Informationskampagnen der Musikindustrie zur Eindämmung von Raubkopien - Ein Vergleich der Kampagnen in Deutschland und den USA


Travail d'étude, 2004

54 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung
1.1 Die aktuelle Situation in der Musikindustrie
1.2 Ziel der Arbeit und Struktur

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Kampagnebegriff
2.2 PR-Konzeptionen
2.2.1 Strategiebestandteile
2.2.1.1 Public Relations-Ziele
2.2.1.2 Dialoggruppen
2.2.1.3 Botschaften / Positionierung
2.2.1.4 Strategische Umsetzung
2.2.2 Kommunikations-Taktik

3 Analyse der Aktivitäten in den USA und Deutschland
3.1 Strategie in den USA
3.1.1 Die Recording Industry Association of America (RIAA)
3.1.2 Übersicht über die Aktivitäten
3.1.3 Analyse / Einordnung
3.1.3.1 Soundbyting
3.1.3.2 Music United
3.1.4 Auswertung der Kampagnen in den USA
3.2 Strategie in Deutschland
3.2.1 Die Deutsche Landesgruppe der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI)
3.2.2 Übersicht über die Aktivitäten
3.2.3 Analyse / Einordnung
3.2.3.1 Copy kills Music
3.2.3.2 Mailing-Aktion der Deutschen Landesgruppe der IFPI an Unternehmen, Behörden und Universitäten im Februar / März
3.2.3.3 Pro Music
3.2.4 Auswertung der Kampagnen in Deutschland
3.3 Vergleich der Vorgehensweisen

4 Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

1.1 Die aktuelle Situation in der Musikindustrie

Die Musikindustrie befindet sich in der Krise. Die Verkaufszahlen von Tonträgern sinken fast genauso schnell, wie die Zahl von illegalen Downloads und Raubkopien steigt. Der weltweite Branchenumsatz schrumpfte von 1998 bis 2003 um ein Fünftel.1

Der Umsatz der deutschen Tonträgerindustrie ging im Jahr 2002 um 11,3 Prozent zu- rück, im ersten Halbjahr 2003 brach der Marktabsatz um weitere 16,3 Prozent ein.2 Von den zehn bestverkauften Alben in den USA wurden 2002 zusammen nur noch etwa halb so viel abgesetzt wie zwei Jahre zuvor. Für diesen Absturz werden vor allem Musikpira- ten und Raubkopierer verantwortlich gemacht. Durch die massenhafte Verbreitung des CD-Brenners - 23,5 Mio. Deutsche hatten nach einer Umfrage der GfK im August 2003 die Möglichkeit, im Haushalt auf einen CD-Brenner zurückzugreifen - ist es kein Prob- lem mehr, exakte Kopien ohne Qualitätsverlust herzustellen. Nahezu 50 Prozent aller von Januar bis August 2002 bespielten 350 Mio. Rohlinge in Deutschland wurden mit Musik bespielt (vgl. Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Inhalte der bespielten CD-Rs / CD-RWs3

Das Marktforschungsunternehmen sta-Consult kommt zu einem hiermit übereinstimmenden Ergebnis. Es stellte in einer im August 2003 durchgeführten Umfrage unter rund 2.400 Internet-Nutzern fest, dass 48 Prozent regelmäßig Musik über das Internet tauschen. 70,4 Prozent von ihnen haben dabei kein Unrechtsbewusstsein.4 Auf vier gekaufte Alben kommen sechs illegale Internet-Kopien.5

Auch Kopierschutzmechanismen haben bisher keine Wirkung gezeigt. Kurz nach Erscheinen einer neuen CD auf dem Markt ist der Kopierschutz umgangen und jeder einzelne Song steht als Datei zur freien Verfügung im Internet. Dabei interessiert die überwiegend jugendlichen Downloader kaum, wie ein Label seine Produktionskosten einspielen oder gar Künstler bezahlen soll.6

Der Gesetzgeber hat mittlerweile auf die digitalen Verwertungs- und Nutzungsmöglich- keiten urheberrechtsgeschützter Werke mit dem Mitte September 2003 in Kraft getrete- nen Gesetz zur Urheberschaft in der Informationsgesellschaft reagiert. Dabei wurde das Online-Recht in das Urheberrechtsgesetz aufgenommen. Nach dieser Rechtsänderung hat der Hersteller eines Tonträgers unter anderem das ausschließliche Recht, den Ton- träger öffentlich (z.B. im Internet) zugänglich zu machen.7 Technische Maßnahmen zum Schutz eines urheberrechtlich geschützten Werks (z.B. Kopierschutz) dürfen nicht um- gangen werden.8 Bei Verstößen droht eine Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bzw. 5 Jahren bei Gewerbsmäßigkeit oder eine Geldstrafe.9

Das Urheberrecht in den USA ist mit dem deutschen Urheberrecht vergleichbar. Allerdings beinhaltet es grundsätzlich deutlich höhere Strafandrohungen.

Jedoch ist Illegalität kein Problem, das Jugendliche quält. So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Online-Musiktauschbörsen sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Diese Börsen belasten den Umsatz der Musikindustrie. Fast die Hälfte aller häufigen Nutzer von Tauschbörsen wie KaZaA kaufen weniger CDs als zu Zeiten, in denen es noch keine Tauschbörsen im Internet gab, wie das Marktforschungsunternehmen Forrester Research herausgefunden hat.10

Tim Renner, bis vor kurzem Präsident der Universal Music Group bei Universal Music Deutschland brachte das Problem bereits 1999 auf den Punkt: „Im Grunde basiert das Problem der Musikindustrie auf dem allgemeinen Fehlurteil, dass Musik umsonst ist.“11

Deshalb ist es trotz der verschärften Rechtslage zwingend notwendig, ein Unrechtsbe- wusstsein bei den Verbrauchern zu entwickeln bzw. ein vorhandenes zu verstärken. Durch Gesetze alleine wird sich nicht viel ändern. Von Seiten der Musikindustrie wer- den deshalb seit 1999 verstärkte Anstrengungen in diese Richtung unternommen.

1.2 Ziel der Arbeit und Struktur

Gegenstand der hier vorgestellten Arbeit ist die Fragestellung, welche PR-Strategien die Verbände der Musikindustrie in den USA und Deutschland verfolgt haben und verfol- gen, um die so genannte Internet-Piraterie zu unterbinden und das Unrechtsbewusstsein der Verbraucher zu steigern. Es wird im wesentlichen untersucht, wie sich die verfolg- ten Strategien in Deutschland und den USA unterscheiden und ob die Aktivitäten ihren Zweck erfüllen.

Im Rahmen meiner Analyse werde ich mich auf die Verbandsarbeit der Musikindustrie in den USA und Deutschland bezüglich der so genannten „Internet-Piraterie“ in Hin- blick auf Tonträger beschränken. Internet-Piraterie ist eine spezielle Form von Tonträ- gerpiraterie und bezeichnet das Angebot von Musikaufnahmen über das Internet ohne Einwilligung des Rechtsinhabers. Nachfolgend wird der Begriff Raubkopie als Syn- onym für Internet-Piraterie bezüglich Tonträgern genutzt. Andere hier nicht behandelte Formen der Piraterie sind Herstellung und Vertrieb von Raubpressungen, Ident- Fälschungen und Bootlegs.

Im Folgenden wird der theoretische Hintergrund für zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit / Public Relations (PR) vorgestellt und ein Aufbau für erfolgreiche PRKonzeptionen aufgezeigt. Vorab beschreibe ich ergänzend den Zweck öffentlicher Informationskampagnen und nehme eine Abgrenzung zu PR-Kampagnen vor.

Die Erfolgskriterien einer PR-Konzeption werden auf die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des amerikanischen Verbandes Recording Industry Association of Amerika (RIAA) und der deutschen Landesgruppe der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) angewandt. Hier werde ich weiter die Unterschiede zwischen dem deutschen und dem US-amerikanischen Vorgehen darstellen und die Kommunikationsmaßnahmen auf ihren Erfolg überprüfen.

Abschließend werde ich ein Fazit bzw. eine Bewertung abgeben.

2 Theoretischer Hintergrund

2.1 Kampagnebegriff

Zu unterscheiden sind PR-Kampagnen, die grundsätzlich von am Wirtschaftsleben be- teiligten Unternehmen oder Unternehmensverbänden zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen in der Öffentlichkeit durchgeführt werden, von Informationskampagnen, die im öffentlichen Interesse liegende Ziele verfolgen.12 Auf diesen Unterschied soll hier eingegangen werden, weil in der Berichterstattung im Zusammenhang mit der Eindäm- mung von Internetpiraterie häufig fälschlicherweise von Informationskampagnen der Musikindustrie gesprochen wird. Der Begriff „Informationskampagne“ wird in der Fachliteratur mit „öffentlichen Informationskampagnen“ bzw. „Sozialkampagnen“ gleichgesetzt. Im Mittelpunkt dieser Kampagnen steht immer die soziale Verantwor- tung.13

Themen von Informationskampagnen sind beispielsweise der Gesundheitsbereich (z.B. AIDS), Sicherheit (z. B. Verkehr), Umweltprobleme (z.B. saubere Umwelt) und soziale Fragen (z.B. Ausländerintegration).

Nach Bonfadelli umfasst eine „öffentliche Informationskampagne“ die Konzeption, Durchführung und Kontrolle von systematischen und zielgerichteten Kommunikationsaktivitäten zur Beeinflussung von Problembewusstsein, Einstellungen und Verhaltensweisen gewisser Zielgruppen in Bezug auf soziale Ideen, Aufgaben oder Praktiken, und zwar im positiven, d.h. gesellschaftlich erwünschten Sinn.14

Auf den ersten Blick stehen diese Inhalte in keinem Widerspruch zu den oben angesprochenen PR-Strategien der Musikindustrie zur Unterbindung von Internetpiraterie.15 Tatsächlich haben diese PR-Strategien jedoch mit „öffentlichen Informationskampagnen“ nichts gemein, da sie ausschließlich den subjektiven Interessen der Musikindustrie dienen sollen und somit keinen sozialen Zweck erfüllen.

Bei öffentlichen Informationskampagnen geht es demgegenüber darum, „Menschen gemäß den Zielen und der Strategie der Kampagne möglichst dazu zu bewegen, zu ihrem eigenen Besten wie auch zum Wohl der Gesellschaft ihr Verhalten zu ändern.“16 Hier jedoch stehen die wirtschaftlichen Interessen der Musikverbände eindeutig im Vordergrund. Sicherlich ist langfristig auch die Zukunft der Musikindustrie bedroht, was gesellschaftlich und kulturell nicht zu begrüßen ist und auch als Argumentation im Rahmen der Kampagnebotschaften eingesetzt wird.17 Diese Kampagnen zeigen eindeutig den Charakter von klassischer PR- und Öffentlichkeitsarbeit. Wenn nachfolgend also von (Informations-)Kampagnen die Rede ist, so sind damit PR-Kampagnen gemeint und nicht öffentliche Informationskampagnen.

Auch der Konzeptionsaufbau der Kampagnen der Musikindustrie lässt sich auf die Gestaltung klassischer PR- und Öffentlichkeitsarbeit übertragen. Aus diesem Grund wird hier nicht näher auf den Aufbau öffentlicher Informationskampagnen eingegangen.

2.2 PR-Konzeptionen

Die folgende Beschreibung des Aufbaus erfolgreicher PR-Konzeptionen wird sich vor- wiegend auf das Buch zur Konzeptionstechnik von Klaus Dörrbecker / Renée Fissenewert-Gossmann „Wie Profis PR-Konzeptionen entwickeln“ beziehen. Natürlich kann und möchte ich nicht beanspruchen, dass der danach entwickelte Konzeptionsauf- bau der einzig mögliche und richtige ist. Dennoch liegt mit diesem Fachbuch erstmalig ein geschlossenes System der stufenweisen Entwicklung von Konzeptionen vor.

Mit Hilfe einer schlüssigen PR-Konzeption ist es möglich, kommunikationspolitische Problemstellungen zu lösen. Jede Konzeption besteht aus den zwei Hauptbestandteilen Strategie und Taktik. Bevor mit der Strategieentwicklung begonnen werden kann, werden mittels einer Analyse die aktuellen Probleme herausgearbeitet und bewertet. Die Probleme der Musikindustrie wurden bereits in Abschnitt 1.1 aufgezeigt.18 An dieser Stelle wird nicht näher darauf eingegangen.

Die Strategieentwicklung umfasst auf Basis der Analyse die vier Strategiebestandteile Ziele, Dialoggruppen, Botschaften / Positionierungen und strategische Umsetzung. Mit der anschließenden Kommunikations-Taktik wird die Strategie in Maßnahmen umgesetzt: Es wird bestimmt, „mit welchen Maßnahmen wann und wo und in welcher Abfolge“ die Konzeption durchgeführt wird.19

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Aufbau einer PR-Konzeption (eigene Darstellung)

Abbildung 2 gibt einen Überblick über den Aufbau einer PR-Konzeption. Erfolgreiche PR-Konzeptionen verlaufen also nach einem festgelegten Schema, auf das nun näher eingegangen wird.

2.2.1 Strategiebestandteile

2.2.1.1 Public Relations-Ziele

Zu Beginn jeder Strategie müssen die Ziele festgelegt werden. Nur wenn Ziele definiert sind, besteht die Möglichkeit, zielgerichtet zu arbeiten. Auch ist ohne die Festlegung von Zielen keine Erfolgskontrolle möglich.

PR-Ziele beschreiben den Endpunkt des geplanten Kommunikationsprozesses. Sie be- antworten die Frage, was Public Relations für die Organisation erreichen sollen. Eine gute strategische Zielsetzung zeichnet sich durch Präzision, Terminierung und mög- lichst Messbarkeit (Operationalisierung) aus.20 Hinsichtlich der im Rahmen dieser Ar- beit analysierten Fälle lässt sich bereits jetzt festhalten, dass keine Angaben über Präzi- sion, Terminierung und Messbarkeit öffentlich vorliegen, was eine genaue Erfolgskon- trolle unmöglich macht.

2.2.1.2 Dialoggruppen

Eine weitere Aufgabe des Strategieprozesses ist die genau Definition und Differenzierung von Dialoggruppen, also die Festlegung, mit wem überhaupt kommuniziert werden soll. Der Begriff „Dialoggruppe“ ist dem Begriff „Zielgruppe“ vorzuziehen, da in der Öffentlichkeitsarbeit stets ein möglichst wechselseitiger Dialog mit den definierten Gruppen angestrebt wird.21

Es sollen nur die wirklich wesentlichen Dialoggruppen identifiziert werden. Diese sollten möglichst genau beschrieben werden. Nur so ist es möglich, diese Gruppen möglichst individuell anzusprechen und die Informationsinhalte verständlich zu machen.22 Wichtig ist auch die Festlegung von „Opinion Leaders“, die die Botschaften der Kampagne glaubwürdig multiplizieren. „Opinion Leaders“ bezeichnen Menschen, deren Meinung in ihrem Wirkungsfeld für wichtig gehalten wird.23

2.2.1.3 Botschaften / Positionierung

PR-Botschaften „fassen den inhaltlichen Kern der PR-Konzeption zusammen. Sie sagen, welche Inhalte bei den Dialoggruppen vermittelt werden müssen, damit die Ziele der Kampagne erreicht werden.“24 Es werden also die Kommunikationsinhalte festgelegt. Die PR-Botschaften müssen auf die Lebenssituation der Adressaten abgestimmt sein, um an ihre Motivation anknüpfen zu können.

Die Positionierung ist das gewünschte Ergebnis der vermittelten Dialoginhalte. Sie „präzisiert den angestrebten inhaltlichen Kommunikationsstatus der Organisation im Hinblick auf die gestellte Aufgabe.“25

2.2.1.4 Strategische Umsetzung

Die strategische Umsetzung formuliert, mit welchem Maßnahmenbündel und auf welche Art und Weise die Kampagne ihr Ziel erreichen soll. Sie beschreibt den Weg, der das anstehende Kommunikationsproblem löst und der zum Ziel führt.26

Es werden die wichtigsten Gruppen von PR-Mitteln festgelegt, mit denen die Botschaf- ten zu transportieren sind. So wird beispielsweise festgelegt, ob die Kampagne mittels Massenkommunikation durchgeführt werden soll oder ob selektiv vorgegangen werden soll. Die strategische Umsetzung ist eine verbindliche Vorgabe für die nachfolgende Taktik.27

Mit diesem letzten Strategiebestandteil ist der „strategische Block“ vollständig abgeschlossen. Es folgt nun die konkrete Umsetzung der vier Strategiepositionen.

2.2.2 Kommunikations-Taktik

Die Kommunikations-Taktik umfasst die zu ergreifenden Maßnahmen zur Strategieum- setzung. Diese Maßnahmenplanung legt in konkreten Handlungsanweisungen fest, „mit welchen Maßnahmen wann und wo und in welcher Abfolge die Kampagne durchgeführt wird.“28

Zusammengehörende Maßnahmen werden in Projekte und - gegebenenfalls aufgrund der Menge der Maßnahmen - Teilprojekte untergliedert. Alle Maßnahmen werden mit einer Zeitplanung versehen, um wirksame Abläufe und zeitliche Bündelungen zu planen sowie einen nachvollziehbaren Ablauf zu erhalten, damit ein schlüssiger Aufbau der Kampagne sichergestellt ist.

Auch die Feedbackplanung wird geprüft. Hier wird festgestellt, ob die einzelnen Maßnahmen genügend kommunikativ sind, d.h. ob genügend Maßnahmen für die Dialoggruppen zur Rückkopplung vorgesehen sind. Beispiele für Feedbackmöglichkeiten sind Antwortkarten bei Mailings, aber auch Veranstaltungen, an denen sich Personen der festgelegten Dialoggruppen aktiv beteiligen können.29

3 Analyse der Aktivitäten in den USA und Deutschland

In diesem Abschnitt werden die Strategien der Verbände der Musikindustrie in den USA und Deutschland dargestellt und analysiert.

Zunächst stelle ich jeweils kurz die Verbände RIAA (USA) und Deutsche Landesgruppe der IFPI vor. Darauf folgt eine chronologische Zusammenfassung der bisherigen PR- und Öffentlichkeitsarbeit, um einen Gesamtüberblick über die Verbandstätigkeit bezüglich der Internet-Piraterie zu erhalten.

Die Aktivitäten werden in die in Abschnitt 2.2 dargestellte PR-Konzeption übertragen. So ist es möglich, die PR-Ziele, Dialoggruppen, Botschaften und Maßnahmebündel sowie das PR-Programm der jeweiligen Verbände hinsichtlich ihrer konzeptionstechnischen Geschlossenheit zu analysieren und zu bewerten.

3.1 Strategie in den USA

3.1.1 Die Recording Industry Association of America (RIAA)

Die Recording Industry Association of America (RIAA) ist der Verband, der die US- amerikanische Musikindustrie repräsentiert. Mitglieder sind über 350 amerikanische Tonträgerhersteller, die 90 Prozent aller Verkäufe in den USA auf sich vereinen.30 Im Herbst 1999 vereinbarte die RIAA eine gemeinsame Initiative mit der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI). Als Teil dieser koordinierten globalen Strategie übernimmt die RIAA die Bekämpfung von Internet-Piraterie in den USA.

3.1.2 Übersicht über die Aktivitäten

Mit der zunehmenden Verbreitung des Audio-Kompressionsverfahrens MP3 verstärkten sich die Aktivitäten der RIAA ab 1998, um gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet vorzugehen. Zunächst versuchte man, schnellstmöglich eine klare Rechtslage zu schaffen und sorgte dafür, dass neue Gesetze erlassen wurden, die dem Schutz des Urheberrechts im digitalen Zeitalter dienen. Die RIAA geht gezielt gegen Webseiten mit unautorisierten Angeboten von Musikstücken im MP3-Format vor.

Anfang 1999 ist die Verbreitung von Musiktiteln im MP3-Format bereits zu einem Flä- chenbrand geworden. In der Liste der meistgesuchten Begriffe in Suchmaschinen belegt „MP3“ noch vor dem Begriff „Sex“ den ersten Platz.31 Die RIAA reagiert im September 1999 mit einer ersten Kampagne. Die „Soundbyting-Kampagne“ beinhaltet Informationen für Lehrkräfte an Universitäten und Schulen sowie eine Webseite, die zu einer Diskussion über Musik im Internet aufruft.32

Zeitgleich etabliert sich die rasant wachsende erste Musiktauschbörse Napster, ein so genanntes Peer-to-Peer Programm, das die Recherche nach MP3-Dateien zentral steuert und den Nutzern ermöglicht, kostenlos Musik im Internet zu tauschen. Schon nach kur- zer Zeit haben viele Millionen Nutzer das Programm auf ihrem Computer installiert. Die RIAA reicht umgehend eine Klage gegen den Betreiber von Napster ein. Auf Initia- tive der RIAA wird in vielen amerikanischen Universitäten die Nutzung von Napster verboten. Im Juli 2000 gewinnt die RIAA den Napster-Prozess und sämtliche urheber- rechtlich geschützten Titel müssen aus dem Index des Programms entfernt werden. Napster legt Berufung ein, doch zur Verhandlung kommt es nicht mehr, da die Bertels- mann AG - Inhaberin einer der größten Plattenfirmen, die von der RIAA vertreten wer- den - in Napster investiert und sich aus dem Prozess zurückzieht, um das Geschäftsmo- dell auf einen legalen kostenpflichtigen Service umzustellen. Im Juli 2001 stellt Napster seinen Dienst ein, um sich für die Neuerungen zu restrukturieren.

Doch Filesharing - das Napster-Konzept - wird zu einem Phänomen, was sich nicht einfach unterbinden lässt. Kaum war Napster als erste Tauschbörse geschlossen, folgten neue, die auf einer anderen Technologie basierten. Die Betreiber dieser Programme wie KaZaA, Morpheus oder Grokster haben keinen Einfluss darauf, welche Inhalte von den Nutzern getauscht werden, da die Struktur dieser Programme dezentral angelegt ist. Die RIAA erhebt Klage gegen Napster-Nachfolger, verliert den Prozess aber mit der Be- gründung, die Verantwortung liege bei den Nutzern und nicht bei den Betreibern. Der Konflikt zwischen dem Schutz des Urheberrechts und den Tauschbörsen scheint in der Praxis unlösbar.

Im September 2002 startet die RIAA gemeinsam mit weiteren kleineren amerikanischen Musikverbänden eine große Antipiraterie-Kampagne, die sich an die Nutzer der Tauschbörsen richtet: „Music United“. Im Rahmen dieser Kampagne nimmt die RIAA im Frühling 2003 über die Chat-Funktion der Tauschbörsen-Programme direkten Kontakt zu den Nutzern auf. In den Botschaften wird darauf hingewiesen, dass geschütztes Material angeboten werde, was strafbar sei. Auch eine problemlose Identifikation der Nutzer über die IP-Adresse sei möglich.33

Um den Nutzern von Tauschbörsen die Lust am Herunterladen zu verderben, werden von den Musikkonzernen zunehmend falsche Musikstücke in die Netzwerke einge- schleust.34 Die Dateigröße dieser Titel entspricht denen des Originaltitels, doch statt des gesamten Titels ist nur der Refrain in einer Endlosschleife oder Stille zu hören.

Ende Juni 2003 kündigt die RIAA Klagen gegen Nutzer von Tauschbörsen an. Man halte - so die ausdrückliche Erklärung der RIAA - nach Nutzern Ausschau, die „be- trächtliche“ Sammlungen von MP3-Musikdateien zum Download bereitstellten. Erklär- te Absicht der RIAA ist es also, gezielt gegen so genannte „heavy user“ vorzugehen.35

Durch Lobbyarbeit gelingt es zudem, in Tageszeitungen vermehrt Artikel zu lancieren, die die negativen Auswirkungen von Internet-Piraterie herausstellen. So erscheint in der auflagenstarken Tageszeitung „USA Today“ eine Sonderbeilage mit „Facts about file sharing“.36

Es bleibt nicht nur bei der Androhung von Klagen. Im September 2003 werden die ersten Klagen gegen 261 Tauschbörsen-Nutzer eingereicht. Gleichzeitig wird ein Amnestieangebot für Tauschbörsenteilnehmer unter der Bedingung unterbreitet, dass sie versichern, künftig keine geschützten Songs mehr anzubieten.37

Auch Minderjährige sind von der Klagewelle betroffen. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass auch diejenigen keinen Freibrief für Musikpiraterie erhalten, die noch nicht volljährig sind“, stellt RIAA-Vizepräsident Matt Oppenheim klar.38

Daraufhin ist eine Abnahme des Tauschverkehrs um 20 Prozent bei dem populärsten Tauschprogramm KaZaA zu verzeichnen. Schon nach wenigen Wochen steigen die Nutzerzahlen aber wieder an.

Die RIAA-Klagen sind zunehmend in die Kritik geraten, da sie anscheinend doch nicht so zielgerichtet sind, wie vom Verband immer wieder behauptet. So wurde z. B. eine 65-jährige Frau angeklagt, deren Computer nicht über die technische Möglichkeit zum Herunterladen von Musik verfügt.39

Aktuell läuft eine neue Klagewelle der RIAA.

3.1.3 Analyse / Einordnung

An dieser Stelle werden die einzelnen Kampagnen nach dem bereits in Abschnitt 2.2 beschriebenen PR-Konzeptionsschema von Dörrbecker und Fissenewert-Gossmann analysiert und anschließend bewertet.40

Zunächst wird die „Soundbyting-Kampagne“ aus dem Jahr 1999 betrachtet, anschließend die seit dem 2002 laufende Kampagne „Music United“.

3.1.3.1 Soundbyting

Sachverhalt:

Die Zielsetzung dieser Kampagne war es, einen Aufruf zur Diskussion über Musik im Internet zu starten. Schüler und Studenten sollte ein Grundverständnis über den Teil des Urheberrechts vermittelt werden, der Musik im Internet betrifft. Die Anerkenntnis der kreativen Arbeit und der Rechte der Künstler stand im Mittelpunkt.

Als Dialoggruppen wählte die RIAA Studenten an Colleges und Universitäten. Sie waren bereits stark internet-affin und stellten illegale MP3-Webseiten - für jedermann frei verfügbar - ins Internet. Universitätscomputer wurden oft dazu genutzt, derartige Webseiten zu erstellen und ins Internet zu stellen. Um diese Personen zu erreichen, wurde eine Mittlergruppe nötig, die durch die RIAA persönlich ansprechbar war und die wiederum mit der Dialoggruppe in Kontakt treten konnte. Als Kontaktpersonen wählte die RIAA Lehrkräfte. Die Botschaft der Kampagne lag in der Vermittlung des geltenden Urheberrechts und den drohenden Konsequenzen bei Verstößen dagegen. Als Positionierung sollte erreicht werden, dass Studenten begreifen, dass sie unrecht han- deln und zukünftig keine illegalen Musikangebote mehr bereitstellen. Mit der s trategi- schen Umsetzung wurde bestimmt, dass Studenten über die Ansprache ihrer Lehrer für das Thema sensibilisiert werden sollten. Den Lehrern sollte hierfür ein Lehrmodul zur Verfügung gestellt werden.

Nach diesen strategischen Festlegungen konnte mit der Kommunikations-Taktik begon- nen werden. Es wurde ein Lehr-Modul an Colleges und Universitäten versandt. Dieses Modul umfasste neben Hintergrundinformationen zur RIAA, einer Faktensammlung über die rechtliche Situation und einer Erklärung der relevanten Urheberrechtsparagra- phen auch Zeitungsartikel zum Thema. Darüber hinaus wurde eine Struktur für eine 50-minütige Unterrichtsstunde vorgeschlagen. Sämtliche Informationen wurden auch auf der Webseite www.soundbyting.com zur Verfügung gestellt. Den Lehrkräften wur- den zusätzlich Argumentationshilfen geliefert, mit denen sie die Studenten überzeugen sollten. Auch sollten Studentenvereinigungen und Meinungsführer auf dem Campusge- lände gewonnen werden, ihre ablehnende Meinung über illegale MP3-Angebote zu verbreiten. Öffentliche Diskussionen sollten Aufmerksamkeit erzeugen und die Studen- ten für das Thema sensibilisieren.

Ob es Feedbackmöglichkeiten gegeben hat, um auch mit der Musikindustrie selbst ei- nen Dialog zu führen, ist unklar und kann heute auch nicht mehr überprüft werden, da die Webseite www.soundbyting.com schon seit längerer Zeit nicht mehr besteht.

[...]


1 Vgl. Schulz (2003)

2 Vgl. Deutsche Landesgruppe der IFPI (2003a)

3 Datenquelle: Filmförderungsanstalt (2003), Folie 12

4 Vgl. sta-Consult (2003)

5 Vgl. Elsen (2004), S. 32

6 Vgl. Bethge (2003), S. 19

7 Vgl. UrhG (2003), § 85

8 Vgl. UrhG (2003), § 95a

9 Vgl. UrhG (2003), § 108

10 Vgl. Forrester Research (2003)

11 o. V. (1999), S. 18

12 Vgl. Bonfadelli (2000), S. 96

13 Vgl. hierzu ausführlich Bonfadelli (2000), S.93-119 und Röttger (2002)

14 Vgl. Bonfadelli (2000), S. 96

15 Vgl. Abschnitt 1.1, S. 3 und Abschnitt 1.2, S. 4

16 Vgl. Bonfadelli (2000), S. 97

17 Vgl. Abschnitt 3.2.3.1, S. 18

18 Vgl. Abschnitt 1.1, S. 1

19 Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 103

20 Vgl. Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 58f.

21 Vgl. Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 64

22 Vgl. Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 64

23 Vgl. Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 67.

24 Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 71

25 Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 72

26 Vgl. Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 74

27 Vgl. Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 76

28 Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 103

29 Vgl. Dörrbecker / Fissenewert-Gossmann (2003), S. 83

30 Vgl. RIAA (2003a)

31 Vgl. Wege (2000)

32 Die Webseite www.soundbyting.com und Unterlagen zu dieser Kampagne werden heute von der RIAA nicht mehr bereitgestellt. Die Kampagnenunterlagen werden nur noch vom Cali- fornia Institute of Technology online zur Verfügung gestellt.

33 Vgl. o. V. (2003a)

34 Vgl. o. V. (2002)

35 Vgl. RIAA (2003b)

36 Vgl. Scwartz (2003)

37 Vgl. RIAA (2003c)

38 o. V. (2003b)

39 Vgl. o. V. (2003c)

40 Vgl. S. 6ff.

Fin de l'extrait de 54 pages

Résumé des informations

Titre
Informationskampagnen der Musikindustrie zur Eindämmung von Raubkopien - Ein Vergleich der Kampagnen in Deutschland und den USA
Université
FHM University of Applied Sciences  (Fachbereich Medienwirtschaft)
Cours
Studium in der Praxis
Note
1,3
Auteur
Année
2004
Pages
54
N° de catalogue
V23320
ISBN (ebook)
9783638264648
Taille d'un fichier
2102 KB
Langue
allemand
Annotations
SIP-Arbeit.
Mots clés
Informationskampagnen, Musikindustrie, Eindämmung, Raubkopien, Vergleich, Kampagnen, Deutschland, Studium, Praxis
Citation du texte
Frank Lefering (Auteur), 2004, Informationskampagnen der Musikindustrie zur Eindämmung von Raubkopien - Ein Vergleich der Kampagnen in Deutschland und den USA, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/23320

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