, welcher ausländische Akteur die Intervention durchführt. UN-geführte Operationen zur Unterstützung demokratischer Regierungen haben häufig zum Erfolg geführt, während die USA bei oppositionellen Interventionen erfolgreich waren. Interventionen dürfen also als Faktor nicht vernachlässigt werden, wenngleich ihr Effekt häufig überschätzt wird. Sie eröffnen eine Chance, deren Gelingen im Wesentlichen von den Akteuren und Voraussetzungen im Zielland abhängt.[33]

[...]


[1] Link, Arthur S., Woodrow Wilson and the Progressive Era. 1910-1917, New York 1954, S. 281.

[2] Vgl. Lipset, Seymour Martin, Political Man, Baltimore 1981.

[3] Vgl. Przeworski, Adam, “Some Problems in the Study of the Transition to Democracy”, in: O’Donnell, Guillermo/Schmitter, Philippe C./Whitehead, Lawrence (Hrsg.), Transitions from authoritarian Rule, Bd. 2, Baltimore 1986, S. 47-63.

[4] Vgl. Huntington, Samuel P., The Third Wave. Democratization in the Late Twentieth Century, Norman 1993.

[5] Vgl. Putnam, Robert, Making Democracy Work, Princeton 1993.

[6] Vgl. Moore, Barrington, Social origins of dictatorship and democracy. Lord and peasant in the making of the modern world, Boston 1967.

[7] Vgl. Vanhanen, Tatu (Hrsg.), Strategies of Democratization, Washington 1992.

[8] Vgl. Sørensen, Georg, Democracy and Democratization. Processes and Prospects in a Changing World, Boulder 2008, S. 33.

[9] Vgl. Merkel, Wolfgang/Puhle, Hans-Jürgen, Von der Diktatur zur Demokratie: Transformationen, Erfolgsbedingungen, Entwicklungspfade, Wiesbaden 1999, S. 61.

[10] Vgl. Wilke, Boris, Staatsbildung in Afghanistan? Zwischenbilanz der internationalen Präsenz am Hindukusch. SWP-Studie, Berlin 2004, S. 14.

[11] Vgl. Vorländer, Hans, Demokratie. Geschichte, Formen, Theorien, München 2003, S. 96-97.

[12] Vgl. Scheckener, Ulrich, Internationales Statebuilding. Dilemmata, Strategien und Anforderungen an die deutsche Politik. SWP-Studie, Berlin 2007, S. 16.

[13] Ebd., S. 16.

[14] Vgl. ebd., S. 16.

[15] Lipset 1981, S. 48f.

[16] Merkel/Puhle 1999, S. 22.

[17] Vgl. Diamond, Larry, „Economic Development and Democracy Reconsidered”, in: Marks, Gary/Diamond Larry (Hrsg.), Reexamining Democracy, Newbury Park u.a. 1992, S. 109.

[18] Vgl. Huntington 1993, S. 59-63.

[19] Vgl. Schmid, Manfred G., Demokratietheorien, Opladen 2000, S. 441.

[20] Vgl. Scheckener 2007, S. 15.

[21] Vgl. Merkel/Puhle 1999, S. 28.

[22] Vgl. Vorländer 2003, S. 101.

[23] Vgl. Merkel/Puhle 1999, S. 29.

[24] Vgl. Posner, Daniel L., „Civil Society and the Reconstruction of Failed States”, in: Rotberg, Robert I. (Hrsg.), When States Fail. Causes and Consequences, New Jersey 2004, S. 240.

[25] Vgl. Diamond, Larry/Linz, Juan J./Lipset, Seymour Martin, “Introduction: What Makes for Democracy?”, in: Dies. (Hrsg.), Politics in Developing Countries. Comparing Experiences with Democracy, Boulder/London 1995, S. 27-29.

[26] Vgl. Vorländer 2003, S. 105-107.

[27] Vgl. Huntington, Samuel P., Kampf der Kulturen. Die Neugestaltung der Weltpolitik im 21. Jahrhundert, München 1996, S. 307-315 und Sørensen 2008, S. 31.

[28] Merkel/Puhle 1999, S. 41.

[29] Ebd., S. 42.

[30] Vgl. Vorländer 2003, S. 103-105.

[31] Vgl. Schmidt 2000, S. 448-449 und Diamond/Linz/Lipset 1995, S. 48-52.

[32] Vgl. Huntington 1993, S. 87-91.

[33] Vgl. Peceny, Mark/Pickering, Jeffrey, „Can liberal intervention build liberal democracy?“, in: Meernik, James D./Mason, T. David (Hrsg.), Conflict Prevention and Peacebuilding in Post-War Societies. Sustaining the peace, New York 2006, S. 131-145.

Ende der Leseprobe aus 40 Seiten

Details

Titel
Voraussetzungen für erfolgreiche Demokratisierung von Außen
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
40
Katalognummer
V232603
ISBN (eBook)
9783656528845
ISBN (Buch)
9783656531722
Dateigröße
725 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
voraussetzungen, demokratisierung, außen
Arbeit zitieren
Philipp Seelinger (Autor:in), 2008, Voraussetzungen für erfolgreiche Demokratisierung von Außen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232603

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