Die St. Petersburger Kunstkammer

Die Kunstkammer innerhalb der Reformbemühungen Peters des Großen auf dem Gebiet der Wissenschaften


Hausarbeit, 2011

18 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Peter der Große und seine Faszination für die Wissenschaft
2.1 Kindheit und Bildung Peters des Großen
2.2 Der „Neue Russe“
2.3 Auslandsreisen

3 Die St. Petersburger Kunstkammer
3.1 Aufbau und Entwicklung
3.2 Das Ordnungsprinzip
3.3 Die Monster des Zaren
3.4 Bedeutung und Entwicklung der Kunstkammer

4 Schlusswort

5 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der russische Zar Peter der Große (1672 - 1724) ging als der große Reformer Russlands des 18. Jahrhunderts in die Geschichte ein. So veranlasste er unter anderem eine Neuordnung der Sozialverfassung und der russischen Wirtschaft. Ebenso entwickelte Peter der I. bereits früh eine Faszination für die angewandten Wissenschaften, die ihn sein ganzes Leben lang begleiten sollte. Eine seiner bedeutenden Errungenschaften, neben jenen auf politischer und militärischer Ebene, stellt die so genannte St. Petersburger Kunstkammer dar, für die er weltweit leidenschaftlich Objekte sammelte, die ihm – gerade auch im wissenschaftlichen Sinne – besonders wertvoll, wunderlich oder wichtig erschienen. So ist dem Katalog des Museums zu entnehmen:

“Who can doubt the use, the pleasure, and even the necessity of studying nature? What joy can compete with the feeling one gets from examining an elegant Cabinet of Curiosities? […] If the science can add to the well-being of the people, […] then knowledge of nature and collections of its wonders can only help.”[1]

Die Reform der russischen Wissenschaften, oder vielmehr die Entdeckung und Einführung derselben in Russland durch Peter den Großen, ist gekennzeichnet durch die Zielstrebigkeit und die Vielseitigkeit in ihrer Umsetzung. Dabei wies dem russischen Zaren die frühaufklärerische Bewegung Europas den Weg und führte ihn zu seinem Konzept des „Neuen Russen“ (siehe Kapitel 2.2).Der gemeine Russe sollte anhand der Idee des praktischen Lernens von seinem Hang zum Aberglauben geheilt und anhand einer streng weltlich ausgerichteten Erziehung zum rational, ja wissenschaftlich denkenden Menschen diszipliniert werden. So stehen der Körper des Menschen und seine Kultur bis heute im Mittelpunkt der petrinischen Kunstkammer, die, so meine These, exemplarisch für die damals noch in den Kinderschuhen steckenden Reformbemühungen Peters des Großen auf dem russischen Wissenschaftsgebiet steht.

In meiner Arbeit werde ich zunächst die Erziehung und Bildung Peter des Großen und seine persönliche Geschichte im Hinblick auf seine spätere Faszination mit der Wissenschaft kurz skizzieren. Daran schließt sich die Erläuterung des Konzepts des „Neuen Russen“ und die Beschreibung von Peters Auslandsreisen an, die eine wesentliche Motivation für die Einrichtung der bis heute berühmten St. Petersburger Kunstkammer bildeten. Der Hauptteil befasst sich schließlich mit dem Aufbau und der Entwicklung derselben. Anschließend wird die der Sammlung zugrunde liegende Ordnung sowie besondere Sammelobjekte Peters beschrieben. Im letzten Kapitel folgt ein kurzer Ausblick auf die weitere Entwicklung der Wissenschaften in Russland anhand der Akademie der Wissenschaften und der Rolle der Kunstkammer mit anschließendem Schlusswort.

2 Peter der Große und seine Faszination für die Wissenschaft

2.1 Kindheit und Bildung Peters des Großen

Am 9. Juni 1672 wurde Peter der Große im Moskauer Kreml als vierzehntes Kind des Zaren Alexej Michailowitsch und dessen zweiter Frau, Natalja Kirillowna Naryschkina geboren.[2] Nach dem Tod seines Vaters und seines Halbbruders Fjodor bestieg Peter im Alter von zehn Jahren zusammen mit seinem Halbbruder Iwan den russischen Thron. Als Wohnsitz bevorzugte der junge Zar die Sommerresidenz im nahe Moskau gelegenen Dorf Preobraschenskoje. Dort wuchs er, fern vom russischen Hof, unter der Obhut seiner Mutter Natalja auf. Peter der Große erhielt eine traditionelle moskowitisch-orthodoxe Erziehung, die Bildung umfasste lediglich das Erlernen von Lesen, Schreiben und Rechnen. Unterrichtet wurde er von Gesandten der Regierung, die jedoch keine großen Erfolge erzielen konnten. So ist auch die lebenslange Schwäche des Zaren in der Rechtschreibung und Schönschrift bekannt.[3]

Später soll Peter der I. seine Töchter zur Dankbarkeit über ihre umfassende, westlich orientierte Bildung angeregt und sich über seine eigene mangelnde Bildung mit den Worten „I was deprived of all that in my youth“[4] beklagt haben. Was die Orthographie des Zaren zu wünschen übrig ließ, machte dieser mit seiner Faszination für wissenschaftliche Neuheiten wieder wett. Die nie versiegende Wissbegierde Peters wird besonders deutlich an dessen späterem Ausspruch: „I am a student and I seek teachers.“[5] Dabei galt sein besonderes Interesse dem handwerklichen Arbeiten – so soll er sich auf bis zu vierzehn Handwerke, darunter das der Hebamme und des Zahnarztes, verstanden haben.[6]

Schon als Kind war Peter von mathematischen und astronomischen Instrumenten fasziniert. Die forschende Tätigkeit während Zar Peters Jugend wurde bestimmt von der Frage, wie die Dinge funktionierten und wie sie nützlich und zweckmäßig angewendet werden konnten. Das praktische Ziel stand für ihn klar im Vordergrund. Die Liebe zum technischen Detail und strikter Organisation ist weiterhin an Peters Spielregiment in Preobrashenskoje zu sehen, einer kleinen Armee bestehend aus Gleichaltrigen, mit denen er militärische Übungen simulierte. Seine Begeisterung für die wissenschaftlichen Errungenschaften der westlichen Welt und die Neugierde, mit der er ihr begegnete, wird weiterhin an seinen regelmäßigen Besuchen in der moskowitischen Ausländervorstadt Nemetskaja sloboda deutlich. Hier ließ er sich inspirieren vom Können der ausländischen Handwerker und erkundigte sich nach den Verhältnissen in Europa und den westlichen Wissenschaften.[7] Durch seine Beziehungen zur Ausländervorstadt erhielt Zar Peter erste Impressionen der damaligen westeuropäischen Lebensweise. Der Kontakt zu den Europäern löste in dem jungen Zaren eine große Wissbegierde aus, die in ihm wohl schließlich den Wunsch aufkeimen ließ, Russland auf dasselbe wissenschaftliche Niveau zu führen.

2.2 Der „Neue Russe“

Die gemeine russische Bevölkerung des 17. Jahrhunderts lebte in einer abgegrenzten Welt und besaß nur eine äußerst vage Vorstellung von anderen Ländern und Völkern. Bereits als junger Zar erkannte Peter „despite his own inadequate education […] that education was a key that could unlock Russian potential”[8] und verstand die Bedeutung von Bildung und Wissenschaft für die Weiterentwicklung der russischen Kultur.[9]

Allerdings sah sich der weltoffene Zar mit seinen modernisierenden Reformideen erheblichen Widerständen seitens der orthodoxen Kirche ausgesetzt. Bis zu diesem Zeitpunkt oblag der Schulunterricht in Russland allein der Kirche; Universitäten oder Akademien waren im damaligen Russland unbekannt. Die Wissenschaft wurde als Zauberei betrachtet, Fremde als Ketzer und der Zar in der Rolle des Wissensvermittlers gar als Antichrist bezeichnet. Der junge Herrscher war jedoch entschlossen, die Kirche und ihre Gläubigen vom Aberglauben und dem Wunderschwindel zu säubern.[10] Beständig hielt er seine Helfer dazu an, das Volk wahrheitsgemäß über alle Naturvorgänge zu unterweisen und so abergläubischen Vorstellungen entgegenzuwirken.[11]

Peters Reformen waren gekennzeichnet durch die Abwendung von den Ideen des alten Russlands und der Orientierung am Westen. Beinflusst von den Idealen der frühen Aufklärung Europas, bestanden für den Zaren die Voraussetzungen für die Entwicklung der Wissenschaft ausschließlich aus dem Verstand und der Vernunft. Um Anschluss an das ihm fortschrittlich erscheinende Europa zu finden, sah Peter der Große das Ziel seiner Regierung darin, aus „Barbaren“ schnellstmöglich „Ebenbilder Gottes“ zu machen und sie „aus der Finsternis der Unwissenheit“ zu befreien.[12] Dabei ging er stets mit der ihm eigenen Ungeduld vor, die kennzeichnend ist für jegliche seiner Reformen. So war Peter I. bestrebt, Russlands Bildungssystem von Grund auf zu reformieren. Der russische Zar focht einen ständigen Kampf aus und versuchte „to overcome their ’freakish manners’ and to transform them [die russische Bevölkerung, Anm. d. Verf.] into ’modern, civilised’ persons.“[13]

So sollte die russische Bevölkerung an der europäischen Lebensweise und dessen weltlichem Wissensstand nicht nur teilhaben, sondern auch selbst zu wissenschaftlichen Erkenntnissen kommen. Denn was nütze es, so der Zar, „wie ein junger Vogel immerzu in den Schnabel der Älteren zu schauen.“[14] Jedermann war zum Mitdenken ermahnt. Zar Peter war überzeugt, dass ein „new type of Russian citizen was to be produced.”[15] Der russische Herrscher beabsichtigte, seinem Volk allgemeine Kenntnisse und Bildungselemente der damaligen Zeit, kurzum die Grundlegung der neuzeitlichen Allgemeinbildung nahe zu bringen.[16] Das russische Wort für Bildung, „prosveschchenie“, bedeutet wörtlich übersetzt Erleuchtung, was wohl auch genau die Relevanz widerspiegelt, die Peter der I. ihr beimaß.[17] St. Petersburg bildete als neue Hauptstadt die Umgebung für den neuen Menschen und die Kunstkammer, als Speicher des Wissens, ist darin als Sinnbild für den sich entwickelnden Intellekt des neuen Russen zu betrachten.

[...]


[1] Baird, Olga A.: ”I want the people to observe and to learn! The St Petersburg Kunstkamera in the eighteenth century.” In: History of Education 37 (2008), S. 547.

[2] vgl. Donnert, Erich: Peter der Grosse. Leipzig 1988, S. 17.

[3] vgl. ebd., S. 31.

[4] Hughes, Lindsay: Peter the Great. A biography. New Haven u.a. 2002, S. 10.

[5] Hughes, Lindsay: Russia in the Age of Peter the Great. New Haven u.a. 1998, S. 299.

[6] vgl. Donnert, Peter der Große, S. 32.

[7] vgl. Albedil, Margarita F.: Peter der Große, St. Petersburg und die Kunstkammer. In: Buberl, Brigitte / Dückershoff, Michael (Hrsg.): Palast des Wissens. Die Kunst - und Wunderkammer Zar Peters des Großen. München 2003, S. 25.

[8] vgl. Hughes, Russia in the Age of Peter the Great. S. 299.

[9] vgl. Donnert, Peter Große, S. 149.

[10] vgl. Wittram, Reinhard: Peter I Czar und Kaiser. Zur Geschichte Peters des Großen in seiner Zeit. Göttingen 1964, S. 213.

[11] vgl. Donnert, Peter der Große, S. 175.

[12] vgl. Donnert, Erich: Kultur und Wissenschaften im Reformwerk Peters des Großen. In: Ders. (Hrsg.): Europa in der frühen Neuzeit.Festschrift für Günther Mühlpfort. Köln u.a. 2008, S. 686.

[13] Hughes, Peter the Great, S. 127.

[14] Albedil, Margarita F.: Peter der Große, St. Petersburg und die Kunstkammer, S.28.

[15] Hughes, Russia in the Age of Peter the Great, S.299.

[16] vgl. Wittram, Peter I. Czar und Kaiser, S. 198.

[17] vgl. Naarden, Bruno: Reflections on Peter the Great and education in Russia. In: Mertens, F.J.H. (Hrsg.): Reflections on Education in Russia. Leuven u.a. 1995, S.133.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die St. Petersburger Kunstkammer
Untertitel
Die Kunstkammer innerhalb der Reformbemühungen Peters des Großen auf dem Gebiet der Wissenschaften
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Geschichtswissenschaften)
Veranstaltung
Zar und Zimmermann. Peter der Große und seine Zeit
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
18
Katalognummer
V233521
ISBN (eBook)
9783656504511
ISBN (Buch)
9783656506003
Dateigröße
518 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
petersburger, kunstkammer, reformbemühungen, peters, großen, gebiet, wissenschaften
Arbeit zitieren
Sam Kneissler (Autor:in), 2011, Die St. Petersburger Kunstkammer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233521

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