Binasale CPAP Beatmung als pflegerische Herausforderung


Bachelorarbeit, 2012

81 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Anhangsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Diagrammverzeichnis

Glossar

1. Einleitung
1.1. Begründung der Themenwahl
1.2. Wissenschaftliche Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit
1.3. Methodisches Vorgehen

2. Anatomie und Pathophysiologie
2.1. Die Entwicklung der Lunge in der Embryologie
2.2. Das Atemnotsyndrom des Frühgeborenen
2.3. Bronchopulmonale Dysplasie
2.4. Ursachen für Atemprobleme des reifen Neugeborenen
2.4.1. Transitorische Tachypnoe
2.4.2. Sekundärer Surfactantmangel

3. Entwicklung in den letzten 40 Jahren
3.1. Erste Versuche der nichtinvasiven Beatmung in der Neonatologie
3.2. Vom „Do-it-yourself“ zum heutigen Applikationssystem
3.3. HFNC-Therapie
3.4. Möglichkeit der Surfactantgabe

4. Nichtinvasive vs. Invasive Beatmung
4.1. Vor- und Nachteile NIV gegenüber konventioneller Beatmung
4.2. Aktuelle Studienlage

5. Pflegerische Herausforderung
5.1. Die Versorgung des Kindes am binasalen CPAP
5.2. Einbeziehung der Eltern
5.3. Entwicklungsfördernde Pflege

6. Explorative Studie
6.1. Ethische Aspekte
6.2. Experteninterviews als qualitative Informationsquelle
6.3. Kernaussagen der Experteninterviews
6.4. Erstellung eines pflegerischen Fragebogens
6.5. Fragebogenauswertung und Darstellung der Ergebnisse
6.5.1. Ergebnisse pflegerische Anwendung binasaler CPAP
6.5.2. Ergebnisse Zufriedenheit mit dem verwendeten System
6.5.3. Ergebnisse Verbesserungsvorschläge
6.5.4. Ergebnisse Vereinbarkeit mit entwicklungsfördernder Pflege
6.5.5. Ergebnisse Personalschlüssel

7. Diskussion

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Anhangsverzeichnis

Anhang 1: Interviewleitfaden

Anhang 2: Fragebogen Seite 1 und 2

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: CPAP-System mit Tubus (Gregory 1971, 1334)

Abb. 2: CPAP mit Headbox (Gregory 1971, 1335)

Abb. 3: Pulmarca 1401 mit Unterdruckaggregat (Knoll 2007,14)

Abb. 4: Benveniste-Ventil (Wahle 1998, 131)

Abb. 5: Nasenstegnekrose (eigenes Foto)

Abb. 6: sechs Wochen später (eigenes Foto)

Abb. 7: CPAP mit Prongs (eigenes Foto)

Abb. 8: CPAP mit Maske (eigenes Foto)

Diagrammverzeichnis

Diagr.1: Jahre der Berufserfahrung (eigene Auswertung)

Diagr.2: CPAP Applikation (eigene Auswertung)

Diagr.3: Hautirritationen (eigene Auswertung)

Diagr.4: Wechsel Prong/ Maske (eigene Auswertung)

Diagr.5: Pflegerische Herausforderung (eigene Auswertung)

Diagr.6: Vermeidung von Hautirritationen (eigene Auswertung)

Diagr.7: Vermeidung PEEP-Verlust (eigene Auswertung)

Diagr.8: binasaler CPAP beste Therapieoption (eigene Auswertung)

Diagr. 9: Weaning (eigene Auswertung)

Diagr.10: Weaningvorgaben (eigene Auswertung)

Diagr.11 : Verwendete Systeme in den Kliniken (eigene Auswertung)

Diagr.12: Zufriedenheit Applikation (eigene Auswertung)

Diagr.13: generelle Zufriedenheit (eigene Auswertung)

Diagr.14: Zufriedenheit Ventilator. In Klammern: Prozentualer Marktanteil (eigene Auswertung)

Diagr. 15: Zufriedenheit Schlauchsystem. In Klammern: Prozentualer Marktanteil (eigene Auswertung)

Diagr.16: Verbesserungsvorschläge (eigene Auswertung)

Diagr.17: Entwicklungsfördernde Pflege/ CPAP (eigene Auswertung)

Diagr.18: Personalschlüssel (eigene Auswertung)

Glossar

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

1.1. Begründung der Themenwahl

„Vor der Zeit gesandt in diese Welt des Atmens, halb kaum fertig gemacht“ so lautet eine Passage im Monolog des Richard, Herzog von Gloster im 15. Jahr­hundert (William Shakespeares Drama: König Richard III). Annähernd 500 Jah­re später hat diese Aussage für zu früh geborene Kinder noch immer seine Be­rechtigung.

Die erfolgreiche Anpassung von einem Leben im Mutterleib an ein eigenständi­gen Dasein ist von einer Reihe tiefgreifender physiologischer Veränderungen der Atemfunktion und des Kreislaufs abhängig. Ca. 10% aller Neugeborenen benötigen zur erfolgreichen Adaptation eine Unterstützung (vgl. Hummler 2010, 166). Von der Natur ist es so eingerichtet, dass die Lunge erst zur Geburt hin in der Lage ist ihre Aufgabe zu erfüllen und den Körper ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Im Mutterleib wird das Kind ausschließlich über die Plazenta und die Nabelschnur versorgt. Dies ändert sich nach der Geburt abrupt. Mit dem ersten Schrei füllt sich die Lunge mit Luft. Ein Kind welches zum errechneten Termin, d.h. mit einem Gestationsalter (Dauer der Schwangerschaft) von 40 Wochen, geboren wird, hat damit in der Regel keine Schwierigkeiten, es sei denn, es hat eine Fehlbildung, eine Erkrankung, oder es gibt Komplikationen unter der Geburt (vgl. Gortner 2010, 163 ff).

Je früher ein Kind geboren wird, desto mehr medizinische Unterstützung braucht es aufgrund seiner anatomisch unreifen Lunge. Laut Gortner wird bei Frühgeborenen eines Gestationsalters von weniger als 32 Wochen in rund 30­50% ein Atemnotsyndrom diagnostiziert (2010, 166). Die Überlebensrate Früh­geborener ist dank der Möglichkeit der Beatmung deutlich angestiegen. Aller­dings bedingt die invasive Form der Beatmung, (über einen direkten Weg in die Trachea mittels eines Tubus) unter Umständen auch eine Schädigung der emp­findlichen oberen und unteren Atemwege des Kindes. Im Laufe der Jahre wur­den die Beatmungsgeräte und -formen verbessert. Der Amerikaner Gregory machte in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts die ersten Versuche den Kindern mit CPAP (Continuous Positiv Airway Pressure) eine nichtinvasive Atemhilfe zu geben. Hierbei wird die Spontanatmung des Kindes mit einem dauerhaften Überdruck unterstützt, welcher verhindert, dass bei der Ausatmung alle Luft aus den Alveolen (Lungenbläschen) entweicht. Dadurch wird dem Kind die Atemarbeit deutlich erleichtert. (vgl. Gregory, et al. 1971).

Ein Meilenstein war die erste erfolgreiche Behandlung des Atemnotsyndroms des Frühgeborenen mit Surfactant, einem lecithinhaltigen Phospholipid welches die Oberflächenspannung der Lungenbläschen verringert (Fujiwara et al.1980). Seit dieser Zeit hat sich die Behandlung mit Surfactant zu einer sicheren und effektiven Methode weiterentwickelt und die Sterblichkeit der Frühgeborenen konnte hierdurch signifikant reduziert werden (vgl. Stichtenoth 2009, 1).

Die heutige Neonatologie profitiert von diesen Errungenschaften. Immer selte­ner müssen Früh- und Neugeborene intubiert d.h. invasiv beatmet werden, bzw. die Beatmungsdauer ist deutlich kürzer. Die anfängliche mononasale CPAP Therapie (gekürzter Tubus in einem Nasenloch) wurde durch die binasale Technik (kurze Prongs in beiden Nasenlöchern oder Nasenmaske) verbessert und hat sich allgemein etabliert. Die Atemarbeit wird erleichtert, die Alveolen kollabieren nicht mehr bei jedem Atemzug und somit steigt die funktionale Re­sidualkapazität der kindlichen Lunge (vgl. de Winter, de Vries, Zimmermann 2010, 777 ff). Es gibt diverse medizinische Studien, die belegen, dass diese Therapieform eine effektive Alternative zur invasiven Beatmung in der Neonato­logie ist. Aber keine andere Beatmungsform fällt so sehr in den pflegerischen Bereich wie diese schonende effektive nichtinvasive CPAP Therapie. Von Sei­ten der Ärzte wird die Therapie verordnet, aber die Durchführung obliegt allein der verantwortlichen Pflegekraft. Wissenschaftliche Publikationen zu den pfle­gerischen Aspekten sind jedoch kaum zu finden.

Jedoch birgt die binasale CPAP Therapie nicht nur Vorteile, sondern hat auch ihre negativen Seiten. Kinder an dieser Form der Atemhilfe zu versorgen ist ei­ne große pflegerische Herausforderung. Die Haut ist dünn und extrem empfind­lich, Prongs oder Maske müssen im Gesicht fixiert werden, die Gefahr von Hau- tirritationen bis hin zu Druckstellen und sogar Nekrosen im Nasenbereich ist groß. Um einen möglichst guten therapeutischen Effekt zu erzielen muss der PEEP (positiver endexspiratorischen Druck) aufrechterhalten werden (vgl. Mc Coskey 2008, 116 ff). Alleine durch das Öffnen des Mundes, oder eine schlech­te Fixierung des Systems fällt der positive Druck ab. Obwohl die Kinder die The­rapie noch dringend brauchen, wehren sie sich oftmals gegen die Maske oder die Prongs in der Nase. Hier verwenden sie Energie, welche sie dringend für Atmung und Wachstum benötigen. Mit viel Geduld liegt es hier in der Hand der betreuenden Pflegekraft zu intervenieren.

1.2. Wissenschaftliche Fragestellung und Zielsetzung der Arbeit

Die oben genannten pflegerisch relevanten Probleme sollen anhand einer de­skriptiven, explorativen Studie wissenschaftlich hinterfragt werden. Arbeiten andere Zentren auch hauptsächlich mit binasalen Systemen oder findet der mononasale CPAP noch Anwendung? Wie werden Früh- und Neugeborene von dieser nichtinvasiven Beatmungsform entwöhnt? Decken sich Erfahrungen an der eigenen Klinik mit denen anderer? Haben alle die gleichen Probleme in ähnlicher Dimension, oder sind sie ganz anders verteilt?

Auf dem Markt gibt es eine Vielzahl von Geräten und Applikationssystemen um die binasale CPAP Therapie durchzuführen. Mit dieser Arbeit soll der „Ist- Zustand“ am Beispiel von 41 Zentren deutschlandweit erhoben werden. Mit welchen Systemen wird gearbeitet und wie zufrieden sind die Pflegekräfte mit den, auf dem Markt befindlichen, Systemen? Gibt es Vorschläge von Seiten der Anwender, was noch verbessert werden könnte oder müsste?

Aktuelles Thema ist seit einigen Jahren die entwicklungsfördernde Pflege, also, wie kann die kognitive und motorische Entwicklung der Kinder optimal gefördert werden. Lassen sich die binasale CPAP Therapie und diese individuelle, auf die Bedürfnisse des Kindes abgestimmte Betreuung miteinander vereinbaren?

Zielsetzung dieser Arbeit soll sein, die pflegerischen Probleme darzustellen und Möglichkeiten der Verbesserung in der Anwendung zu finden um den Kindern den bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen.

1.3. Methodisches Vorgehen

Zum besseren Verständnis werden im ersten Kapitel die notwendigen anatomi­schen und physiologischen Grundlagen sowie die Pathophysiologie geklärt. Es folgt ein kurzer Rückblick von den Anfängen der nichtinvasiven Beatmung in der Neonatologie bis zum heutigen Zeitpunkt.

Kapitel 4 beschäftigt sich mit der Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile nichtinvasiver versus invasiver Beatmung in der Neonatologie. Die aktuelle me­dizinische Forschungslage wird anhand internationaler Studien dargestellt.

Im darauffolgenden Kapitel geht es um die pflegerische Herausforderung dieser Therapieform. Hier soll detailliert aufgeführt werden, welche Probleme sich bei der Patientenversorgung ergeben. Die Rolle der Eltern wird dargestellt und auf die Entwicklungsfördernde Pflege wird Bezug genommen.

Einen ersten Schritt in die Richtung eines wissenschaftlichen Lösungsansatzes wird dann in Kapitel 6 bearbeitet. Es wurden Experteninterviews geführt und aus den Kernaussagen dieser Interviews ein Fragebogen erstellt, jeweils drei dieser Bögen wurden an insgesamt 41 Kinderkliniken mit 44 Stationen ver­sandt. Die Auswertung dieser Umfrage wird dargestellt.

Bleibt noch die Diskussion der Ergebnisse und das Fazit mit der Hypothesen­Generierung als eventueller Grundlage einer Arbeit für die Zukunft. Zur besse­ren Lesbarkeit wird in dieser Arbeit die maskuline Form gewählt.

2. Anatomie und Pathophysiologie

2.1. Die Entwicklung der Lunge in der Embryologie

Die embryonale Entwicklung der Lungen vollzieht sich in vier Phasen und be­ginnt in der 6. Schwangerschaftswoche mit der pseudoglandulären Phase (an eine Drüse erinnerndes Gewebe). Diese dauert bis zur 16. Woche. In dieser Phase bildet sich der Bronchialbaum aus. Die Lunge ähnelt zu diesem Zeit­punkt, von ihrer Struktur her, eher einer exokrinen tubuloalveolären Drüse (sek- retabsondernde, röhrenförmige, bläschenartige Gewebestruktur). In der 16. Woche ist die Verzweigung des Bronchialbaums bis zu den terminalen Bronchi- oli (Endbronchiolen) fortgeschritten. Die Strukturen, welche für den Gasaus­tausch benötigt werden sind aber noch nicht vorhanden, eine Atmung ist in die­sem Entwicklungsstadium nicht möglich (vgl. Moore, Persaud 2003, 272).

Es folgt die kanalikuläre Phase, welche von der 16.bis zur 26. Woche andauert. In dieser Entwicklungsphase kommt es zur Aussprossung der respiratorischen Anteils des Bronchialbaums in Tubuli und Kanalikuli (Röhren und Kanäle). Bis zur 24. Woche sind aus jedem terminalen Bronchiolus zwei oder mehr Bronchi- oli respiratorii hervorgegangen, diese verzweigen sich wiederum in drei bis sechs schlauchförmige Gänge die späteren Ductus alveolares (Alveolargänge). Die Lumen der Bronchien und der terminalen Bronchioli erweitern sich und das Mesenchym (lockeres Füllgewebe) zwischen diesen Bronchialverzweigungen wird stark vaskularisiert (mit Blutgefäßen durchzogen). Am Ende der kanalikulä­ren Phase sind an den Enden der Ductus alveolares schon einige primitive Al­veolen (Sakkuli terminales = Lungenbläschen) entstanden. Zu diesem Zeitpunkt ist eine Atmung bedingt möglich, Feten die gegen Ende der kanalikulären Pha­se zur Welt kommen, können bei intensiver Pflege überleben, die Sterblichkeits­rate ist aber sehr hoch, da neben dem Atmungstrakt auch noch andere Organ­systeme (z.B. Magen-Darm-Trakt) sehr unreif sind (vgl. Moore, Persaud 2003, 272, 273).

Ab der 26. Woche bis zur Geburt folgt dann die sakkuläre (sackförmige) Phase. Es werden immer mehr Sakkuli terminales an den Enden der Ductus alveolares

gebildet. Diese sind von sehr dünnen Epithelzellen ausgekleidet, den Pneumozyten vom Typ I, diese sind nach der Geburt für den Gasaustausch verantwortlich. Das Kapillarnetz im Mesenchym zwischen den Alveolen erwei­tert sich schnell und die Kapillaren beginnen sich in die sakkuli terminales vor­zuwölben. Dieser enge Kontakt macht nach der Geburt den Gasaustausch zwi­schen Kapillaren und Alveolen möglich (Blut-Luft-Schranke). Vereinzelt finden sich in dieser Phase zwischen den Plattenepithelzellen rundliche sekretorische Zellen, die Pneumozyten vom Typ II. Diese Zellen produzieren den Surfactant, dies ist ein komplexes Gemisch aus Phospholipiden und Proteinen und über­zieht die Innenwand der Sacculi terminales. Dieser dünne Film verringert die Oberflächenspannung an der Grenzfläche zur Luft. Die Surfactantproduktion beginnt bereits in der 20. Woche, aber erst in der späten Fetalzeit werden aus­reichende Mengen produziert um eine suffiziente Luftatmung zu ermöglichen (vgl. Moore, Persaud 2003, 273, 275).

Die vierte Phase, die alveoläre Phase, beginnt in der 32. Woche und dauert ungefähr bis zum 8. Lebensjahr. Ab der 32. Woche hat jeder Bronchiolus respi- ratorius an seinem Ende ein ganzes Büschel von Ductus und Sacculi alveola­res, die voneinander durch lockeres Bindegewebe getrennt sind. Deren epithe­liale Auskleidung verdünnt sich nun zu einem extrem dünnen einschichtigen Plattenepithel. Die anliegenden Kapillaren springen in die Ductus und Sacculi alveolares vor und die unreifen Alveolen wölben sich tiefer ins Bindegewebe. Reife Alveolen entstehen jedoch erst durch das Eindringen von Luft in die Lun­gen in der Zeit nach der Geburt. In der späten Fetalzeit ist die alveolokapilläre Membran, also die respiratorische Membran, dünn genug für den Gasaus­tausch und es steht genügend Surfactant zur Verfügung. Die Lungen sind nun für die Atmung befähigt. Zur Zeit der Geburt hat eine Neugeborenenlunge etwa 50 Millionen Alveolen, dies entspricht einem Sechstel der Zahl der Alveolen ei­nes Erwachsenen. Nach der Geburt vergrößern und vermehren sich diese Al­veolen weiter. 85% der Alveolen entstehen erst postnatal (nach der Geburt), um das 8. Lebensjahr herum ist dann die endgültige Anzahl an Alveolen (300 Milli­onen) erreicht (vgl. Moore, Persaud 2003, 275).

Schon vor der Geburt können, mittels Ultraschall, Atembewegungen nachge­wiesen werden, die Feten trainieren damit die Atemmuskulatur. Diese fetalen Atembewegungen sind kräftig genug um Fruchtwasser zu aspirieren. Dieser pränatale Flüssigkeitsaustausch zwischen Lunge und Fruchtwasser ist offen­sichtlich für die Lungenentwicklung förderlich, denn wenn ein anhaltendes Oli- gohydramnion (zu wenig Fruchtwasser) vorliegt kommt es zu einer verzögerten Lungenentwicklung und eine schwere Lungenhypoplasie (Unterentwicklung) kann die Folge sein (vgl. Moore, Persaud 2003, 275).

2.2. Das Atemnotsyndrom des Frühgeborenen

Bei einer jährlichen Geburtenrate von 670 000 Kindern in Deutschland beträgt die Rate der Frühgeborenen unter der 32. Schwangerschaftswoche (SSW) 1,2%. Das Atemnotsyndrom (RDS, Respiratory Distress Syndrome) wird bei diesen Kindern in rund 30-50% diagnostiziert, dies entspricht ca. 3000-4000 Kindern. Die Ursache liegt, wie im Kapitel 2.1 schon beschrieben, in der Unreife der Lunge. Aus funktioneller Sicht kommt hier insbesondere die unzureichende Produktion des Surfactants zum Tragen, daher wird das Atemnotsyndrom des Frühgeborenen auch als Surfactant-Mangel-Syndrom bezeichnet. Zudem findet der Gasaustausch vor der 32. Schwangerschaftswoche nur über die terminalen sakkulären Strukturen statt, denn die klassischen Alveolen fehlen noch. Struktu­rell ist die Lungenoberfläche, bedingt durch diese unreife Morphologie, in Rela­tion zur Körperoberfläche deutlich vermindert. Die alveolokapilläre Membran weist eine erhöhte Permeabilität auf was zur Folge hat, dass der Einstrom von Plasmabestandteilen wie Albumin und Fibrinogen begünstigt wird. Diese Sub­stanzen sind hochpotente Inhibitoren (Hemmstoffe) der Surfactant-Funktion, welche die verminderte Surfactant-Aktivität noch weiter einschränken können. Als letzter Faktor sei an dieser Stelle die pulmonale hypoxische Vasokonstrikti­on aufgrund unzureichender Oxygenierung genannt, welche zur weiteren Schä­digung der gesamten Lunge führen kann (vgl. Gortner 2010, 166).

Das Atemnotsyndrom des Frühgeborenen äußert sich durch eine zu schnelle Atmung, der Tachypnoe. Diese ist kombiniert mit einer erschwerten Atmung, der Dyspnoe. Die Dyspnoe ist erkennbar an interkostalen, jugulären sowie sub­kostalen Einziehungen des noch sehr instabilen Thoraxes. Das Lungenvolumen am Ende der Ausatmung beträgt bei Frühgeborenen nur ca. 10-15% der ge­samten Lungenkapazität und liegt damit nur minimal über dem Residualvolu­men. Bei unzureichender Sauerstoffzufuhr kann auch eine Zyanose sichtbar sein. In der Exspirationsphase kann ein lautes Stöhnen hörbar sein. Besteht der Verdacht eines Atemnotsyndroms, sollte eine radiologische Diagnostik in Form eines Röntgenbildes des Thoraxes erfolgen. Der Schweregrad des Atemnot­syndroms wird in vier radiologische Stadien unterteilt, auf die in dieser Arbeit nicht weiter eingegangen werden soll (ebd. 2010, 168).

Schon pränatal kann der Schweregrad des Atemnotsyndroms effektiv vermin­dert werden. Durch die zeitgerechte Applikation von Kortikosteroiden an die Schwangere kann die Häufigkeit des Atemnotsyndroms (RDS) um rund 40% reduziert und die Mortalität um rund 30% im Vergleich zu unbehandelten Kon- trollgruppen gesenkt werden (Roberts, Dalziel 2006, 1). Diese Therapie bewirkt eine schnellere Reifung der fetalen Lunge und damit eine deutlich bessere Lun­genfunktion beim Frühgeborenen.

Das wichtigste Therapieziel ist, postnatal einen adäquaten Gasaustausch zu ermöglichen und die Kreislauffunktion aufrecht zu erhalten, mit dem Ziel Se­kundärkomplikationen wie z.B. Sauerstoffmangel (Hypoxämie) und einem er­höhten Kohlendioxydgehalt (Hyperkapnie) im Blut zu vermeiden. Um den Kin­dern den Gasaustausch zu erleichtern wird ein kontinuierlicher positiver Atem­wegsdruck, entweder über Intubation oder nichtinvasiv über mono- oder binasa- len CPAP, appliziert. Hierdurch wird der Kollaps der terminalen Sakkuli am En­de der Exspiration verhindert und die funktionale Residualkapazität erhöht. Stu­dien an extrem unreifen Frühgeborenen konnten die Gleichwertigkeit der CPAP Applikation im Vergleich zur konventionellen Beatmung belegen (Morley, Davis, Doyle et al, 2008). Beim Versagen der CPAP-Therapie sollte eine endotrachea­le Intubation erfolgen und Surfactant appliziert werden. Surfactant ist, wie schon erwähnt, ein lecithinhaltiges Phospholipid, welches die Oberflächenspannung der Alveolen verringert und den Alveolarkollaps und damit die Atelektasenbil­dung in der Lunge verhindert. Seit einigen Jahren hat sich auch die Methode der Surfactant Applikation über eine dünne Sonde, bei laufender CPAP- Therapie, etabliert um eine endotracheale Intubation zu vermeiden(vgl. Gortner 2010, 169).

Prognostisch gesehen liegt die Mortalität des Atemnotsyndroms aktuell bei un­ter 10%. Das Risiko der bronchopulmonalen Dysplasie (Kapitel 2.3) liegt bei Kindern unter der 32. Schwangerschaftswoche bei rund 15%, dies belegt eine große multizentrische europäische Studie (vgl. Zeitlin, Draper, Kollin et al. 2003, e936). Insgesamt war die Entwicklung der letzten Jahrzehnte geprägt von ei­nem besseren pathophysiologischen Verständnis des Atemnotsyndroms, kom­biniert mit der pränatalen Kortikosteroidgabe, der zurückhaltend und schonend angewandten maschinellen Beatmung und der gezielten Surfactant-Applikation. Alle Faktoren zusammen bildeten die Grundlage für die Erfolge in der Neonato­logie (vgl. Gortner 2010, 172).

2.3. Bronchopulmonale Dysplasie

Bereits vor mehr als 40 Jahren beschrieb Northway die bronchopulmonale Dys­plasie (BPD) als chronische Lungenerkrankung von der beatmete Neugeborene betroffen sind (vgl. Northway 1967). Die klinische Symptomatik hat sich kaum geändert, jedoch die Ätiologie und die Pathogenese. Histologisch finden sich bei der „alten BPD“ fibrotische (bindegewebige) Veränderungen zwischen den Alveolen, während bei der „neuen BPD“ eher eine Rarefizierung (Verminde­rung) von Alveolen zu finden ist. Ursache für diesen Wandel ist neben der ver­besserten respiratorischen Therapie auch die veränderte Patientenpopulation. Waren damals Patienten mit einem mittleren Gestationsalter von 32 SSW be­schrieben, so sind heute insbesondere Frühgeborene unter der 28. SSW betrof­fen (vgl. Rüdiger 2010, 175).

Northway erkannte, dass die wichtigsten Auslöser für die BPD, das Barotrauma (Verletzung der Lunge durch Druck) und die Sauerstofftoxizität, mit der Beat­mung assoziiert waren. Die klassische „alte BPD“ war gekennzeichnet durch typische röntgenologische Veränderungen und einem Fortbestehen von Atem­störungen mit Sauerstoffbedarf über den 28. Lebenstag hinaus. Man einigte sich jedoch auf einen Diagnosezeitpunkt von 36 Schwangerschaftswochen, da dieser aussagekräftiger war für die pulmonale Langzeitmorbidität. Dank der verbesserten Therapiemöglichkeiten werden heute viele Frühgeborene kaum noch beatmet. Trotzdem gibt es aber eine Gruppe von Kindern, die erst in der zweiten Lebenswoche einen Sauerstoffbedarf entwickeln. Für diese wurde der Begriff der „neuen BPD“ entwickelt (vgl. Rüdiger 2010, 175).

Die derzeit gültige Definition wurde im Jahre 2000 vom National Institutes of Health (NIH) festgelegt. Im Gegensatz zur bis dato, gültigen Definition haben nun alle Kinder > 32 SSW eine BPD, wenn sie mehr als 28 Tage Sauerstoff be­nötigen. Diese müssen nun aber nicht mehr zwingend die ersten 28 Lebenstage sein. Eingeteilt wird die BPD in 3 Schweregrade. Für Kinder < 32 SSW gilt ein ähnliches Schema (vgl. Jobe und Bancalari 2001, 1726).

Heute weiß man, dass nicht so sehr der Beatmungsdruck, sondern vielmehr das Atemzugvolumen für die Schädigung der kindlichen Lunge ursächlich ist. Es entsteht das sogenannte Volutrauma. Schon wenige Beatmungshübe mit hohen Tidalvolumina in der Erstversorgung nach der Geburt führen unter Um­ständen zu irreversiblen Lungenschäden. Daher tendiert man heutzutage eher dazu den Frühgeborenen erst mal die Chance zu geben, spontan zu atmen und nur bei Bedarf einzugreifen. Bei spontanen Atembemühungen des Kindes ist keine Beatmung notwendig und das pulmonale Recruitment (Wiedereröffnung nicht belüfteter Alveolen) kann durch sofortige schonende CPAP- Beatmung unterstützt werden, eventuell wird noch ein kurzzeitiges Blähen der Lunge mit Drücken um 20cm H2O für einige Sekunden notwendig. Laut einer niederländi­schen Studie reduziert dieses Vorgehen, im Vergleich zur sofortigen Beatmung mit Maske, die Häufigkeit einer moderaten bis schweren BPD von 19% auf 9% in der Gruppe der Frühgeborenen der 25-33 SSW. (vgl. te Pas, Walther 2007, 326). Nicht eingeschlossen sind in dieser Studie die extrem kleinen Frühgebo­renen die in der 23. und 24. SSW zur Welt kommen. In den Niederlanden wird ein Kind erst ab der 25. SSW als lebensfähig bezeichnet und dann auch erst intensivmedizinische Maßnahmen getroffen, wie aus Tabelle 2 bei Pignotti und Donzelli zu entnehmen ist (2008, 195). Dieses Vorgehen steht im Gegensatz zu der in Deutschland gültigen Leitlinie (vgl. Hentschel, Reiter-Theil 2008).

Bei spontan atmenden Kindern steigt die Sauerstoffsättigung langsam und er­reicht nach 5 Minuten Werte um 90%, so dass bei effektivem pulmonalen Re­cruitment auf eine Gabe von Sauerstoff verzichtet werden kann. Bleibt das Steigen der pulsoxymetrisch, an der rechten Hand, gemessenen Sättigung aus, muss im weiteren Verlauf Sauerstoff in Abhängigkeit von den gemessenen Werten titriert werden (vgl. Rüdiger 2010, 178).

Als weitere pathogenetische Faktoren, die die Entstehung einer BPD begünsti­gen sind prä- und postnatale Inflammation, also Entzündungsreaktionen, mit letztendlicher Zerstörung von Lungengewebe, sowie unzureichende Protein- und Kalorienzufuhr und übermäßige Flüssigkeitszufuhr zu nennen. Ebenfalls spielen verschiedene genetische Faktoren eine Rolle. All diese Aspekte sollen aber nur am Rande erwähnt werden, näher darauf einzugehen würde den Rahmen der Arbeit sprengen.

Seit Northway vor über 40 Jahren die BPD als Erster beschrieb, konnte die Sterblichkeit extremer Frühgeborener deutlich reduziert werden, aber die Inzi­denz der BPD blieb nahezu unverändert. Allerdings hat sich die Häufigkeit von der alten zur neuen BPD verschoben. Die BPD korreliert direkt mit dem Gesta­tionsalter (GA). 2007 entwickelten 58% aller überlebenden Kinder mit einem GA von zwischen 24. und 26. SSW eine BPD (n = 8914), aber nur 10% der Überle­benden zwischen 30. und 32. SSW (n = 13064) (Daten aus Oxford Vermont Neonatal Network).

Die Diagnose BPD ist mit verschiedenen klinischen Langzeitkonsequenzen as­soziiert. So weisen Frühgeborene mit BPD nicht nur eine erhöhte pulmonale Morbidität auf, sondern haben auch Probleme mit der psychomotorischen und intellektuellen Entwicklung. Diese breit gefächerten Veränderungen sind nur bedingt therapierbar, so dass die Prävention der BPD im Mittelpunkt der Bemü­hungen stehen sollte. Als wichtigstes Ziel seien hier alle Maßnahmen genannt, welche eine Frühgeburt verhindern. Pränatal senkt die Kortikosteroidgabe an die Mutter die Mortalität der extremen Frühgeborenen und damit auch die Rate der BPD, wie schon in Kapitel 2.2 beschrieben.

Im Kreissaal kann alleine durch eine veränderte Erstversorgung die Inzidenz der BPD bei Frühgeborenen signifikant gesenkt werden. Während der ersten Lebenstage scheint die Vermeidung der Beatmung intuitiv die effektivste BPD- Prävention zu sein (vgl. Rüdiger 2001, 177 ff).

2.4. Ursachen für Atemprobleme des reifen Neugeborenen

2.4.1. Transitorische Tachypnoe

Auch beim reifen Neugeborenen kann es zu Atemanpassungsstörungen nach der Geburt kommen. Die fetale Lunge ist mit Flüssigkeit gefüllt, die Fruchtwas­ser und Surfactant enthält. Der Großteil der Flüssigkeit wird über die Lymphwe- ge der Lunge in den ersten Stunden nach der Geburt abtransportiert. Ist dieser Vorgang behindert kommt es zu einer Atemstörung. Man nennt diese Anpas­sungsstörung auch „wet lung“, also feuchte Lunge, oder man spricht von einer transitorischen Tachypnoe. Betroffen sind ca. 1-2% aller Neugeborenen, verur­sacht wird diese Form der Atemnot durch eine verzögerte Flüssigkeitsresorption oder erhöhtem Flüssigkeitsanteil in der Lunge. Symptome sind eine Tachypnoe, zusätzlich Nasenflügelatmung, sternale Einziehungen, Stöhnatmung und Zya­nose mit Sauerstoffbedarf (vgl. Gortner 2004, 489-490).

Die Prognose ist gut, meist normalisiert sich die Tachypnoe innerhalb der ers­ten 24 Stunden, wenn die Flüssigkeit aus der Lunge resorbiert ist. Bis dahin profitieren die Kinder von der nichtinvasiven Atemhilfe, dem binasalen CPAP.

Zur Differenzialdiagnose gehört der Ausschluss folgender Krankheitsbilder: pulmonale und kardiale Fehlbildungen, das Atemnotsyndrom und eine konnata- le Pneumonie (ebd. 2004, 489-490). Hiermit beschäftigt sich das folgende Kapi­tel.

2.4.2. Sekundärer Surfactantmangel

Während bei den Frühgeborenen der primäre Mangel an Surfactant hauptur­sächlich ist für das Atemnotsyndrom, so ist es bei den reifen Neugeborenen der erworbene sekundäre Surfactantmangel, begleitet von einer pulmonalen Ent­zündungsreaktion bis hin zum schweren Lungenversagen. Ursächlich hierfür sind unter anderem das Mekoniumaspiration-Syndrom, eine konnatale Pneu­monie oder Fehlbildungen wie die Zwerchfellhernie. Kompliziert wird dieses ne­onatale Lungenversagen durch die Persistenz fetaler Kreislaufverhältnisse, dem sog. PFC Syndrom, oder synonym auch persistierende pulmonale Hypertension des Neugeborenen (vgl. Möller 2002, 66 ff). Bei der schweren Verlaufsform muss das Kind invasiv beatmet werden und erhält nach erfolgreicher Extubation zur Entwöhnung (Weaning) die CPAP-Therapie. Mildere Formen lassen sich oftmals auch primär gut mit dem nichtinvasiven binasalen CPAP therapieren.

Auf die Ursachen für Atemprobleme des reifen Neugeborenen soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, da sie nur einen kleinen Anteil der Kin­der ausmachen die einer CPAP-Therapie bedürfen. Der weitaus größere Anteil sind die Frühgeborenen.

3. Entwicklung in den letzten 40 Jahren

3.1. Erste Versuche der nichtinvasiven Beatmung in der Neonatologie

Erstmals beschrieben wurden Versuche der nichtinvasiven Beatmung in der Neonatologie durch Gregory et al. 1971 in San Francisco. Er beobachtete, dass ein wichtiges Symptom bei Früh- und Neugeborenen mit Atemnot das Stöhnen ist und erkannte, dass das Kind durch das Stöhnen versucht die Luft beim Aus­atmen zu bremsen und damit den Druck in den Alveolen aufrechtzuerhalten. Aus dieser Erkenntnis heraus entwickelte er ein System zur Atemhilfe um den Kindern damit die Atemarbeit zu erleichtern und die Intubation zu ersparen Gregory et al. schlossen 20 Kinder mit der Diagnose eines IRDS (Ideopathic respiratory distress syndrom) und einem Geburtsgewicht von 930- 3800g in ihre Studie ein. Ein positiver Atemwegsdruck von bis zu 12mmHg wurde 18 Kindern über einen Rachentubus verabreicht, also ein endotrachealer Tubus der aber nur bis in den Rachen vorgeschoben wurde, über den die Kinder spontan at­men konnten (Abb.1).

2 Kinder wurden in einer Headbox behandelt, hierbei handelte es sich um eine Kammer die den Kopf des Kindes umschloss. In diese Kammer wurde das Atemgasgemisch eingeleitet und so ein positiver endexspiratorischer Druck auf­rechterhalten. Am Hals wurde sie mit einer weichen Manschette (Irisblende) mit verstellbarer Weite verschlossen (Abb.2). Bei dieser Methode war der Vorteil, dass man ohne Tubus einen CPAP Effekt erzielen konnte. Die Versuche wur­den aber nach den 2 Kindern abgebrochen. Ein Grund hierfür war die Verlet­zungsgefahr am Hals durch die Irisblende, sie musste gut abdichten, durfte da­bei aber auch nicht zu sehr einschnüren. Zudem war der Zugang zum Kopf des Kindes unter Aufrechterhaltung des PEEPs unmöglich. Messungen ergaben damals einen Lautstärkepegel in der Headbox von 95 Dezibel. Die 2 Kinder wurden im Alter von einem Jahr nochmals untersucht und es konnten keine Hörschädigungen festgestellt werden. Von den insgesamt 20 Kindern bei dieser ersten Veröffentlichung über nichtinvasive Beatmung in der Neonatologie über­lebten 16 (vgl. Gregory et al. 1971, 1333 ff).

Die CPAP-Therapie war ein signifikanter Schritt in der Neonatologie und ersetz­te bis Ende der siebziger Jahre in vielen Fällen die komplizierte Ventilator­Therapie. Mit der Entwicklung verbesserter Beatmungsgeräte verschwand die nichtinvasive CPAP Beatmung fast gänzlich aus dem Bereich der Neonatologie. Es bestand der Wunsch einer sicheren kardio-respiratorischen Kontrolle und die Surfactant Prophylaxe, ab Ende der achtziger Jahre, machte eine mechanische Beatmung unumgänglich. Abgesehen von einigen wenigen Zentren in Skandi­navien und USA erlebte die nasale CPAP-Therapie ihre Renaissance erst 20 Jahre später (vgl. Verder, Bohlin, Kamper,Lindwall, Jonsson 2009, 1401).

Eine weitere Methode der nichtinvasiven Atemhilfe für Früh- und Neugeborene ist die Verwendung der Pulmarca Box (Abb. 3). Hier wird mit subatmosphäri­schem extrathorakalem Druck, CNEP, also kontinuierlichem negativen endexpi­ratorischem Druck gearbeitet. Diese Methode ist deutlich älter, als die nasale CPAP-Therapie. In der Pädiatrie wurde diese Therapieform ursprünglich bei der respiratorischen Insuffizienz durch Poliomyelitis verwendet, die Kinder lagen in der „eisernen Lunge“. In der Neonatologie fand diese Form der Atemhilfe seit Mitte der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts Anwendung. Die Pulmarca ist kein Beatmungsgerät, sondern dient ausschließlich der Atemunterstützung. Dabei wirkt auf den Körper ein dauerhafter Unterdruck von außen ein. Die Pul- marca besteht aus einer Plexiglasunterdruckkammer, die im Inkubator platziert wird, sowie einem Steuerungsaggregat. Der Kopf des Kindes liegt außerhalb der Kammer. Abgedichtet wird die Box durch eine Irisblende, die den Hals des Kindes umschließt. Der verminderte Druck in der Kammer wirkt als Sog auf den Brustkorb. Prinzip ist auch hierbei, das Offenhalten der labilen Alveolen, um in der Exspirationsphase ein Kollabieren selbiger und die damit verbundene Bil­dung von Atelektasen zu vermeiden. Die Atemarbeit soll in der Inspirationspha­se erleichtert werden (vgl. Knoll, 2007, 3-4).

Vorteil dieser Methode ist, das Gesichtsfeld ist frei und es finden keine Manipu­lationen an der Nase statt, so dass eine übermäßige Schleimproduktion verhin­dert wird. Dadurch werden nasopharyngeales Absaugen, Schleimhautreizungen und Läsionen vermieden. Es kommt zu keiner zusätzlichen Überblähung des Magens. Diese Therapieform ist sehr ökonomisch, sie benötigt keinen Strom, es wird kein Einmalmaterial verwendet und die Box kann nach Desinfektion wieder verwendet werden. Allerdings ist die Platzierung des Kindes mit erhebli­chem Aufwand verbunden. Aufgrund der beengten Platzverhältnisse, wenn die Box im Inkubator steht, sind Pflegemaßnahmen, Blutabnahmen und Untersu­chungen umständlich und müssen koordiniert werden. Jedes Öffnen der Klappe ist mit einem kompletten Verlust der Therapiewirkung verbunden, da der aufge­baute Sog abfällt. Im Halsbereich können Hautläsionen durch die Halskrause auftreten. Wie beim CPAP kommt es bei dieser Therapieform auch zu einer gewissen Geräuschbelästigung(vgl. Knoll 2007, 5-6).

Aus der Untersuchung von Knoll geht unter anderem hervor, dass die CNEP- Therapie den Sauerstoffbedarf deutlich senkt und auch die Atemarbeit bei den meisten Patienten reduziert wurde. Allerdings konnte der transkutan gemesse­ne partielle Kohlendioxydwert nicht gesenkt werden (vgl. Knoll 2007, 67).

Auch wenn diese Form der Atemhilfe vereinzelt in der Neonatologie noch An­wendung findet, so hat sie sich gegenüber der nasalen CPAP-Therapie doch nicht durchsetzen können. Daher soll diese Therapieform der Vollständigkeit halber zwar erwähnt aber nicht näher erläutert werden. Kommen wir nun in fol­gendem Kapitel zur Entwicklung der CPAP-Systeme.

3.2. Vom „Do-it-yourself“ zum heutigen Applikationssystem

Sogenannte „Do-it-yourself“ CPAP-Systeme (also selbst gebastelte Lösungen) stellen die älteste Methode zur CPAP-Therapie da. Sie wurden Ende der sech­ziger Jahre des 20 Jahrhunderts erstmals zur Behandlung des RDS eingesetzt, unter anderem von Gregory et al., die dieses Vorgehen 1971 erstmals publizier­ten (siehe Kapitel 3.2.). Zu diesem Zeitpunkt gab es kaum Ventilatoren in der Neonatologie, so war man gezwungen andere Mittel und Wege zu finden, um die zahlreichen Lungenprobleme Früh- und Neugeborener zu behandeln. Ein „Do-it-yourself“ CPAP System besteht im Allgemeinen aus folgenden Kompo­nenten: (1) einer Flowquelle, die einen kontinuierlichen Glasfluss mit definierter Sauerstoffzufuhr erzeugt, (2) einem Anfeuchter, (3) einem Patientenschlauch- system, (4) einer Vorrichtung zur CPAP-Erzeugung und (5) einer Applikationsmöglichkeit am Patienten. Eine einfache Möglichkeit den positiven endexspiratorischen Druck zu erzeugen ist das Wasserschloss. Es besteht aus einem Behälter dessen Außenwand skaliert ist und der mit Wasser gefüllt wird. In diesen Behälter ragt ein Rohr hinein, welches mit dem Exspirationsschlauch verbunden ist. Die Höhe des Druckes wird über die Höhe des Wasserspiegels definiert. Die einströmende Ausatemluft braucht genau den angezeigten Gegendruck der Wassersäule (cm H2O), um aus dem Rohr austreten zu können. Aufsteigende Luftblasen sind sichtbar, daher wird das System auch als „Blubber CPAP“ bezeichnet. (Wahle 1998,23f). Auch heute findet diese Art des CPAP’s noch Anwendung, z.B. in dem Fisher & Paykel Bubble CPAP® System.

[...]

Ende der Leseprobe aus 81 Seiten

Details

Titel
Binasale CPAP Beatmung als pflegerische Herausforderung
Hochschule
DIPLOMA Fachhochschule Nordhessen; Zentrale
Veranstaltung
Studiengang Medizinalfachberufe
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
81
Katalognummer
V232634
ISBN (eBook)
9783656494393
ISBN (Buch)
9783656495352
Dateigröße
2681 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
binasale, cpap, beatmung, herausforderung
Arbeit zitieren
Birgit Schröder (Autor:in), 2012, Binasale CPAP Beatmung als pflegerische Herausforderung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232634

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Binasale CPAP Beatmung als pflegerische Herausforderung



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden