Genau betrachtet, entspricht der Titel dieser Arbeit nicht ganz der historischen Realität. Wenngleich die Römer im Zuge ihrer Eroberungen und auswärtigen Beziehungen in Einzelexpeditionen bis in die Ostsee, bis südlich der Sahara und - in Gestalt fahrender Händler - gar bis nach China vordrangen, so war es doch nie in erster Linie der Entdeckungsgeist, der sie dazu veranlasste.
Zumeist handelte es sich um militärisch motivierte Erkundungen, seltener auch um solche aufgrund von Handelsabsichten oder einfach um eine Irrfahrt.
Die Römer glänzten als Krieger, Staatsmänner und Juristen; die Wissenschaft überließen sie anderen.
Bereits Polybios klagte über die geographische Unwissenheit der Römer. Er unternahm für seine Historien - eine römische Geschichte in 40 Büchern - ausgedehnte Reisen nach Spanien, Gallien, in die Alpen, nach Pontos, Syrien und Ägypten. Aber er war ja auch Grieche.
Die Motive ungeachtet, leistete manch ein römischer Feldherr Großes für die Geographie. Von jenen und anderen weitgereisten Römern soll hier in Auszügen berichtet werden.
Römische Entdeckungsreisen
von Oliver H. Herde
Genau betrachtet, entspricht der Titel dieser Arbeit nicht ganz der historischen Realität. Wenngleich die Römer im Zuge ihrer Eroberungen und auswärtigen Beziehungen in Einzelexpeditionen bis in die Ostsee, bis südlich der Sahara und - in Gestalt fahrender Händler - gar bis nach China vordrangen, so war es doch nie in erster Linie der Entdeckungsgeist, der sie dazu veranlasste. Zumeist handelte es sich um militärisch motivierte Erkundungen, seltener auch um solche aufgrund von Handelsabsichten oder einfach um eine Irrfahrt.
Die Römer glänzten als Krieger, Staatsmänner und Juristen; die Wissenschaft überließen sie anderen.
Bereits Polybios klagte über die geographische Unwissenheit der Römer.[1] Er unternahm für seine Historien - eine römische Geschichte in 40 Büchern - ausgedehnte Reisen nach Spanien, Gallien, in die Alpen, nach Pontos, Syrien und Ägypten. Aber er war ja auch Grieche.
Die Motive ungeachtet, leistete manch ein römischer Feldherr Großes für die Geographie. Von jenen und anderen weitgereisten Römern soll hier in Auszügen berichtet werden.
Caesar in Britannien
Nicht genug damit, dass Gaius Iulius Caesar mit Gallien ein kaum bekanntes Land eroberte und gar einen kurzen, wenn auch anscheinend missglückten Vorstoß über den Rhein unternahm. Die ständigen Hilfstruppen, die aus Britannien die gallischen Bruderstämme unterstützten, veranlassten ihn, auch dort die römische Militärmacht zu präsentieren.[2] Ob er darüber hinaus auf eine Eroberung der Insel spekulierte, ist nicht belegt.
Im Vorfeld wurden Händler befragt, die jedoch nur spärliche Auskünfte über Britannien erbrachten. Caesar glaubte ihnen, wie er sagt, dass sie nichts über Ausmaße und Völkerschaften der Insel wüssten.[3] Doch bestanden die Handelsbeziehungen schon zu lange, als dass diese Behauptung der Handelsleute realistisch erscheint. Vermutlich wollten sie lediglich ihre Beziehungen nicht verraten und nicht auf ihre alleinige Kenntnis, die ihnen so viel Gewinn erwirtschaftete, verzichten.
So schickte Caesar den Offizier Gaius Volusenus mit einem einzigen Kriegsschiff voraus, die Lage zu erkunden. Caesar selbst sammelte seine Truppen und Schiffe dort, wo er die Überfahrt am kürzesten vermutete. Nachdem sich bereits britische Stämme freiwillig unterworfen hatten, wurde bei günstigem Wetter mit wohl deutlich über 100 Schiffen ohne Zwischenfälle nach Britannien übergesetzt. Dies geschah im August 55 vor unserer Zeitrechnung.
Es folgte ein kurzer erfolgreicher Kriegszug. Vier Tage später wurden 18 Schiffe mit Reitern erwartet. Diese jedoch gerieten in einen Sturm, dass 12 besonders beschädigte Schiffe später ausgeschlachtet werden mussten, um Material für die Reparatur der anderen zu bekommen. Auch später wurde die Flotte durch widrige Winde und Strömungen bei ihrer Rückkehr nach Gallien im September 55 behindert, ohne jedoch ernsten Schaden zu nehmen.
Im Folgenden beschreibt Caesar kurz die Insel und ihre Bewohner.[4] Dabei muss berücksichtigt werden, dass sein Zug nur bis zur Themse gelangte. Alle Angaben die jenseitiges Gebiet betreffen, bekam Caesar nur durch Hörensagen.
Unter dem Vorwand, es habe zu wenig Geiseln gegeben, unternahm Caesar einen zweiten Kriegszug nach Britannien im Sommer 54. Mögen beide Expeditionen auch nicht ungewöhnlich erfolgreich gewesen sein, so war doch Caesars Reiseleistung für damalige Verhältnisse enorm. Seit der in der Antike oft als unwahr abgetanen Fahrt des Pytheas[5] zu den Zinninseln Britannien 300 Jahre zuvor hatte es keinen Bewohner der Mittelmeerwelt hierhin verschlagen.
Erkundungsfahrten für den Germanenkrieg
Drusus, jüngerer Bruder des späteren Kaisers Tiberius, rückte in den Jahren 12 bis 9 v.u.Z. über die Weser bis an die Elbe vor. Er legte die ersten Kastelle im freien Germanien an und wagte sich als erster Römer in die Nordsee. Zumeist hielt er sich dort jedoch mit seiner Flotte dicht an der germanischen Küste. In Unkenntnis der Gegend blieben einmal während der Ebbe die Schiffe im Watt liegen und konnten nur mit Hilfe befreundeter Friesen wieder befreit werden.[6]
Sein Bruder Tiberius Claudius Nero war im Jahre 5 u.Z. Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Germanen. Während er selbst an der Elbe operierte, ließ er vermutlich im Hochsommer eine Flotte die Ausdehnung der Germanen im Norden erkunden. Die Expedition startete „an der Rheinmündung“.[7] Man glaubte, „ad solis orientis regionem“ - in östlicher Richtung also - zu fahren,[8] in Wirklichkeit wird es eine nordöstliche gewesen sein. Die Flotte gelangte zum Kimbern-Kap[9], querte das Skagerrak und landete schließlich an der Küste von Götaland oder Telemarken, wo sie ein überfeuchtes Land ohne militärischen oder wirtschaflichen Nutzen vorfand.[10] Deshalb kehrte man um und stieß über die Elbmündung zu Tiberius.
Hin- und Rückfahrt erfolgten ohne große Zwischenfälle, was dem besonders guten Wetter zu verdanken war. Aber auch auf dieser Fahrt saßen die Schiffe mehrmals bei Ebbe auf dem trockenen.
Hatte bereits im Jahre 9 die berühmte Varusschlacht im Teutoburger Wald den Römern einen schweren Schlag gegen das selbstbewusste Auftreten in Germanien versetzt, so sollte ein anderes Ereignis die römischen Interessen hier endgültig auf längere Zeit hinaus lähmen.
Des Tiberius Sohn Drusus Germanicus fuhr mit einer Flotte die germanische Küste entlang, als man in ein schweres Unwetter geriet. Die Flotte wurde weit verstreut. Man musste Ballast abwerfen, um nicht zu sinken. Alles wurde über Bord geworfen, schließlich selbst die mitgeführten Pferde. Einige Schiffe sollen auf dem Meer an Säulen des Herakles vorbeigeschwemmt worden sein. Vermutlich wurde hier Helgoland gesichtet, da es dort die einzigen steilen Klippen in dieser Gegend gibt und der Hauptinsel ein weißer Nebenfelsen vorgelagert stand. Das Gipsgestein wurde von den neuzeitlichen Inselbewohnern abgetragen und verkauft, bis den kläglichen Rest 1711 eine Sturmflut fortspülte.[11]
Der Geschichtsschreiber Tacitus beschreibt in seinen Annalen den Vorfall:[12] „Wie sich der Ozean durch Wildheit und Germanien durch unfreundliches Klima vor anderen Ländern auszeichnet, so übertraf jenes Unglück durch Neuartigkeit und Umfang jede Vorstellung.“ Das dürfte sicher als übertrieben zu betrachten sein, doch zeigt es deutlich die Sicht der Römer auf, die nie gerne zur See fuhren und das ruhigere Mittelmeer gewohnt waren.
Durch Glück wurde des Drusus Schiff an die gallische Küste verschlagen, von wo aus er nach Abzug des Sturmes nach den vermissten Schiffen und Besatzungen suchen ließ. Einige hatte es bis nach Britannien getrieben, andere mussten von den befreundeten germanischen Ampsivariern anderen Stämmen aus dem Binnenland abgekauft werden.
Die Beschreibungen der Legionäre strotzen von furchtbaren Meeresungeheuern. Einige hatten bis zu ihrer Rettung von angeschwemmten Pferdekadavern leben müssen. Es war ein ebenso traumatisches Ereignis wie die Teutoburger Schlacht. Man zog sich wieder hinter den Rhein zurück.
„Fahrt bis Thule!“
Noch während Gnaeus Iulius Agricola, der Schwiegervater des Tacitus, Statthalter in Britannien war, wurde eifrig diskutiert, ob es sich dabei denn wirklich um eine Insel handele. Dies nämlich ging aus dem schon erwähnten Reisebericht des Pytheas aus Massalia[13] hervor. Es waren also abermals in erster Linie militärische Zwecke, die Agricola erzielte, als er 84 eine Expedition aussandte, die Wahrheit festzustellen, Britannien wenn möglich zu umfahren und nicht umzukehren, bevor man nicht Thule erreicht habe. Letzteres war eine Insel aus des Pytheas Bericht, von der bis heute nicht sicher ist, welchen Ort er gemeint haben mag.
[...]
[1] vgl. Ritter, S. 94
[2] Caes. gall. 4,20
[3] ebenda
[4] Caes. gall. 5,12
[5] ausführlich bei Oliver H. Herde: Auf den Spuren des Pytheas von Massalia; 2006/2009
[6] Dio 54,32
[7] Res gestae divi Augusti (Monumentum Ancyranum) 5,14
[8] ebenda
[9] Plin. nat. 2,167; heute Kap Skagen
[10] Hennig, S. 333
[11] Hennig, S. 343
[12] Tac. ann. 23 f
[13] lat. Massilia, heute Marseille
- Citation du texte
- M.A. / Dipl.Kfm.(FH) Oliver H. Herde (Auteur), 1996, Römische Entdeckungsreisen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233315