Gelderwerb versus sexuelle Lust

Emotionen, Illusionen und der Wirtschaftsaspekt zwischen Prostituierten und Freiern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

29 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Differenz: Freier und Prostituierte im Vergleich
2.1 Die Figur des Freiers
2.1.1 Die Beweggründe des Freiers
2.1.2 Erwartungen der Freier
2.1.3 Fremdbeobachtung: Das Wirken der Prostituierten auf den Freier
2.2 Die Figur der Prostituierten
2.2.1 Der Weg zur Prostitution
2.2.2 Stellenwert der Prostituierten in Der Gesellschaft
2.2.3 Fremdbeobachtung: Das Wirken des Freiersa uf die Prostituierte

3. “Inszenieren als Beruf“
3.1 Ist “echte Liebe“ möglich oder
(ent)emotionalisiertes Gewerbe?
3.2 Tricks und Täuschungen der Prostituierten
3.3 Interaktion zwischen Freier und Prostituierter

4. “Prostitution als Teilsystem der Wirtschaft“
4.1 Rolle des Geldes im Prostitutionsgewerbe
4.2 “Für Geld ist nicht alles käuflich“-Grenzen der Prostitution
4.3 Asymmetrie oder Einheit der Machtverhältnisse zwischen Freier und Prostituierter

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1.Einleitung

Sex ist männlich, wichtig, hat mit Liebe nichts zu tun und kann von Männern konsumiert werden.“[1]

In meiner Hausarbeit geht es um genau diese konsumierbare Sexualität - nämlich den Prostitutionssektor, welchen ich anhand des differenzierten Verhaltens von Freier und Prostituierten genauer analysieren werde.

Es gibt verschiedenste Arten von Prostitution, so kann Prostitution etwa in Bars, Clubs, Bordellen, auf dem “sauberen“ Straßenstrich, auf dem Drogenstrich, in Eros-Centern, als Escort oder telefonischer Service stattfinden.

Die Prostitution gilt als das älteste Gewerbe der Welt, denn der Tausch von sexuellen Dienstleistungen gegen eine materielle Bezahlungsart existierte schon tausende Jahre vor Christi. Außerdem seien Männer schon immer triebstark gewesen und Frauen würden seit jeher unter einem Mangel an finanziellen Mitteln leiden.[2].

Die uneingeschränkte Entfaltung unserer Persönlichkeit, die uns in der heutigen Gesellschaft gewährleistet wird, erlaubt es uns, unsere Sexualität nahezu tabulos auszuleben.[3] Früher als anstößig bzw. unanständig geltend gemachte Ausprä-gungen von Sexualität gehören heute zum Alltag. Man kann durchaus von einer „gelungenen sexuellen Revolution[4] sprechen, doch trotzdem gilt die Prostitution auch heute noch als deviantes Feld.

Nicht selten wird Prostitution mit Kriminalität, Drogenhandel, Abnormalität, Perversion und Illegalität gleichgesetzt. Die Prostitution ist demnach in unserer Gesellschaft ein brisantes Thema, erscheint uns oftmals problematisch und wird durch zahlreiche „größtenteils subtile Mechanismen der Ausgrenzung in der öffentlichen Wahrnehmung als ein Feld des Anderen und des Abnormalen reproduziert“.[5]

Trotzdem besitzt die Prostitutionsbranche einen nicht zu verachtenden Anteil am Bruttosozialprodukt, der geschlossene Vertrag der Sexualleistung gegen Entgelt ist einseitig und zivilrechtlich gültig. Prostituierte haben Zugang zu Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung.

Oftmals äußern sich die Teilnehmer der Prostitution nicht zu ihrem “Hobby“ bzw. Beruf, sondern sind beschämt oder erzählen die Unwahrheit. Aus diesem Grunde sind auch empirische Befragungen, sprich Interviews, nicht immer wahrheitsgemäß.

Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, warum sich nicht viel mehr Soziologen mit diesem, in meinen Augen hochinteressanten Thema, das schon lange mein Interesse geweckt hat, befassen. Obwohl sie zunehmend akzeptiert wird, gilt Prostitution immer noch als widernatürlich. Kann man bei der Prostitution von einer notwendigen Branche ausgehen? Was sind die Ursachen von Prostitution? Inwiefern beteiligen sich Freier und Hure (Hure gilt in meiner Arbeit als keine beleidigende Bezeichnung, sondern dient lediglich als Synonym für Prostituierte) am Prostitutionsgeschehen, wie kommt es zu einer Interaktion der Protagonisten? Ist Sex in einer Paarbeziehung nicht eigentlich schöner, als der Sex mit einer wildfremden Frau? Oder hat Prostitution durchaus auch etwas mit Liebe zu tun?

Worin besteht überhaupt der konkrete Unterschied zwischen einer Prostituierten und der vermeintlich „anständigen“ Frau? Immer wieder frage ich mich: Wie sieht es eigentlich hinter den Kulissen der Prostitution aus? Was sind die Hintergründe des Freiers und vor allem der Prostituierten? Kann man im Hinblick auf Prostitution tatsächlich von einer “anderen“ Welt sprechen, oder gibt es doch mehr Gemeinsamkeiten mit der als „normal“ bezeichneten Alltagswelt als gedacht? Welche Rolle spielt das Geld, welche die Lust?

In meiner Hausarbeit möchte ich anhand zahlreicher von mir gelesenen und von diversen Soziologen ausgewerteten Interviews auf meine Untersuchungsobjekte, nämlich die Prostituierte und den Freier genauer eingehen.

Im weiteren Verlauf der Hausarbeit werde ich die Inszenierungsarbeit der Prostituierten näher erläutern. Mein Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Emotionen beider Akteure, die Tricks und Täuschungen, die Interaktion zwischen Hure und Freier, sowie den Unterschied einer Prostituierten und einer “anständigen“ Frau.

Darüber hinaus beleuchte ich die Stellung des Freiers zu „seiner“ Hure, die Rolle des Geldes und die Tatsache, dass auch Prostituierte Grenzen setzen und für Geld eben doch nicht „alles“ käuflich ist.

Abschließend werde ich in einem Fazit die Hauptthesen in einer groben Zusammenfassung widerspiegeln.

2. Differenz: Freier und Prostituierte im Vergleich

2.1 Die Figur des Freiers:

Der Freier ist ein Mann, der einer Prostituierten für ihre Dienste ein Entgelt (nicht unbedingt Geld, können auch Drogen o.Ä. sein) zahlt, wobei es sich hierbei nicht ausschließlich um sexuelle Dienstleistungen handeln muss.

Untersuchungen besagen, dass ca.18% der Männer in Deutschland Freier sind, in großen Städten sind es sogar noch mehr .Den ersten sexuellen Kontakt mit einer Prostituierten haben die Freier im Schnitt mit 22 Jahren.[6] Ein grundlegendes Merkmal für den Freier ist die „nicht gelingende Integration sexueller Bedürfnisse in die privaten sexuellen Beziehungen und die Unzufriedenheit damit“.[7]

Männer, die Bordelle aufsuchen, leben mit der ständigen Angst “ertappt“ zu werden, somit sind „Ängste und Unsicherheiten oftmals verknüpft mit Gefühlen von Scham und Peinlichkeit“.[8] Die Prostitutionskunden sprechen meist nicht miteinander und gehen selbst davon aus, dass sie nicht angesprochen werden.[9] Deswegen begeben sich die meisten Freier Nachts auf den Weg zu der Prostituierten, da sie dann weniger beobachtet werden können und die Straßen deutlich leerer sind als am Tage.

2.1.1. Die Beweggründe des Freiers

Insgesamt gibt es nur sehr wenige Materialien und Untersuchungen, die aufzeigen, welche Bedürfnisse und Sehnsüchte die Kunden dazu bewegen, ins Bordell zu gehen. Trotzdem existieren empirische Untersuchungen über Freier und auch die Sicht aus der Perspektive der Prostituierten, welche hauptsächlich anhand von Interviews untersucht wurden.

Die Beweggründe des Kunden zum Bordellgang variieren von Freier zu Freier, die Hauptgründe werde ich in der folgenden Passage aufzeigen:

Zumeist trauen sich die Freier nicht, ihre sexuellen Wünsche und Phantasien vor ihrer Partnerin zu äußern, was bei einer Prostituierten - zumindest in den Augen des Freiers - schon eher möglich ist. Viele Männer fühlen sich bei einer Prostituierten „freier als in einer verbindlichen Beziehung“ .[10] Die Anonymität wird also gewahrt und das muss sie auch, damit der Freier wieder ohne Bedenken in sein Alltagsleben zurückkehren kann, ohne dass sein Besuch Konsequenzen mit sich zieht.

Eine Prostituierte vermerkt in einem mit ihr geführten Interview, dass es im Grunde gar nicht die Qualität des Sexuellen sei, was die Männer an der Prostitution derart schätzen, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Prostituierte „dem Freier die Möglichkeit eröffnet ,seine Wünsche und Fantasien kommunizieren zu können, ohne dafür sanktioniert zu werden“.[11] Den Männern ist es nicht nur von Bedeutung, dass sie zum Orgasmus kommen, sondern auf welchem Wege dies geschieht. Außerdem steckt hinter dem Gang zur Prostituierten eine gewisse Abenteuerlust und Neugierde, sowie die Unverbindlichkeit des Kontaktes mit der Hure, da die Freier nach dem Sexualakt keinerlei Verpflichtungen erfüllen müssen. Das Wesen der Prostitution besteht also aus einem zeitlich und räumlich klar definierten Rahmen.

Geldgesteuerte Intimkommunikation gestaltet den Sexualkontakt konsequenzlos und ohne jegliche Bindungen “danach“,da der Kunde nach dem Sexualakt keinen weiteren Kontakt mit der Prostituierten pflegt“.[12]Sowohl die das Geld betreffende, als auch die sexuelle Unternehmung gelten ausschließlich dem aktuellen Moment und tragen keinerlei Konsequenzen mit sich ,alles ist eindeutig festgelegt ,es bestehen keine festen Bindungen zwischen Freier und Hure unmittelbar nach dem sexuellen Kontakt“.[13]

Aber nicht alle Freier “besuchen“ die Prostituierte mit sexuellen Intentionen ,sondern vielmehr aus dem Grunde, dass sie eine Frau zum Zuhören und Reden brauchen, so macht Ahlemeyer beispielsweise deutlich, dass sich Prostituierte oftmals mehr als Psychotherapeutin als Prostituierte

Wenn die Freier mit der Prostituierten über ihre (Beziehungs-) Probleme sprechen, erscheint ihnen die Prostituierte nicht mehr lediglich als Sexarbeiterin, sondern als “normale“ Frau, welche „aus ihrer persönlichen Sicht heraus[15] antwortet und somit ihre Privatsphäre nicht länger versteckt hält.

Den Freiern geht es nicht lediglich um die Erfüllung ihrer sexuellen Wünsche, sondern durchaus auch um gesellschaftliches Ansehen in Form von männlicher Heterosexualität die sich deutlich von der Homosexualität, sowie dem weiblichen Geschlecht abtrennt, denn diese nehmen im Modell der hegemonialen Männlichkeit einen geringeren Status ein.

Man kann den Sektor der Prostitution demnach als einen Bereich bezeichnen, in welchem die „heterosexuelle Männlichkeit wiederhergestellt wird“.[16]

Natürlich gibt es auch Männer, die beispielsweise Sadomasochismus bevorzugen und gar nicht erst mit dem Gedanken spielen, ihre Partnerin zu involvieren oder eben solche, deren Frauen keineswegs über denselben Drang nach Sexualität verfügen

wie sie selbst und sie deshalb die Prostitution als Ersatzbefriedigung heranziehen müssen“ .[17]

Faktoren, die zum Kontakt mit einer Prostituierten führen, können auch Stress in der Beziehung, eine frische Trennung, sich etwas zu “gönnen“ , die Suche nach Entspannung ,oder wie schon gesagt gar der Wunsch nach vermeintlich devianten Dienstleistungen sein. Der Kunde nimmt die Dienstleistung der Prostituierten bewusst in Anspruch .Sie beinhaltet die Durchsetzung der sexuellen Wünsche der Freier, sowie eine Inszenierung (auf die ich später noch einmal genauer zu sprechen komme) auf Seiten der Hure.

Ebenfalls spielen Bedürfnisse des Akzeptiert Werdens, Körperkontakt mit einer (zumeist) attraktiven Dame, oder Anerkennung eine nicht außer Acht zu lassende Rolle für den Kunden. Es gibt sogar Kunden, die im Prostitutionssektor auf der Suche nach der großen Liebe sind und nach einer festen Beziehung Ausschau halten.

Viele Freier ziehen die Prostitution auch dem One-Night-Stand vor, da bei Letzterem „sozialer Druck im Raum steht, Normen erfüllt werden müssen und danach auch noch geredet werden muss“,[18] wohingegen die Prostitution, wie schon oben genannt, keinerlei Verpflichtungen nach sich zieht und von guter Qualität zeugt.

Die Schönheit der (zumindest meisten) Prostituierten ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt, weshalb sich Männer für die Prostitution entscheiden, denn im Prostitutionssektor wird den Männern der Kontakt mit Frauen ermöglicht ,die für sie in der sozialen Wirklichkeit unerreichbar sind (damit möchte ich die Gruppe der Freier keineswegs pauschalisieren, und alle Freier als “hässlich“ degradieren, das Aussehen der Freier variiert natürlich) . „Optische Konditionierungen“ werden mit der „Möglichkeit vereinfachter Zugänglichkeit“ verbunden, eine Tatsache, die bei zahlreichen Männern Interesse

Durch das attraktive Aussehen der Frauen werden die Männer quasi “angelockt“. Ein weiterer Grund für die Männer, sich an eine Prostituierte wenden zu “müssen“, ist ihre vermeintliche Triebhaftigkeit. Lust wird oftmals als natürlicher Trieb dargestellt, welcher bei Männern sehr viel stärker ausgeprägt sein soll als bei Frauen und deshalb der Mann sexuell aktiver sei, sodass sogar die Notwendigkeit der Prostitution bestünde.

So legt Sabine Grenz nahe, dass Männer ihre Triebe dramatisieren müssten, um das Positive der Potenz ausdrücken zu können.[20] Manche Freier erwecken in den Interviews sogar den Eindruck, die Lust würde die Macht über sie ergreifen und sie könnten nichts gegen diesen von außen auf sie einwirkenden Machteinfluss unternehmen, weswegen Bordelle notwendig seien.

Aus diesem Grund sei es gar nicht der Freier selbst der sich für die Prostitution entscheidet, sondern vielmehr seine Lust, was letztendlich zum Ausdruck bringen würde, dass der männliche Trieb „genetisch vorgegeben

Die Hervorhebung des Triebes als Grund für die Notwendigkeit der Prostitution kann auch deshalb existieren, weil die Prostitution in unserer Gesellschaft ein deviantes Feld widerspiegelt und mit dem Trieb als Grund, das „Irrationale der Lust im Hintergrund verschwindet“[22]

[...]


[1] Grenz 2007,

[2] ebd.,

[3] vergl. Augello 2010,

[4] ebd.,

[5] Löw, Rühne 2011,

[6] vergl.: Riecher 1995,

[7] vergl.: Velten & Kleiber 1991,

[8] Löw & Rühne 2011,

[9] vergl.: Grenz 2007,

[10] vergl. Grenz 2007,

[11] Augello 2010,

[12] Meitzler 2011,

[13] vergl.: Grenz 2010,

[14] vergl.: Ahlemeyer 1996, S. 112ff

[15] vergl.: Augello 2010,

[16] Grenz 2010,

[17] vergl.: Girtler 2004, S. 171)

[18] Augello 2010,

[19] vergl.: Ahlemeyer 2002,

[20] vergl.: Grenz 2007,

[21] ebd.,

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Gelderwerb versus sexuelle Lust
Untertitel
Emotionen, Illusionen und der Wirtschaftsaspekt zwischen Prostituierten und Freiern
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Veranstaltung
Kodierungen der Lust
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
29
Katalognummer
V232961
ISBN (eBook)
9783656489535
ISBN (Buch)
9783656491439
Dateigröße
616 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
gelderwerb, lust, emotionen, illusionen, wirtschaftsaspekt, prostituierten, freiern
Arbeit zitieren
Laura Storch (Autor:in), 2012, Gelderwerb versus sexuelle Lust, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/232961

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