Alle zwölf Caesarenviten Suetons` sind grundsätzlich nach dem kategorisierenden Schema statt dem chronologischen Ordnungsprinzip aufgebaut. Diese Art der Darbietung scheint dabei je nach Notwendigkeit und Nützlichkeit zur Charakterisierung eines Kaisers vom Autor abgeändert worden zu sein.
Da nicht alle Kaiser die gleiche Stofffülle bieten, lag es für Sueton auf der Hand die Schwerpunkte jeweils anders zu setzen.
Dadurch ergeben sich bezüglich des Aufbaus der einzelnen Biografien immer wieder neue Anordnungen derselben Rubriken und es lassen sich oft Besonderheiten in der Komposition entdecken.
Die Domitianvita scheint deshalb für eine Untersuchung der verschiedenen Abschnitte besonders gut geeignet zu sein, weil sie zum einen mit der Darstellung des Todes in der Mitte der Biografie eine ganz besondere Auffälligkeit bietet und zum anderen, weil sie die letzte der Kaiserviten ist und damit eine exponierte Stelle am Ende der Schrift einnimmt.
Wie beeinflusst nun aber die äußere Form der Biografie die Darstellung des Inhalts und damit die Wirkung auf den Leser und mit welchen Mitteln erreicht der Autor seine Absichten?
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
I. Sueton: Leben und Werk des Autors
II. Biografie und Geschichtsschreibung
III. Suetons biografische Technik
IV. Die Domitian – Biografie
a. Der Kaiser Domitian
b. Der Aufbau der Domitian – Biografie
c. Überblicksschema
V. Schlussbemerkungen
VI. Literatur
VII. Anhang
0. Einleitung
Alle zwölf Caesarenviten Suetons` sind grundsätzlich der Tradition der Biographie folgend nach dem kategorisierenden Schema statt dem chronologischen Ordnungsprinzip aufgebaut.
Diese Art der Darbietung scheint dabei je nach Notwendigkeit und Nützlichkeit zur Charakterisierung eines Kaisers abgeändert worden zu sein, wie es schon zu Anfang des 20. Jahrhunderts Friedrich Leo dargestellt hat[1].
Da nicht alle Kaiser die gleiche Stofffülle bieten ( u. a. weil ihre Lebens- u. Regierungszeit unterschiedlich lang war als auch ihre Charaktere verschieden), lag es für Sueton auf der Hand die Schwerpunkte jeweils anders zu setzen.
Dadurch ergeben sich bezüglich des Aufbaus der einzelnen Biografien immer wieder neue Anordnungen derselben Rubriken und es lassen sich oft Besonderheiten in der Komposition entdecken.
Die Domitianvita scheint mir deshalb für eine Untersuchung der verschiedenen Abschnitte und Themenrubriken bzw. der Anordnung des Materials besonders gut geeignet zu sein, weil sie zum einen mit der Darstellung des Todes in der Mitte der Biografie eine ganz besondere Auffälligkeit bietet und zum anderen, weil sie die letzte der Kaiserviten ist und damit eine exponierte Stelle am Ende der Schrift einnimmt. Wie beeinflusst nun aber die äußere Form der Biografie die Darstellung des Inhalts und damit die Wirkung auf den Leser und mit welchen Mitteln erreicht der Autor seine Absichten?
In der folgenden Untersuchung dieser Fragestellung möchte ich zuerst auf grundlegende Aspekte zum Werdegang Suetons[2], zur Literaturgattung und zum Schreibstil Suetons eingehen, bevor ich dann im Hauptteil speziell auf die äußere Form der Domitianbiografie zu sprechen kommen möchte.
I. Sueton: Leben und Werk des Autors
Gaius Suetonius Tranquillus wurde um 70 / 71 n. Chr. als Sohn einer ritterlichen Familie aus Hippo Regius ( bei Annaba/Bone) geboren; sein Tod wird auf die Jahre nach 122 n. Chr. angesetzt[3]. Alles, was wir von ihm wissen, müssen wir entweder seinen erhaltenen Werken selbst oder den Schriften seiner Zeitgenossen entnehmen. Für Sueton selbst hatte sich leider nie ein Biograf gefunden, da man in der Antike immer mehr an der schriftstellerischen Tätigkeit als am Autor selbst interessiert war. Informationen über den Menschen Sueton haben wir heute vorwiegend Plinius Caecilius Secundus dem Jüngeren zu verdanken, dessen Briefwechsel mit unserem Autor in 10 Büchern bis heute überliefert ist. In seiner Jugend, die er unter den letzten beiden Flaviern Titus und Domitian verbrachte, erhielt er die damals übliche rhetorische Ausbildung, was ihm später in seiner Tätigkeit als Gerichtsredner und Literat in Rom von Nutzen war. Unter Kaiser Traian wurden ihm erstmals verantwortungsvolle Aufgaben zugeteilt. So übertrug man ihm die Zuständigkeit für den kaiserlichen Beraterdienst und die Bibliotheken Roms. Unter Hadrian wurde ihm durch Vermittlung des Gardepräfekten Septicius Clarus[4] der hohe Posten eines Vorstehers der kaiserlichen Korrespondenz-Kanzlei ab epistulis zuteil, den er in den Jahren 117-122 ausübte[5].
Über Suetons schriftstellerische Tätigkeit ist zu sagen, dass viele seiner Exponate entweder vollständig oder aber zumindest teilweise verschollen sind. Die einzig vollständig erhaltenen Arbeiten sind die Lebensbeschreibungen der Kaiser in zwei Bänden[6] von 1. Caesar bis Nero ( 48 v.- 68 n. Chr.) und 2. von Galba bis Domitian ( 68- 96 n Chr.). Die Einleitung zu diesen 12 Kaiserviten und der Beginn der Caesarbiografie ist aber im Lauf der Zeit verloren gegangen. Neben den Kaiserviten wird häufig noch die Schrift "De viris illustribus", eine Sammlung von Kurzbiographien über bedeutende Männer ihrer Zeit, als Suetons Hauptwerk angegeben. Von diesen sind aber nur die Viten über die Grammatiker und Rhetoren, sowie einige sehr gekürzte Dichterbiografien ( z. B. Terenz, Vergil u. Horaz ) erhalten. Insgesamt - schätzt Otto Wittstock - dass heute zwei Drittel von Suetons Gesamtwerk verloren sind[7].
II. Biografie und Geschichtsschreibung
In der Antike bestand zwischen Biografie und Geschichtsschreibung ein großer Unterschied: die Biografie schilderte Personen, die Historiografie Ereignisse. Aber auch die Vorstellung von dem, was wir heute von einer Biografie erwarten, nämlich die innere und äußere Entwicklung einer Person / Persönlichkeit unter verschiedenen Einflüssen, war zur Zeit Suetons noch nicht so beschaffen und wurde deshalb auch noch nicht herausgearbeitet. „Der antiken Lebensbeschreibung fehlt allerdings dieser letztere entscheidende Begriff fast gänzlich; sie zeigt uns nie das Werden einer Persönlichkeit, sondern immer nur ihr im Wesentlichen unverändertes Sein[8]
Im 1. Jahrhundert v. Chr. gab es zwei verschiedene Arten der Biografie: Der Gelehrte Terentius Varro hatte die wissenschaftlich-literarische Biografie aus dem griechischen Kulturkreis in Rom eingeführt. In seinem Hebdomades vel de imaginibus genannten Werk zeichnet er ca. 700 Portraits berühmter Griechen und Römer, denen er chronologisch exakte Biografien zur Seite stellt. Cornelius Nepos hatte dagegen zur selben Zeit in seiner Schrift De viris illustribus jeweils einem Griechen einen Römer gegenüber gestellt. Er legte dabei allerdings weniger Wert auf die Darstellung des jeweiligen Lebenslaufs, sondern mehr auf die Persönlichkeit des Einzelnen. In Rom war schon von der Zeit des älteren Cato ( 234 – 149 v. Chr. ) an, der in seinen Origines noch absichtlich keinerlei Namen genannt hatte, die Person dem Staat bzw. dem Gemeinwohl untergeordnet. Das Individuum galt nichts, der Staat alles.
In der Zeit der punischen Kriege und dem folgenden Jahrhundert der Bürgerkriege wurde die Einzelperson dann immer wichtiger; diese Tendenz zeigte sich besonders deutlich auf politischer Bühne am Aufkommen des Julius Caesar, dem Prototypen des Individuums. Die bestehende Herrschaftsform der Res Publica hörte mit ihm auf zu bestehen und der Prinzipat etablierte sich entgültig unter Augustus ( 27 v.Chr – 14 n.Chr ).
Für uns zeigt sich dieses Verhältnis des Römers zur einzelnen Person heute noch in den römischen Portraits, die im Gegensatz zu ihren griechischen Pendants realistisch mit allen Falten und Auffälligkeiten wiedergegeben wurden und so hinter den bewahrten Gesichtszügen die Persönlichkeit erahnen ließen[9].
Varro und Nepos waren also die ersten, die einem Bedürfnis Rechnung trugen, das sich in Rom immer mehr bemerkbar machte: das Streben die einzelne Person hervortreten zu lassen. Besonders deutlich wird diese Entwicklung, wenn man die wissenschaftlich – nüchterne Geschichtsschreibung des Cato mit der des Tacitus ca. 200 Jahre später vergleicht: Taten und Handlungen werden nun fast ausschließlich dazu benutzt Persönlichkeiten hervortreten zu lassen, und besonders kann man dies an Tacitus´ Agricola erkennen, in dem er das Leben seines Schwiegervaters anhand dessen Tatenberichts beschreibt und damit Historie und Biografie in einzigartiger Weise verschmelzen lässt[10].
Die schriftstellerische Leistung Suetons als reiner Biograf wird heute noch oft als gering eingeschätzt. Diese Auffassung rührt hauptsächlich aus dem 19. Jahrhundert, als die Vertreter kritischer Geschichtsschreibung Suetons Biografien auf ihre Brauchbarkeit für die Erstellung eines neuen Geschichtsbildes musterten und als mangelhaft einstuften. Die Schriften entbehrten demnach einer exakten Chronologie, seien in ihrer Betrachtungsweise einseitig und befangen und durch die durchgängige Rubrizierung lediglich mechanisch geordnet und inhaltlich auseinander gerissen. Sueton bringe viele unwichtige Einzelheiten und sei nie darauf bedacht das Bild einer Persönlichkeit zu zeichnen, geschweige denn ihrer inneren Entwicklung. Überall seien nur Fragmente, aber nirgends ein wirkliches Ganzes. Sueton sei lediglich ein gewissenhafter Sammler von Daten, Fakten und Belegen, die er scheinbar ohne Gewichtung ihrer Bedeutung und Herkunft nebeneinander stellt, um das Material möglichst bequem zugänglich zu machen. Die Biografie verstünde nicht zwischen Nebensächlichem und Wichtigem zu unterscheiden, ließe bedeutende Ereignisse beiseite und hätte nicht die Fähigkeit den Stoff in einer wirklich geschlossenen Darstellung zu präsentieren[11]. Für einen heutigen Leser, der ohne weitere Vorkenntnisse die Kaiserviten liest, mögen tatsächlich einige Zusammenhänge im Dunklen bleiben und wer dies als Mangel werten möchte, dem möge dies gestattet sein.
Suetons` Biographien sind jedoch vollkommen auf die Darstellung der Person ausgerichtet, um ein Bild ihrer Persönlichkeit zu zeichnen. Von diesem Punkt ausgehend ist es verständlich, dass viele kleine Einzelheiten, die die Kaiser betreffen, berichtet werden anstatt auf größere geschichtliche Zusammenhänge einzugehen[12][13].
Der Leser soll erfahren, wie sich in den Handlungen eines Mannes sein Charakter kundtut, aus den Nachrichten über das ganze Leben soll er das Bild einer ganzen Persönlichkeit gewinnen.[14]
Die oft negative Bewertung der Kaiserviten hängt laut Townend[15] davon ab, dass man die literarische Form nicht berücksichtige und die Biografien nach den Maßstäben anderer historischer Quellen interpretiere.
Sueton wollte aber keineswegs diese Ansprüche der Geschichtsschreibung erfüllen. So erwähnt er selbst mehrfach seine Darstellungsweise in den Kaiserviten ( → Aug. 9; 61,1; Tib.42; N. 19,3 ), und zeigt so, dass sie weder zufällig noch ungewollt ist.
Außerdem schrieb Sueton wohl für einen Leserkreis ( Senatoren u. Ritter ), bei dem er die Kenntnis von aktuellen sowie von vergangenen Ereignissen voraussetzen konnte und so konnte er auf die Erläuterung historischer Zusammenhänge verzichten.
Allerdings erreichte er mit seinen Schriften ein weit größeres Publikum und übte in der Folgezeit einen erheblichen Einfluss in der Literaturgeschichte aus; sein Beispiel machte derart Schule, dass alles, was nach Sueton kam, Biografie war. Erst im 4. Jahrhundert trat mit Ammianus Marcellinus wieder ein lateinisch schreibender Geschichtsschreiber auf[16]. Und der war bezeichnenderweise nicht Römer, sondern Grieche[17]
[...]
[1] In: Leo, F. Die griechisch-römische Biographie nach ihrer literarischen Form, Leipzig 1901
[2] Sueton hat seine Jugendjahre unter der Herrschaft Domitians verbracht. Dieser Aspekt dürfte die Domitianvita für Sueton zu etwas besonderem gemacht haben, da er aus seiner eigenen Erinnerung schreiben konnte
[3] das genaue Datum des Todes ist unbekannt, der letzte Terminus antequem liegt im Jahr 122 n. Chr, als Sueton bei Kaiser Hadrian in Ungnade fiel und aus seinem Amt entlassen wurde
[4] dem Septicius Clarus widmet Sueton dann später seine Vitae Caesarum
[5] Vgl. DNP: B.5, S.
[6] ursprünglich wohl in acht Büchern erschienen, wobei den ersten sechs umfangreich beschriebenen Kaisern je ein Buch gewidmet ist, ein weiteres den drei Kaisern des Jahres 69 und das letzte den drei Flaviern
[7] Vgl. Wittstock: S. 14 – 15.
[8] Vgl. Till in: Heinemann, S.15 der Einleitung
[9] Vgl. Till in: Heinemann, S. 26 der Einleitung
[10] Vgl. Till in: Heinemann, S. 21 der Einleitung
[11] Vgl. Steidle S. 1 - 2
[12] Vgl. W. Steidle, Sueton und die antike Biographie, S. 11
[13] beispielssweise werden in der Caesarbiografie der Krieg in Gallien und der Bürgerkrieg nur am Rande erwähnt und auch nur dann, wenn es zur Beschreibung der Person wichtig war
[14] Vgl. Leo, S. 185
[15] Vgl. Townend, Suetonius S. 92; in: Lambrecht S. 15
[16] allerdings traut sich wohl auch Ammian nicht wirklich ausschließlich Geschichtliches darzustellen und fügt knappe Würdigungen der vorkommenden Personen ein, die ebenfalls nach Suetons biografischem Schema aufgebaut sind
[17] Vgl. Wittstock S. 17
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